Gerechtigkeit und Brüderlichkeit

Die ökonomische Schule steht in sehr vielen Punkten in Opposition zu den zahlreichen sozialistischen Schulen. Sie geben sich als fortschrittlicher aus und sind — wie ich gerne zugebe — aktiver und populärer. Wir haben zu Gegnern (ich will nicht sagen Verleumdern) die Kommunisten, die Fourieristen, die Owener, Cabet, L.Blanc, Proudhon, P.Leroux und manch andere.

Bemerkenswert ist aber, dass sich diese Schulen untereinander mindestens ebenso sehr unterscheiden wie sie sich von uns unterscheiden. Sie müssen daher einerseits alle ein gemeinsames Prinzip anerkennen, dass wir nicht anerkennen. Andererseits muss dieses Prinzip zu der unendlichen Vielfalt führen, die wir unter ihnen sehen.

Ich glaube, was uns radikal unterscheidet, ist dieses:

Die politische Ökonomie kommt zu dem Schluss, VOM GESETZ nichts zu fordern als die allgemeine Gerechtigkeit.

Der Sozialismus, in seinen verschiedenen Zweigen, und durch Maßnahmen von naturgemäß unbeschränkter Zahl, fordert außerdem VOM GESETZ die Verwirklichung des Dogmas der Brüderlichkeit.

Nun, wie sieht es aus? Der Sozialismus nimmt mit Rousseau an, dass die ganze gesellschaftliche Ordnung im Gesetz liegt. Bekanntlich lässt Rousseau die Gesellschaft auf einem Vertrag basieren. Louis Blanc sagt schon auf der ersten Seite seines Buches über die Revolution: „Das Prinzip der Brüderlichkeit ist dasjenige, welches die Mitglieder der Volksgemeinschaft als solidarisch betrachtet und eines Tages die Gesellschaften, die Menschenwerk sind, nach dem Modell des menschlichen Körpers organisieren will, der ein Gottes Werk ist.“

Wenn die Gesellschaft Menschenwerk ist, das Werk des Gesetzes, müssen die Sozialisten daraus folgern, dass es in der Gesellschaft nichts gibt, was nicht vorher vom Gesetzgeber angeordnet und arrangiert worden ist.

Als sie also sahen, dass die politische Ökonomie sich darauf beschränkt, VON DEM GESETZ immer und für alle allgemeine Gerechtigkeit zu fordern, dachten sie, dass sie keine Brüderlichkeit in gesellschaftlichen Beziehungen gelten lasse.

Die Überlegung ist schlüssig. „Da die Gesellschaft ganz im Gesetz liegt“, sagen sie, „und da Ihr vom Gesetz nur Gerechtigkeit fordert, verbannt Ihr also die Brüderlichkeit aus dem Gesetz, und folglich aus der Gesellschaft.“

Daher diese Unterstellungen der Starrheit, der Kälte, der Härte, der Trockenheit, die man auf die ökonomische Wissenschaft und ihre Anhänger gehäuft hat.

Aber kann man den Vordersatz zugestehen? Ist es wahr, dass die ganze Gesellschaft im Gesetz enthalten ist? Man wird in Folge sehen, dass wenn das nicht so ist, alle diese Anschuldigungen in sich zusammenfallen.

Wie! Wenn wir sagen, dass das positive Recht, das immer mit Autorität handelt, durch Gewalt, gestützt auf Zwang, das als Sanktion das Bajonett zeigt oder das Verlies, das auf eine Strafandrohung hinausläuft, wenn wir sagen, dass das Gesetz, das weder Neigung, noch Freundschaft, noch Liebe, noch Entsagung, noch Hingabe, noch Opfer verordnet, erst recht nicht das verordnen kann, was all dies zusammenfasst: die Brüderlichkeit, vernichten oder leugnen wir diese edlen Eigenschaften unserer Natur? Wahrlich nicht. Wir sagen nur, dass die Gesellschaft mehr umfasst als das Gesetz, dass außerhalb und jenseits des Gesetzes sehr viele Taten vollbracht werden und eine Flut von Gefühlen strömt.

Ich meinerseits protestiere im Namen der Wissenschaft entschieden gegen diese erbärmliche Auslegung, wonach wir, weil wir im Gesetz eine Grenze sehen, damit alles leugnen, was außerhalb dieser Grenze ist. Ah! Glaubt nur, auch wir begrüßen dies Wort Brüderlichkeit begeistert, das einmal vor achtzehnhundert Jahren von der Höhe des heiligen Berges gefallen ist und für immer auf unsere republikanische Fahne geschrieben bleibt. Auch wir wünschen uns zu sehen, dass die Individuen, die Familien, die Nationen sich vereinigen, füreinander einstehen, sich untereinander helfen auf der mühsamen Reise des sterblichen Lebens. Auch wir fühlen bei der Erzählung großmütiger Taten unser Herz schlagen und unsere Tränen fließen, sei es, dass sie im Leben einfacher Bürger glänzen, sei es, dass sie verschiedene Klassen vereinigen, sei es vor allem, dass sie die Völker beflügeln, die zur Vorhut des Fortschritts und der Zivilisation berufen sind.

Und will man uns nur auf uns selbst verweisen? Nun gut! Möge man unsere Taten prüfen. Ja, wir wollen gerne zugestehen, dass die zahlreichen Publizisten, die in unseren Tagen im Menschenherzen sogar das Gefühl des Eigeninteresses ersticken wollen, die sich so unbarmherzig gegen das wenden, was sie Individualismus nennen, deren Mund sich unaufhörlich mit den Worten: Hingabe, Opfer, Brüderlichkeit füllt; wir wollen gerne zugestehen, dass sie ausschließlich diesen hehren Motiven folgen, die sie anderen empfehlen; dass sie als Vorbild so gut wie als Ratgeber taugen, dass sie dafür gesorgt haben, ihr Verhalten in Einklang zu ihren Lehren zu bringen. Wir wollen ihnen gerne glauben, auf ihr Wort voll Selbstlosigkeit und Wohltätigkeit; aber es soll uns doch erlaubt sein zu sagen, dass wir auf diesem Gebiet den Vergleich nicht scheuen.

Ein jeder solche Decius hat einen Plan, das Glück der Menschheit herbeizuführen, und alle stellen es so dar, als ob wir sie nur bekämpfen, weil wir entweder um unser Vermögen oder um andere gesellschaftliche Vorteile fürchten. Nein, wir bekämpfen sie, weil wir ihre Ideen für falsch halten, ihre Projekte für ebenso kindisch wie verderblich. Wäre uns gezeigt worden, dass man das Glück durch eine künstliche Organisation oder, indem man Brüderlichkeit verordnet, auf ewig auf die Erde herabbringen kann, so gäbe es unter uns Leute, die — obwohl Ökonomen — dieses Dekret mit Freuden mit ihrem letzten Blutstropfen unterzeichnen würden.

Doch es wurde uns nicht gezeigt, dass sich Brüderlichkeit auferlegen lässt. Eben wenn sie überall, wo sie auftritt, so lebhaft unsere Sympathie erregt, dann gerade weil sie außerhalb gesetzlichen Zwanges handelt. Brüderlichkeit ist spontan oder es gibt sie nicht. Sie verordnen heißt sie zerstören. Das GESETZ kann wohl den Menschen zwingen, gerecht zu sein. Vergeblich würde es versuchen, ihn zu zwingen, hingebungsvoll zu sein.

Nicht ich bin es im Übrigen, der diese Unterscheidung erfunden hat. So wie ich es gerade sagte, sind diese Worte vor achtzehnhundert Jahren dem Munde des göttlichen Gründers unserer Religion gekommen:

Das Gesetz sagt euch: Fügt nicht anderen zu, was ihr nicht wollt, dass man es euch tue.
Und ich, ich sage euch: Tut anderen, was ihr wollt, dass andere für euch tun.

Ich denke, diese Worte ziehen die Grenze zwischen Gerechtigkeit und Brüderlichkeit. Ich denke, sie zeichnen eine Trennungslinie, die zwar nicht absolut und unüberwindlich, aber theoretisch und vernünftig ist, zwischen dem Bereich, der vom Gesetz umschrieben wird und dem unendlichen Reich menschlicher Spontaneität.

Wenn sehr viele Familien, die alle, um zu leben, sich zu entwickeln und sich zu vervollkommnen, allein oder zusammen arbeiten müssen, einen Teil ihrer Kräfte zusammenlegen, was können sie von dieser gemeinsamen Macht anderes fordern, als den Schutz aller Personen, aller Arbeiten, aller Besitztümer, aller Rechte, aller Interessen? Was ist dies anderes als die allgemeine Gerechtigkeit? Offensichtlich hat das Recht eines jeden das ganz gleiche Recht aller anderen zur Grenze. Das Recht kann also nichts anderes tun, als diese Grenze anzuerkennen und ihr Respekt zu verschaffen. Wenn sie einigen zugesteht, sie zu brechen, wäre es zum Schaden einiger anderer. Das Gesetz wäre ungerecht. Mehr noch, wenn es diesen Eingriff vornähme statt ihn nur zuzulassen.

Nehmen wir zum Beispiel das Eigentum: Das Prinzip ist, dass jedem gehört, was er mit seiner Arbeit geschaffen hat, mag diese Arbeit auch vergleichsweise mehr oder weniger geschickt, ausdauernd, glücklich, und folglich mehr oder weniger produktiv gewesen sein. Wenn zwei Arbeiter ihre Kräfte vereinigen wollen, um das Produkt dann nach vereinbarten Anteilen zu teilen, oder wenn sie ihre Produkte untereinander tauschen wollen, oder wenn der eine dem anderen eine Gefälligkeit oder ein Geschenk machen will, was hat das Gesetz damit zu tun? Nichts, scheint mir, als nur, die Ausführung der Übereinkünfte zu überwachen, Diebstahl, Gewalt und Betrug zu hindern oder zu bestrafen.

Heißt dies, dass es einen Akt der Hingabe und der Großzügigkeit verbieten würde? Wer könnte einen solchen Gedanken hegen? Aber ginge es so weit, ihn zu verordnen? Hier ist genau der Punkt, wo sich Ökonomen von Sozialisten scheiden.

Wenn die Sozialisten sagen wollten, dass der Staat für außergewöhnliche Umstände, für dringende Fälle gewisse Ressourcen bereitstellen muss, bei manchem Unglück helfen, bei manchem Umbruch beistehen muss, mein Gott, wir würden einverstanden sein. Das ist geschehen, wir wünschten, dass es besser gemacht würde. Es gibt aber einen Punkt auf diesem Wege, den man nicht überschreiten darf. Es ist der, wo die Vorsorge der Regierung die individuelle Vorsorge zunichte macht und sie ersetzt. Ganz offensichtlich schafft die organisierte Wohltätigkeit in diesem Falle mehr andauerndes Übel als vorübergehendes Wohl.

Aber es handelt sich hier nicht um Ausnahmemaßnahmen. Was wir untersuchen ist: Hat das Gesetz, allgemein und theoretisch betrachtet die Aufgabe der Grenze der  vorherbestehenden gegenseitigen Rechte Respekt zu verschaffen, oder vielmehr direkt den Menschen Glück zu verschaffen, indem es Taten der Hingabe, der Entsagung und gegenseitiger Opfer anregt?

Was mir an diesem letzteren System auffällt (und deshalb werde ich in dieser in Eile verfassten Schrift oft darauf zurückkomme), ist die Unsicherheit, die es über die menschliche Tätigkeit und ihre Ergebnisse verbreitet, ist das Dunkel, vor das es die Gesellschaft stellt, ein Dunkel, das alle ihre Kräfte lähmen kann.

Gerechtigkeit: da weiß man, was sie ist, wo sie ist. Sie ist ein Fixpunkt, unverrückbar. Nehme das Gesetz sie zum Führer, dann weiß jeder, woran er sich halten soll und kann sich folglich danach einrichten.

Aber Brüderlichkeit: wo ist ihr Fixpunkt? Wo ist ihre Grenze? Was ist ihre Form? Offensichtlich ist sie unendlich. Die Brüderlichkeit besteht darin, ein Opfer für jemand anderen zu bringen, für jemand anderen zu arbeiten. Wenn sie frei ist, spontan, freiwillig, erkenne ich sie an und spende ihr Beifall. Ich bewundere das Opfer um so mehr, je vollständiger es ist. Aber wenn man es zum inneren Prinzip der Gesellschaft macht, dass Brüderlichkeit per Gesetz auferlegt wird, das heißt auf gut deutsch, dass die Früchte der Arbeit über das Gesetz verteilt werden, ohne Rücksicht auf die Rechte aus der Arbeit selbst: Wer kann dann vorhersagen, in welchem Maße dieses Prinzip wirken, in welche Form eine Laune des Gesetzgebers es kleiden kann, in welchen Einrichtungen ein Dekret es von heute auf morgen verwirklichen kann? Nun, ich frage, ob unter diesen Bedingungen eine Gesellschaft existieren kann.

Man bemerke wohl, dass das Opfer von Natur aus nicht wie die Gerechtigkeit eine Grenze hat. Es reicht vom Almosen, den man in die Schale eines Bettlers wirft, bis zur Hingabe des Lebens, usque ad mortem, mortem autem crucis. Das Evangelium, das die Menschen die Brüderlichkeit gelehrt hat, lehrte sie durch seine Ratschläge. Es hat uns gesagt: „Wenn man euch auf die rechte Backe schlägt, bietet auch die linke Backe dar. Wenn euch jemand den Rock nimmt, gebt ihm auch den Mantel.“ Es hat uns die Brüderlichkeit nicht nur erklärt, es hat uns das vollständigste, bewegendste und erhabenste Beispiel dafür auf dem Gipfel von Golgatha gegeben.

Also gut! Wird man sagen, dass die Gesetzgebung wirklich bis zur Verwirklichung des Dogmas der Brüderlichkeit auf administrativem Wege vorstoßen muss? Oder wird sie auf halbem Wege stehen bleiben? Aber bei welchem Punkt wird sie halt machen und nach welcher Regel? Das wird heute von einer Wahl abhängen, morgen von einer anderen.

Gleiche Unsicherheiten bei der Form. Handelt es sich darum Opfer Einiger für Alle einzuführen, oder Aller für Einige? Wer kann mir sagen, wie das Gesetz das machen wird? Denn man kann nicht leugnen, dass die Zahl der brüderlichen Verhaltensweisen unendlich ist. Es vergeht kein Tag, wo mir nicht fünf oder sechs mit der Post zugehen, und alle wohlgemerkt vollkommen verschieden. Ist es nicht wirklich töricht zu glauben, dass eine Nation nur etwas moralische Ruhe und materiellen Wohlstand genießen kann, wenn es im Prinzip zugelassen ist, dass der Gesetzgeber sie von heute auf morgen ganz und gar in eine der hunderttausend brüderlichen Gussformen gießen kann, die er augenblicklich bevorzugt?

Sei es mir erlaubt, das ökonomische und das sozialistische System in ihren ins Auge fallenden Konsequenzen zu vergegenwärtigen.

Stellen wir uns zunächst eine Nation vor, die zur Grundlage ihrer Gesetzgebung die Gerechtigkeit nimmt, die allgemeine Gerechtigkeit.

Nehmen wir an, die Bürger sagten zu der Regierung: „Wir nehmen selbst die Verantwortung für unsere Existenz auf uns. Wir kümmern uns um unsere Arbeit, um unsere Geschäfte, um unsere Bildung, um unseren Fortschritt, um unseren Glauben. Was Euch betrifft, Eure einzige Aufgabe wird sein, uns alle, und unter allen Umständen in den Grenzen unseres Rechtes zu halten.“

Man hat nun wirklich so vieles versucht, ich wollte, dass man eines Tages die Phantasie aufbrächte, dies in meiner Heimat oder in irgendeinem Land der Erde zumindest zu versuchen. Man wird sicher nicht leugnen, dass der Mechanismus wunderbar einfach ist. Jeder übt alle seine Rechte aus, wie er mag, wenn er nur nicht in die Rechte anderer eingreift. Der Versuch wäre um so interessanter, als tatsächlich die Völker, die sich diesem System am ehesten nähern, die anderen an Sicherheit, Wohlstand, Gleichheit und Würde übertreffen. Ja, wenn mir zehn Jahre zu leben bleiben, würde ich gerne neun dafür geben, während eines Jahres einem solchen Experiment in meiner Heimat beizuwohnen. Denn von folgendem, scheint mir, würde ich glücklicher Zeuge sein:

Zunächst wäre jeder seiner Zukunft sicher, soweit sie vom Gesetz beeinflusst ist. Wie ich klar gemacht habe ist die genaue Gerechtigkeit eine so klar bestimmte Sache, dass die Gesetzgebung, die nur sie im Sinne hätte, nahezu unveränderlich bliebe. Sie kann nur in den Mitteln variieren, dieses einzige Ziel mehr und mehr zu erreichen: Personen und ihren Rechten Respekt zu verschaffen. So könnte jeder sich ehrenhaften Unternehmungen aller Art ohne Furcht und Unsicherheit widmen. Alle Laufbahnen stünden allen offen. Jeder könnte seine Fähigkeiten frei so ausüben, wie er durch sein Interesse, seine Neigung, Geschicklichkeit oder durch die Umstände bestimmt wäre. Es gäbe weder Privilegien, noch Monopole, noch Regulierungen irgendeiner Art.

Weiterhin, weil die Regierung alle Kraft darauf wenden würde, Diebstahl, Betrug, Strafdelikte, Verbrechen, Gewalttaten zu hindern und sie unterdrücken, wird sie dies Ziel sicherlich umso besser erreichen, als sie sich weniger, wie heute, in einer unzählbaren Menge von Aufgaben verzetteln würde, die ihren wesentlichen Zuständigkeiten fremd sind. Selbst unsere Gegner werden nicht leugnen, dass die erste Aufgabe des Staates ist, Ungerechtigkeit zu hindern und zu unterdrücken. Warum hat dann diese wertvolle Kunst der Vorbeugung und Unterdrückung bei uns so wenig Fortschritt gemacht? Weil der Staat sie vernachlässigt wegen der tausend anderen Funktionen, für die man ihn in Anspruch nimmt. Auch ist Sicherheit nicht der charakteristische Zug der französischen Gesellschaft — weit entfernt. Sie wäre unter der Regierung, die ich im Augenblick untersuche, vollkommen. Sicherheit in Zukunft, denn keine Utopie könnte sich durchsetzen und die öffentliche Gewalt für sich vereinnahmen. Sicherheit in der Gegenwart, da die Gewalt ausschließlich der Bekämpfung und Vernichtung der Ungerechtigkeit gewidmet wäre.

Hier muss ich ein Wort über die Konsequenzen der Sicherheit sagen. Sei also das Eigentum in seinen unterschiedlichen Formen, Grundeigentum, bewegliches, industrielles, geistiges, handwerkliches Eigentum vollkommen garantiert. Geschützt vor den Angriffen der Übeltäter und, mehr noch, vor den Angriffen des Gesetzes. Welcher Art auch die Dienste wären, die die Arbeiter der Gesellschaft oder sich gegenseitig leisten oder die sie nach außen tauschen, diese Dienste hätten immer ihren natürlichen Wert. Dieser Wert wäre wohl noch von Ereignissen beeinflusst — niemals aber von den Launen des Gesetzes, von den Auswirkungen der Steuer, von Intrigen, von parlamentarischem Ehrgeiz und Einfluss. Der Preis der Dinge und der Arbeit wird sich also so wenig wie möglich bewegen, und unter all diesen Bedingungen muss sich insgesamt gewiss die Industrie entwickeln, die Reichtümer sich vermehren, das Kapital sich mit unglaublicher Schnelligkeit akkumulieren.

Nun, wenn die Kapitalien sich vervielfachen, machen sie sich gegenseitig Konkurrenz, ihre Vergütung sinkt, oder, mit anderen Worten, der Zinssatz sinkt. Er macht weniger und weniger von dem Preis des Produktes aus. Der proportionale Anteil des Kapitals am Sozialprodukt wird unaufhörlich sinken. Dieses verbreitetste Arbeitsmittel wird mehr Menschen zugänglich. Der Preis der Verbrauchsgegenstände sinkt um den Teil, den das Kapital weniger beansprucht; das Leben ist billig, und dies ist eine erste wesentliche Bedingung für die Entlastung der Arbeiterklassen.

Gleichzeitig und als eine Wirkung der gleichen Ursache (das schnelle Anwachsen des Kapitals) erhöhen sich die Löhne ganz notwendig. Das Kapital bringt nämlich in Wahrheit absolut nichts, wenn man es nicht arbeiten lässt. Je größer und beschäftigter dieser Fond von Löhnen relativ zu einer festen Zahl von Arbeitern ist, desto mehr steigt der Lohn.

So ist das notwendige Ergebnis dieser Herrschaft der exakten Gerechtigkeit, und folglich der Freiheit und der Sicherheit, die leidenden Klassen auf zweierlei Art zu heben, zunächst gibt sie ihnen billigen Lebensunterhalt, dann hebt sie die Löhne.

Wenn sich das Los der Arbeiter so natürlich und doppelt verbessert, muss sich notwendig auch ihre moralische Verfassung heben und reinigen. Wir sind also auf dem Weg zur Gleichheit. Ich spreche nicht nur von der Gleichheit vor dem Gesetz, die das System schon offensichtlich einschließt, da es jede Ungerechtigkeit ausschließt, sondern die tatsächliche physische und moralische Gleichheit, die daher kommt, dass der Ertrag der Arbeit im gleichen Maß steigt wie der des Kapitals sinkt.

Wenn wir einen Blick auf die Beziehungen dieses Volkes zu den anderen Nationen werfen, finden wir, dass sie alle den Frieden begünstigen. Sich gegen jede Aggression im vorhinein zu wappnen, ist seine einzige Politik. Es droht weder noch ist es bedroht. Es hat keine Diplomatie und erst recht keine bewaffnete Diplomatie. Dank dem Prinzip universeller Gerechtigkeit könnte kein Bürger das Gesetz in seinem Interesse eingreifen lassen, um einen anderen Bürger zu hindern, im Ausland zu kaufen oder zu verkaufen; so wären die Geschäftsbeziehungen dieses Volkes frei und sehr ausgedehnt. Niemand wird abstreiten, dass diese Beziehungen zur Erhaltung des Friedens beitragen. Sie werden für es ein wahrhaftes und wertvolles System der Verteidigung sein, das die Militärarsenale, die Festungen, die Marine, die stehenden Armeen nahezu unnütz macht. So wären alle Kräfte des Volkes produktiven Tätigkeiten zugewandt, ein weiterer Grund für das Anwachsen von Kapital mit allen Konsequenzen, die daraus folgen.

Es ist leicht zu sehen, dass innerhalb dieses Volkes die Regierung auf sehr begrenzte Ausmaße beschränkt ist und die Verwaltungswege auf große Einfachheit. Worum handelt es sich? Darum, der öffentlichen Gewalt als einzige Aufgabe anzuvertrauen, unter den Bürgern Gerechtigkeit herrschen zu lassen. Nun, dies lässt sich billig machen und kostet selbst heute in Frankreich nur sechsundzwanzig Millionen. Also wird eine solche Nation sozusagen keine Steuern zahlen. Es ist sogar sicher, dass die Zivilisation und der Fortschritt die Regierung dort tendenziell immer einfacher und billiger machen. Je mehr nämlich die Gerechtigkeit zum Ergebnis guter gesellschaftlicher Gepflogenheiten wird, umso mehr ist es angebracht, die Gewalt, die benötigt wird, um sie durchzusetzen, zu reduzieren.

Wenn eine Nation von Steuern erdrückt ist, ist nichts schwieriger und ich möchte sagen unmöglicher, als sie gleich zu verteilen. Die Statistiker und Finanzpolitiker erstreben es nicht mehr. Noch unmöglicher ist jedoch, sie auf die Reichen zu beschränken. Der Staat kann nicht viel Geld haben, wenn er nicht bei allen und vor allem bei den Massen abschöpft. Aber bei der so einfachen Staatsordnung, der ich dieses nutzlose Plädoyer widme, eine Ordnung, die nur einige zehn Millionen erfordert, ist nichts einfacher als eine gleiche Verteilung. Ein einziger Beitrag, proportional zum Einkommen, erhoben pro Familie und ohne Gemeindeabgaben, reicht dafür. Weg mit den Kletten des Finanzamts, dieser gefräßigen Bürokratie, dem schmarotzenden Ungeziefer am Gesellschaftskörper; keine indirekten Steuern mehr, dieses mit Gewalt und List geraubte Geld, diese fiskalischen Fallen auf allen Pfaden der Arbeit, diese Fesseln, die uns mehr noch schaden durch die Freiheiten, die sie uns nehmen, als durch die Mittel, die sie uns rauben.

Muss ich zeigen, dass Ordnung das unfehlbare Ergebnis einer solchen Staatsform wäre? Woher sollte Unordnung kommen? Nicht aus dem Elend. Es wäre wahrscheinlich in dem Lande unbekannt, zumindest als chronischer Zustand, und wenn sich schließlich doch ab und dann vorübergehend Leiden zeigt, dächte keiner daran, sich an den Staat zu wenden, an die Regierung, an das Gesetz. Heute, wo man im Prinzip davon ausgeht, dass der Staat die Aufgabe hat, den Reichtum an alle zu verteilen, fordert man von ihm natürlich eine Einlösung dieser Zusage. Um es zu halten, vervielfältigt er die Steuern und schafft mehr Elend, als er heilt. Neue Forderungen von der Seite der Öffentlichkeit, neue Steuern von Seiten des Staates, und wir können nur von Revolution zu Revolution schreiten. Aber wenn anerkannt wäre, dass der Staat von den Arbeitern nur nehmen darf, was strikt unentbehrlich ist, um sie gegen jeden Betrug und jede Gewalt zu bewahren, so wüsste ich nicht, wie es zur Unordnung kommen sollte.

Manche werden glauben, dass unter einer so einfachen, so leicht zu führenden Regierung, die Gesellschaft recht düster und traurig wäre. Was würde aus der großen Politik? Wozu dienten die Staatsmänner? Und würde die Nationalversammlung, wenn sie darauf beschränkt wäre, das Bürgerliche und das Strafgesetzbuch zu vervollkommnen, noch der Neugier der Öffentlichkeit das Schauspiel ihrer leidenschaftlichen Debatten und dramatischen Kämpfe bieten?

Diese seltsame Besorgnis kommt von der Idee, dass die Regierung und die Gesellschaft ein und dasselbe sind; die falscheste und unheilvollste Idee die es je gab. Bestünde diese Einheit, so hieße, die Regierung zu vereinfachen tatsächlich, die Gesellschaft einzuschränken.

Aber wenn die öffentliche Gewalt sich nur darauf beschränkte, die Gerechtigkeit herrschen zu lassen, beschneidet das in irgendeiner Art die Initiative der Bürger? Ist ihr Handlungsspielraum, selbst heute, auf gesetzlich festgelegte Grenzen beschränkt? Stünde es ihnen nicht frei — vorausgesetzt sie verlassen nicht die Grenzen der Gerechtigkeit — unbegrenzt Organisationen zu bilden, Vereinigungen aller Art, religiös, wohltätig, industriell, landwirtschaftlich, intellektuell, und sogar kommunistische Produktionsgemeinschaften und ikarische? Ist nicht vielmehr sicher, dass der Überfluss an Kapital all solche Unternehmungen begünstigen wird? Nur wird jeder freiwillig auf seine Gefahr und sein Risiko beitreten. Was man durch das Eingreifen des Staates erreichen will, ist, dass man auf öffentliche Kosten und öffentliches Risiko beitritt.

Man wird zweifellos sagen: „Unter dieser Herrschaft sehen wir wohl Gerechtigkeit, Ökonomie, Freiheit, Reichtum, Frieden, Ordnung und Gleichheit, aber wir sehen dort keine Brüderlichkeit.“

Noch einmal, gibt es im Menschenherzen nichts als was der Gesetzgeber dort hineingelegt hat? Musste die Brüderlichkeit, damit sie auf Erden erscheine, der Wahlurne entsteigen? Verbietet Ihnen das Gesetz Wohltätigkeit allein dadurch, dass es Ihnen nur Gerechtigkeit auferlegt? Glaubt man, dass die Frauen aufhören werden, ihr Herz hingebungsvoll vom Mitleid rühren zu lassen, weil die Selbstaufopferung und das Mitleid ihnen nicht von dem Gesetzbuch verordnet würden. Und wo ist denn der Paragraph des Gesetzbuches, der das junge Mädchen den Liebkosungen seiner Mutter entreißt und es in traurige Unterkünfte stößt, wo es sich abstoßende Wunden des Körpers und noch abstoßenderen Wunden des Geistes holt? Welcher Paragraph des Gesetzbuches diktiert die Berufung des Priesters? Auf welches geschriebene Gesetz, auf welchen Eingriff der Regierung muss man die Gründung des Christentums zurückführen, den Eifer der Apostel, den Mut der Märtyrer, die Wohltätigkeit von Fénelon oder Franziscus von Paula, die Entsagung so vieler Menschen, die in unseren Tagen tausendfach ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben für den Triumph der Sache des Volkes?

Jedes Mal, wenn wir eine Handlung gut und schön finden, wünschen wir uns natürlich, dass sie allgemein wird. Nun sehen wir inmitten der Gesellschaft eine Gewalt, der alles weicht, und unser erster Gedanke ist, sie zur Hilfe zu nehmen, um die gewünschte Handlung vorzuschreiben und aufzuerlegen. Aber die Frage ist, ob man nicht sowohl die Natur dieser Gewalt als auch die Natur dieser Handlung erniedrigt, wenn man obligatorisch macht, was freiwillig war. Mir meinerseits könnte es nicht in den Kopf kommen, dass das Gesetz, das die Gewalt ist, sinnvoll für etwas anderes anzuwenden ist, als Unrecht zu unterdrücken und Rechte zu erhalten.

Ich habe gerade eine Nation beschrieben, wo es so wäre. Nehmen wir jetzt an, dass in diesem Volke die Meinung vorwiegt, dass das Gesetz sich nicht mehr darauf beschränken soll, die Gerechtigkeit durchzusetzen; dass es auch erstreben soll, die Brüderlichkeit durchzusetzen.

Was wird geschehen? Ich brauche das nicht lange auszuführen, denn der Leser braucht nur das vorhergehende Szenario in Umkehrung zu wiederholen.

Zunächst wird sich eine entsetzliche Unsicherheit, eine tödliche Unsicherheit über den ganzen Bereich der privaten Aktivität ausbreiten. Denn die Brüderlichkeit kann Milliarden unbekannter Formen annehmen, und folglich Milliarden unvorhergesehene Dekrete hervorbringen. Unzählige Entwürfe werden täglich alle erprobten Beziehungen bedrohen. Im Namen der Brüderlichkeit wird Einer die Gleichheit der Löhne fordern — und schon sind die Arbeiterklassen auf das Niveau der indischen Kasten gedrückt. Weder Geschicklichkeit, noch Mut, noch Beharrlichkeit, noch Intelligenz können sie heben, ein Gesetz aus Blei lastet auf ihnen. Diese Welt wird für sie sein wie Dantes Hölle: Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate. Im Namen der Brüderlichkeit wird ein Anderer fordern, dass die Arbeit auf zehn, acht, vier Stunden beschränkt wird, und schon stockt die Produktion. Weil es kein Brot mehr gibt, den Hunger zu stillen, kein Tuch gegen die Kälte, wird ein dritter anregen, das Brot und Tuch durch Zwangspapiergeld zu ersetzen. Kaufen wir nicht die Dinge mit Talern? Taler zu vervielfältigen, wird er sagen, heißt Brot und Tuch vervielfältigen, Papier vervielfältigen heißt Taler vervielfältigen. Na also! Ein Vierter wird fordern, dass man die Konkurrenz, ein Fünfter, dass man den Eigennutz abschaffe. Dieser will, dass der Staat für Arbeit sorgt, Jener für Ausbildung, wieder ein Anderer die Grundrente aller Bürger. Hier ist ein Anderer, der alle Könige von der Erdoberfläche vertreiben und im Namen der Brüderlichkeit den totalen Krieg erklären will. Ich höre auf. Ganz offensichtlich ist auf diesem Wege die Quelle der Utopien unerschöpflich. Sie werden abgelehnt werden, sagt man. Vielleicht. Aber vielleicht auch nicht, und das genügt, Unsicherheit zu erzeugen, die schlimmste Geißel der Beschäftigung.

Unter dieser Herrschaft kann sich kein Kapital bilden. Es wird rar sein, teuer, konzentriert. Das bedeutet, dass die Löhne fallen, dass die Ungleichheit zwischen den Klassen einen immer tieferen Abgrund wachsen lässt.

Die öffentlichen Finanzen werden schnell vollkommen in Unordnung geraten. Wie könnte es anders sein, wenn der Staat auf sich nimmt, alle mit allem zu versorgen? Das Volk wäre erdrückt von Steuern, man emittiert eine Anleihe nach der anderen, nachdem man die Gegenwart erschöpft hat, verschlingt man die Zukunft.

Schließlich, da es im Prinzip einmal anerkannt ist, dass der Staat zu Gunsten der Bürger Brüderlichkeit ausüben soll, wird man das ganze Volk in Bittsteller verwandelt sehen. Grundeigentum, Landwirtschaft, Industrie, Handel, Seefahrt, Industrieunternehmen, alles eifert, Vergünstigungen des Staates zu fordern. Der Staatshaushalt wäre buchstäblich zur Plünderung freigegeben. Jeder hätte gute Gründe zu beweisen, dass die gesetzliche Brüderlichkeit in diesem Sinne interpretiert werden muss: „Die Vorteile für mich und die Lasten für die anderen.“ Alle Anstrengung wird sich darauf richten, der Gesetzgebung einen Fetzen des brüderlichen Privilegs zu entreißen. Die leidenden Klassen hätten wohl die meisten Rechtstitel, doch nicht immer den meisten Erfolg. So wird ihre Menge sich unaufhörlich erhöhen, mit der Folge, dass man nur von Revolution zu Revolution schreiten kann.

Mit einem Wort, man wird sich das ganze düstere Schauspiel entfalten sehen, dessen Vorspiel uns manche moderne Gesellschaften bieten, die die verhängnisvolle Idee der gesetzlichen Brüderlichkeit angenommen haben.

Ich brauche es nicht zu betonen: Dieser Gedanke entspringt aus großzügigen Gefühlen, aus reinen Absichten. Gerade dadurch hat er so schnell die Sympathie der Massen gewonnen, und dadurch reißt er auch einen Abgrund unter unseren Füßen auf, wenn er falsch ist.

Im Übrigen wäre ich für mein Teil glücklich, wenn man mir beweisen würde, dass er nicht falsch ist. Ach, mein Gott, wenn man die allgemeine Brüderlichkeit verordnen und diese Verordnung wirksam mit der Sanktion der öffentlichen Gewalt ausstatten kann, wenn man, wie es Louis Blanc will, den Antrieb des Eigennutzes durch Handaufzeigen aus der Welt verschwinden lassen kann, wenn man gesetzlich als Artikel des Programmes der pazifistischen Demokratie verwirklichen kann: kein Egoismus mehr, wenn man erreichen kann, dass der Staat allen alles gibt, ohne von jemandem etwas zu erhalten: Dann nur zu! Ja, ich würde für die Verordnung stimmen und mich freuen, dass die Menschheit auf so kurzem und leichtem Wege zu Vollkommenheit und Glück gelangt.

Aber ehrlich gesagt scheinen uns solche Konzepte schimärenhaft und wertlos, ja geradezu kindisch. Dass sie in der Klasse, die arbeitet, leidet und keine Zeit hat nachzudenken, Hoffnungen erregt haben, ist nicht überraschend. Aber wie konnten sie Publizisten von Verdienst irreleiten?

Im Angesicht der Leiden, die eine große Zahl unserer Brüder drücken, dachten diese Publizisten, dass die Freiheit, das heißt die Gerechtigkeit, daran schuld ist. Sie gingen davon aus, dass das System der Freiheit, der exakten Gerechtigkeit, gesetzlich auf die Probe gestellt und dass es gescheitert ist. Daraus schlossen sie, es sei an der Zeit, in der Gesetzgebung einen Schritt weiter zu gehen, sie müsse sich endlich das Prinzip der Brüderlichkeit zu eigen machen. Daher diese Saint-Simon’schen, Fourier’schen, Kommunistischen, Owen’schen Schulen; daher diese Versuche, die Arbeit zu organisieren; diese Erklärungen, dass der Staat allen Bürgern Unterhalt, Wohlstand, Bildung schulde; dass er großzügig, wohltätig, allgegenwärtig, allen ergeben sein muss; dass seine Aufgabe ist, Kinder zu stillen, die Jugend auszubilden, den Starken Arbeit zu garantieren, den Schwachen Renten — mit einem Wort, dass er direkt einzugreifen hat, um alle Leiden zu lindern, alle Bedürfnisse zu befriedigen und für sie vorzusorgen, dass er alle Unternehmungen mit Kapital ausstatten und alle Geister aufklären soll, dass er Balsam für alle Wunden, Asyl für alle Unglücklichen und sogar Hilfe und französisches Blut für alle Unterdrückten auf Erden bieten soll.

Noch einmal, wer wollte nicht, dass sich diese Wohltaten per Gesetz über die Welt ausgießen wie aus unversiegbarer Quelle? Wer wäre nicht glücklich, alle Mühe, alle Vorsehung, alle Verantwortung, alle Pflicht, alles, was die Vorsehung in undurchschaubarer Absicht an Plage und Last dem menschlichen Los auferlegt hat, den Staat auf sich nehmen zu sehen, und den Individuen vorzubehalten, was die anziehende und leichte Seite ausmacht, die Befriedigungen, die Genüsse, die Sicherheit, die Ruhe, die Erholung, eine immer sichere Gegenwart, eine immer lächelnde Zukunft, ein Glück ohne Sorgen, eine Familie ohne Lasten, Kredit ohne Garantien, eine Existenz ohne Anstrengung?

Sicher, all dies wünschten wir, wenn es möglich wäre. Aber ist es möglich? Das ist die Frage. Wir können nicht recht verstehen, was man mit dem Staat meint. Wir glauben, dass sich unter dieser beständigen Personifizierung des Staates die merkwürdigste, demütigendste Mystifikation verbirgt. Was also ist dieser Staat, der alle Tugenden, alle Pflichten, alle Freiheiten auf seine Rechnung nimmt? Woher nimmt er diese Ressourcen, die er in Wohltaten über die Individuen ausgießen soll? Etwa nicht von den Individuen selbst? Wie können sich also die Ressourcen dadurch vermehren, dass sie durch die Hände eines parasitären und gefräßigen Vermittlers gehen? Hat dieses Räderwerk nicht offensichtlich die gegenteilige Wirkung, viel nützliche Kraft zu schlucken und um ebensoviel den Anteil der Arbeiter zu vermindern? Sieht man denn nicht, dass sie dabei mit einem Teil ihres Wohlstandes einen Teil ihrer Freiheit lassen?

Aus welchem Blickwinkel ich auch das menschliche Gesetz betrachte, ich sehe nicht, dass man von ihm vernünftigerweise etwas anderes fordern kann als die Gerechtigkeit.

Nehmen wir zum Beispiel die Religion. Sicher, es wäre zu wünschen, dass es nur einen Glauben, ein Bekenntnis, einen Kult auf der Welt gäbe, wenn es denn der wahre Glauben wäre. Aber so wünschenswert die Einheit ist — die Vielfalt, dass heißt Forschung und Diskussion, sind noch mehr wert, solange nicht für jedermanns Verstand das unfehlbare Zeichen erscheint, an dem sich der wahre Glaube erkennen lässt. Der Eingriff des Staates, selbst wenn er Brüderlichkeit zum Vorwand nimmt, wäre also Unterdrückung, Ungerechtigkeit, wenn er vorgäbe, die Einigkeit zu begründen; denn wer garantiert uns, dass der Staat nicht, unbewusst vielleicht, daran arbeitet, die Wahrheit zu Gunsten des Irrtums zu ersticken? Die Einigkeit muss aus allgemeinem Zusammenstimmen freier Überzeugungen kommen und aus der natürlichen Anziehungskraft, die die Wahrheit auf den menschlichen Geist ausübt. Alles, was man also von dem Gesetz fordern kann, ist die Freiheit aller Glaubensrichtungen, was für eine Anarchie daraus auch in der Welt des Denkens entstehen mag. Denn was beweist diese Anarchie? Dass Einigkeit nicht am Anfang sondern am Ende der intellektuellen Entwicklung steht. Sie ist kein Ausgangspunkt, sondern ein Ergebnis. Das Gesetz, das sie erzwingt, wäre ungerecht, und wenn die Gerechtigkeit nicht notwendig Brüderlichkeit einschließt, wird man zumindest zugeben, dass die Brüderlichkeit Ungerechtigkeit ausschließt.

Ebenso bei der Bildung. Freilich, wenn man über den nach Inhalt und Methode bestmöglichen Unterricht einer Meinung sein könnte, so wäre der gleichartige oder staatliche Unterricht vorzuziehen, da er nach Voraussetzung von Gesetz wegen nur den Irrtum ausschließen könnte. Aber solange dieses Kriterium nicht gilt, solange der Gesetzgeber, der Bildungsminister nicht auf ihrer Stirn ein unwiderlegbares Mal der Unfehlbarkeit tragen, besteht die beste Chance, dass sich die wahre Methode enthüllt und die anderen verdrängt, in der Vielfalt, den Versuchen, der Erfahrung, in individuellen Bemühungen geleitet von dem Interesse am Erfolg, mit einem Wort, in der Freiheit. Das Schlechteste ist die verordnete und uniformierte Erziehung. Denn unter diesem System ist der Irrtum beständig, universell und unheilbar. Wer also aus dem Gefühl der Brüderlichkeit heraus die Erziehung durch Gesetz geregelt und verordnet haben will, müsste sich denken, dass er Gefahr läuft, dass das Gesetz nur den Irrtum regelt und verordnet, dass das gesetzliche Verbot die Wahrheit treffen kann, wenn es die Geister trifft, die sie innezuhaben glauben. Nun frage ich: Ist es wahre Brüderlichkeit, die zur Gewalt greift, um den Irrtum durchzusetzen, oder die das doch zumindest riskiert? Man fürchtet die Vielfalt, man beschimpft sie unter dem Namen Anarchie. Aber sie geht zwingend aus der Vielfalt der Geister und Überzeugungen selbst hervor, eine Vielfalt, die übrigens dazu neigt, durch Diskussion, Studium und Erfahrung zu verschwinden. Welche Berechtigung hat unterdes ein System mittels Gesetz oder die Gewalt vor anderen den Vorrang zu haben? Auch hier finden wir, dass die vorgebliche Brüderlichkeit, die das Gesetz anruft, oder den gesetzlichen Zwang, im Widerspruch zur Gerechtigkeit steht.

Ich könnte dieselben Überlegungen für die Presse anstellen, und in der Tat verstehe ich nicht recht, warum diejenigen, die die einheitliche Erziehung durch den Staat fordern, nicht auch die einheitliche Presse durch den Staat fordern. Die Presse ist auch eine Unterrichtung. Die Presse lässt Diskussion zu, da sie davon lebt. Es gibt dort also auch Vielfalt, Anarchie. Warum nach diesen Ideen nicht ein Ministerium für Öffentlichkeitsarbeit schaffen und es beauftragen, alle Bücher und Journale Frankreichs in Auftrag zu geben? Entweder ist der Staat unfehlbar und wir könnten also nichts besseres tun, als ihm den gesamten intellektuellen Bereich unterzuordnen oder er ist es nicht, und in diesem Fall ist es nicht rationaler, ihm die Erziehung zu überlassen als die Presse.

Betrachte ich unsere Beziehungen mit dem Ausland, so sehe ich auch keine andere kluge, solide, für alle annehmbare Regel — eine Regel also, die ein Gesetz werden könnte — als die Gerechtigkeit. Diese Beziehungen dem Prinzip der gesetzlichen, erzwungenen Brüderlichkeit zu unterwerfen, heißt den beständigen universellen Krieg zu erklären, denn es heißt unsere Kraft, das Blut und das Glück von Bürgern zwangsweise jedem dienstbar zu machen, der sie anfordert, um einer Sache zu dienen, die die Sympathie des Gesetzgebers erregt. Sonderbare Brüderlichkeit. Schon vor langer Zeit hat Cervantes ihre lächerliche Eitelkeit personifiziert.

Aber besonders auf dem Gebiet der Arbeit scheint mir das Dogma der Brüderlichkeit gefährlich, wenn man im Widerspruch zur wesentlichen Idee, die dies geheiligte Wort ausdrückt, daran denkt, ihm in unsere Gesetzbücher Eingang zu verschaffen mit der Strafdrohung, die jedes positive Gesetz begleitet.

Die Brüderlichkeit enthält immer die Idee der Hingabe, des Opfers und darin offenbart sie sich und entlockt uns Tränen der Bewunderung. Wenn man wie gewisse Sozialisten sagt, dass ihre Taten dem Täter nützen, braucht man sie nicht zu verordnen. Die Menschen brauchen kein Gesetz, um veranlasst zu werden, Gewinn zu machen. Im Übrigen erniedrigt und trübt dieser Gesichtspunkt die Idee der Brüderlichkeit sehr.

Belassen wir ihr also ihren Charakter, der in diesen Worten eingeschlossen ist: Ein freiwilliges Opfer aus brüderlichem Gefühl.

Wenn Ihr aus der Brüderlichkeit eine gesetzliche Vorschrift macht, deren Taten vom Industriegesetzbuch vorgesehen und zwingend wären, was bleibt dann von dieser Definition? Nur eines: das Opfer; aber das unfreiwillige, erzwungene Opfer, ausgelöst durch Furcht vor Strafe. Und, Hand aufs Herz, was ist ein Opfer dieser Natur, dem einen auferlegt zum Nutzen des anderen? Ist das Brüderlichkeit? Nein, das ist Ungerechtigkeit. Man muss es aussprechen, das ist gesetzlicher Raub, der schlimmste Raub, denn er ist systematisch, permanent und man kann ihm nicht entgehen.

Was tat Barbès, als er in der Sitzung vom 15. Mai eine Steuer von einer Milliarde zu Gunsten der leidenden Klassen verordnete? Er setzte Euer Prinzip in die Praxis um. Dies ist so wahr, dass der Aufruf von Sobrier, der die Rede von Barbès abschließt, mit diesen Worten eingeleitet wird: „Damit die Brüderlichkeit kein leeres Wort mehr sei, sondern sich in Taten offenbart, wird verordnet: Die Kapitalisten, die als solche bekannt sind, zahlen … etc.“

Ihr, die Ihr Euch lauthals beschwert, mit welchem Recht beschuldigt Ihr Barbès und Sorbrier? Was haben sie getan, als ein bisschen konsequenter zu sein als Ihr, und Ihr eigenes Prinzip ein bisschen weiter zu treiben?

Ich behaupte, dass dieses Prinzip, sobald es in die Gesetzgebung gelangt ist, auch wenn es dort zunächst nur schüchtern in Erscheinung tritt, das Kapital und die Arbeit mit Trägheit schlägt. Denn nichts garantiert, dass es sich nicht unbeschränkt entwickelt. Muss man denn so viel argumentieren, um zu zeigen, dass die Menschen, wenn sie nicht mehr die Sicherheit haben, die Früchte ihrer Arbeit zu genießen, weniger oder gar nicht mehr arbeiten? Die Unsicherheit, wohlgemerkt, ist das erste Mittel zur Auflösung des Kapitals. Sie verjagt es, sie hindert es daran, sich zu bilden. Und was wird dann aus eben den Klassen, deren Leiden man zu lindern vorgibt? Ich glaube ernsthaft, diese Ursache genügt allein, um in kurzer Zeit die reichste Nation auf ein Niveau unter dem der Türkei absteigen zu lassen.

Das Opfer, das den einen zu Gunsten anderer über die Steuern auferlegt wird, verdirbt offensichtlich den Charakter der Brüderlichkeit. Wer hat das Verdienst daran? Der Gesetzgeber? Es kostet ihn nichts als eine Kugel in die Urne zu legen. Der Steuereinnehmer? Er gehorcht aus Furcht entlassen zu werden. Der Steuerzahler? Er zahlt, um seine Haut zu retten. Wem wird man also das Verdienst zurechnen, das das Opfer mit sich bringt? Wo wird man die Moral darin suchen?

Der außergesetzliche Raub ruft allgemeinen Abscheu hervor, er wendet alle Macht der öffentlichen Meinung gegen sich und setzt sie in Übereinstimmung mit ihrem Verständnis von Gerechtigkeit. Der gesetzliche Raub vollzieht sich im Gegensatz dazu, ohne das Gewissen zu belasten, was das moralische Gefühl innerhalb des Volkes schwächen muss.

Mit Mut und Umsicht kann man sich vor dem gesetzeswidrigen Raub schützen. Nichts kann dem gesetzlichen Raub widerstehen. Was ist das betrübliche Schauspiel, das sich der Gesellschaft bietet, wenn jemand es doch versucht? Ein Räuber bewappnet mit dem Gesetz, ein Opfer, das dem Gesetz Widerstand leistet.

Wenn das Gesetzbuch den Bürgern unter dem Vorwand der Brüderlichkeit gegenseitige Opfer auferlegt, ändert sich die menschliche Natur dadurch nicht. Die Mühe eines jeden richtet sich dann darauf, zur Masse der Opfer wenig beizutragen und viel herauszuholen. Nun, sind in diesem Kampf etwa die Unglücklichsten diejenigen, die gewinnen? Sicherlich nicht, sondern die Einflussreichsten und Intrigantesten.

Sind Einigkeit, Eintracht, Harmonie zumindest die Frucht einer so verstandenen Brüderlichkeit? Ach! Ohne Zweifel, die Brüderlichkeit ist die göttliche Kette, die auf die Dauer Individuen, Familien, Nationen und Rassen zur Einigkeit führen wird — aber nur wenn sie bleibt, was sie ist, nämlich das freieste, spontanste, freiwilligste, verdienstvollste, religiöseste der Gefühle. Nicht ihre Maske wird das Wunder vollbringen, und der gesetzmäßige Raub mag den Namen Brüderlichkeit annehmen, ihre Form, ihre Ausdrucksweisen, ihre Wahrzeichen. Er wird immer nur ein Prinzip der Zwietracht, der Unordnung, ungerechter Ansprüche, des Schreckens, des Elends, der Faulheit und des Hasses sein.

Man macht uns einen schweren Vorwurf. Man sagt uns: Es ist wohl wahr, dass die Freiheit, die Gleichheit vor dem Gesetz die Gerechtigkeit ist. Aber die genaue Gerechtigkeit bleibt neutral zwischen Reichen und Armen, Starken und Schwachen, Wissenden und Unwissenden, Eigentümern und Proletariern, Landesgenossen und Fremden. Nun sind die Interessen natürlicherweise entgegengesetzt, und den Menschen ihre Freiheit zu lassen, zwischen ihnen nur gerechte Gesetze eingreifen zu lassen, heißt, den Armen zu opfern, den Schwachen, den Unwissenden, den Proletarier, den Athleten, der sich unbewaffnet dem Kampf stellt.

Was kann man von der industriellen Freiheit erwarten,

sagt Herr Considérant,

auf die man so gezählt hat, von dem berühmten Prinzip der freien Konkurrenz, dem man so entschieden einen demokratischen Charakter der Organisation zutraute?  Es kann nur die allgemeine Versklavung, die kollektive Auslieferung der Massen ohne Kapital, ohne industrielle Waffen, ohne Arbeitsmittel und schließlich ohne Ausbildung an die vorbereitete und gut bewaffnete industrielle Klasse daraus hervorgehen. Man sagt: „Der Ring ist offen, alle Individuen sind zum Kampf aufgerufen, die Bedingungen sind für alle Kämpfer gleich.“ Gut, man vergisst nur eines, nämlich dass auf dem großen Schlachtfeld die einen unterrichtet, kriegserfahren, ausgestattet, bis an die Zähne bewaffnet sind, dass sie einen großen Tross mit Verpflegung, Material, Munition und Kriegsmaschinen haben, dass sie alle Positionen besetzen, und dass die anderen entblößt, nackt, unwissend, verhungert, gezwungen sind, von Tag zu Tag zu leben und ihre Frauen und Kinder zu unterhalten und von ihren Gegnern selbst eine beliebige Arbeit und einen mageren Lohn anzunehmen.

Was! Man vergleicht die Arbeit mit dem Krieg! Diese Waffen, die man Kapital nennt, die aus Ausstattung aller Art bestehen, und die niemals zu etwas anderem verwendet werden können, als dazu, die widerspenstige Natur zu besiegen, vergleicht man in einem bedauerlichen Sophismus mit den blutigen Waffen, die die Menschen in Kämpfen gegeneinander wenden! Wahrhaftig es ist zu einfach, die industrielle Ordnung in Verruf zu bringen, indem man, um sie zu beschreiben, das ganze Kriegsvokabular entleiht.

Die grundsätzliche, unversöhnliche Meinungsverschiedenheit zwischen Sozialisten und Ökonomen über diesen Punkt besteht in Folgendem: die Sozialisten glauben an den wesentlichen Gegensatz der Interessen. Die Ökonomen glauben an die natürliche Harmonie, oder vielmehr an die notwendige und zunehmende Harmonisierung der Interessen. Das ist alles.

Unter der Voraussetzung, dass die Interessen von Natur entgegengesetzt sind, werden die Sozialisten in zwingender Logik dazu geführt, für die Interessen eine künstliche Organisation zu suchen, oder vielmehr, wenn möglich, im Herzen des Menschen das Empfinden von Interesse zu ersticken. Das hat man in Luxemburg versucht. Aber wenn sie auch verrückt genug sind, sind sie doch nicht stark genug, und man braucht nicht eigens zu erwähnen, dass sie, nachdem sie in ihren Büchern gegen den Individualismus gepredigt haben, ihre Bücher verkaufen und sich genau wie das gemeine Volk dem gewöhnlichen Lauf des Lebens überlassen.

Ah! zweifellos, wenn die Interessen natürlicherweise entgegengesetzt sind, muss man die Gerechtigkeit, die Freiheit, die Gleichheit vor dem Gesetz mit Füßen treten. Man muss die Welt neu schaffen, oder wie sie sagen, die Gesellschaft nach einem der zahlreichen Pläne neu ordnen, die sie unablässig erfinden. Das Interesse, als Prinzip der Unordnung, muss man durch die gesetzliche Hingabe ersetzen, auferlegt, unfreiwillig, erzwungen, mit einem Wort, durch den organisierten Raub; und weil dieses neue Prinzip unendlichen Widerwillen und Widerstand erregen muss, wird man zunächst versuchen, es unter dem verlogenen Namen der Brüderlichkeit annehmbar zu machen; danach wird man sich auf das Gesetz berufen, das die Gewalt ist.

Aber wenn die Vorsehung sich nicht getäuscht hat, wenn sie die Dinge so eingerichtet hat, dass die Interessen unter dem Gesetz der Gerechtigkeit natürlicherweise zu überaus harmonischer Verbindung gelangen; wenn sie sich — nach den Worten von Herrn Lamartine — durch Freiheit eine Gerechtigkeit schaffen, die ihnen Willkür nicht geben kann; wenn die Gleichheit der Rechte der sicherste, direkteste Weg zur tatsächlichen Gleichheit ist, oh!, dann können wir vom Gesetz nur Gerechtigkeit fordern, Freiheit, Gleichheit, wie man nur die Beseitigung der Hindernisse fordert, damit jeder Wassertropfen des Ozeans sein Niveau erreicht.

Und dies ist der Schluss, zu dem die politische Ökonomie kommt. Diesen Schluss sucht sie nicht, sie findet ihn; aber sie ist glücklich ihn zu finden, denn erfüllt es nicht den Geist mit tiefer Befriedigung, in der Freiheit Harmonie zu sehen, wenn anderen nur übrig bleibt, sie von Willkür zu fordern?

Die hasserfüllten Parolen, die Sozialisten häufig gegen uns richten, sind in Wahrheit ziemlich merkwürdig! Ei was! Wenn wir leider Unrecht hätten, müssten sie es nicht bedauern? Was sagen wir? Wir sagen: Nach gründlicher Prüfung muss man anerkennen, dass Gott es gut eingerichtet hat, dass die beste Bedingung für Fortschritt Gerechtigkeit und Freiheit ist.

Die Sozialisten glauben uns im Irrtum — das ist ihr Recht. Aber sie sollten zumindest darüber betrübt sein. Wenn erwiesen ist, dass wir irren, so ist es folglich notwendig, das Natürliche durch das Künstliche zu ersetzen, die Freiheit durch Willkür, die ewige göttliche Einrichtung durch zufällige menschliche Erfindung.

Stellen wir uns vor, dass ein Chemieprofessor sagte: „Die Welt ist von einer großen Katastrophe bedroht; Gott hat nicht gut vorgesorgt. Ich habe die Luft analysiert, die den menschlichen Lungen entströmt, und festgestellt, dass sie nicht mehr zur Atmung geeignet ist; so dass ich, wenn ich das Volumen der Atmosphäre berechne, den Tag vorhersagen kann, wo sie ganz verdorben sein wird, und wo die Menschheit an Schwindsucht zugrunde gehen wird, zumindest wenn sie nicht eine künstliche Art der Atmung annimmt, die ich erfunden habe.“

Ein anderer Professor tritt auf und sagt: „Nein, die Menschheit wird nicht so zugrunde gehen. Es ist wahr, dass die Luft, die dem tierischen Leben gedient hat, für diesen Zweck verdorben ist, aber sie ist für das pflanzliche Leben geeignet, und was die Pflanzen ausatmen ist günstig für die Atmung des Menschen. Eine unvollständige Untersuchung hat dazu geführt zu glauben, dass Gott sich getäuscht habe, eine genauere Forschung zeigt, dass er Harmonie in seine Werke gelegt hat. Die Menschen können fortfahren zu atmen, wie die Natur es gewollt hat.“

Was würde man sagen, wenn der erste Professor den zweiten mit Beleidigungen überhäufte und sagte: „Sie sind ein hartherziger Chemiker, trocken und kalt; Sie predigen das grauenhafte Laissez-faire; Sie lieben die Menschheit nicht, denn sie zeigen die Nutzlosigkeit meines Atmungsapparates?“

Da hat man unsere ganze Querele mit den Sozialisten. Alle beide wollen wir die Harmonie. Sie suchen sie in unzähligen Kombinationen, die das Gesetz den Menschen auferlegen soll; wir finden sie in der Natur der Menschen und der Dinge.

Hier wäre der Ort zu zeigen, dass die Interessen zur Harmonie streben, denn das ist die ganze Frage. Aber das erforderte einen Kurs in politischer Ökonomie, und der Leser wird mir das im Augenblick erlassen. Ich sage nur soviel: „Wenn die politische Ökonomie es schafft, die Harmonie der Interessen zu erkennen, liegt es daran, dass sie nicht wie der Sozialismus bei den unmittelbaren Folgen der Phänomene Halt macht, sondern bis zu den letzten und entscheidenden Wirkungen geht.“ Das ist das ganze Geheimnis. Die zwei Schulen unterscheiden sich genau wie die zwei Chemiker von denen ich sprach. Die eine sieht ein Teil, die andere den ganzen Zusammenhang. Wenn sich die Sozialisten zum Beispiel die Mühe machen wollten, die Wirkung der Konkurrenz bis zum Ende, das heißt bis zum Konsumenten zu verfolgen, anstatt beim Produzenten stehen zu bleiben, so werden sie sehen, dass die Konkurrenz die mächtigste Triebfeder der Gleichheit und des Fortschritts ist, ob sie im Inland stattfindet oder von außen kommt. Und eben weil die politische Ökonomie in dieser letztendlichen Wirkung die Harmonie findet, sagt sie: „In meinem Bereich gibt es viel zu lernen und wenig zu tun. Viel zu lernen, denn die Wirkungskette kann man nur mit großem Aufwand verfolgen; wenig zu tun, denn aus der letztendlichen Wirkung folgt die Harmonie des gesamten Phänomens.“

Ich diskutierte diese Frage einmal mit dem bedeutenden Mann, den die Revolution so hoch erhoben hat. Ich sagte ihm: „Das Gesetz operiert durch Zwang, man kann vom ihm nur Gerechtigkeit verlangen.“ Er meinte, dass die Völker außerdem von ihm die Brüderlichkeit erwarten können. Letzten August schrieb er mir: „Wenn ich jemals zu einer Krisenzeit ans Ruder komme, wäre Ihre Idee die Hälfte meiner Ideologie.“ Ich antworte ihm hier: „Die zweite Hälfte Ihrer Ideologie wird die erste ersticken, denn Sie können nicht die Brüderlichkeit gesetzlich verankern ohne die Ungerechtigkeit gesetzlich zu machen.“

Abschließend möchte ich den Sozialisten sagen: „Wenn Ihr glaubt, dass die politische Ökonomie die Vereinigung, die Organisation, die Brüderlichkeit ablehnt, irrt Ihr Euch.“

Die Vereinigung! Wissen wir etwa nicht, dass dies die Gesellschaft selbst ist, die sich unaufhörlich vervollkommnet?

Die Organisation! Wissen wir etwa nicht, dass sie den ganzen Unterschied zwischen einer Anhäufung heterogener Elemente und den Meisterwerken der Natur ausmacht?

Die Brüderlichkeit! Wissen wir etwa nicht, dass sie zur Gerechtigkeit so steht wie der Drang des Herzens zu den kalten Kalkülen des Geistes?

Wir sind mit Euch darin einig, wir spenden Euren Bemühungen Beifall, auf dem Feld der Menschheit eine Saat zu auszusäen, die in Zukunft Ihre Früchte tragen wird.

Aber wir widersetzen uns Euch von dem Augenblick an, wo Ihr das Gesetz und die Steuer eingreifen lasst, das heißt Zwang und Raub. Denn abgesehen davon dass dieser Griff zur Gewalt bezeugt, dass Ihr mehr Vertrauen in Euch selbst als in das Genie der Menschheit setzt, genügt dies unserer Meinung nach, um die Natur selbst und das Wesen des Dogmas zu entstellen, das Ihr verwirklichen wollt.
 

Eigentum und Gesetz

Das Vertrauen meiner Mitbürger hat mir den Titel Gesetzgeber verliehen.

Diesen Titel hätte ich sicherlich abgelehnt, wenn ich ihn so verstanden hätte wie Rousseau.

Wer es zu unternehmen wagt, einem Volk Verfassungseinrichtungen zu geben“, sagt er, „muss sich in der Lage fühlen, sozusagen die menschliche Natur zu ändern, jedes Individuum, das für sich ein vollkommenes und für sich stehendes Ganzes ist, in einen Teil eines größeren Ganzen zu verwandeln, von dem dieses Individuum gewissermaßen sein Leben und seine Existenz empfängt; die körperliche Verfassung des Menschen zu ändern um sie zu stärken, etc., etc… Wenn es wahr ist, dass ein großer Fürst selten ist, wie selten ist dann erst ein großer Gesetzgeber! Der erstere muss nur dem Entwurf folgen, den der andere vorlegen muss. Der eine ist der Ingenieur, der die Maschine entwirft, der andere nur der Arbeiter, der sie montiert und zum laufen bringt.

Rousseau, überzeugt, dass der gesellschaftliche Zustand eine menschliche Erfindung ist, musste das Gesetz und den Gesetzgeber sehr hoch ansiedeln. Zwischen dem Gesetzgeber und dem Rest der Menschen sah er den Abstand oder vielmehr den Abgrund, der den Ingenieur von der trägen Materie trennt, aus der die Maschine gemacht ist.

Nach ihm muss das Gesetz die Personen ändern, Eigentum schaffen oder nicht schaffen. Nach mir existiert die Gesellschaft, die Personen und das Eigentum vor dem Gesetz, und — um mich auf ein spezielles Thema zu beschränken — ich würde sagen: Nicht weil es Gesetze gibt, gibt es Eigentum, sondern weil es Eigentum gibt, gibt es Gesetze.

Der Gegensatz zwischen diesen beiden Systemen ist fundamental. Die Konsequenzen, die sich daraus ableiten, bilden eine unendliche Folge; es sei mir daher erlaubt, die Frage einigermaßen zu präzisieren.

Ich mache zunächst darauf aufmerksam, dass ich das Wort Eigentum in seinem allgemeinen Sinne nehme und nicht im beschränkten Sinne des Grundeigentums. Ich bedaure, und wahrscheinlich bedauern alle Ökonomen mit mir, dass dies Wort unwillkürlich in uns die Vorstellung des Grundeigentums weckt. Ich verstehe unter Eigentum das Recht, das der Arbeiter auf den Wert hat, den er mit seiner Arbeit geschaffen hat.

Dann frage ich mich, ob dieses Recht vom Gesetz geschaffen ist, oder ob es nicht im Gegenteil älter als das Gesetz ist und über ihm steht. Ob das Gesetz das Recht auf Eigentum erst schaffen musste, oder ob vielmehr das Eigentum als Tatsache und Recht vorherbestand, und das Gesetz hervorgebracht hat? Im ersten Falle hat der Gesetzgeber die Aufgabe, das Eigentum zu organisieren, zu modifizieren, selbst zu beseitigen, wenn er es für gut hält; im zweiten Falle beschränkt sich sein Beitrag darauf, es zu garantieren, ihm Achtung zu verschaffen.

In der Präambel eines Verfassungsentwurfs, der von einem der größten Denker der Neuzeit veröffentlicht wurde,  Herrn Lamennais, lese ich die Worte:

Das französische Volk erklärt, dass es die Rechte und Pflichten anerkennt, die älter als alle positiven Gesetzen sind, über ihnen stehen und von ihnen unabhängig sind. Diese Rechte und Pflichten, die direkt von Gott ausgehen, lassen sich in dem dreifachen Dogma zusammenfassen, das diese heiligen Worte ausdrücken: Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit.

Ich frage mich, ob das Recht auf Eigentum nicht zu den Dingen gehört, die weit entfernt sich aus dem positiven Gesetz abzuleiten, dem Gesetz vorhergehen und Grund seiner Existenz sind. Dies ist nicht, wie man glauben könnte, eine spitzfindige und müßige Frage. Sie ist ungeheuer wichtig, sie ist fundamental. Ihre Lösung ist für die Gesellschaft von höchstem Interesse. Davon wird man — hoffe ich — überzeugt sein, wenn ich die beiden vorliegenden Systeme in ihrem Ursprung und in ihren Wirkungen verglichen habe.

Die Ökonomen glauben, dass das Eigentum von der Vorsehung geschaffen ist wie die Person. Das Bürgerliche Gesetzbuch schafft weder das eine noch das andere. Das Eigentum ist eine notwendige Folge der menschlichen Natur.

In der ganzen Bedeutung des Wortes wird der Mensch als Eigentümer geboren, denn er wird mit Bedürfnissen geboren, deren Befriedigung für das Überleben unentbehrlich ist, mit Organen und Fähigkeiten, deren Ausübung unentbehrlich ist, um diese Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Fähigkeiten sind nur die Ausprägung der Person, das Eigentum nur die Ausprägung der Fähigkeiten. Den Menschen von seinen Fähigkeiten zu trennen, heißt, ihn sterben zu lassen, den Menschen von dem Ergebnis seiner Fähigkeiten zu trennen, heißt wiederum, ihn sterben zu lassen.

Es gibt Publizisten, die sich sehr damit beschäftigen, herauszufinden, wie Gott den Menschen hätte machen müssen: Wir hingegen studieren den Menschen, wie Gott ihn gemacht hat; wir stellen fest, dass er nicht leben kann ohne für seine Bedürfnisse zu sorgen; dass er nicht für seine Bedürfnisse sorgen kann ohne Arbeit, und dass er nicht arbeiten kann, wenn er nicht SICHER ist, dass die Frucht seiner Arbeit seinen Bedürfnissen zugute kommt.

Darum eben glauben wir, dass das Eigentum eine göttliche Einrichtung ist, und dass es seine Sicherheit oder Gesichertheit ist, die Gegenstand des menschlichen Gesetzes ist.

Es ist so wahr, dass das Eigentum älter ist als das Gesetz, dass es sogar unter den Wilden anerkannt wird, die keine Gesetze haben, oder zumindest keine geschriebenen Gesetze. Wenn ein Wilder seine Arbeit dazu verwendet hat, sich eine Hütte zu bauen, macht ihm niemand ihren Besitz oder ihr Eigentum streitig. Ohne Zweifel kann ein stärkerer Wilder ihn daraus verjagen, aber nicht ohne den ganzen Stamm in Unwillen zu versetzen und aufzubringen. Dieser Missbrauch der Gewalt ist es gerade, der die Vereinigung, die Konvention, das Gesetz hervorbringt, das die öffentliche Gewalt dem Eigentum zu Diensten stellt. Also entsteht das Gesetz aus dem Eigentum, weit entfernt davon, dass das Eigentum aus dem Gesetz hervorginge.

Man könnte sagen, dass das Prinzip des Eigentums sogar geradezu bei den Tieren anerkannt ist. Die Schwalbe versorgt friedlich ihre junge Familie in dem Nest, das sie mit eigener Mühe gebaut hat.

Selbst die Pflanze lebt und entwickelt sich durch Aneignung, durch Erwerb. Sie eignet sich Substanzen an, Gase, Salze, die in ihrer Reichweite sind. Es reicht, dies Phänomen zu unterbinden, um sie vertrocknen und vergehen zu lassen.

Ebenso lebt und entwickelt sich der Mensch durch Erwerb. Der Erwerb ist ein natürliches Phänomen der Vorsehung, nötig für das Leben, und das Eigentum ist nur der Erwerb, der durch die Arbeit zum Recht geworden ist. Wenn die Arbeit Substanzen verwertbar, erwerbbar gemacht hat, die es nicht waren, sehe ich wirklich nicht, wie man annehmen könnte, dass der Erwerb mit Recht einem anderen zugute kommen kann als dem, der die Arbeit ausgeführt hat.

Infolge dieser grundlegenden Tatsachen, notwendigen Folgen der menschlichen Natur selbst, greift das Gesetz ein. Da der Trieb nach Leben und Entwicklung den starken Menschen dazu bringen kann, den schwachen auszuplündern, und so das Recht der Arbeit zu verletzen, kam man überein, dass die Kraft aller dem gewidmet sein soll, der Gewalt vorzubeugen und sie zu hindern. Die Aufgabe des Gesetzes ist demnach, dem Eigentum Achtung zu verschaffen. Nicht das Eigentum beruht auf Übereinkunft sondern das Gesetz.

Untersuchen wir jetzt den Ursprung des entgegengesetzten Systems.

Alle unsere vergangenen Verfassungen verkünden, dass das Eigentum heilig ist, was als Ziel für eine allgemeine Vereinigung die freie Entwicklung durch die Arbeit vorauszusetzen scheint, sei es der Individuen, sei es der Teilvereinigungen. Dies schließt ein, dass das Eigentum ein Recht ist, das dem Gesetz vorangeht, weil das Gesetz nur die Aufgabe hätte, das Eigentum zu garantieren.

Aber ich frage mich, ob diese Erklärung nicht sozusagen instinktiv in unsere Grundgesetze eingeführt worden ist, als Phraseologie, als tote Buchstaben, und vor allem, ob sie grundlegende allgemeine gesellschaftliche Überzeugung ist.

Nun, wenn es wahr ist, wie man behauptet hat, dass die Literatur der Ausdruck der Gesellschaft ist, darf man in dieser Hinsicht Zweifel haben. Denn die Publizisten haben stets, nachdem sie sich respektvoll vor dem Prinzip des Eigentums verbeugt haben,  gleichwohl den Eingriff des Gesetzes gefordert — nicht um dem Eigentum Achtung zu verschaffen, sondern um das Eigentum, den Kredit und die Arbeit zu modifizieren, zu ändern, zu verwandeln, anzugleichen, zu belasten und zu organisieren.

Nun, dies setzt voraus, dass man dem Gesetz und folglich dem Gesetzgeber, absolute Macht über Personen und Eigentum zugesteht.

Wir können darüber betrübt, aber sollten darüber nicht überrascht sein.

Woher schöpfen wir unsere Ideen über diese Dinge bis hin zu der Vorstellung vom Recht? Aus lateinischen Büchern, aus dem römischen Recht.

Ich habe nicht Jura studiert, aber es reicht mir zu wissen, dass dies die Quelle unserer Theorien ist, um sicher zu sein, dass sie falsch sind. Die Römer mussten das Eigentum als eine lediglich konventionelle Tatsache betrachten, als ein Produkt, als ein künstliches Erzeugnis des geschriebenen Gesetzes. Offensichtlich konnten sie nicht, wie es die politische Ökonomie macht, bis zur Natur des Menschen selbst zurückgehen und die Beziehung und die notwendige Verkettung zwischen den folgenden Phänomenen wahrnehmen: Bedürfnisse, Fähigkeiten, Arbeit, Eigentum. Dies wäre widersinnig und Selbstmord gewesen. Wie hätten sie, die vom Raub lebten, deren ganzes Eigentum aus Plünderung kam, die ihre Existenzmittel auf die Arbeit der Sklaven gegründet haben ohne die Grundfesten ihrer Gesellschaft zu erschüttern in ihre Gesetzgebung den Gedanken einführen können, dass der wahre Anspruch auf Eigentum die Arbeit ist, die es produziert hat? Nein, sie konnten es weder sagen noch denken. Sie mussten sich auf die empirische Definition des Eigentums zurückziehen: jus utendi et abutendi, eine Definition, die nur auf die Wirkungen Bezug nimmt und nicht auf die Ursachen, nicht auf die Ursprünge; denn die Ursprünge mussten sie Wohl oder Übel im Dunkeln halten.

Der Gedanke ist traurig, dass die Rechtswissenschaft bei uns im neunzehnten Jahrhundert bei den Ideen stehen geblieben ist, die die Existenz der Sklaverei in der Antike aufbringen musste. Aber man kann es erklären. Die Rechtslehre ist in Frankreich monopolisiert, und das Monopol verhindert den Fortschritt.

Freilich beherrschen die Juristen die öffentliche Meinung nicht ganz und gar. Doch muss man zugeben, dass die klerikale und die Universitätsausbildung die französische Jugend wunderbar vorbereiten, in all diesem die falschen Vorstellungen der Juristen anzunehmen, da sie — als ob sie sicherer gehen wollte — uns alle während der zehn schönsten Jahre unseres Lebens in die Atmosphäre von Krieg und Sklaverei eintaucht, die die römische Gesellschaft umgibt und durchdringt.

Wundern wir uns also nicht, im achtzehnten Jahrhundert die römische Idee wiederkehren zu sehen, dass das Eigentum ein konventionelles Faktum ist  und eine gesetzliche Einrichtung, dass keineswegs das Gesetz aus dem Eigentum kommt sondern vielmehr das Eigentum aus dem Gesetz. Man weiß, dass nach Rousseau nicht nur das Eigentum sondern die gesamte Gesellschaft das Resultat eines Vertrages ist, einer aus dem Kopfe des Gesetzgebers hervorgegangenen Erfindung.

„Die gesellschaftliche Ordnung ist ein heiliges Recht, das allen anderen zur Grundlage dient. Gleichwohl kommt dieses Recht nicht aus der Natur. Also beruht es auf Konventionen.“

Also ist das Recht, das allen anderen zur Grundlage dient, ganz und gar konventionell. Folglich ist das Eigentum, das ein abgeleitetes Recht ist, ebenfalls konventionell. Es kommt nicht aus der Natur.

Robespierre war von den Ideen Rousseaus durchdrungen. In dem, was der Schüler über das Eigentum sagt, erkennt man bis zur Formulierung die Theorien des Meisters wieder.

Bürger, ich werde euch zunächst einige nötige Artikel vorlegen, um eure Vorstellung vom Eigentum zu vervollständigen. Dieses Wort soll niemand beunruhigen. Schmutzige Seelen, die nur am Golde hängen, ich will nicht an eure Schätze rühren, wie unrein ihre Quelle auch sei… Ich meinerseits wäre lieber in der Hütte des Fabricius als im Palast des Lucullus geboren, etc., etc.

Ich weise hier darauf hin, dass es, wenn man die Vorstellung vom Eigentum analysiert, irrational und gefährlich ist, dies Wort gleichbedeutend mit Überfluss und vorallem mit unredlich erworbenem Überfluss zu setzen. Die Hütte des Fabricius ist ebenso Eigentum wie der Palast des Lucullus. Aber es sei mir erlaubt, die Aufmerksamkeit des Lesers auf den folgenden Satz zu lenken, der das ganze System in sich schließt:

Als wir die Freiheit definierten, dieses erste Bedürfnis des Menschen, das heiligste Recht, das er von Natur hat, haben wir mit gutem Grund gesagt, dass es das Recht des anderen zur Grenze hat. Warum haben wir dies Prinzip nicht auf das Eigentum angewandt, das eine gesellschaftliche Einrichtung ist, als ob die ewigen Gesetze der Natur weniger unverletzlich wären als die menschlichen Konventionen?

Nach dieser Einleitung legt Robespierre die Prinzipien in diesen Termini fest:

Artikel 1. Das Eigentum ist das Recht jedes Bürgers, den Anteil an Gütern zu genießen und darüber zu verfügen, der ihm von dem Gesetz garantiert ist.
Artikel 2. Das Recht auf Eigentum ist, wie alle anderen, beschränkt durch die Verpflichtung die Rechte anderer zu achten.

So stellt Robespierre Freiheit und Eigentum gegeneinander. Dies sind zwei Rechte unterschiedlichen Ursprungs: Eines kommt von der Natur, das andere ist eine gesellschaftliche Einrichtung. Das erste ist natürlich, das zweite konventionell.

Dass Robespierre beiden Rechten die gleiche Schranke setzt, hätte ihn wohl zu der Auffassung führen sollen, dass beide die gleiche Quelle haben. Ob es sich um Freiheit handelt oder um Eigentum, das Recht des Anderen zu achten heißt nicht, das Recht zu zerstören oder zu ändern, sondern es zu achten und zu bestätigen. Eben weil das Eigentum ein Recht ist, das älter als das Gesetz ist, so gut wie die Freiheit, existieren sie beide nur unter der Bedingung, das Recht des Anderen zu achten. Das Gesetz hat die Aufgabe, dieser Grenze Achtung zu verschaffen, wodurch das Prinzip selbst anerkannt und aufrechterhalten wird.

Wie dem auch sei, es ist sicher, dass Robespierre — nach dem Vorbild von Rousseau — das Eigentum als eine gesellschaftliche Einrichtung betrachtete, als eine Konvention. Er verbindet es in keiner Weise mit seinem wirklichen Rechtstitel — der Arbeit. Es ist das Recht, sagt er, über den Anteil von Gütern zu verfügen, die vom Gesetz garantiert werden.

Ich brauche hier nicht zu wiederholen, dass über Rousseau und Robespierre die römische Vorstellung vom Eigentum sich auf alle unsere sogenannten sozialistischen Schulen übertragen hat. Bekanntlich ist der erste Band von Louis Blancs Werk über die Revolution eine Dithyrambe auf den Philosophen aus Genf und den Vorsitzenden des Konvents.

Also, dass das Recht auf Eigentum von der Gesellschaft eingerichtet ist, dass es eine Erfindung des Gesetzgebers ist, vom Gesetz geschaffen — mit anderen Worten, dass es dem Menschen im Naturzustand unbekannt ist — diese Idee, sage ich, hat sich von den Römern bis zu uns  fortgeerbt: über die Rechtslehre, über die klassischen Studien, die Publizisten des achtzehnten Jahrhunderts, die Revolutionäre von 1793 und die modernen Organisatoren.
 

Kommen wir nun zu den Folgen der beiden Systeme, die ich einander gegenübergestellt habe, und beginnen wir mit dem juristischen System.

Die erste Folge ist, dass es der Phantasie der Utopisten ein grenzenloses Feld eröffnet.

Das ist offensichtlich. Wenn man einmal zum Prinzip erhebt, dass das Eigentum seine Existenz aus dem Gesetz hat, gibt es ebenso viele mögliche Organisationen der Arbeit, wie es mögliche Gesetze im Kopf von Phantasten gibt. Wenn man einmal zum Prinzip erhebt, dass der Gesetzgeber damit betraut ist, Personen und ihr Eigentum zuzuordnen, zu kombinieren und nach seinem Gusto zu formen, gibt es keine Grenzen mehr für die vorstellbaren Arten nach denen die Personen und Eigentümer zugeordnet, kombiniert und geformt werden könnten. Derzeit sind sicherlich in Paris mehr als fünfhundert Entwürfe über die Organisation der Arbeit im Umlauf, eine gleiche Anzahl von Entwürfen über die Organisation des Kredits nicht zu rechnen. Ohne Zweifel widersprechen sich diese Pläne untereinander, aber allen ist gemeinsam, dass sie auf dem Gedanken ruhen: Das Gesetz schafft das Recht auf Eigentum. Der Gesetzgeber verfügt als absoluter Herrscher über die Arbeiter und die Früchte der Arbeit.

Unter diesen Entwürfen haben die von Fourier,  von Saint-Simon,  von Owen,  von Cabet,  von Louis Blanc am meisten die öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Aber es wäre töricht zu glauben, dass es nur diese fünf möglichen Organisationsformen gibt. Ihre Anzahl ist unbeschränkt. Jeder Morgen kann eine neue aufblühen lassen, verführerischer als die des Vortages — und man stelle sich vor, wie es der Menschheit erginge, wenn ihr eben eine dieser Erfindungen aufgezwungen würde und sich unterdes plötzlich eine andere noch blendendere enthüllte. Sie wäre vor die Wahl gestellt, entweder jeden Morgen ihre Existenzbedingungen zu ändern, oder für immer auf einem als falsch anerkannten Weg zu verharren, nur weil er einmal eingeschlagen ist.
 

Eine zweite Folge ist, bei allen Phantasten den Durst nach Macht zu wecken. Ich denke mir eine Organisation der Arbeit aus. Mein System vorzustellen und darauf zu warten, dass die Menschen es annehmen, wenn es gut ist, hieße ja anzunehmen, dass die Initiative bei ihnen liege. Aber in meinem System liegt die Initiative beim Gesetzgeber. „Der Gesetzgeber“, wie Rousseau sagt, „muss sich in der Lage fühlen, die menschliche Natur zu ändern.“ Also muss ich anstreben, Gesetzgeber zu werden, um der Gesellschaft die von mir erfundene gesellschaftliche Ordnung  aufzuzwingen.

Weiterhin werden offenbar alle Systeme, die auf der Idee gründen, dass das Recht auf Eigentum eine gesellschaftliche Einrichtung ist, entweder bei konzentriertesten Privilegien enden oder bei vollständigstem Kommunismus — je nach den schlechten oder guten Absichten des Erfinders. Wenn er finstere Absichten hat, wird er sich des Gesetzes bedienen, um einige auf Kosten aller zu bereichern. Wenn er philanthropischen Gefühlen folgt, wird er das Wohlergehen angleichen wollen, und hierzu wird er daran denken, zu Gunsten von jedem einen gesetzlichen und gleichen Anteil an den geschaffenen Produkten festzusetzen. Bleibt zu untersuchen, ob unter dieser Voraussetzung die Schaffung von Produkten möglich ist.

In dieser Hinsicht hat uns die Luxemburg Kommission kürzlich ein sehr außerordentliches Schauspiel geboten. Hat man nicht, mitten im neunzehnten Jahrhundert, einige Tage nach der Februarrevolution, die im Namen der Freiheit ausbrach, einen Mann, höherstehend als ein Minister, ein Mitglied der provisorischen Regierung, einen Beamten bekleidet mit einer revolutionären und unbeschränkten Autorität, kalt fragen hören, ob es in der Verteilung der Löhne gut sei, die Kraft, das Talent, die Tätigkeit, die Geschicklichkeit des Arbeiters zu berücksichtigen, das heißt den produzierten Reichtum; oder ob es nicht besser wäre, ohne die persönliche Tauglichkeit oder ihre nützliche Wirkung zu beachten, allen gleichen Lohn zu geben? Eine Frage, die darauf hinausläuft: Kostet ein Meter Tuch, das von einem Faulen zu Markte getragen wird, dasselbe wie zwei Meter, die von einem fleißigen Mann geboten werden? Und was ganz unglaublich ist, dieser Mann hat verkündet, dass er gleichen Gewinn vorzöge, was auch immer die zum Verkauf gebotene Arbeit sei, und er hat also in seiner Weisheit entschieden,  dass zwar zwei von Natur zwei seien, per Gesetz aber nur eines.

Seht, wo man hinkommt, wenn man davon ausgeht, dass das Gesetz stärker ist als die Natur.

Das Auditorium hat, wie es scheint, verstanden, dass die Natur des Menschen selbst sich gegen eine solche Willkür wenden würde; dass man niemals erreichen wird, dass ein Meter Tuch Anrecht auf die gleiche Entlohnung gibt, wie zwei Meter. Dass wenn es so wäre, man die Konkurrenz, die man abschaffen wollte, durch eine andere viel verhängnisvollere Konkurrenz ersetzen würde; dass nämlich alle wetteifern, wer am wenigsten arbeitet, wer sich am wenigsten regt, denn die Entlohnung wäre ja doch nach dem Gesetz stets garantiert und für alle gleich.

Aber der Bürger Blanc hat den Einwand vorhergesehen. Um diesem sanften far-niente  vorzubeugen, das ach! dem Menschen so natürlich ist, wenn die Arbeit nicht entlohnt wird, hat er sich ausgedacht, in jeder Kommune eine Säule aufstellen zu lassen, wo die Namen der Faulen angeschrieben wären. Aber er hat nicht gesagt, ob es Inquisitoren geben wird, um die Sünde der Faulheit zu enthüllen, Gerichte, um darüber zu urteilen und Polizisten, um den Gerichtsspruch zu vollstrecken. Es ist bemerkenswert, dass sich die Utopisten niemals mit der gewaltigen Regierungsmaschine befassen, die allein erst ihre gesetzliche Mechanik in Bewegung setzen kann.

Als sich die Delegierten der Luxemburg Kommission ein bisschen ungläubig zeigten, erschien der Bürger Vidal, Sekretär des Bürgers Blanc, der die Gedanken des Meisters zu Ende geführt hat. Nach dem Beispiel von Rousseau beabsichtigt der Bürger Vidal nichts weniger als die Natur des Menschen und die Gesetze der Vorsehung zu ändern.

Es hat der Vorsehung gefallen, in das Individuum Bedürfnisse zu legen und ihre Folgen, die Fähigkeiten und ihre Folgen, und so das persönliche Interesse zu schaffen, anders gesagt, den Instinkt der Selbsterhaltung und das Streben nach Fortschritt als die große Triebfeder der Menschheit. Herr Vidal wird all das ändern. Er sah das Werk Gottes, und er sah dass es schlecht war. Folglich wird er, nach dem Prinzip, dass das Gesetz und der Gesetzgeber alles vermögen, per Dekret das persönliche Interesse unterdrücken. Er ersetzt es durch die Ehre. Nicht mehr, um zu leben, ihre Familie zu unterhalten und aufzuziehen, arbeiten die Menschen, sondern um der Ehre zu genügen, um der fatalen Säule zu entgehen, als ob dies neue Vehikel nicht wieder das persönliche Interesse auf einem anderen Gebiet wäre.

Herr Vidal zitiert unaufhörlich, was die Ehre bei Armeen ausrichtet. Aber, ach! man muss alles sagen, und wenn man die Arbeiter einberufen will, sage man uns also, ob das Militärgesetz mit seinen dreißig Vergehen, auf die die Todesstrafe steht, das Arbeitsgesetz werden wird?

Noch auffälliger an dem unheilvollen Prinzip, das ich hier mit aller Entschiedenheit bekämpfe, ist die Unsicherheit, die es fortwährend wie ein Damokles-Schwert über der Arbeit, dem Kapital, dem Handel und der Industrie hängen lässt. Und dies ist so schwerwiegend, dass ich alle Aufmerksamkeit des Lesers zu fordern wage.

In einem Land wie den Vereinigten Staaten, wo man das Recht auf Eigentum über das Gesetz stellt, wo die öffentliche Gewalt nur die Aufgabe hat, diesem natürlichen Recht Achtung zu verschaffen, kann jeder in vollem Vertrauen sein Kapital und seine Arbeit der Produktion widmen. Er braucht nicht zu fürchten, dass seine Pläne und Überlegungen von einem Augenblick auf den anderen von der Macht des Gesetzgebers umgeworfen werden.

Aber wenn man dagegen zum Prinzip erhebt, dass nicht die Arbeit sondern das Gesetz die Grundlage des Eigentums ist, und zulässt, dass alle Utopisten ihre Überlegungen überall jedem mit der Autorität von Dekreten aufzwingen, — wer sieht dann nicht, dass man alles, was die Natur an Voraussicht und Klugheit in das Herz des Menschen gelegt hat, gegen den industriellen Fortschritt wendet?

Wo findet sich dann noch der kühne Spekulant, der wagt, eine Fabrik aufzubauen oder sich einer Unternehmung zu widmen? Gestern dekretiert man, dass man nur ein bestimmte Anzahl an Stunden arbeiten darf. Heute dekretiert man, dass der Lohn für eine solche Art Arbeit festgelegt ist — wer kann das Dekret von morgen vorhersehen, das von übermorgen, die der folgenden Tage? Wenn sich der Gesetzgeber einmal in diese unmessbare Distanz von den anderen Menschen gestellt hat, dass er allen Ernstes glaubt, über ihre Zeit, ihre Arbeit, ihre Transaktionen, all das was eben Eigentum ausmacht, verfügen zu können, welcher Mensch draußen im Lande weiß dann im Geringsten, in was für eine Zwangslage ihn das Gesetz morgen bringen wird, ihn und seinen Beruf? Und wer kann und will unter solchen Bedingungen irgendetwas unternehmen?

Ich leugne gewiss nicht, dass unter den unzählbaren Systemen, die dieses falsche Prinzip hervorsprießen lässt, viele und sogar die meisten aus wohlwollenden und edlen Absichten hervorgehen. Aber das Furchtbare ist das Prinzip selbst. Das erklärte Ziel jeder einzelnen Maßnahme ist, den Wohlstand gleich zu verteilen. Aber die offenbarste Wirkung schon des Prinzips, auf dem diese Maßnahmen beruhen, ist, das Elend gleich zu verteilen. Ich sage nicht genug: Es bedeutet, die wohlhabenden Familien auf das Niveau der elenden absinken zu lassen, und die armen Familien durch Krankheit und Unterernährung zu dezimieren.

Ich gebe zu, dass ich um die Zukunft meiner Heimat besorgt bin, wenn ich an unsere bedenklichen finanziellen Schwierigkeiten denke, die dieses gefährliche Prinzip noch erschweren wird.

Am 24. Februar haben wir ein Budget verabschiedet, dass alle Proportionen überschreitet, die Frankreich vernünftigerweise tragen kann; und außerdem nach dem jetzigen Finanzminister beinahe eine Milliarde direkt fälliger Schulden. In dieser bereits für sich alarmierenden Situation sind dazu die Ausgaben immer gewachsen und die Einnahmen immer geschrumpft.

Das ist nicht alles. Man hat zwei Sorten Versprechen mit einer maßlosen Freigebigkeit in die Öffentlichkeit geworfen. Nach den einen wird man ihr eine unzählbare Menge wohltätiger aber teurer Institutionen geben. Nach den andern wird man alle Steuern senken. So wird man einerseits die Kinderheime, die Obdachlosenstätten, die Elementarschulen, die kostenlosen weiterführenden Schulen, die Genossenschaftswerkstätten, die Renten vervielfachen. Man wird die Eigentümer von Sklaven und auch die Sklaven selbst entschädigen. Der Staat wird Kreditinstitute gründen, den Arbeitern Arbeitsmittel zur Verfügung stellen. Er verdoppelt die Armee, reorganisiert die Marine, etc., etc., und andererseits schafft er die Salzsteuer ab, den Stadtzoll und alle Abgaben, die am unpopulärsten sind.

Welche Idee man sich auch von den Ressourcen Frankreichs macht, man wird sicher zumindest zugeben, dass sich die Ressourcen entwickeln müssen, um diesem doppelten Unternehmen gewachsen zu sein, das so gigantisch ist und so widersprüchlich erscheint.

Aber hört, wie sich inmitten dieser außerordentlichen Bewegung, die vielleicht über menschliche Kräfte ginge, sogar wenn alle Energien des Landes auf produktive Arbeit gelenkt würden, ein Ruf erhebt: Das Recht auf Eigentum ist ein Erzeugnis des Gesetzes. Folglich kann der Gesetzgeber jederzeit und nach den systematischen Theorien von denen er erfüllt ist, Dekrete erlassen, die alle Planungen der Industrie durcheinander bringen. Der Arbeiter ist nicht Eigentümer einer Sache oder eines Wertes, weil er ihn durch Arbeit geschaffen hat, sondern weil das Gesetz von heute es ihm garantiert. Das Gesetz von morgen kann diese Garantie zurückziehen und dann ist das Eigentum nicht mehr legitim.

Ich frage, wo führt das hin? Kapital und Arbeit werden scheu, sie können nicht mehr auf die Zukunft zählen. Das Kapital wird unter dem Stoß einer solchen Lehre davonlaufen, sich verstecken und verflüchtigen. Und was wird dann aus den Arbeitern, diesen Arbeitern für die Ihr eine so lebhafte, so ernsthafte, aber so wenig aufgeklärte Liebe bekundet? Werden sie besser ernährt sein, wenn die bäuerliche Produktion stockt? Werden sie besser gekleidet sein, wenn niemand wagt, eine Fabrik zu gründen? Werden sie besser beschäftigt sein, wenn das Kapital verschwindet?

Und die Steuer, woher werden Sie sie nehmen? Und die Finanzen, wie werden sie sich wieder konsolidieren? Wie werden Sie die Armee bezahlen? Wie werden Sie Ihre Schulden begleichen? Mit welchem Gelde werden Sie die Arbeitsmittel bereitstellen? Mit welchen Ressourcen werden Sie die wohltätigen Institutionen unterhalten, die so leicht zu verordnen sind?

Ich beeile mich, diese traurigen Betrachtungen zu verlassen. Es bleibt mir noch übrig, das dem heute vorherrschenden entgegengesetzte Prinzip in seinen Folgen zu untersuchen: das ökonomische Prinzip, das Prinzip, welches das Recht auf Eigentum aus der Arbeit und nicht aus dem Gesetz ableitet, das Recht auf Eigentum, das Prinzip, das sagt: Das Eigentum existiert vor dem Gesetz, das Gesetz hat nur die Aufgabe, dem Eigentum überall, wo es ist, überall wo es sich bildet, Achtung zu verschaffen, wie auch immer der Arbeiter es schafft, allein oder gemeinsam, vorausgesetzt er achtet das Recht des anderen.

Zunächst, genau wie das Prinzip der Juristen die Sklaverei nicht ausschließt, enthält das der Ökonomen die Freiheit. Das Eigentum, das Recht, die Frucht seiner Arbeit zu genießen, das Recht zu arbeiten, sich zu entwickeln, seine Fähigkeiten auszuüben wie man will, ohne dass der Staat anders als durch seinen Schutz eingreift, das ist die Freiheit. ­ Und ich verstehe immer noch nicht, warum die zahlreichen Partisanen gegensätzlicher Systeme auf der Fahne der Republik das Wort Freiheit stehen lassen. Man sagt, einige von ihnen hätten es ausgelöscht, um es durch das Wort Solidarität zu ersetzen. Die sind ehrlicher und konsequenter. Nur hätten sie Kommunismus sagen müssen, und nicht Solidarität; denn die Solidarität der Interessen, wie das Eigentum, existiert außerhalb des Gesetzes.

Es impliziert auch die Einigkeit. Das haben wir bereits gesehen. Wenn der Gesetzgeber das Recht auf Eigentum schafft, gibt es für das Eigentum so viele Daseinsformen, wie Irrtümer in die Köpfen von Utopisten passen, das heißt unendlich viele. Wenn im Gegenteil das Recht auf Eigentum ein Tatbestand der Vorsehung ist, der jeder menschlichen Gesetzgebung vorhergeht; und die menschliche Gesetzgebung zum Ziel hat, ihm Achtung zu verschaffen, gibt es keinen Raum für ein anderes System.

Es ist auch die Sicherheit, und das ist völlig klar: Wenn innerhalb eines Volkes wohl anerkannt ist, dass jeder für seine Existenzmittel sorgen muss, dass aber auch jeder auf die Früchte seiner Arbeit ein Recht hat, das dem Gesetz voran und voraus geht, dass das menschliche Gesetz nur nötig war und nur eingegriffen hat, um allen die Freiheit der Arbeit und das Eigentum an ihren Früchten zu garantieren, dann ist es ganz offensichtlich, dass sich der menschlichen Tätigkeit eine Zukunft der vollständigen Sicherheit eröffnet. Sie braucht nicht mehr zu fürchten, dass der Gesetzgeber Dekret für Dekret ihre Bemühungen hemmt, ihre Überlegungen umwirft, ihre Vorausplanung aus dem Gleis wirft. Unter dem Schutz dieser Sicherheit wird sich schnell Kapital bilden. Das schnelle Anwachsen des Kapitals wiederum ist allein Ursache für das Anwachsen des Wertes der Arbeit. Die Arbeiterklassen werden also wohlhabend sein; sie selbst werden dazu beitragen, neues Kapital zu bilden. Sie werden eher in der Lage sein, sich vom Lohn zu befreien, sich zu Unternehmungen zu vereinigen; sie auf ihre Rechnung zu gründen, sich ihre Würde zurück zu erobern.

Schließlich zieht das ewige Prinzip, dass der Staat nicht Produzent sein darf, sondern den Produzenten Sicherheit bieten soll, notwendig Sparsamkeit und Ordnung in den öffentlichen Finanzen nach sich; folglich macht es alleine das gute Maß und die gerechte Verteilung der Steuerlast möglich.

In der Tat — vergessen wir das niemals — hat der Staat keine Ressourcen, die ihm zu eigen sind. Er hat nichts, er besitzt nichts als was er den Arbeitern nimmt. Also setzt er, wenn er sich in alles einmischt, die erbärmliche und teure Aktivität seiner Agenten an die Stelle der privaten Aktivität. Wenn man — wie in den Vereinigten Staaten — dahin kommt zu erkennen, dass die Aufgabe des Staates ist, allen vollständige Sicherheit zu bieten, könnte man diese Aufgabe mit einigen hundert Millionen erfüllen. Dank solcher Sparsamkeit, verbunden mit wirtschaftlichen Aufschwung, wäre es schließlich möglich, eine direkte Steuer einzurichten — eine einzige, die nur den Gewinn jeder Art besteuert.

Aber dafür muss man nur abwarten, bis — vielleicht grausame — Erfahrungen unseren Glauben an den Staat ein wenig vermindert und unseren Glauben an die Menschheit vermehrt haben.

Ich schließe mit einigen Worten über die Vereinigung für den Freihandel. Man hat ihr diesen Namen sehr übel genommen. Ihre Gegner haben sich an dem erfreut, ihre Partisanen sich an dem gestoßen, was die einen wie die anderen für einen Fehler halten.

„Warum schlafende Hunde wecken?“, sagen diese Letzteren. „Warum ein Prinzip auf Ihre Fahne schreiben? Warum beschränken Sie sich nicht darauf, für die Zolltarife die kluge und vernünftige Mäßigung zu fordern, die die Zeit nötig gemacht hat und deren Günstigkeit die Erfahrung bestätigt?“

Warum? Weil zumindest in meinen Augen der Freihandel niemals eine Frage von Zöllen und Tarifen gewesen ist, sondern eine Frage des Rechts, der Gerechtigkeit, der öffentlichen Ordnung, des Eigentums. Weil das Privileg, in welcher Form es sich auch darstellt, die Negation oder die Verachtung des Eigentums einschließt. Weil das Eingreifen des Staates, um die Vermögen anzugleichen, um den Anteil der Einen auf Kosten der anderen zu vergrößern, Kommunismus ist, so wie ein Tropfen Wasser ebenso Wasser ist wie der ganze Ozean. Weil ich vorhersah, dass das Prinzip des Eigentums, wenn es einmal in einer Form erschüttert würde, unaufhörlich in tausenderlei Weise angegriffen würde. Weil ich nicht aus meiner Zurückgezogenheit hervorgekommen bin, um eine teilweise Ermäßigung der Zölle zu erreichen —  das hätte meine Zustimmung zu dieser falschen Vorstellung, dass das Gesetz dem Eigentum vorhergeht enthalten, sondern um dem entgegengesetzten Prinzip zur Hilfe zu eilen, das unter der Herrschaft der Protektionisten gefährdet worden ist, weil ich überzeugt war, dass die Grundeigentümer und die Kapitalisten selbst im Zoll den Keim zum Kommunismus gelegt haben, der sie jetzt erschreckt, denn sie verlangten von dem Gesetz  eine Vermehrung ihres Gewinns auf Kosten der Arbeiterklassen. Ich sah wohl, dass diese Klassen nicht zögern auch im Namen der Gleichheit Gesetzeshilfe zu fordern, um das Wohlstand anzugleichen, was genau der Kommunismus ist.

Lese man den ersten Artikel, der von unserer Vereinigung ausgegangen ist, das Programm, das in einer Vorbereitungssitzung, am 10. Mai 1846, herausgegeben wurde, man wird sehen, dass dies unser vorherrschender Gedanke war.

… Der Handel ist ein natürliches Recht wie das Eigentum. Jeder Bürger, der ein Produkt geschaffen oder erworben hat, muss die Wahl haben, es entweder sofort… zu seinem Gebrauch zu verwenden, oder es irgend jemand auf dem Erdboden abzutreten, der zustimmt, ihm dafür den Gegenstand seiner Wünsche im Tausch zu geben. Ihn dieser Fähigkeit zu berauben — wenn er davon … keinen Gebrauch macht, der der öffentlichen Ordnung und den guten Sitten zuwider ist — nur um einen anderen Bürger zufrieden zu stellen, heißt einen… Raub zu legitimieren, heißt das Gesetz der Gerechtigkeit zu verletzen.

… Es heißt weiterhin, die Grundlagen der Ordnung zu verletzen. Denn welche Ordnung kann innerhalb einer Gesellschaft bestehen, wo jede Industrie mit Hilfe des Gesetzes und der … öffentlichen Gewalt, ihren Erfolg in der Unterdrückung aller anderen sucht?

Wir stellen die Frage so hoch über die der Zölle, dass wir hinzufügen:

Die Unterzeichnenden streiten der Gesellschaft nicht das Recht ab, auf die Waren, die die Grenze überschreiten, Zölle für öffentliche .. Ausgaben zu erheben, vorausgesetzt sie sind durch den Bedarf der Staatskasse begründet.

…Aber sobald der Zoll seinen fiskalen Charakter verliert und zum Ziel hat, das fremde Produkt zum Schaden des Fiskus selbst abzuweisen, um … künstlich den Preis eines ähnlichen nationalen Produktes zu heben und so die Gemeinschaft zum Nutzen einer Klasse zu schädigen, von diesem Augenblick an manifestiert sich die Protektion, oder eher der Raub, und DIES ist das Prinzip, das die Vereinigung in den Geistern auszumerzen und völlig aus unseren Gesetzen zu entfernen hofft.

Sicherlich, hätten wir nur eine unmittelbare Ermäßigung der Zölle angestrebt, wären wir die Agenten irgendwelcher wirtschaftlichen Interessen, wie man es behauptet hat, so hätten wir uns wohl gehütet, auf unsere Fahne ein Wort zu schreiben, das ein Prinzip enthält. Habe ich vielleicht nicht die Hindernisse vorausgesehen, die uns diese Kriegserklärung an die Ungerechtigkeit eingetragen hat? Habe ich nicht sehr wohl gewusst, dass wir, wenn wir das Ziel verschleiern und verbergen, die Hälfte unserer Gedanken verstecken, eher zu der einen oder anderen partiellen Eroberung kommen? Aber inwieweit hätten diese Triumphe, die im Übrigen Scheintriumphe sind, das große Prinzip des Eigentums freigelegt und beschützt, das wir selbst ins Dunkle und außer Betracht gestellt hätten?

Ich wiederhole: Wir fordern die Abschaffung der protektionistischen Herrschaft — nicht als eine gute Regierungsmaßnahme, sondern als Gerechtigkeit, als Verwirklichung der Freiheit, als strikte Konsequenz aus einem Recht, das höher steht als das Gesetz. Was wir im Grunde wollen, können wir nicht in der Form verbergen.

Die Zeit naht, in der man erkennen wird, dass wir zu Recht nicht übereingekommen sind, in den Namen unserer Vereinigung einen Köder, eine Falle, eine Überraschung , eine Doppeldeutigkeit zu legen, sondern vielmehr den ehrlichen Ausdruck eines ewigen Prinzips der Ordnung und der Gerechtigkeit, denn nur Prinzipien haben Macht, nur sie sind die Fackel der Intelligenzen, der Brennpunkt irregeleiteter Überzeugungen.

In letzter Zeit ist ein allgemeines Zittern, wie ein Schüttelfrost, durch ganz Frankreich gelaufen. Bei dem bloßen Wort Kommunismus sind alle in Unruhe geraten. Man sah am helllichten Tage und beinahe offiziell die merkwürdigsten Systeme entstehen, sah subversive Verordnungen sich gegenseitig ablösen, denen noch subversivere Dekrete folgen können, und jeder fragte sich, wohin wir gehen. Das Kapital ist in Schrecken versetzt, der Kredit hat sich verflüchtigt, die Arbeit wurde niedergelegt, die Säge und der Hammer haben mitten in ihrem Werk innegehalten, als hätte ein verhängnisvoller allgegenwärtiger elektrischer Schlag plötzlich alle Intelligenzen und alle Arme lahmgelegt. Und warum? Weil das Prinzip des Eigentums ­ bereits ernsthaft von der protektionistischen Herrschaft gefährdet ­ neue Stöße empfängt, Folgen des ersten; denn der Eingriff des Gesetzes in die Angelegenheiten der Industrie und als Mittel, Werte zu belasten und den Reichtum anzugleichen, ein Eingriff der sich zuerst als Protektionismus zeigte, droht sich unter tausend bekannten und unbekannten Formen zu manifestieren. Ja, ich sage es frei heraus, es sind die Grundeigentümer, die man für Eigentümer an sich hält, die das Prinzip des Eigentums erschüttert haben, denn sie haben das Gesetz angerufen, um ihren Ländereien und Produkten einen künstlichen Wert zu geben. Es sind die Kapitalisten, die die Idee der Angleichung des Vermögens durch das Gesetz nahegelegt haben. Der Protektionismus war Vorläufer des Kommunismus; ich sage noch mehr, er war seine erste Manifestation. Denn was fordern heute die notleidenden Klassen? Sie fordern nichts anderes, als was die Kapitalisten und Grundeigentümer gefordert und erhalten haben. Sie fordern den Eingriff des Gesetzes, um den Reichtum anzugleichen, zu belasten, gleich zu verteilen. Was sie über die Zölle erreicht haben, wollen jene durch andere Einrichtungen tun. Aber das Prinzip ist immer dasselbe, gesetzlich von den einen zu nehmen, um den anderen zu geben. Und da Sie es sind, Eigentümer und Kapitalisten, die dieses verhängnisvolle Prinzip eingesetzt haben, werden Sie doch sicherlich nicht schreien, wenn Unglücklichere als Sie solchen Vorteil fordern. Sie haben zumindest eine Rechtfertigung, die Sie nicht hatten.

Aber man öffnet endlich die Augen, man sieht in welchen Abgrund uns dieser erste Angriff gegen die wesentlichen Bedingungen jeder gesellschaftlichen Sicherheit stößt. Ist dies nicht eine schreckliche Lehre, ein deutlicher Beweis der Kette von Ursache und Wirkung, durch die sich auf die Dauer die gerechte Strafe der Vorsehung zeigt, die Reichen sich heute vor dem Eindringen einer falschen Lehre fürchten zu sehen, deren ungerechte Grundlagen sie selbst gelegt haben, und von der sie glaubten, die Folgen still zu ihrem alleinigen Nutzen wenden zu können? Ja, Prohibitionisten, Sie waren die Vorreiter des Kommunismus! Ja, Eigentümer, Sie haben in den Köpfen die wahre Anschauung vom Eigentum zerstört!

Diese Einsicht gibt die politische Ökonomie, und Sie haben die politische Ökonomie verschrieen, denn sie bekämpft im Namen des Eigentums Ihre ungerechten Privilegien. ­ Und als Sie die Macht ergriffen haben, was war auch der erste Gedanke der modernen Schulen, die Sie erschrecken? Er war, die politische Ökonomie zu unterdrücken, denn die ökonomische Wissenschaft ist ein beständiger Protest gegen die gesetzliche Angleichung, die Sie erstrebt haben, und die heute andere erstreben nach Ihrem Beispiel. Sie haben von dem Gesetz etwas anderes und mehr als man vom Gesetz fordern darf verlangt, etwas anderes und mehr als das Gesetz geben kann. Sie haben von ihm nicht Sicherheit verlangt (das wäre Ihr Recht gewesen), sondern den Mehrwert dessen, was Ihnen gehört, was nicht zugestanden werden kann, ohne die Rechte des anderen zu verletzen. Und jetzt ist der Wahnsinn Ihrer Ansprüche der allgemeine Wahnsinn geworden. ­ Und wenn Sie den Sturm beschwichtigen wollen, der Sie zu verschlingen droht, bleibt Ihnen nur eines: Erkennen Sie Ihren Irrtum, verzichten Sie auf Ihre Privilegien! Lassen Sie das Gesetz in seine Schranken zurückkehren! Beschränken Sie den Gesetzgeber auf seine Rolle! Sie haben uns im Stich gelassen, Sie haben uns angegriffen, weil Sie uns ohne Zweifel nicht verstanden haben. Im Angesicht des Abgrundes, den Sie mit eigener Hand geöffnet haben, beeilen Sie sich, sich mit uns zu vereinigen in unserer Propaganda für das Recht auf Eigentum. Dabei — ich wiederhole es — ist diesem Wort seine weiteste Bedeutung zu geben, es sind darunter die Fähigkeiten des Menschen zu verstehen und alles, was man mit ihnen produzieren kann, sei es durch Arbeit oder durch Tausch.

Die Lehre, die wir verteidigen, erregt ein gewisses Misstrauen. weil sie sehr einfach ist. Sie beschränkt sich darauf, von dem Gesetz SICHERHEIT für alle zu fordern. Man mag kaum glauben, dass der Mechanismus der Regierung darauf reduziert werden kann. Weiterhin wirft man dieser Lehre vor, die Brüderlichkeit auszuschließen, da sie das Gesetz auf die Grenzen der allgemeinen Gerechtigkeit beschränkt. Die politische Ökonomie lehnt diesen Angriff ab. Dies wird Gegenstand eines künftigen Artikels (*) sein.
 

(*) Gemeint ist der Artikel Brüderlichkeit und Gerechtigkeit,

Die klassischen Studien und der Sozialismus

BÜRGER, REPRÄSENTANTEN,

Ich habe der Versammlung einen Antrag unterbreitet, welcher die Abschaffung der Universitätsabschlüsse anstrebt. Mein Gesundheitszustand gestattet mir nicht, ihn auf der Tribüne zu entwickeln. Erlaubt mir, meine Zuflucht zur Feder zu nehmen.

Die Frage ist außerordentlich ernst. Wie mangelhaft auch das von Eurer Kommission ausgearbeitete Gesetz sein mag, so glaube ich doch, dass es einen für den gegenwärtigen Zustand des öffentlichen Unterrichts wichtigen Fortschritt herbeiführen würde, wenn es so verbessert wird, wie ich vorschlage.

Die Universitätsabschlüsse haben den dreifachen Nachteil, den Unterricht einförmig (die Einförmigkeit ist nicht die Einheit) und starr zu machen, nachdem sie ihm die verderblichste Richtung gegeben haben.

Wenn es irgend etwas in der Welt gibt, was von Natur aus progressiv ist, so ist es der Unterricht. Werden durch ihn nicht die von der Gesellschaft erworbenen Kenntnisse von Generation zu Generation weitergegeben, also ein Schatz, der sich von Tag zu Tag läutert und vermehrt?

Wie ist es gekommen, das in Frankreich der Unterricht vom finsteren Mittelalter an einförmig und statisch geblieben ist? Weil er monopolisiert und in einen unüberschreitbaren Zirkel gebannt war.

Es gab eine Zeit, wo es, um irgendwelche Kenntnisse zu erlangen, ebenso notwendig war, latein und griechisch zu lernen, wie es für die Basken und Nieder-Bretagner unerläßlich ist, französisch zu lernen. Die lebenden Sprachen waren nicht verschriftlicht. Die Buchdruckerkunst war nicht erfunden, der menschliche Geist hatte sich nicht angelegen sein lassen, in die Geheimnisse der Natur einzudringen. Unterrichtet sein hieß wissen, was Epikur und Aristoteles gedacht hatten. In den höheren Ständen rühmte man sich damit, nicht lesen zu können. Eine einzige Klasse beherrschte den Unterricht und erteilte ihn, nämlich die Geistlichen. Was konnte damals dieser Unterricht sein? Offenbar musste er sich auf die Kenntnis der toten Sprachen, namentlich Latein beschränken. Es gab nur lateinische Bücher; man schrieb nur Latein; Latein war die Sprache der Religion; die Geistlichen konnten nur lehren, was sie gelernt hatten: Latein.

Verständlicherweise war also im Mittelalter der Unterricht auf das Studium der alten Sprachen, die sehr unpassend gelehrte Sprache hießen, beschränkt.

Ist es natürlich, ist es gut, das es im neunzehnten Jahrhundert ebenso ist? Ist Latein ein notwendiges Instrument, um Kenntnisse zu erwerben? Kann man aus den Schriften, welche uns die Römer hinterlassen haben, Religion, Physik, Chemie, Astronomie, Physiologie, Geschichte, Recht, Moral, wirtschaftliche Technologie oder Gesellschaftswissenschaft lernen?

Eine Sprache können, ebenso wie lesen können, heisst ein Instrument besitzen. Ist es nicht sonderbar, das wir unsere ganze Jugend damit hinbringen, uns zu Meistern eines Instruments zu machen, was zu gar nichts — oder nur zu wenigem taugt, da man doch, wenn man anfängt es zu beherrschen, nichts Dringenderes kennt, als es zu vergessen? — Ach! warum kann man nicht ebenso schnell die Eindrücke vergessen, die dies verderbliche Studium hinterlässt!

Was würden wir sagen, wenn man zu Saint-Cyr die Jugend , um sie für die moderne Militärkunde vorzubereiten, ausschließlich lehrte, Steine mit der Schleuder zu werfen?

Das Gesetz unseres Landes bestimmt, dass die ehrenvollsten Karrieren allen denen verschlossen sein sollen, die nicht Bacheliers sind. Es bestimmt außerdem, dass man, um Bachelier zu werden, seinen Kopf so mit Latein vollgepfropft haben muss, dass nichts anderes hineingeht. Was geschieht dann, wie alle Welt zugibt? Die jungen Leute haben das genaue, absolut notwendige Minimum, um den Grad zu erlagen, austariert und begnügen sich damit. Ihr klagt hierüber, Ihr seufzt. Ach! begreift Ihr nicht, dass es die Stimme des gesunden Menschenverstandes ist, der sich nicht eine nutzlose Anstrengung aufbürden lassen will?

Ein Instrument lehren, welches, sobald man es kann, keinen Ton mehr gibt, das ist eine wunderliche Anomalie! die Erklärung liegt in dem einzigen Worte: MONOPOL. Das Monopol hat die Eigenschaft, dass es alles, was es berührt, zum Erstarren bringt.

Eben darum hätte ich gewünscht, das die gesetzgebende Versammlung die Freiheit verwirklichte, das heisst den Fortschritt des Unterrichts. Es ist jetzt entschieden, dass es nicht sein soll. Wir werden die Freiheit nicht vollständig haben. Lassen Sie mich zumindest versuchen, einen Fetzen davon zu retten.

Die Freiheit kann vom Gesichtspunkt der Personen und bezüglich der Materien betrachtet werden —  ratione personae et ratione materiae, wie die Rechtsgelehrten sagen; denn die Konkurrenz der Methoden zu unterdrücken ist kein geringerer Angriff auf die Freiheit als die Konkurrenz der Menschen zu unterdrücken.

Es gibt Leute, die sagen: „Die Lehre wird frei sein, denn jeder wird darein eintreten können. “ Dies ist eine große Täuschung.

Der Staat, oder um es richtiger zu sagen, die Partei, die Faktion, die Sekte, der Mann, welcher sich für einen Augenblick und selbst in sehr gesetzlicher Weise des Regierungs-Einflusses bemächtigt, kann dem Unterricht die Richtung geben, welche ihm gefällt und nach seinem Belieben durch den blossen Mechanismus der Abschlüsse alle Intelligenzen formen.

Gebt einem Menschen die Verleihung der Abschlüsse und, wenn er Euch auch ganz frei unterrichten läßt, so wird das Unterrichten doch faktisch unter seiner Herrschaft stehen.

Ich, als Familienvater, und der Lehrer, mit dem ich mich über die Erziehung meines Sohns verständige, wir können glauben, dass die wahre Bildung darin besteht, zu wissen, was die Dinge sind und wie sie entstehen, sowohl im physischen als auch im moralischen Sinne. Wir mögen denken, dass der am besten unterrichtet ist, welcher sich die richtige Vorstellung von den Erscheinungen verschafft und die Verkettung der Ursachen und Wirkungen kennt. Wir möchten diese Annahme dem Unterricht zum Grunde legen. — Aber der Staat hat eine andere Vorstellung. Er denkt, gebildet sein bestünde darin, die Verse des Plautus skandieren und über das Feuer und die Luft die Meinungen von Thales und Phythagoras anführen zu können.

Was tut nun der Staat? Er sagt uns: Lehrt Euren Schüler, was Ihr wollt; aber wenn er zwanzig Jahr alt ist, werde ich ihn über die Meinung von Phythagoras und Thales befragen lassen; ich werde ihn die Verse von Plautus skandieren lassen und wenn er in diesen Materien nicht gut genug ist, um mir zu beweisen, dass er seine ganze Jugend darauf verwendet hat, so wird er weder Arzt, noch Advokat, noch Richter, noch Konsul, noch Diplomat, noch Professor werden können.

Danach bin ich wohl gezwungen, mich zu fügen, denn ich werde nicht die Veranwortung übernehmen, meinem Sohn so viele schöne Karrieren zu verschließen. Ihr werdet mir umsonst sagen, das ich frei bin; ich versichere, dass ich es nicht bin, weil Ihr mich zwingt, aus meinem Sohn, wenigstens in meinen Augen, einen Pedanten — vielleicht einen abscheulichen kleinen Rhetor — und sicherlich einen wilden Aufwiegler zu machen.

Wenn noch die für das Baccalaureat verlangten Kenntnisse irgendeinen Bezug zu den Bedürfnissen und Interessen unserer Zeit hätten! wenn sie wenigstens nur unnütz wären! aber sie sind in beklagenswerter Weise verderblich. Dem menschlichen Geist eine falsche Richtung zu geben, das ist die Aufgabe, welche die Körperschaften, denen das Monopol des Unterrichts überliefert worden ist, sich gestellt zu haben scheinen und wofür sie sich entscheiden haben. Dies will ich nun zu beweisen suchen.

Seit Anfang dieses Streits bombardieren die Universität und der Klerus sich gegenseitig mit Vorwürfen. Ihr verderbt die Jugend mit Eurem philosophischen Rationalismus, sagt der Klerus; Ihr verdummt sie mit Eurem religiösen Dogmatismus, sagt die Universität.

Dann kommen die Vermittler und sagen: Die Religion und die Philosophie sind Schwestern. Verschmelzen wir die freie Forschung und die Autorität. Universität, Klerus, Ihr habt abwechselnd das Monopol gehabt; teilt Euch darein und damit abgemacht.

Wir hörten, wie der ehrwürdige Bischof von Langres so gegen die Universität ausfiel: „Ihr habt uns die sozialistische Generation von 1848 geschaffen“

Und der Herr Cremieux beeilte sich den Ausfall mit den Worten zurückzugeben:  „Ihr habt die revolutionäre Generation von 1793 erzogen.“

Wenn Wahres in diesen Behauptungen liegt, was muss man daraus schließen? Dass die beiden Unterrichte verderblich gewesen sind, nicht durch das, was sie unterscheidet, sondern durch das, was ihnen gemeinsam ist.

Ja, es ist meine Überzeugung: es gibt zwischen diesen beiden Lehren einen gemeinsamen Punkt, nämlich den Missbrauch der klassischen Studien, und dadurch haben alle beide das Urteil und die Moral des Landes verdorben. Darin unterscheiden sie sich, dass der eine das religiöse Element, der andere das philosophische Element überwiegen lässt; aber diese Elemente, statt dass sie das Übel hervorgebracht haben, wie man sich vorwirft, haben es gemildert. Ihnen haben wir zu danken, dass wir nicht ebenso Barbaren sind, wie die Barbaren, die uns durch den Latinismus fortwährend zur Nachahmung empfohlen wurden.

Man gestatte mir eine Annahme, die zwar etwas gezwungen ist, aber meinen Gedanken verständlich machen wird.

Ich nehme also an, dass es irgendwo, bei den Antipoden, eine Nation gibt, welche die Arbeit hasst und verachtet und alle ihre Existenzmittel auf die fortwährende Beraubung aller benachbarten Völker und auf die Sklaverei gründet. Diese Nation hat sich eine Politik, eine Moral, eine Religion und eine öffentliche Meinung geschaffen, die mit dem brutalen Prinzip, durch welches sie sich erhält und entwickelt, im Einklang sind. Nachdem Frankreich dem Klerus das Monopol der Erziehung erteilt  hat, weiß dieser nichts Besseres zu tun, als die ganze französische Jugend zu diesem Volk zu schicken, um nach seiner Lebensweise zu leben, um sich seine Gesinnungen anzueignen, um sich an seinen Kulten zu begeistern und um seine Ideen wie die Luft einzuatmen. Er trägt nur Sorge, dass jeder Schüler bei seinem Abgange mit einem kleinen Buch ausgestattet wird, welches heißt: das Evangelium. Die in dieser Weise erzogenen Generationen kehren auf den Boden des Vaterlandes zurück; es bricht eine Revolution aus: ich gebe zu bedenken, welche Rolle sie dabei spielen.

In Anbetracht dessen entzieht der Staat dem Klerus das Monopol des Unterrichts und übergibt es der Universität. Auch die Universität schickt die Jugend wie es Tradition ist zu den Antipoden, zu dem räuberischen und sklavenbesitzenden Volk und gibt ihr auch ein kleines Buch mit, mit dem Titel: Philosophie. Fünf oder sechs auf diese Weise erzogenen Generationen haben kaum das Vaterland wiedergesehen, als eine zweite Revolution ausbricht. In derselben Schule gebildet wie ihre Vorgänger, zeigen sie sich als würdige Nachfolger.

Darauf gibt es Krieg zwischen den Monopolisten. Euer kleines Buch ist es, was alles Übel herbeigeführt hat, sagt der Klerus. Das Eurige ist es, entgegnet die Universität.

Ach nein, Ihr Herren, Eure kleinen Bücher kommen bei diesem allem nicht in Betracht. Was das Übel herbeigeführt hat, ist die wunderliche Idee, die Ihr beide ausgeheckt und ausgeführt habt, die für die Arbeit, für den Frieden, für die Freiheit bestimmte französische Jugend fortzuschicken, um sich mit den Gesinnungen und den Ansichten eines Volks von Räubern und Sklaven zu erfüllen, sie in sich aufzunehmen und sich damit zu übersättigen.

Das behaupte ich: Die subversiven Doktrinen, denen man den Namen Sozialismus oder Kommunismus gegeben hat, sind die Frucht der klassischen Studien, mögen sie vom Klerus oder von der Universität präsentiert werden. Ich füge hinzu, dass das Baccalaureat den klassischen Unterricht sogar den vermeintlich freien Schulen aufzwingen wird, die, wie man sagt, aus dem Gesetz hervorgehen müssen. Eben deshalb beantrage ich die Abschaffung der Abschlüsse.

Man rühmt vielfach das Lateinstudium als ein Mittel, um den Geist zu entwickeln; das ist reiner Konventionalismus. Den Griechen, welche nicht Latein lernten, fehlte es nicht an Geist und er scheint auch den französischen Frauen nicht zu fehlen, ebenso so wenig wie der gesunde Menschenverstand. Es wäre auch sonderbar, wenn der menschliche Geist nur an Stärke gewinnen könnte, indem er eine falsche Richtung nimmt; und begreift man nicht, dass der sehr zweifelhafte Vorteil, den man postuliert, wenn er vorhanden ist, sehr teuer erkauft wird durch das schreckliche Übel, in das Herz Frankreichs mit der Sprache der Römer ihre Ideen, ihre Gesinnungen, ihre Ansichten und die Karikatur ihrer Sitten eindringen zu lassen?

Seitdem Gott über die Menschen Ausspruch getan hat: Ihr werden Euer Brot im Schweiße Eures Angesichts essen, ist die Existenzsicherung für sie eine so wichtige, so drängende Angelegenheit, dass je nach den Mitteln, die sie zu diesem Zweck ergreifen, ihre Sitten, Gewohnheiten, Ansichten, ihre Moral und ihre sozialen Einrichtungen sehr verschieden sein müssen.

Ein Jägervolk kann nicht einem Fischervolk ähnlich sehen, noch eine Hirtennation einer Seefahrernation.

Aber diese Verschiedenheiten sind jedoch nichts im Vergleich zu dem Unterschied, der zwei Völker charakterisieren muss, von denen das eine von Arbeit lebt und das andere vom Diebstahl.

Denn zwischen Jägern, Fischern, Hirten, Ackerbauern, Handeltreibenden, Fabrikanten besteht das Gemeinsame, dass alle ihre Bedürfnisbefriedigung aus der Beherrschung von Dingen erlangen. Was sie ihrer Herrschaft unterwerfen wollen, ist die Natur.

Die Menschen aber, welche ihre Existenzmittel auf Plünderung gründen, üben ihre Wirksamkeit auf andere Menschen aus; das, worüber zu herrschen sie eifrig streben, sind ihres Gleichen.

Dass Menschen existieren, ist es notwendig, dass die Einwirkung auf die Natur, welche man Arbeit nennt, erfolgt.

Es kann sein, dass die Früchte dieser Einwirkung der Nation, welche sich ihr widmet, Vorteil bringen; es ist auch möglich, dass sie im zweiten Schritt, durch Gewalt, zu einem anderen Volk, das über das Arbeitsvolk gestellt ist, gelangen.

Ich kann hier nicht diesen ganzen Gedanken entwickeln; aber man möge recht darüber nachdenken und man wird sich überzeugen, dass zwischen zwei Menschenansammlungen, die sich in so entgegengesetzten Stellungen befinden, alles verschieden sein muss: Sitten, Gewohnheiten, Urteile, Organisation, Moral, Religion und zwar derartig, dass selbst die Worte zur Bezeichnung der allerwesentlichsten Beziehungen, wie die Worte Familie, Eigentum, Freiheit, Tugend, Gesellschaft, Regierung, Republik, Volk nicht dieselben Ideen bei der einen und bei der andern hervorrufen können.

Ein Kriegervolk sieht bald, dass Familie die militärische Hingabe schwächen kann (wir fühlen das selbst, da wir sie unseren Soldaten versagen). Aber die Bevölkerung darf nicht schrumpfen. Wie diese Aufgabe lösen? Wie es Plato in Theorie und Lykurg in Praxis taten: durch Promiskuität. Dennoch sind Plato und Lykurg Namen, die man uns gewöhnt, nur mit Ehrfurcht auszusprechen.

Für das, was Eigentum darstellt, möchte ich bestreiten, das man im ganzen Altertum eine leidliche Definition findet. Wir unsererseits sagen: der Mensch ist Eigentümer seiner selbst, folglich seiner Fähigkeiten und demgemäß des Produkts seiner Fähigkeiten. Konnten aber die Römer einen solchen Begriff fassen? Konnten sie, als Besitzer von Sklaven, sagen: der Mensch gehört sich? Die Arbeit verachtend, konnten sie sagen: der Mensch ist Eigentümer des Produkts seiner Fähigkeiten? Das hieße, den kollektiven Selbstmord zu institutionalisieren.

Worauf ließ also das Altertum das Eigentum begründet sein? Auf dem Gesetz — eine verderbliche Vorstellung, die verderblichste, die jemals in die Welt gekommen sein mag, da sie den Gebrauch und den Missbrauch von allem rechtfertigt, was dem Gesetz beliebt, als Eigentum zu erklären, selbst Früchte des Diebstahls, selbst den Menschen.

In diesen Zeiten der Barbarei konnte die Freiheit nicht besser begriffen werden. Was ist die Freiheit? Es ist die Gesamtheit der Freiheiten. Frei sein, unter seiner Verantwortlichkeit, zu denken und zu handeln, zu sprechen und zu schreiben, zu arbeiten und zu tauschen, zu lehren und zu lernen, das allein ist frei sein. Kann so eine Nation, die mit Hinblick auf eine Schlacht ohne Ende in der Zucht gehalten ist, die Freiheit begreifen? Nein, die Römer missbrauchten dies Wort für eine gewisse Kühnheit in den inneren Kämpfen, welche die Teilung der Beute unter ihnen hervorrief. Die Anführer wollten alles; das Volk forderte seinen Teil. Daher die Stürme auf das Forums, die Rückzüge nach dem Aventinischen Berge, die Agrargesetze, die Vermittlung der Tribunen, die Popularität der Verschwörer; daher diese Maxime: Malo periculosam libertatem etc. welche in unsere Sprache übergegangen ist, und womit ich auf dem Gymnasium alle meine Schulbücher verzierte:

Freiheit! Freiheit! welche Reize haben
Deine Stürme für ein großes Herz

Schöne Beispiele, erhabene Lehren, kostbare Samenkörner, um sie in die Seele der französischen Jugend zu legen!

Was soll man über die römische Moral sagen? Und ich spreche hier nicht von den Beziehungen des Vaters zum Sohn, des Gatten zur Gattin, des Patrons zum Klienten, des Herrn zum Diener, des Menschen zu Gott, Beziehungen, welche die Sklaverei für sich allein genommen schon in ein Gewebe von Schändlichkeiten verwandeln musste; ich will nur bei dem stehen bleiben, was man die schöne Seite der Republik nennt, dem Patriotismus. Was ist dieser Patriotismus? Der Hass des Fremden. Alle Zivilisation vernichten, allen Fortschritt ersticken, Fackel und Schwert in die Welt tragen, Frauen, Kinder, Greise an den Triumphwagen ketten, das war der Ruhm, das war die Tugend. Diesen Entsetzlichkeiten war der Marmor der Bildhauer und der Gesang der Dichter vorbehalten. Wie oft haben unsere jungen Herzen bei diesem Schauspiel nicht vor Bewunderung, ach! und vor Nacheiferung geklopft! So bereiteten uns unsere Lehrer, ehrwürdige Priester, reich an Jahren und an Liebe, für das christliche und zivilisierte Leben vor, so groß ist die Macht des Konventionalismus!

Die Lehre ist nicht verloren; und von Rom kommt ohne Zweifel der Ausspruch, der vom Diebstahl wahr, von der Arbeit falsch ist: Ein Volk verliert das, was ein anderes gewinnt, ein Ausspruch, der noch immer die Welt beherrscht.

Um uns von der römischen Moral eine Vorstellung zu machen, wollen wir uns mitten in Paris eine Assoziation von Menschen denken, welche die Arbeit hassen, entschlossen, sich durch List und Gewalt Genüsse zu verschaffen, folglich im Kriege mit der Gesellschaft. Man darf nicht zweifeln, dass sich im Schoß dieser Assoziation bald eine gewisse Moral und selbst starke Eigenschaften bilden werden. Mut, Standhaftigkeit, Verstellung, Klugheit, Mannszucht, Ausdauer im Unglück, tiefe Verschwiegenheit, Ehrgefühl, Hingebung für die Gemeinschaft, das werden ohne Zweifel die Tugenden sein, welche die Notwendigkeit und die öffentliche Meinung unter diesen Räubern entwickeln werden; das waren die der Flibustier; das waren die der Römer. Man wird sagen, dass bei letzteren die Größe ihres Unternehmens und ihr unermesslicher Erfolg einen so ruhmreichen Schleier auf ihre Verbrechen geworfen hat, dass sie sie in Tugenden verwandelt hat. — Und eben deshalb ist diese Schule so verderblich. Es ist nicht das niedrige Laster, es ist das mit Glanz gekrönte Laster, welches die Seelen auf Abwege führt.

Endlich, in Rücksicht auf die Gesellschaft, hat die alte Welt der neuen zwei falsche Ideen hinterlassen, welche sie erschüttern und sie noch lange Zeit erschüttern werden.

Die eine: Dass die Gesellschaft ein Zustand außer der Natur ist, der aus einem Vertrage hervorgegangen ist. Diese Idee war vor Zeiten nicht so irrig, wie sie es heut zu Tage ist. Rom, Sparta, das waren wohl zwei Ansammlungen von Menschen, die einen gemeinsamen und bestimmten Zweck hatten: das Plündern; das waren nicht eigentlich Gesellschaften, sondern Armeen.

Die andere, die aus der vorigen folgt: Dass das Gesetz die Rechte schafft, und dass folglich der Gesetzgeber und die Menschen zueinander im selben Verhältnis stehen wie Töpfer und Ton  — Minos, Lykurg, Salon, Numa hatten die kretensische, lakedämonische, atheniensische, römische Gesellschaft verfertigt. Plato war Verfertiger eingebildeter Republiken, die den künftigen Begründern der Völker und Vätern der Nationen zum Muster dienen sollten.

Nun, beachtet es wohl, diese zwei Ideen stellen das besondere Merkmal, das charakteristische Gepräge des Sozialismus, dies Wort im schlechtesten Sinne und als die gemeinsame Aufschrift aller sozialen Utopien genommen.

Wer unwissend, dass der gesellschaftliche Körper, wie der menschliche Körper, ein Inbegriff natürlicher Gesetze ist, daran denkt, eine künstliche Gesellschaft zu schaffen und anfängt, Familie, Eigentum, Recht, die Menschheit nach seinem Belieben zu ordnen, ist Sozialist. Er betreibt nicht Physiologie, er betreibt Bildhauerkunst; er beobachtet nicht, er erfindet; er glaubt nicht an Gott, er glaubt an sich selbst; er ist nicht Gelehrter, er ist Tyrann; er dient nicht den Menschen, er verfügt über sie; er studiert nicht ihre Natur, er verändert sie nach dem Rate Rousseaus. Er begeistert sich am Altertum; er folgt Lykurg und Plato. — Und um es mit einem Wort zu sagen, er ist sicherlich ein Bachelier.

Du übertreibst, wird man mir sagen, es ist nicht möglich, dass unsere studierende Jugend aus dem schönen Altertum so beklagenswerte Ansichten und Gesinnungen schöpft.

Und wollt Ihr denn, dass sie etwas anderes daraus schöpft als was darin ist? Strengt Euer Gedächtnis an und erinnert Euch, in welcher Geistesverfassung Ihr nach Abschluss der Schule in die Welt eingetreten seid. Branntet Ihr nicht vor Verlangen, den Verheerern der Erde und den Unruhestiftern des Forums nachzuahmen? Wenn ich meinerseits die heutige Jugend zu Tausenden in die Form von Brutussen und Gracchen gießen sehe, um sie dann, unfähig zu ehrlicher Arbeit (opus servile), auf die Presse und auf die Straße zu werfen, so bin ich erstaunt, dass sie diese Probe besteht. Denn der klassische Unterricht hat nicht bloß die Unklugheit, uns in das römische Leben zu versenken. Er versenkt uns darin, indem er uns daran gewöhnt, uns dafür zu exaltierten, es als ein schönes Menschheitsideal zu betrachten, als erhabenes Vorbild, das für moderne Seelen zu hoch ist, dem wir aber nachstreben sollen, ohne jemals zu hoffen, es erreichen zu können.

Will man einwenden, dass der Sozialismus auch die Klassen, die kein Baccalaureat anstreben, eingenommen hat, so werde ich mit Herrn Thiers antworten:

Der Sekundärunterricht lehrt die Kinder der wohlhabenden Klassen die alten Sprachen … Es sind nicht bloß Worte, welche man die Kinder lehrt, indem man sie Griechisch und Latein lehrt, es sind edle und erhabene Dinge ( Raub, Krieg und Sklaverei), es ist die Geschichte des Menschengeschlechts in einfachen, großen, unauslöschlichen Bildern.. Der Sekundärunterricht bildet das, was man die aufgeklärten Klassen einer Nation nennt. Wenn nun die aufgeklärten Klassen nicht die ganze Nation sind, so geben sie ihr doch das Charakteristische. Ihre Laster, ihre Eigenschaften, ihre guten und schlechten Neigungen sind bald diejenigen der ganzen Nation, sie erschaffen das Volk durch die Verbreitung ihrer Gedanken und ihrer Gesinnungen. (sehr gut)

Nichts ist wahrer und nichts erklärt besser die verderblichen und künstlichen Abwege unserer Revolutionen.

Das Altertum, fügte Herr Thiers hinzu, wagen wir es, dies zu einem auf sich selbst stolzen Jahrhundert zu sagen, das Altertum ist das Schönste, was es in der Welt gibt. Lassen wir, meine Herrn, lassen wir die Kindheit im Altertum, wie in einem ruhigen, friedlichen und unverdorbenen Asyl, dazu bestimmt, sie frisch und rein zu erhalten.

Die Ruhe Roms! der Friede Roms! die Reinheit Roms! ach! Wenn die lange Erfahrung und der außerordentlich gesunde Verstand des Herrn Thiers ihn vor einer so sonderbaren Vorliebe nicht haben bewahren können, wie könnt Ihr erwarten, dass unsere feurige Jugend sich davon frei hält?

Dieser Tage hat die Nationalversammlung einem komischen Dialog beigewohnt, der gewiss der Feder Molières würdig war.

Herr Thiers, von der Tribüne herab und ohne zu lachen, sich zu Herrn Barthelemy Saint-Hilaire wendend:

Sie haben unrecht nicht hinsichtlich der Kunst, sondern in moralischer Hinsicht, besonders für die Franzosen, die eine Lateinische Nation sind, die griechischen Schriften den Lateinischen vorzuziehen.

Herr Barthelemy de Saint-Hilaire, auch ohne zu lachen: Und Plato!

Herr Thiers, immer ohne zu lachen:

Man hat recht getan, man tut recht, die griechischen und lateinischen Studien zu pflegen. Ich ziehe die lateinischen in moralischer Hinsicht vor. Aber man hat gewollt, dass die armen jungen Leute zu gleicher Zeit das Deutsche, das Englische, die exakten Wissenschaften, die physischen Wissenschaften, die Geschichte usw. verstehen.

Zu wissen, was ist, darin liegt das Übel. Die römischen Sitten in sich aufzunehmen, darin liegt die Moralität!

Herr Thiers ist weder der erste, noch der einzige, der dieser Täuschung, ich hätte beinahe gesagt, dieser Mystifikation anheimgefallen ist. Es sei mir gestattet, mit wenigen Worten auf den tiefen Eindruck ( und welchen Eindruck!) hinzuweisen, den der klassische Unterricht auf Literatur, Moral und Politik unseres Landes gemacht hat.

Es ist dies ein Gemälde, welches zu vollenden ich weder die Muße habe, noch Anspruch mache, denn welcher Schriftsteller müßte nicht darauf erscheinen? Begnügen wir uns mit einer Skizze.

Ich werde nicht auf Montaigne zurückgehen. Jedermann weiß, dass er seinem schwächlichen Willen nach Spartaner war, so wenig er es seinen Neigungen nach war.

Was Corneille, dessen aufrichtiger Bewunderer ich bin, betrifft, so glaube ich, dass er dem Geist des Jahrhunderts einen traurigen Dienst geleistet hat, indem er durch schöne Verse, wie die folgenden, unnatürlichen, überspannten, wilden, antisozialen Gesinnungen einen Stempel erhabener Größe aufdrückte:

Dem allgemeinen Wohl hingeben, was man liebt,
Und seinem andern Ich im Kampf entgegen stehn…
Solch eine Tugend war nur eigen uns allein…
Gewählt hat Rom sich meinen Arm, ich prüfte nichts,
Ich will mit gleicher rücksichtsloser Hingebung
Die Schwester frein, so wie dem Bruder kämpfend nahn.

Und ich gestehe, dass ich mich geneigt fühle, die Ansicht des Curatius zu teilen, die er nicht von einer besonderen Tat, sondern von der ganzen Geschichte Roms hegt, wenn er sagt:

Der Götter sag ich Dank, dass ich kein Römer bin,
So trag ich Menschliches doch etwas noch im Sinn.

Fenelon: Heut erregt uns der Kommunismus Schauder, weil er uns erschreckt; hatte aber langer Umgang mit den Alten nicht aus Fenelon einen Kommunisten gemacht, aus diesem Mann, den das moderne Europa mit Recht als das schönste Vorbild moralischer Vollkommenheit betrachtet? Lest seinen Telemach, dies Buch, welches man sich beeilt, den Kindern in die Hände zu geben; Ihr werdet darin finden, dass Fenelon die Züge von der Weisheit selbst entlehnt, um die Gesetzgeber zu unterweisen. Und nach welchem Plan organisiert er seine Mustergesellschaft? Auf der einen Seite der Gesetzgeber, der denkt, erfindet, handelt; auf der anderen die Gesellschaft, unempfindlich und träge, lässt sich behandeln. So ist die moralische Triebfeder, die Initiative allen Menschen entrissen, um das Vorrecht eines Einzigen zu sein. Fenelon, der Vorläufer unserer kühnsten Organisatoren, entscheidet über Nahrung, Wohnung, Kleidung, Spiel, Beschäftigungen aller Salentiner. Er sagt, was ihnen zu trinken und zu essen erlaubt sein soll, nach welchem Plan ihre Häuser gebaut werden, wie viel Zimmer sie haben, wie sie möbliert sein sollen.

Er sagt .. doch ich überlasse ihm das Wort:

Mentor stellte Beamte an, denen die Kaufleute von ihrem Vermögen, ihren Gewinnen, ihren Unternehmungen Rechnung legten … andererseits war vollständige Freiheit des Handels … Er verbot alle Waren fremder Länder, welche Luxus und Verweichlichung  hineintragen konnten. Er entfernte eine große Anzahl von Kaufleuten, welche gemustertes Tuch usw. verkauften .. Er bestimmte die Kleider, die Nahrung, die Möbel, die Größe und Verzierung der Häuser für alle verschieden Stände.

Bestimme die Stände nach der Geburt, sagte er zum König …  ; die Personen vom ersten Rang nach Dir werden weiß gekleidet sein …; die vom zweiten Rang blau …; die vom dritten grün …; die vom vierten rotgelb; die vom fünften blass- oder rosenrot …; die vom sechsten flachsblütenfarbig  …; und die vom siebten, welche die letzten des Volks sein werden, in einer aus gelb und weiß gemischten Farbe. das sind die Kleidungen der sieben verschiedenen Stände der Freien. Alle Sklaven werden graubraun gekleidet sein. Man wird niemals eine Änderung gestatten, weder im Tuch, noch im Schnitt der Kleider.

Er bestimmt selbst die Nahrung der Bürger und der Sklaven.

Er unterdrückte ferner zarte und verweichlichte Musik.

Er entwarf Muster einer einfachen und anmutigen Architektur. Er wollte, dass jedes bedeutendere Haus einen Saal und eine Säulenhalle hätte, nebst kleinen Zimmern für alle Freien.

Übrigens hinderte die Mäßigkeit und Genügsamkeit Mentors nicht, dass er alle großen für Pferde- und Wagenrennen, für Kämpfe von Ringern und Faustkämpfern bestimmte Bauwerke genehmigte.

Die Malerei und die Bildhauerkunst erschienen Mentor als Künste, die aufzugeben nicht zulässig ist; er wollte aber, dass man in Salent wenige diesen Künsten zugetane Menschen duldete.

Erkennt man hierin nicht eine durch die Lektüre Platos und das Beispiel Lykurgs erhitzte Phantasie, die sich an Versuchen mit Menschen wie mit einer gewöhnlichen Materie ergötzt?

Und man möge solche Chimären nicht damit entschuldigen, dass man sagt, sie entsprängen einem übertriebenen Wohlwollens. Das kann man von allen Organisierern und Desorganisierern sagen.

Rollin: Ein anderer Mann, an Geist und an Herz Fenelon beinahe gleich, der sich mehr als Fenelon mit der Erziehung beschäftigt hat, ist Rollin. Nun wohl! Zu welchem Grade von intellektueller und moralischer Niedrigkeit hat nicht die lange Beschäftigung mit dem Altertum diesen ehrlichen Rollin gebracht! Man kann seine Schriften nicht lesen, ohne von Traurigkeit und Bedauern ergriffen zu werden. Man weiß nicht, ob er Christ oder Heide ist, so unparteiisch zeigt er sich zwischen Gott und den Göttern. Die Wunder der Bibel und die Sagen der heroischen Zeiten finden bei ihm denselben Glauben. Auf seinem ruhigen Antlitz sieht man immer den Schatten kriegerischer Leidenschaften umherirren; er spricht nur von Wurfspießen, Schwertern und Katapulten. Für ihn, wie für Bossuet, ist es eins der interessantesten sozialen Probleme, ob die Makedonische Phalanx oder die Römische Legion besser war. Er pries die Römer, weil sie nur den Wissenschaften obgelegen haben, welche das Herrschen zum Zweck haben: Beredsamkeit, Politik, Kriegskunst. In seinen Augen sind alle anderen Kenntnisse Quellen der Verderbnis und nur geeignet, die Menschen dem Frieden geneigt zu machen; er verbannt sie auch sorgsam aus seinen Schulen, unter dem Beifallsklatschen des Herrn Thiers. All sein Weihrauch ist für Mars und Bellona; kaum verwendet er einige Körnchen für Christus. Als trauriger Spielball des Konventionalismus, der den klassischen Unterricht zur Herrschaft gebracht hat, ist er von vorne herein so entschieden, die Römer zu bewundern, dass er, in Beziehung auf sie, die einfache Unterlassung der größten Missetaten mit den höchsten Tugenden gleichstellt. Dass Alexander es bereute, seinen besten Freund ermordet zu haben, dass Scipio eine Frau ihrem Gatten nicht entführte, beweist in seinen Augen einen unnachahmlichen Heroismus. Kurz wenn er aus jedem von uns einen lebendigen Widerspruch gemacht hat, so ist er darin sicherlich das vollkommenste Muster.

Man könnte meinen, dass Rollin Enthusiast des Kommunismus und der lakedämonischen Institutionen war. Lassen wir ihm indes Gerechtigkeit widerfahren; seine Bewunderung ist nicht exklusiv. Mit den entsprechenden Rücksichten wirft er diesem Gesetzgeber vor, seinem Werke vier leichte Makel aufgedrückt zu haben:

  1. die Untätigkeit
  2. die Promiskuität
  3. den Kindsmord,
  4. den Massenmord an Sklaven

Während der ehrliche Tropf nach Nennung dieser vier Vorbehalte wieder in den klassischen Konventionalismus zurückfällt, sucht er in Lykurg nicht einen Menschen, sondern einen Gott und findet seine Polizei vollkommen.

Die Einmischung des Gesetzgebers in alle Angelegenheiten erscheint Rollin so unerläßlich, dass er den Griechen ganz ernstlich darüber Glück wünscht, dass ein Mann namens Pelagus kam, und sie Eicheln zu essen lehrt. Vorher, sagte er, nagten sie das Gras ab wie die Tiere.

Anderswo sagt er:

Gott schuldet die Herrschaft der Welt den Römern als Lohn für ihre großen Tugenden, die nur scheinbar sind. Er hätte nicht Recht angedeihen lassen, wenn er diesen Tugenden, die nichts Reelles haben, einen geringeren Preis bewilligt hätte.

Sieht man hier nicht deutlich, wie der Konventionalismus und das Christentum sich in der Person Rollins um eine arme Seele im Fegefeuer streiten? Der Geist dieser Phrase ist der Geist aller Werke des Begründers des Unterrichts in Frankreich. Sich widersprechen, Gott sich widersprechen lassen und uns lehren, uns zu widersprechen, das ist der ganze Rollin, das ist das ganze Baccalaureat.

Wenn auch die Promiskuität und der Kindermord Rollin bei den Institutionen des Lykurg ihm Bedenken erregen, so lässt er sich doch für alle Übrige leidenschaftlich einnehmen und findet selbst Mittel, den Diebstahl zu rechtfertigen. Und zwar so. Die Stelle ist merkwürdig und knüpft sich so an mein Thema, dass sie angeführt zu werden verdient.

Rollin beginnt damit, das Prinzip aufzustellen, dass das  GESETZ DAS EIGENTUM SCHAFFT — ein verderbliches Prinzip, das allen Organisatoren gemeinsam ist und das wir sogleich im Munde Rousseaus, Mablys, Mirabeaus, Robespierres und Babeufs wiederfinden werden. Da nun das Gesetz der Grund für das Bestehens von Eigentum ist, kann es nicht ebensowohl der Grund für das Bestehens von Diebstahl sein? Was ist dieser Folgerung entgegenzusetzen?

Der Diebstahl war in Sparta erlaubt, sagt Rollin, er war strenge bestraft bei den Skythen. Der Grund dieser Verschiedenheit ist sichtlich, nämlich das Gesetz, welches allein über das Eigentum und den Gebrauch der Güter entscheidet, hatte bei den Skyten dem einzelnen nichts auf das Gut eines andern eingeräumt und bei den Lakedämoniern hatte das Gesetz ganz das Gegenteil getan.

Hernach ruft der gute Rollin im Eifer seiner Schutzrede zu Gunsten des Diebstahls und des Lykurg, die unbestreitbarste der Autoritäten an, die Gottes:

Nichts ist gewöhnlicher, sagt er, als gleiche auf das Gut anderer eingeräumte Rechte: so hatte Gott nicht bloß den Armen die Befugnis gegeben, Trauben in den Weinbergen zu pflücken und Ähren auf den Feldern zu sammeln und ganze Garben davon mitzunehmen, sondern hatte auch jedem Vorübergehenden ohne Unterschied die Freiheit eingeräumt, so oft es ihm gefüllt, in den Weinberg eines andern zu gehen und dort so viel Trauben zu essen, als er wollte, wider den Willen des Herrn des Weinberges. Gott gibt hiervon selbst den ersten Grund an, nämlich dass das Land Israel ihm gehörte und dass die Israeliten es nur unter dieser lästigen Bedingung innehatten.

Man wird ohne Zweifel sagen, dass dies eine Rollin eigentümliche Doktrin ist. Das eben ist es, was ich sage. Ich suche zu zeigen, bis zu welchem Grade moralischer Verworfenheit der alltägliche Umgang mit der abscheulichen antiken Gesellschaft die schönsten und die ehrlichsten Seelen bringen kann.

Montesquieu: Man hat von Montesquieu gesagt, dass er die Rechte des Menschengeschlechts wiedergefunden habe. Er ist einer der großen Schriftsteller, von denen jeder Satz das Privileg hat, eine Autorität zu begründen. Gott behüte mich, dass ich seinen Ruhm verkleinern wollte. Was muss man aber von der klassischen Erziehung denken, wenn sie diesen edlen Geist so weit irre führte, dass er im Altertum die barbarischsten Institutionen bewunderte?

Die alten Griechen, von der Notwendigkeit durchdrungen, dass die Völker, welche unter einer populären Regierung lebten, für die Tugend erzogen werden, machten eigentümliche Einrichtungen, um sie einzuflößen … Die Gesetze Kretas waren das Vorbild derer von Lakedämon; und diejenigen Platos waren ihre Verbesserung.

Ich bitte der Größe des Genies einige Beachtung zu schenken, welches diese Gesetzgeber haben mussten, um einzusehen, dass die dadurch der Welt ihre Weisheit zeigten, dass sie gegen alle herkömmlichen Gebräuche verstießen und alle Tugenden durcheinander brachten. Indem Lykurg den Diebstahl mit dem Geist der Gerechtigkeit, die härteste Sklaverei mit der höchsten Freiheit, die grausamsten Neigungen mit der größten Mäßigkeit vermengte, verlieh er seiner Stadt festen Bestand. Er schien ihr alle Ressourcen zu nehmen, die Künste, den Handel, das Geld, die Mauern; man hat dort Ehrgeiz ohne Hoffnung besser zu sein; man hat dort die natürlichen Gefühle und man ist dort weder Kind, noch Gatte, noch Vater, sogar die Schamhaftigkeit ist der Keuschheit genommen. Durch solche Wege ist Sparta zu Größe und zum Ruhm geführt worden; aber mit einer solchen Unfehlbarkeit seiner Institutionen, dass man gegen dasselbe nichts erreichte, indem man Schlachten gewann, wenn man nicht schaffte, ihm auch seine Polizei zu nehmen.
(Esprit des Lois, livre IV.; chap VIII)

Diejenigen, welche dergleichen Institutionen schaffen wollen, werden die Gemeinschaft der Güter der Republik Platos einführen, diese Achtung, welche er für die Güter verlangte, die Absonderung von den Fremden für die Bewahrung der Sitten, das Gemeinwesen, welches den Handel treibt, und nicht die Bürger; sie werden unsere Künste ohne unsern Luxus und unsere Bedürfnisse ohne unsere Wünsche gewähren.

Montesquieu erklärt mit diesen Worten den großen Einfluß, welchen die Alten der Musik zuschrieben.

… Ich glaube, ich könnte dies so erklären: Man muss sich vorstellen „dass in den griechischen Städten und besonders in denen, die als Hauptbeschäftigung den Krieg hatten, jede Arbeit und jedes Gewerbe, womit man Geld verdienen konnte, als eines freien Mannes unwürdig angesehen wurde. „Die meisten Künste“, sagt Xenophon, „verderben den Körper derjenigen, welche sie treiben; man muss dabei im Schatten oder beim Feuer sitzen; man hat dabei weder Zeit für seine Freunde noch für die Republik.
Nur zur Zeit der Verderbnis einiger Demokratien gelangten die Handwerker dahin, Bürger zu werden. Dies erzählt uns Aristoteles; und er behauptet, dass eine gute Republik ihnen niemals das Bürgerrecht erteilen werde.

Der Ackerbau war auch eine sklavische Beschäftigung und gewöhnlich war es irgendein besiegtes Volk, das denselben trieb: die Heloten bei den Lakedämoniern, die Periöken bei den Kretensern, die Penesten bei den Thessaliern und andere Sklavenvölkern in andern Republiken.

Endlich war aller Handel bei den Griechen ehrlos. Ein Bürger hätte dabei einem Sklaven, einem Mietsmann, einem Fremden Dienste leisten müssen: diese Idee beleidigte den griechischen Freiheitssinn. Ach will Plato in seinen Gesetzen, dass man einen Bürger, welcher Handel treibt, bestraft.

MAN war also in den griechischen Republiken sehr in Verlegenheit: MAN wollte nicht, dass sich die Bürger mit dem Handel, dem Ackerbau oder mit den Künsten beschäftigen; MAN wollte auch nicht, dass sie müßig gingen. Sie fanden eine Beschäftigung in Gymnastikübungen und solchen, welche dem Krieg dienen. Die Erziehung gewährte ihnen keine anderen. Man muss also die Griechen wie eine Gesellschaft von Athleten und Kämpfenden betrachten. Diese Übungen nun, die so geeignet sind, die Leute rauh und wild zu machen, bedurften einer Mäßigung durch andere, welche die Sitten milder machen konnten. Die Musik, welche durch die Organe des Körpers ins Gemüt dringt, war hierzu sehr geeignet.
(Esprit des Lois, livre V.)

Das ist die Idee, dass der klassische Unterricht uns von der Freiheit gibt. Seht nun, wie er uns lehrt, die Gleichheit und Genügsamkeit zu begreifen:

Obgleich in der Demokratie die wirkliche Gleichheit die Seele des Staats ist, so ist sie doch so schwer herzustellen, dass eine äußerste Genauigkeit in dieser Beziehung nicht immer zweckmäßig sein würde. Es genügt, dass man einen Zensus bestimmt, der die Unterschiede bis auf einen gewissen Punkt beschränkt oder feststellt; wonächst denn besondere Gesetze durch die Lasten, welche sie den Reichen auflegen und durch Erleichterungen, welche sie den Armen gewähren, die Ungleichheiten sozusagen ausgleichen müssen.
(Esprit des Lois, livre V. chap. V)

In einer guten Demokratie genügt es nicht, dass die Anteile des Bodens gleich sind, sie müssen klein sein, wie bei den Römern …

So wie die Gleichheit des Vermögens die Genügsamkeit erhält, so unterstützt die Genügsamkeit die Gleichheit des Vermögens. Diese beiden Dinge, obgleich voneinander unterschieden, sind doch so beschaffen, dass keines ohne das andere bestehen kann.
(Esprit des Lois. chap. IV)

Die Samniter hatten eine Gewohnheit, die in einer kleinen Republik und besonders in der Lage, worin sich die ihrige befand, bewundernswürdige Wirkungen hervorbringen musste. Man versammelte alle jungen Leute und musterte sie. Der, welcher für den besten unter allen erklärt wurde, nahm das Mädchen zur Frau, welches er wollte; der, auf welchen die Stimmen zunächst fielen, wählte gleichfalls und so fort … Es wäre schwer, eine Belohnung zu erdenken, die edler, größer, für einen kleinen Staat weniger lästig und fähiger wäre, auf das eine oder das andere Geschlecht einzuwirken.
Die Samniter stammten von den Lakedämoniern ab; und Plato dessen Anordnungen nur die Vervollkommnung der Gesetze des Lykurg sind, gab beinahe ein gleiches Gesetz.
(Esprit des Lois, livre VII. chap. XVI.)

Rousseau. Kein Mensch hat auf die Französische Revolution solchen Einfluss geübt wie Rousseau. „Seine Werke, sagt L. Blanc, lagen auf dem Tisch des Wohlfahrts-Ausschusses.“ „Seine Paradoxien, sagt er ferner, die sein Jahrhundert als literarische Kühnheiten nahm, sollten bald in den Versammlungen der Nation in der Form dogmatischer und wie das Schwert schneidender Wahrheiten wiederhallen.“ Und damit das moralische Band,, welches Rousseau an das Altertum knüpft, nicht verkannt werde, fügt derselbe Lobredner hinzu: „Sein Stil erinnert an die pathetische und heftige Sprache eines Sohns der Cornelia.“

Wer weiss nicht außerdem, dass Rousseau der leidenschaftlichste Bewunderer der Ideen und Sitten war, welche man übereingekommen ist, den Römern und den Spartanern zuzuschreiben? Er sagt selbst, dass das Lesen des Plutarch ihn zu dem gemacht hat, der er ist.

Seine erste Schrift war gegen die menschliche Intelligenz gerichtet. Schon auf den ersten Seiten tut er den Ausruf:

Werde ich vergessen, dass man im Herzen Griechenlands dies ebenso durch seine glückliche Unwissenheit als durch die Weisheit seiner Gesetze berühmte Gemeinwesen aufkommen sah, diese Republik mehr von Göttern als von Menschen, so sehr schienen ihre Tugenden der menschlichen Natur überlegen zu sein? O Sparta! ewige Schmach einer eitlen Gelehrsamkeit! während die Laster im Gefolge der schönen Künste in Athen Eingang fanden, während dort selbst ein Tyrann mit solcher Sorgfalt die Werke des Fürsten der Dichter sammelte, verbanntest Du aus deinen Mauern die Künste und die Künstler, die Wissenschaften und die Gelehrten!
(Discours sur la retablissement des sciences et des arts.)

In seinem zweiten Werk, dem Discours sur l’inegalite des conditions, erging er sich mit noch größerer Heftigkeit gegen alle Grundlagen der Gesellschaft und der Zivilisation. Deshalb hielt er sich für den Ausleger der antiken Weisheit:

Ich werde mir vorstellen, dass ich im Lyzeum zu Athen bin, die Lehren meiner Meister wiederhole, einen Plato und einen Xenokrates als Richter und das menschliche Geschlecht als Zuhörer habe.

Der Hauptgedanke dieser berühmten Abhandlung lässt sich so zusammenfassen: Das schrecklichste Los erwartet diejenigen, welche das Unglück haben, nach uns geboren zu werden und ihre Kenntnisse den unsrigen hinzuzufügen. Die Entwicklung unserer Fähigkeiten macht uns schon sehr unglücklich. Unsere Väter waren es weniger, da sie unwissender waren. Rom näherte sich der Vollkommenheit, Sparta hatte sich verwirklicht, so weit die Vollkommenheit mit dem Gesellschaftszustand vereinbar ist. Aber das wahre Glück für den Menschen besteht darin, in Wäldern zu leben, allein, nackt, ohne Bande, ohne Liebe, ohne Sprache, ohne Religion, ohne Ideen, ohne Familie, kurz, in dem Zustand, wo er dem Tier so nahe stand, dass es sehr zweifelhaft ist, ob er sich aufrecht hielt und ob seine Hände nicht Füße waren.

Unglücklicherweise hat sich dieses goldene Zeitalter nicht verewigt. Die Menschen sind durch einen Zwischenzustand hindurchgegangen, der einigermaßen Reize hatte:

So lang sie sich mit ihren rohen Hätten begnügten, so lange sie sich damit begnügten, ihre Kleider von Fellen mit Fischgräten zu nähen, sich mit Federn und Muscheln zu schmücken, ihre Körper mit verschiedenen Farben zu bemalen … so lange sie sich nur mit Arbeiten beschäftigten, die ein Einziger ausführen konnte, lebten sie frei, gesund, gut und glücklich.

Ach!  sie verstanden es nicht, bei diesem ersten Grad der Kultur stehen zu bleiben:

Von dem Augenblick an, wo ein Mensch der Hilfe eines andern bedurfte ( das ist die unselige Erscheinung der Gesellschaft); sobald man merkte, dass es einem einzelnen nützlich war, Vorräte für zwei zu haben, verschwand die Gleichheit, verschaffte sich das Eigentum Eingang, wurde die Arbeit notwendig…
Der Bergbau und der Ackerbau waren die beiden Künste, deren Erfindung diese große Revolution hervorbrachte. Für den Dichter ist es Gold und Silber, für den Philosophen ist es Eisen und Getreide, welche die Menschen zivilisiert und das menschliche Geschlecht verdorben haben.

Man muss also aus dem Naturzustand herausgehen, um in die Gesellschaft einzutreten. Das ist die Veranlassung zu dem dritten Werk Rousseaus: le Contrat social.

Es gehört nicht zu meiner Aufgabe, dies Werk hier zu rezensieren; ich werde mich darauf beschränken, darauf hinzuweisen, dass sich darin die Griechisch-Römischen Ideen auf jeder Seite wiederholen.

Da die Gesellschaft ein Vertrag ist, so hat jeder das Recht, für sich Bestimmungen zu treffen.

Es kommt nur denen zu, welche sich vereinigen, die Bedingungen der Gesellschaft zu bestimmen.

Aber das ist nicht leicht.

Wie werden sie dieselben bestimmen? Wird es mit gemeinsamen Einverständnis, durch eine plötzliche Eingebung geschehen? … Wie würde eine blinde Menge, die oft nicht weiß, was sie will, aus sich selbst ein so großes, so schwieriges Unternehmen, wie ein System der Gesetzgebung ist, ausführen? Daher die Notwendigkeit eines Gesetzgebers.

Sonach ist das allgemeine Stimmrecht, sowie es in der Theorie angenommen ist, in der Praxis sogleich fallengelassen.

Denn wie wird sich dieser Gesetzgeber dabei benehmen, der in allen Beziehungen ein außerordentlicher Mann sein muss, der, wenn er es unternimmt, ein Volk zu begründen, sich im Stande fühlen muss, die menschliche Natur umzugestalten, die physische und moralische Konstitution des Menschen zu ändern, der, mit einem Worte, die Maschine erfinden muss, deren Material die Menschen sind?

Rousseau zeigt hier sehr gut, dass der Gesetzgeber weder auf Gewalt, noch auf Überredung bauen kann. Wie soll man also aus dieser Klemme herauskommen? Durch Betrug.

Das ist es, was zu allen Zeiten die Väter der Nationen nötigte, die Dazwischenkunft des Himmels zur Hilfe zu nehmen und die Götter mit ihrer eigenen Weisheit zu beehren. Dieser erhabene Grund, welcher sich über gemeine Seelen erhebt, ist, weshalb der Gesetzgeber seine Entscheidungen den Unsterblichen in den Mund legt, um durch göttliche Autorität über diejenigen, welche menschliche Klugheit nicht erschüttern würde, Gewalt zu erhalten. Aber es kommt nicht allen zu, die Götter sprechen zu lassen. (Die Götter! die Unsterblichen! Klassische Reminiszenz.)

Wie Plato und Lykurg, seine Meister, wie die Spartaner und die Römer, seine Helden, gab Rousseau den Worten Arbeit und Freiheit einen Sinn, wonach sie zwei unvereinbare Ideen ausdrückten. In dem Gesellschaftszustande muss man also wählen: darauf verzichten, frei zu sein, oder vor Hunger streben. Es gibt indessen einen Ausweg aus der Schwierigkeit, und dieser ist die Sklaverei.

Von dem Augenblick an, wo ein Volk sich Vertreter gibt, ist es nicht mehr frei!
Bei den Griechen tat das Volk alles, was es zu tun hatte, selbst. Es war fortwährend auf dem Markt versammelt; Sklaven taten seine Arbeiten, sein großes Geschäft war die Freiheit. Wenn man nicht mehr die gleichen Vorteile hat, wie soll man die gleichen Rechte bewahren? Ihr gebt mehr auf Euren Gewinn als auf Eure Freiheit, und Ihr fürchtet viel weniger das Elend als die Sklaverei.
Wie! die Freiheit besteht nur mit Hilfe der Sklaverei? Vielleicht. Die beiden Extreme berühren sich. Alles, was nicht nach der Natur ist, hat sein Unbequemes, und die bürgerliche Gesellschaft mehr als alles Übrige. Es gibt so unglückliche Lagen, wo man seine Freiheit nur auf Kosten der Freiheit anderer retten kann, und wo der Bürger nicht im höchsten Grade frei sein kann, ohne dass der Sklave im höchsten Grade Sklave ist. So war die Lage Spartas. Ihr, modernen Völker, Ihr habt keine Sklaven, aber Ihr seid Sklaven usw.

Das nun ist der klassische Konventionalismus. Die Alten hatten es so weit gebracht, sich Sklaven für ihre tierischen Instinkte anzuschaffen. Da es aber eine abgemachte Sache, eine Überlieferung des Gymnasiums ist, alles, was sie taten, schön zu finden, so schreibt man ihnen geläuterte Urteile über die Quintessenz der Freiheit zu.

Der Gegensatz, den Rousseau zwischen dem Naturzustand und dem Gesellschaftszustand aufstellte, ist eben so verderblich für die Privatmoral als für die öffentliche Moral. Nach diesem System ist die Gesellschaft das Resultat eines Vertrags, der dem Gesetz den Ursprung gibt, welches seinerseits aus dem nichts die Gerechtigkeit und die Moralität hervorbringt. In dem Naturzustand gibt es weder Moralität noch Gerechtigkeit. Der Vater hat gegen seinen Sohn, der Sohn gegen seinen Vater, der Gatte gegen seine Frau, die Frau gegen ihren Gatten durchaus keine Pflicht. Ich schulde demjenigen nichts, dem ich nichts versprochen habe; ich gestehe andern nur das zu, was mir unnütz ist; ich habe ein unbeschränktes Recht auf alles, was mich anzieht und was ich erlangen kann.

Hierauf folgt, dass wenn der einmal geschlossene Gesellschaftsvertrag aufgelöst wird, alles mit einem Mal zusammenstürzt, Gesellschaft, Gesetz, Moralität, Gerechtigkeit, Pflicht. Jeder, sagt Rousseau, tritt in seine ursprünglichen Rechte zurück und erlangt seine natürliche Freiheit wieder, indem er die konventionelle Freiheit, für welche er auf jene verzichtete, verliert.

Nun muss man wissen, wie wenig dazu erforderlich ist, dass der Gesellschaftsvertrag aufgelöst wird. Das geschieht jedes mal, sobald ein einzelner seine Zusagen nicht hält oder sich der Vollstreckung irgendeines Gesetzes entzieht. In dem Augenblick, wo ein Verurteilter, wenn die Gesellschaft ihm sagt: „Es ist zweckmäßig, dass du stirbst.“ entweicht; wo ein Bürger die Steuern verweigert, wo ein Rechnungspflichtiger sich an der öffentlichen Kasse vergreift, ist der Gesellschaftsvertrag verletzt, alle moralischen Pflichten hören auf, Gerechtigkeit existiert nicht mehr, Väter, Mütter, Kinder, Gatten schulden sich nichts; Jeder hat ein unbeschränktes Recht auf alles, was ihn anzieht; mit einem Wort, die ganze Bevölkerung tritt in den Naturzustand zurück.

Ich gebe die Unordnungen zu bedenken, welche solche Lehren in revolutionären Zeiten hervorbringen müssen.

Sie sind für die Privatmoral nicht weniger verderblich. Welcher junge Mann, von Jugendfeuer und Begierden erfüllt, wird sich beim Eintritt in die Welt nicht sagen: „Die Antriebe meines Herzens sind die Stimme der Natur, die sich niemals täuscht. Die Institutionen, die mir in den Weg treten, kommen von den Menschen und sind nur willkürliche Übereinkünfte, bei denen ich nicht mitgewirkt habe. Indem ich diese Institutionen mit Füßen trete, werde ich das doppelte Vergnügen haben, meine Neigungen zu befriedigen, und mich als einen Heros zu betrachten. „

Muss man hier an das folgende traurige und peinliche Blatt aus den Confessions erinnern?

Mein drittes Kind wurde also ins Findelhaus gebracht ebenso wie die beiden ersten. Dasselbe geschah mit den beiden folgenden, denn ich hatte im ganzen fünf. Dies Verfahren erschien mir so zweckmäßig, dass, wenn ich mir dasselbe nicht zum Verdienst anrechnete, es nur aus Rücksicht auf ihre Mutter geschah … Indem ich meine Kinder der öffentlichen Erziehung überwies … betrachtete ich mich als ein Mitglied der Republik Platos!

Mably: Es bedarf keiner Ausführungen, um die griechisch-römische Manie des Abbe Mably zu nachzuweisen. Ein starrer Mensch, von beschränkterem Geist und weniger empfänglichem Herzen als Rousseau, so ließ die Idee bei ihm weniger Gemüt und Mannigfaltigkeit zu. Auch war er offen Platoniker, das heißt Kommunist. Überzeugt, wie alle Klassiker, dass die Menschheit ein Rohstoff für Fabrikanten von Institutionen ist, wollte er, wie alle Klassiker auch, lieber Fabrikant sein, als Rohstoff. In Folge dessen tritt er als Gesetzgeber auf. Auf diesen Titel hin, wurde er zunächst berufen, Polen zu instituieren, und er scheint damit kein Glück gemacht zu haben. Dann bot er den Anglo-Amerikanern die schwarze Suppe der Spartaner an, wozu er sie nicht geneigt machen konnte. Erzürnt über diese Blindheit, sagte er den Fall der Union vorher und gab ihr keine fünf Jahre des Bestehens.

Es sei mir gestattet, hier einen Vorbehalt zu machen. Wenn ich die ungereimten und subversiven Lehren von Männern wie Fenelon, Rollin, Montesquieu, Rousseau anführe, will ich sicherlich nicht behaupten, dass man diesen großen Schriftstellern nicht Seiten voll Verstand und Moralität zu verdanken hat. Aber was in ihren Schriften Falsches ist, kommt von dem klassischen Konventionalismus, und was Wahres darin ist, fließt aus einer anderen Quelle. Das ist eben meine These, dass der ausschließliche Unterricht der griechischen und lateinischen Literatur aus uns allen lebendige Widersprüche macht. Er zieht uns mit Gewalt nach einer Vergangenheit hin, welche er zum Entsetzen verherrlicht, während das Christentum, der Geist des Jahrhunderts und dieser Fonds von gesundem Menschenverstand, der niemals seine Rechte verliert, uns das Ideal in der Zukunft zeigen.

Ich verschone Euch mit Morelly, Brissot, Raynal, die den Krieg, die Sklaverei, den priesterlichen Betrug, die Gemeinschaft der Güter, den Müßiggang rechtfertigen, ja um die Wette preisen. Wer könnte sich über die unreine Quelle solcher Lehren täuschen? Diese Quelle muss ich gleichwohl noch nennen, es ist die klassische Erziehung, so wie sie uns allen durch das Baccalaureat aufgebürdet wird.

Nicht bloß literarischen Werken hat das ruhige, friedliche und reine Altertum sein Gift eingeflößt, sondern auch juristischen Schriften. Ich möchte wohl wissen, ob man bei irgendeinem unserer Rechtsgelehrten etwas findet, was einem vernünftigen Begriff vom Recht auf Eigentum nahe kommt. Und was kann das für eine Gesetzgebung sein, wo dieser Begriff fehlt? Dieser Tage habe ich Veranlassung gehabt, Vattels Traite du droit des gens (über Menschenrechte) aufzuschlagen. Ich finde darin, dass der Verfasser ein Kapitel der Untersuchung der Frage gewidmet hat: Ist es erlaubt, Frauen zu entführen? Es ist klar, dass die Legende von den Römern und den Sabinerinnen uns diesen kostbaren Abschnitt verschafft hat. Nachdem der Verfasser mit dem größten Ernst das Für und Wider gegeneinander abgewogen hat, entscheidet er sich bejahend. Das musste er zum Ruhme Roms. Haben die Römer jemals unrecht gehabt? Es besteht ein Konventionalismus, der uns verbietet, das zu denken; sie sind Römer, das genügt. Brand, Plünderung, Raub, alles, was von ihnen kommt, ist ruhig, friedlich und rein.

Wird man vorgeben, dass dies nur persönliche Auffassungen sind? Es wäre für unsere Gesellschaft ein Glück, wenn das gleichförmige Wirken des, durch die Beistimmung von Montaige, Corneille, Fenelon, Rollin, Montesquieu, Rousseau, Raynal, Mably verstärkten, klassischen Unterrichts nicht dazu beitrüge, die allgemeine Meinung zu bilden. Und das werden wir sehen.

Inzwischen haben wir den Beweis, dass die kommunistische Idee sich nicht bloß einiger Individuen bemächtigt hätte, sondern auch ganzer Körperschaften, und zwar der unterrichtetsten wie der einflussreichsten. Als die Jesuiten in Paraguay eine gesellschaftliche Ordnung begründen wollten, was waren es da für Pläne, die ihnen ihre seitherigen Studien eingaben? Die des Minos, Plato und Lykurg. Sie verwirklichten den Kommunismus, der seinerseits nicht ermangelte, seine traurigen Folgen zu verwirklichen. Die Indianer kamen um einige Grade unter den Zustand der Wilden herunter. Doch so eingewurzelt war das Vorurteil der Europäer zu Gunsten der kommunistischen, immer als das Muster der Vollkommenheit dargestellten Institutionen, dass man von allen Seiten das Glück und die Tugend dieser, unter dem Hirtenstab der Jesuiten vegetierenden Wesen ohne Namen (denn es waren nicht mehr Menschen) pries.

Haben Rousseau, Mably, Montesquieu, Raynal, diese großen Lobredner der Missionen, die Tatsachen untersucht? Keineswegs. Können die griechischen und lateinischen Schriften trügen? Kann man irre gehen, wenn man Plato zum Führer nimmt? Also, die Indianer von Paraguay waren glücklich oder sollten es sein, bei Strafe gegen alle Regeln elend zu sein. Azara, Bougainville und andere Reisende segelten unter dem Einfluss dieser Vorurteile ab, um alle diese Wunder anzustaunen. Anfangs trat ihnen die traurige Wirklichkeit umsonst vor Augen, sie konnten nicht daran glauben. Dennoch mussten sie sich durch die Evidenz überzeugen lassen und zuletzt bestätigten sie, zu ihrem großen Bedauern, dass der Kommunismus ein verführerischer Traum und eine entsetzliche Wirklichkeit ist.

Die Logik ist unerbittlich. Es ist wohl klar, dass die Schriftsteller, die ich eben angeführt habe, es nicht gewagt haben, ihre Lehre bis zum Ende zu führen. Mably und Brissot nehmen es auf sich, diese Inkonsequenz wieder gut zu machen. Als wahre Platoniker predigten sie offen die Güter- und Weibergemeinschaft, und zwar, beachten wir es wohl, indem sie sich unaufhörlich auf die Beispiele und die Lehren dieses schönen Altertums, welches alle Welt zu bewundern übereingekommen ist, beriefen.

So war zu Familie, Eigentum, Freiheit und Gesellschaft der Zustand, in welchen die durch den Klerus gewährte Erziehung die öffentliche Meinung in Frankreich gebracht hatte, als die Revolution ausbrach. Sie lässt sich ohne Zweifel durch Ursachen, welche dem klassischen Unterricht fremd sind, erklären. Darf man aber zweifeln, dass dieser Unterricht eine Menge falsche Ideen, rohe Gesinnungen, subversive Utopien, unselige Experimente eingebracht hat? Man lese die in der gesetzgebenden Versammlung und im Konvent gehaltenen Reden. Es ist die Sprache Rousseaus und Mablys. Es sind nur Personifikationen, Anrufungen, Anreden an Fabricius, Cato, die beiden Brutus, die Gracchen, Catilina. Will man eine Unmenschlichkeit begehen, so findet man immer zu ihrer Verherrlichung das Beispiel eines Römers. Was die Erziehung dem Geist eingegeben hat, geht in die Handlungen über. Es ist anerkannt, dass Sparta und Rom Vorbilder sind, also muss man ihnen nachahmen oder sie parodieren. Der eine will die Olympischen Spiele einrichten, der andere die Agrargesetze und ein Dritter die schwarze Suppe auf den Straßen.

Ich kann nicht daran denken, hier diese Frage erschöpfend zu behandeln, die wohl wert ist, dass eine geübte Hand mehr als eine Flugschrift darauf verwendet: „Über den Einfluss der griechischen und lateinischen Literatur auf den Geist unserer Revolution.“ Ich muss mich auf einige Skizzen beschränken.

Zwei große Gestalten beherrschen die Französische Revolution und scheinen sie zu personifizieren: Mirabeau und Robespierre. Wie war ihre Lehre zum Eigentum?

Wir haben gesehen, dass die Völker, welche im Altertum ihre Mittel der Existenz auf Raub und Sklaverei gründeten, das Eigentum nicht an sein wahres Prinzip knüpfen konnten. Sie waren genötigt, es wie eine Sache des Übereinkommens zu betrachten und sie ließen es auf dem Gesetz beruhen, welches gestattet, die Sklaverei und den Diebstahl dabei zuzulassen, wie die Rollin so naiv auseinandersetzt.

Rousseau hatte auch gesagt:  „Das Eigentum rührt von Übereinkunft und menschlicher Einrichtung her, während die Freiheit ein Geschenk der Natur ist.“

Mirabeau sprach dieselbe Lehre aus:

Das Eigentum, sagt er, ist eine gesellschaftliche Schöpfung. Die Gesetze beschützen und halten es nicht allein aufrecht, sie lassen es auch entstehen, sie bestimmen es, sie geben ihm den Rang und den Umfang, den es unter den Rechten der Bürger einnimmt.

Und wenn Mirabeau sich so aussprach, so geschah es nicht, um eine Theorie aufzustellen. Seine wirkliche Absicht war, den Gesetzgeber zu veranlassen, die Ausübung eines Rechtes zu beschränken, worüber er wohl verfügen konnte, weil er es geschaffen hatte.

Robespierre wiederholte die Definitionen Rousseaus.

Indem wir die Freiheit, dieses erste Bedürfnis des Menschen, das heiligste der Rechte, welches er von der Natur erhalten hat, definierten, sagten wir mit Grund, dass es als Grenze das Recht anderer hat. Warum habt Ihr dies Prinzip nicht auf das Eigentum, welches eine gesellschaftliche Institution ist, angewendet, als wenn die Gesetze der Natur weniger unverletzbar wären, als die Übereinkünfte der Menschen.

Nach diesem Eingang geht Robespierre zu der Definition über.

Das Eigentum ist das Recht, welches jeder Bürger hat, die Güter, welche ihm durch das Gesetz verbürgt sind zu genießen und zu gebrauchen.

Das ist der sehr starke Gegensatz zwischen Freiheit und Eigentum. Es sind zwei Rechte verschiedenen Ursprungs. Das eine kommt von der Natur, das andere ist gesellschaftliche Setzung. Das erste ist natürlich, das zweite vertragsmäßig.

Wer macht nun das Gesetz? Der Gesetzgeber. Er kann also für die Ausübung des Rechts des Eigentums, da er dies Recht verleiht, die Bedingungen, die ihm belieben, stellen.

Robespierre beeilt sich auch, aus seiner Definition das Recht auf Arbeit, das Recht auf Unterstützung und die progressive Steuer herzuleiten.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, für den Unterhalt aller ihrer Mitglieder zu sorgen, sei es, indem sie ihnen Arbeit verschafft, sei es, indem sie die Mittel der Existenz denen sichert, welche außer Stande sind zu arbeiten.
Die notwendigen Unterstützungen für die Armut sind eine Schuld des Reichen gegen den Armen. Es kommt dem Gesetz zu, die Weise zu bestimmen, wie diese Schuld abgetragen werden soll.
Die Bürger, deren Einnahmen nicht dasjenige, was zu ihrem Unterhalt nötig ist, übersteigen, sind von Beiträgen zu den öffentlichen Ausgaben befreit. Die anderen müssen sie in progressiver Weise, nach Maßgabe ihres Vermögens, bestreiten.

Robespierre, sagt Herr Sudre, nahm so alle Maßregeln an, welche nach dem Geist ihrer Erfinder so wie in der Wirklichkeit den Übergang vom Eigentum zum Kommunismus bilden. Durch die Umsetzung von Platos Abhandlung über die Gesetze kam er, ohne es zu wissen, zur Verwirklichung des Gesellschaftszustandes, der in dem Buche über die Republik beschrieben ist.

(Bekanntlich hat Plato zwei Bücher geschrieben: das eine, um die ideale Vollkommenheit — Gütergemeinschaft und Weibergemeinschaft — zu beschreiben, nämlich das Buch über die Republik, das andere, um die Übergangsmittel zu lehren, nämlich die Abhandlung über die Gesetze.)

Robespierre kann zudem als ein Bewunderer des ruhigen, friedlichen und reinen Altertums angesehen werden. Selbst seine Rede über das Eigentum ist voll von Deklamationen solcher Art: „Aristides hätte die Schätze des Crassus nicht beneidet! Die Hütte des Fabricius hat den Palast des Crassus nicht zu beneiden!“ usw.

Sobald Mirabeau und Robespierre einmal dem Gesetzgeber im Prinzip die Befugnis zuschrieben, die Grenze des Rechts auf Eigentum festzusetzen, so kommt wenig darauf an, auf welcher Stufe sie es angemessen erachteten, diese Grenze zu setzen. Es konnte ihnen zusagen, nicht weiter zu gehen als bis zu dem Recht auf Arbeit, dem Recht auf Unterstützung und der progressiven Steuer.  Aber andere, die konsequenter waren, blieben dabei nicht stehen. Wenn das Gesetz, welches das Eigentum schafft und darüber verfügt, einen Schritt nach der Gleichheit hin tun kann, warum tut es nicht zwei Schritte dahin? Warum verwirklichte es nicht die absolute Gleichheit?

So ging Saint-Just weiter als Robespierre, das musste geschehen, und Babeuf weiter als Saint-Just, das musste auch geschehen. Auf diesem Wege gab es nur eine vernünftige Grenze. Sie ist von dem göttlichen Plato gesteckt worden.

Saint-Just … doch ich halte mich zu sehr bei der Frage des Eigentums auf. Ich vergesse, dass ich beweisen wollte, wie die klassische Erziehung alle moralischen Begriffe verkehrt hat. Überzeugt, dass der Leser mir wohl auf mein Wort glauben wird, wenn ich versichere, dass Saint-Just auf dem Wege des Kommunismus weiter gegangen ist, als Robespierre, kehre ich zu meinem Gegenstand zurück.

Zunächst muss man wissen, dass die Irrtümer Saint-Justs sich an die klassischen Studien knüpften. Gleich allen Menschen seiner und unserer Zeit, war er vom Altertum erfüllt. Er hielt sich für einen Brutus. Von seiner Partei aus Paris verbannt, schrieb er:

O Gott! Muss Brutus hinsiechen, vergessen, fern von Rom! Mein Entschluss ist indessen gefasst, und wenn Brutus nicht die anderen tötet, so wird er sich selbst töten.

Töten! es scheint, als wenn dies hienieden die Bestimmung des Menschen wäre.

Alle Hellenisten und Latinisten sind einig, dass das Prinzip einer Republik die Tugend ist, und Gott weiß, was sie unter diesem Wort verstehen. Deshalb schrieb Saint-Just:

Eine republikanische Regierung hat die Tugend zum Prinzip, wo nicht den Schrecken.

Eine andere im Altertum herrschende Meinung besteht darin, dass die Arbeit ehrlos ist. Auch Saint-Just verurteilte sie mit diesen Worten:

Ein Handwerk verträgt sich schlecht mit einem wahren Bürger. Die Hand des Menschen ist nur für den Boden und die Waffen gemacht.

Und damit Niemand sich dazu erniedrigen könnte, ein Handwerk zu betreiben, wollte er die Ländereien unter alle verteilen.

Wir haben gesehen, dass nach den Ideen der Alten der Gesetzgeber das für die Menschen ist, was der Töpfer für den Ton ist. Unglücklicherweise will, wenn diese Idee herrscht, niemand Ton sein und jeder will Töpfer sein. Man kann sich wohl denken, dass Saint-Just sich die schöne Rolle zuteilte.

An dem Tage, wo ich mich überzeugt haben werde, dass es unmöglich ist, den Franzosen sanfte, für die Tyrannei und die Ungerechtigkeit empfindliche und unerbittliche Sitten zu geben, werde ich mir den Dolch ins Herz stoßen.

Wenn bei ihnen Sitten herrschten, so würde alles gut gehen; man bedarf Institutionen, um sie zu veredeln. Um die Sitten zu bessern, muss man damit anfangen, das Bedürfnis und das Interesse zu befriedigen. Man muss allen etwas Land geben.

Die Kinder werden in jeder Jahreszeit in Leinen gekleidet. Sie liegen auf Matten und schlafen acht Stunden. Sie werden in Gemeinschaft ernährt und leben nur von Wurzeln, Früchten, Gemüsen, Brot und Wasser. Fleisch können sie erst vom sechzehnten Lebensjahr an genießen.

Die Männer von fünfundzwanzig Jahren werden gehalten sein, alle Jahre in dem Tempel die Namen ihrer Freunde anzugeben. Derjenige, welcher seinen Freund ohne hinreichenden Grund verläßt, wird des Landes verwiesen.

So schreibt sich Saint-Just selbst nach dem Beispiele des Lykurg, Plato, Fenelon, Rousseau über die Sitten, die Gesinnungen, das Vermögen und die Kinder der Franzosen mehr als Rechte und Macht zu, als alle Franzosen zusammen haben. Wie klein ist die Menschheit neben ihm, oder vielmehr sie lebt nur in ihm. Sein Kopf ist der Kopf und sein Herz ist das Herz der Menschheit.

Das also ist die der Revolution durch den griechisch-römischen Konventionalismus gegebene Richtung. Plato hat das Ideal gezeichnet. Priester und Laien machen sich im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert daran, dies Wunder zu feiern. Nun kommt die Stunde des Handelns: Mirabeau steigt die erste Stufe herunter, Robespierre die zweite, Saint-Just die dritte, Antonelle die vierte und Babeuf, logischer als alle seine Vorgänger, stellt sich auf die letzte, den absoluten Kommunismus, den reinen Platonismus. Ich sollte hier seine Schriften anführen; ich will mich darauf beschränken zu sagen, denn dies ist charakteristisch, dass er Gaius Gracchus unterschrieb.

Der Geist der Revolution, in dem Gesichtspunkt, der uns beschäftigt, läßt sich vollständig aus einigen Anführungen entnehmen. Was wollte Robespierre? „Die Geister auf die Höhe der republikanischen Tugenden der alten Völker erheben.“ (23. Nivose Jahres III.) Was wollte Saint-Just? „Uns das Glück Spartas und Athens bieten.“ (23. Nivose Jahres III.)
Er wollte außerdem, „dass alle Bürger den Dolch des Brutus unter ihrem Kleide trügen.“ (Ebendaselbst.) Was wollte der blutgierige Carrier? „Dass die ganze Jugend künftig auf die glühenden Kohlen des Scaevola, den Giftbecher des Sokrates, den Tod des Cicero und das Schwert des Cato blickte.“ Was wollte Rabaut Saint-Etienne? „Dass nach den Grundsätzen der Spartaner, der Staat sich des Menschen von der Wiege an selbst vor der Geburt bemächtigte.“ (16. Dezember 1792.) Was wollte die Sektion der Quinze-Vingts? „Dass man der Freiheit eine Kirche weihte und einen Altar errichtete, auf welchem ein ewiges, von jungen Vestalinnen unterhaltenes Feuer brennt.“ (21. November 1794.) Was wollte der ganze Konvent? „Dass unsere Gemeinden nur Brutusse und Publicolas enthalten.“ (19. März 1794.)

Alle diese Sektierer waren indessen ehrlich und sie waren um so gefährlicher; denn die Aufrichtigkeit im Irrtum ist Fanatismus, und der Fanatismus ist eine Macht, besonders wenn er auf Massen wirkt, die vorbereitet sind, sich seinem Wirken zu unterwerfen. Der allgemeine Enthusiasmus zu Gunsten eines sozialen Vorbildes kann nicht immer unfruchtbar sein, und die öffentliche Meinung, aufgeklärt oder irre geleitet, ist deshalb nicht weniger die Königin der Welt. Wenn eine dieser fundamentalen Verirrungen — wie die Verherrlichung des Altertums — die durch den Unterricht mit dem ersten Dämmern der Einsicht in alle Köpfe eindringt, sich dort auf den Stand des Konventionalismus festsetzt, so strebt sie, von Gedanken zu Taten überzugehen. Dann möge eine Revolution die Stunde der Versuche schlagen lassen, und wer kann sagen, unter welchem furchtbaren Namen der, welcher hundert Jahre früher sich Fenelon nennen ließ, erscheinen wird? Er hatte seine Idee in einen Roman niedergelegt; er stirbt für dieselbe auf dem Schafott; der war Dichter gewesen, er macht sich zum Märtyrer; er hatte die Gesellschaft unterhalten, er richtet sie zu Grunde.

Indessen gibt es in der Wirklichkeit eine Macht, die stärker ist, als der allgemeinste Konventionalismus. Wenn die Erziehung ein verderbliches Samenkorn in den gesellschaftlichen Körper gelegt hat, so liegt darin auch eine Kraft der Selbsterhaltung, vis medicatrix, welche bewirkt, dass er sich zuletzt unter Leiden und Tränen des tödlichen Keims entledigt.

Sobald nun der  Kommunismus die Gesellschaft hinreichend in Schrecken gesetzt und in Gefahr gebracht hatte, musste unfehlbar eine Reaktion eintreten. Frankreich fing an zum Despotismus zurückkehren. In seinem Eifer hatte es selbst die legitimen Eroberungen der Revolution gering geachtet. Es bekam das Konsulat und das Kaisertum. Aber ach! brauche ich darauf aufmerksam zu machen, dass das Römische Vorurteil ihm auf diese neue Phase folgte? Das Altertum muss immer alle Formen der Gewalt rechtfertigen. von Lykurg an bis auf Caesar, wie viele Muster lagen zur Auswahl vor! Also, — und ich bediene mich hier der Rede des Herrn Thiers, — „nachdem wir Athener mit Voltaire gewesen waren, einen Augenblick Spartaner unter dem Konvent hatten sein wollen, machten wir uns unter Napoleon zu Soldaten des Caesar.“  Kann man das Gepräge verkennen, welches unserer Vorliebe für Rom auf dieser Epoche zurückgelassen hat? Ach Gott! dies Gepräge ist überall. Es ist in den Gebäuden, in den Monumenten, in der Literatur, selbst in den Moden des kaiserlichen Frankreichs; es ist in den lächerlichen Namen, welche allen unseren Institutionen beigelegt wurden. Es ist ohne Zweifel nicht Zufall, dass wir Konsuln, einen Kaiser, Senatoren, Tribunen, Präfekten, Senatskonsuln, Adler, Trajanische Kolonnen, Legionen, Marsfelder, Prytaneen, Lyzeen überall auftauchen sahen.

Der Kampf zwischen den revolutionären und den konterrevolutionären Prinzipien schien in den Julitagen 1830 sich endigen zu sollen. Seit dieser Epoche haben sich die intellektuellen Kräfte dieses Landes dem Studium der sozialen Fragen zugewendet, was an sich nur natürlich und nützlich ist. Unglücklicherweise gibt die Universität der Bewegung des menschlichen Geistes den ersten Anstoß und leitet ihn noch nach den vergifteten Quellen des Altertums hin; so dass unser unglückliches Vaterland damit genötigt wird, seine Vergangenheit wieder zu beginnen und dieselben Versuche durchzumachen. Es scheint, als wenn es verdammt wäre, sich in diesem Kreise zu drehen: Utopie, Experimentieren, Reaktion. — Literarischer Platonismus, revolutionärer Kommunismus, militärischer Despotismus, — Fenelon, Robespierre, Napoleon! — Kann es damit anders sein? Die Jugend, woraus sich die Literatur und der Journalismus rekrutieren, anstatt zu suchen, die natürlichen Gesetze der Gesellschaft zu entdecken und darzustellen, beschränkt sich darauf, das griechisch-römische Axiom: Die gesellschaftliche Ordnung ist eine Schöpfung des Gesetzgebers, im Unterbau nachzubessern. Beklagenswerter Ausgangspunkt, der der Einbildungskraft eine Bahn ohne Grenzen eröffnet und nur ein ewiges Gebären des Sozialismus ist. —
Denn, wenn die Gesellschaft eine Erfindung ist, wer will nicht der Erfinder sein? Wer will nicht Minos sein oder Lykurg oder Plato, oder Numa, oder Fenelon oder Robespierre, oder Babeuf, oder Saint-Simon, oder Fourier, oder Louis Blanc oder Proudhon? Wer findet es nicht ruhmwürdig, ein Volk zu stiften? Wer weidet sich nicht an dem Titel Vater der Nationen? Wer strebt nicht dahin, die Familie und das Eigentum wie chemische Elemente zu verbinden?

Um aber seiner Phantasie nicht bloß in den Spalten eines Journals Lauf zu lassen, muss man die Macht besitzen, muss man den Mittelpunkt, wo alle Fäden der öffentlichen Gewalt zusammenlaufen, innehaben. Das ist die unerlässliche Vorbedingung alles Experimentierens. Jede Sekte, jede Schule wird also alle ihre Kräfte anstrengen, um die herrschende Schule oder Sekte von der Regierung zu verdrängen, so dass unter dem Einfluss des klassischen Unterrichts das gesellschaftliche Leben nur eine nie endende Reihe von Kämpfen und  Revolutionen sein kann, welche die Frage zum Ziel haben, welcher Utopist die Macht haben wird, mit dem Volk, wie mit einem gemeinen Stoff, Versuche anzustellen!

Ja, ich klage das Baccalaureat an, dass es die ganze französische Jugend, wie zum Vergnügen, zu sozialistischen Utopien, zu gesellschaftlichen Experimenten vorbereitet. Und darin liegt ohne Zweifel der Grund eines sehr auffallenden Phänomens, nämlich der Ohnmacht, den Sozialismus zu widerlegen, die selbst diejenigen, welche sich davon bedroht glauben, offenbaren. Männer der Bourgeoisie, Eigentümer, Kapitalisten, die Systeme des Saint-Simon, Fourier, Louis Blanc, Leroux, Proudhon sind doch nur Doktrinen. Sie sind falsch, sagt Ihr. Warum widerlegt Ihr sie nicht? Weil Ihr aus demselben Kelch getrunken habt; weil der Umgang mit den Alten, weil Eure herkömmliche Vorliebe für alles, was griechisch oder römisch ist, Euch den Sozialismus eingeimpft hat.

Zuviel davon hat Eure Seele eingeatmet.

Euer Gleichmachen des Vermögens durch Zollpolitik, Euer Unterstützungsgesetz, Euer Verlangen nach unentgeltlichem Unterricht, Eure Förderungsprämien, Eure Zentralisation, Euer Bauen auf den Staat, Eure Literatur, Euer Theater, alles bezeugt, dass Ihr Sozialisten seid. Ihr unterscheidet Euch von den Aposteln durch den Grad, aber Ihr steht auf demselben Abhang. Deshalb, wenn Ihr Euch überholt fühlt, anstatt zu widerlegen — was Ihr nicht zu tun wisst, und was Ihr nicht könntet, ohne Euch selbst zu verdammen, — ringt Ihr die Hände, rauft Euch die Haare, beklagt Euch über Unterdrückung und sagt jämmerlicher Weise: Frankreich geht zu Grunde!

Nein, Frankreich geht nicht zu Grunde. Denn seht, was geschieht: Während Ihr Euch unfruchtbaren Klagen hingebt, widerlegen sich die Sozialisten selbst. Ihre Gelehrten sind in offenem Krieg. Das Phalanstere ist dabei gefallen; die Triade ist dabei gefallen; die Genossenschaftswerkstätte ist dabei gefallen; Euer Gleichmachen der Stellungen durch das Gesetz wird dabei fallen. Was bleibt noch stehen? Der unentgeltliche Kredit. Warum beweist Ihr nicht die Ungereimtheit desselben? Ach! Ihr selbst habt ihn erfunden. Ihr habt ihn tausend Jahre lang gepredigt. Wenn Ihr die Zinsen nicht habt unterdrücken können, so habt Ihr Verordnungen darüber erlassen. Ihr habt sie einem Maximum unterworfen, indem Ihr so glauben machtet, dass das Eigentum eine Schöpfung des Gesetzes ist, was eben die Idee des Plato, Lykurg, Fenelon, Rollin, Robespierre ist; was, ich nehme keinen Anstand, es zu behaupten, das Wesen und der Kern nicht bloß des Sozialismus sondern auch des Kommunismus ist. Rühmt mir also nicht einen Unterricht, der Euch von dem, was Ihr wissen solltet, nichts gelehrt, hat, und der Euch vor der ersten Chimäre, welche einem Narren auszudenken beliebt, verblüfft und stumm macht. Ihr seid nicht im Stande, die Wahrheit dem Irrtum entgegenzustellen; lasst wenigstens die Irrtümer sich untereinander zu Grunde richten. Hütet Euch, den Utopisten den Mund zu schließen und so ihre Propaganda auf das Podest der Verfolgung zu erheben. Der Geist der arbeitenden Massen, wenigstens der mittleren Klassen, hat sich auf die großen sozialen Fragen geworfen. Er wird sie lösen. Er wird dahin gelangen, für die Worte: Familie, Eigentum, Freiheit, Gerechtigkeit, Gesellschaft, andere Definitionen zu finden, als diejenigen, welche uns Euer Unterricht gibt. Er wird  nicht allein den Sozialismus, welcher sich als solcher bekennt, sondern auch den Sozialismus, der sich seiner nicht bewusst ist, besiegen. Abtun wird er Eure künstliche Einheit, Euer Schutzsystem, Eure offizielle Philanthropie, Eure Wuchergesetze, Eure barbarische Diplomatie, Euren monopolisierten Unterricht.

Und deshalb sage ich: Nein, Frankreich wird nicht zu Grunde gehen. Es wird glücklicher, aufgeklärter, geordneter, größer, freier, sittlicher, religiöser, als Ihr es gemacht habt, aus dem Kampf hervorgehen.

Beachtet aber doch gefälligst dies: Wenn ich mich gegen die klassischen Studien erhebe, so verlange ich nicht, dass sie verboten werden; ich verlange nur, dass sie nicht aufgezwungen werden. Ich dringe nicht in den Staat, um ihm zu sagen: Unterwirf alle Welt meiner Meinung, sondern vielmehr: Beuge mich nicht unter die Meinung anderer. Der Unterschied ist groß und es möge in dieser Beziehung kein Irrtum obwalten.

Herr Thiers, Herr von Rancey, Herr von Montalembert, Herr Varthelemy Saint-Hilaire glauben, dass die römische Atmosphäre vortrefflich sei, um das Herz und den Geist der Jugend zu bilden. Gut. Mögen sie ihre Kinder dem aussetzen; ich gestatte es ihnen. Aber mögen sie mir auch gestatten, die meinigen davon wie von einer verpesteten Luft fern zu halten. Ihr Herren Reglementsmacher, das was Euch vorzüglich vorkommt, erscheint mir verhasst; das, was Euer Gewissen beruhigt, beunruhigt das meinige. Wohlan! folgt Euren Eingebungen, aber lasst mich den meinigen folgen. Ich zwinge Euch nicht, warum wollt Ihr mich zwingen?

Ich seid vollkommen überzeugt, dass in sozialer und moralischer Beziehung das Ideal in der Vergangenheit liegt. Ich für meinen Teil sehe es in der Zukunft. „Sagen wir es, sagte Herr Thiers, einem auf sich selbst stolzen Jahrhundert, das Altertum ist das Schönste, was es auf der Welt gibt.“ Was mich betrifft, so bin ich glücklich, diese trostlose Meinung nicht zu teilen. Ich sage trostlos, denn sie schließt in sich , dass durch ein verhängnisvolles Gesetz die Menschheit unaufhörlich sich verschlechtert. Ihr setzt die Vollkommenheit an den Anfang der Zeiten, ich setze sie an das Ende. Ich haltet die Gesellschaft für zurückschreitend, ich halte sie für vorwärtsschreitend. Ihr glaubt, dass unser Meinungen, unsere Ideen, unsere Sitten soviel wie möglich in die antike Form gegossen werden müssen; wie ich auch die gesellschaftliche Ordnung Spartas und Roms studiere, so sehe ich doch nur Gewaltsamkeiten, Ungerechtigkeiten, Lügen, ewige Kriege, Sklaverei, Schändlichkeiten, falsche Politik, falsche Moral, falsche Religion. Was Ihr bewundert, verabscheue ich. Doch mit einem Wort, folgt Eurem Urteil und lasst mir das meine. Wir sind hier nicht Advokaten, der eine für den klassischen Unterricht und der andere dagegen streitend vor einer Versammlung, die zu entscheiden hat, indem sie meinem oder Eurem Gewissen Gewalt antut. Ich verlange von dem Staat nur seine Neutralität. Ich verlange die Freiheit ebenso für Euch wie für mich. Ich habe wenigstens vor Euch den Vorteil der Unparteilichkeit, der Mäßigung und der Bescheidenheit voraus.

Drei Quellen des Unterrichts liegen vor uns: die des Staats, die des Klerus, der der angeblich freien Lehrer.

Was ich verlange, besteht darin, dass diese in der Wirklichkeit die Freiheit haben, neue und fruchtbare Methoden zu versuchen. Möge die Universität lehren, was sie liebt, das Griechische und das Lateinische; möge der Klerus lehren, was er weiß, das Griechische und das Lateinische. Mögen beide Platoniker und Tribunen machen; aber mögen sie uns nicht hindern, durch andere Erfahrungsweisen Männer für unser Land und für unser Jahrhundert zu bilden.

Denn, wenn diese Freiheit uns untersagt ist, welcher bittere Hohn liegt nicht darin, wenn man uns jeden Augenblick sagt: Ihr seid frei!

In der Sitzung vom 23. Februar hat Herr Thiers zum vierten Mal gesagt:

Ich werde ewig wiederholen, was ich gesagt habe: Die Freiheit, die das Gesetz, welches wir abgefasst haben gibt, ist die Freiheit nach der Verfassung.
Ich fordere Euch auf, zu beweisen, dass es anders ist. Beweist mir, dass dies nicht die Freiheit ist; was mich betrifft, so behaupte ich, dass eine andere nicht möglich ist.
Ehemals konnte man ohne die Erlaubnis der Regierung nicht unterrichten. Wir haben die notwendige Genehmigung abgeschafft; jedermann wird unterrichten können.
Ehemals sagte man: Lehrt dieses, lehrt dieses nicht. Heute sagen wir: Lehrt alles, was Ihr lehren wollt.

Es ist schmerzlich, wenn man eine solche Aufforderung vernimmt und dabei zum Schweigen verurteilt ist. Wenn die Schwäche meiner Stimme mich nicht von der Tribüne zurückhielte, so würde ich Herrn Thiers geantwortet haben:

Sehen wir doch, worauf sich auf Seiten des Lehrers, des Familienvaters und der Gesellschaft diese Freiheit, die Du so vollständig nennst, beschränkt.

Auf Dein Gesetz gestützt, gründe ich eine Lehranstalt. Mit dem Betrag der Pension muss ich ein Lokal kaufen oder mieten, für der Nahrung der Zöglinge sorgen und die Lehrer bezahlen. Aber neben meiner Anstalt besteht ein Lyzeum. Es braucht sich um das Lokal und den Lehrer nicht kümmern. Die Steuerpflichtigen, mich eingeschlossen, tragen die Kosten dafür. Es kann also den Beitrag für die Pension so niedrig setzen, dass es meine Unternehmung unmöglich macht. Ist das Freiheit? Ein Ausweg bleibt mir indessen, nämlich einen Unterricht zu bieten, der so viel besser ist, als der Deinige, der vom Publikum so viel gesuchter ist, dass es sich an mich wendet, trotz der verhältnismäßigen Kostspieligkeit, wozu du mich nötigst. Aber hier begegne ich Dir und Du sagst mir: Lehre was Du willst, aber wenn Du von meinem Schlendrian abweichst, werden alle liberalen Laufbahnen Deinen Zöglingen verschlossen sein. Ist das Freiheit?

Nun will ich annehmen, ich wäre Familienvater; ich bringe meine Söhne in ein freies Institut; in welche Lage komme ich da? Als Vater bezahle ich die Erziehung meiner Kinder, ohne dass mir Jemand dabei zu Hilfe kommt; als Steuerpflichtiger und als Katholik bezahle ich die Erziehung der Kinder anderer, denn ich kann die Steuer zur Unterhaltung der Lyzeen nicht verweigern, kann auch zur Zeit der Fasten kaum umhin, in die Mütze des Bettelmönchs einen Beitrag zur Unterhaltung der Seminarien zu werfen. Doch dazu bin ich wenigstens nicht gezwungen. Aber ist es ebenso in Betreff der Steuer? Nein, nein, sage, dass Du Solidarität, im sozialistischen Sinn, schaffst, aber behaupte nicht, dass Du Freiheit schaffst.

Und das ist nur die sehr kleine Seite der Frage. Es gibt noch eine ernstere. Ich gebe dem freien Unterrichte den Vorzug, weil Dein offizieller Unterricht (wozu Du mich zwingst beizutragen, ohne dass ich davon Vorteil ziehe) mir kommunistisch und heidnisch erscheint; mein Gewissen widerstrebt dem, dass meine Söhne spartanische und römische Ideen, die wenigstens in meinen Augen nur die verherrlichte Gewalt und Räuberei sind, in sich aufnehmen. In Folge dessen unterwerfe ich mich, die Pension für meine Söhne und die Steuern für die Söhne anderer zu bezahlen. Aber was finde ich nun? Ich finde, dass Dein mythologischer und kriegerischer Unterricht mittelbar der freien Lehranstalt aufgedrängt wird durch den sinnreichen Mechanismus Deiner Abschlüsse, und dass ich mein Gewissen vor Deinen Ansichten beugen muss, bei Strafe, meine Kinder zu Parias der Gesellschaft zu machen. — Du hast mir viermal gesagt, dass ich frei wäre. Du könntest es mir hundertmal sagen und ich würde Dir hundertmal erwidern: Ich bin es nicht.

Seid inkonsequent, da Ihr es nicht vermeiden könnt, und ich gebe Euch zu, dass Ihr bei dem gegenwärtigen Stande der öffentlichen Meinung die offiziellen Lehranstalten nicht schließen könnt. Aber setzt Eurer Inkonsequenz eine Grenze. Beklagt Ihr Euch nicht täglich über den Geist der Jugend? Über ihre sozialisten Tendenzen? Über ihre Abneigung gegen religiöse Ideen? Über ihre Leidenschaft für kriegerische Unternehmungen, eine Leidenschaft, die so weit geht, dass es in unseren beratenden Versammlungen kaum gestattet ist, das Wort Frieden auszusprechen, und man die sinnreichsten oratorischen Wendungen anwenden muss, um von Gerechtigkeit zu sprechen, wenn es um das Ausland geht. So beklagenswerte Gesinnungen haben ohne Zweifel eine Ursache. Wäre es, strenge genommen, nicht möglich, dass Euer mythologischer, platonischer, kriegerischer und faktiöser Unterricht hierbei von einiger Bedeutung ist? Ich sage indessen nicht, dass Ihr ihn verändern sollt, das wäre zu viel von Euch verlangt. Aber ich sage Euch: Da Ihr neben Euren Lyzeen und unter schon sehr schwierigen Bedingungen, sogenannte freie Schulen entstehen lasst, gestattet ihnen, auf ihre eigene Gefahr, die christlichen und wissenschaftlichen Bahnen zu versuchen. Es lohnt sich schon, den Versuch zu machen. Wer weiß? Vielleicht wäre er ein Fortschritt. Und Ihr wollt ihn im Keim ersticken!

Endlich, prüfen wir die Frage in Bezug auf die Gesellschaft und beachten wir gleich, wie ungewöhnlich es sein würde, wenn die Gesellschaft hinsichtlich des Unterrichts frei wäre, wo die Lehrer und die Familienväter es nicht sind.

Der erste Satz des Berichts des Herrn Thiers vom Jahre 1844 über den Sekundärunterricht sprach die schreckliche Wahrheit aus:

Die öffentliche Erziehung ist vielleicht das größte Interesse einer zivilisierten Nation, und aus diesem Grunde der größte Gegenstand des Ehrgeizes der Parteien.

Hieraus muss man, wie es scheint, den Schluß ziehen, dass eine Nation, die nicht die Beute der Parteien werden will, eilen muss, die öffentliche Erziehung, nämlich die Erziehung durch den Staat zu beseitigen und die Freiheit des Unterrichts auszusprechen. Wenn es eine der Gewalt anvertraute Erziehung gibt, so werden die Parteien einen Grund mehr zu dem Streben haben, sich der Gewalt zu bemächtigen, da sich des Unterrichts zu bemächtigen zugleich der größte Gegenstand ihres Ehrgeizes sein wird. Erregt die Sucht zu regieren, nicht schon Lüsternheit genug? Ruft sie nicht genug Kämpfe, Revolutionen und Unordnungen hervor? Und ist es weise, sie noch durch die Lockspeise eines so starken Einflusses aufzureizen?

Und warum streben die Parteien nach der Leitung der Studien? Weil sie das Wort von Leibnitz kennen: „Macht mich zum Meister des Unterrichts, und ich nehme es auf mich, die Gestalt der Welt zu verändern.“ Der Unterricht durch die Gewalt ist also der Unterricht durch eine Partei, durch eine augenblicklich triumphierende Sekte; es ist der Unterricht zum Vorteil einer Idee, eines ausschließlichen Systems. „Wir haben die Republik gemacht“, sagte Robespierre, „es bleibt uns übrig, Republikaner zu machen; “ ein Versuch, der im Jahre 1848 erneuert worden ist. Bonaparte wollte nur Soldaten  machen, Frayssinous nur Betbrüder, Vellemain nur Redekünstler. Herr Guizot würde nur Doktrinäre machen, Enfantin nur Saint-Simonisten und mancher, der ungehalten ist, die Menschheit so herabgewürdigt zu sehen, würde, wenn er jemals in der Lage wäre zu sagen: Der Staat bin ich, vielleicht versucht sein, nur Ökonomen zu machen. Wie! Wird man niemals die Gefahr sehen, den Parteien, je nachdem sie die Gewalt an sich reißen, die Gelegenheit zu bieten, durch die Macht allgemein und gleichförmig ihre Meinungen oder vielleicht ihre Irrtümer aufzudrängen? Denn es heißt wohl die Macht anwenden, wenn man gesetzlich jede andere Idee, als diejenige, von der man selbst eingenommen ist, verbietet.

Eine solche Forderung ist wesentlich monarchistisch, obgleich niemand sie entschiedener kund tut, als die republikanische Partei; denn sei stützt sich auf die Annahme, dass die Regierten für die Regierenden gemacht sind, dass die Gesellschaft der Gewalt gehört, dass erstere von letzterer nach ihrem Bilde geformt werden soll; da doch nach unserem, schwer genug erkämpften, öffentlichen Recht die Gewalt nur ein Ausfluss der Gesellschaft, eine der Offenbarungen ihres Begriffs ist.

Ich meines Teils kann mir, namentlich im Munde der Republikaner, keinen widersinnigeren Kreis falscher Schlüsse denken als diesen: Von Jahr zu Jahr wird sich durch das Getriebe des allgemeinen Stimmrechts das Denken der Nation in den Beamten verkörpern, und hernach werden diese Beamten nach ihrem Belieben das Denken der Nation formen.

Diese Lehre schließt die beiden Behauptungen in sich: Das Denken der Nation ist falsch, das Denken der Regierung ist unfehlbar.

Und wenn es so damit steht, Republikaner, so stellt doch auf ein Mal die Autokratie wieder her, den Unterricht durch den Staat, die Legitimität, das göttliche Recht, die absolute, unverantwortliche und unfehlbare Gewalt, lauter Institutionen, die ein gemeinschaftliches Prinzip haben und derselben Quelle entfließen.

Wenn es auf der Welt einen unfehlbaren Menschen (oder eine unfehlbare Sekte) gibt, so wollen wir ihm nicht allein die Erziehung, sondern auch alle Gewalten überweisen, und damit abgemacht. Wo nicht, so wollen wir uns, so gut wir können, aufklären, nicht aber darauf verzichten.

Jetzt wiederhole ich meine Frage: Verwirklicht in Beziehung auf die Gesellschaft das Gesetz, welches wir erörtern, die Freiheit?

Ehemals gab es eine Universität. Um zu unterrichten, bedurfte man ihrer Erlaubnis. Sie drängte ihre Ideen und ihre Methoden auf, und viel gehörte dazu, darüber hinweg zu kommen. Sie war also nach der Meinung von Leibnitz die Meisterin der Generationen, und deshalb ohne Zweifel bekam ihr Haupt den Titel eines Großmeisters.

Jetzt ist das alles vorbei. Es werden für die Universität nur zwei Vorrechte bleiben:

  1. das Recht zu sagen, was man wissen muss, um die Abschlüsse zu erwerben;
  2. das Recht, unzählige Laufbahnen denjenigen zu verschließen, welche sich nicht gefügt haben.

Das ist beinahe nichts, sagt man. Und ich sage: Dieses nichts ist alles.

Dies nötigt mich, Einiges über ein Wort, welches häufig bei dieser Erörterung ausgesprochen worden ist, zu sagen: nämlich das Wort Einheit; denn viele sehen in dem Baccalaureat das Mittel, allen Geistern eine wenn nicht vernünftige und nützliche, so wenigstens gleichförmige und deshalb gute Richtung zu geben.

Die Bewunderer der Einheit sind sehr zahlreich, und das ist verständlich. Durch Ratschluß der Vorsehung haben wir alle Vertrauen auf unser eigenes Urteil und glauben, dass es auf der Welt nur eine rechte Meinung gibt, nämlich: die unsrige. Wir meinen ferner, dass der Gesetzgeber nichts Besseres tun könnte, als sie allen aufzudrängen, und, der größeren Sicherheit wegen, wollen wir alle dieser Gesetzgeber sein. Aber die Gesetzgeber folgen einer auf den anderen und was geschieht? Bei jeder Veränderung tritt eine Einheit an die Stelle der anderen. Der Unterricht durch den Staat läßt also die Gleichförmigkeit herrschen in Bezug auf jede Periode ganz für sich betrachtet, z.B. den Konvent, das Direktorium, das Kaiserreich, die Restauration, die Juli-Monarchie, die Republik, so findet man wieder die Verschiedenheit, und was noch schlimmer ist, die subversivste aller Verschiedenheiten, diejenige, welche auf dem geistigen Gebiet, wie auf einem Theater nach der Laune der Maschinisten Verwandlungen zur Schau stellt. Werden wir weiter den Geist der Nation, das öffentliche Gewissen zu solchem Grade der Erniedrigung und der Unwürdigkeit herabsinken lassen?

Es gibt zwei Arten von Einheiten. Die eine ist ein Ausgangspunkt. Sie ist durch die Macht aufgedrängt, durch diejenigen, welche augenblicklich die Macht inne haben. die andere ist ein Resultat, die große Vollendung der menschlichen Vervollkommnungsfähigkeit. Sie ergibt sich aus der natürlichen Strebekraft der Geister nach der Wahrheit.

Die erste Einheit hat die Verachtung des Menschengeschlechts zum Prinzip und den Despotismus zum Werkzeug. Robespierre war Einheitsmann, da er sagte: „Ich habe die Republik gemacht, ich will nun Republikaner machen.“ Napoleon war Einheitsmann, da er sagte: „Ich liebe den Krieg und werde alle Franzosen zu Kriegern machen.“ Frayssinous war Einheitsmann, da er sagte: „Ich habe einen Glauben und durch die Erziehung werde ich alle Gewissen diesem Glauben anpassen.“ Prokrustes war Einheitsmann, da er sagte: „Hier ist ein Bett; ich werde jeden, der kürzer oder länger ist, als dasselbe, kürzer machen oder in die Länge ziehen.“ Das Baccalaureat ist ein Einheitsmann, da es sagt: “ Das Leben in der Gesellschaft wird jedem versagt sein, der sich nicht meinem Programm unterwirft.“ Und man behaupte nicht, dass der Hohe Unterrichtsrat alle Jahr dies Programm wird ändern können; denn sicherlich läßt sich kein Umstand denken, der die Sache noch schlimmer machen würde: Was! die ganze Nation wäre also zum Ton herabgewürdigt, den der Töpfer zerbricht, wenn er mit der Form, die er ihm gegeben hat, nicht zufrieden ist?

In seinem Bericht von 1844 zeigte sich Herr Thiers als sehr eifriger Bewunderer dieser Art von Einheit, wobei er nur bedauerte, dass sie mit dem Charakter der modernen Nationen wenig im Einklang sei:

Das Land, wo die Freiheit des Unterrichts nicht herrscht, sage er, wäre dasjenige, wo der Staat, von einem absoluten Willen geleitet, in der Absicht, die Jugend in dieselbe Form zu gießen, sie wie eine Münze mit seinem Bilde zu prägen, keine Verschiedenheit in der Leitung der Erziehung duldete und während mehrerer Jahre die Kinder in derselben Weise kleidete, sie mit derselben Nahrung nährte, sie zu denselben Studien bestimmte, sie denselben Strebungen unterwürfe, sie nach seinen Wünschen bildete usw.
Hüten wir uns, fügte er hinzu, die Forderung des Staates zu lästern, der Nation einen einheitlichen Charakter aufzudrücken und dies als eine Eingebung der Tyrannei zu betrachten. Man könnte im Gegenteil beinahe sagen, dass dieser starke Wille des Staats, alle Bürger nach einem gemeinsamen Muster heranzuziehen, mit dem Patriotismus eines jeden Landes im Verhältnis steht. In den alten Republiken war das Vaterland um so mehr verehrt, um so besser wurde ihm gedient, je größere Anforderungen in Bezug auf die Sitten und den Geist der Bürger es an den Tag legte. .. Und wir, die wir im verflossenen Jahrhundert alle Gestalten der menschlichen Gesellschaft dargestellt haben, wir, die wir, nachdem wir mit Voltaire Athener waren, einen Augenblick unter dem Konvent Spartaner, unter Napoleon Soldaten des Caesar sein wollten, wenn wir einen Augenblick daran gedacht haben, in einer absoluten Weise das Joch des Staats auf die Erziehung zu legen, so war es unter dem National-Konvent im Augenblick der größten patriotischen Begeisterung.

Lassen wir Herrn Thiers Gerechtigkeit widerfahren. Er schlug nicht vor, solchen Beispielen zu folgen. „Man muss, sagte er, ihnen weder nachahmen, noch sie brandmarken. Das wäre Wahnsinn, aber der Wahnsinn des Patriotismus.“

Dennoch zeigt sich Herr Thiers hier nicht weniger dem von ihm ausgesprochenen Urteil treu: „Das Altertum ist das Schönste, was es auf der Welt gibt.“ Er zeigt eine geheime Vorliebe für den absoluten Despotismus des Staats, instinktmäßige Bewunderung für die Institutionen von Kreta und Lakedämon, welche dem Gesetzgeber die Macht gaben, die ganze Jugend in dieselbe Form zu gießen, sie wie eine Münze nach seinem Bilde zu prägen, usw.

Und ich kann nicht umhin, hier, denn das gehört recht zu meiner Aufgabe, auf die Spuren dieses klassischen Konventionalismus hinzuweisen, der uns in dem Altertum das als Tugenden bewundern läßt, was das Resultat der härtesten und unmoralischsten Notwendigkeit war. Diese Alten, die man erhebt, ich kann es nicht zu oft wiederholen, lebten vom Raub und um nichts in der Welt hätten sie ein Handwerkszeug angerührt. Sie hatten das ganze menschliche Geschlecht als Feind. Sie hatten sich zu einem ewigen Kriege verdammt und vor die Alternative gesetzt, immer zu siegen oder unterzugehen. Von da ab gabe es für sie und konnte es für sie nur ein Handwerk geben, das des Soldaten. Das Gemeinwesen musste sich bestreben, bei allen Bürgern die militärischen Eigenschaften gleichförmig zu entwickeln und die Bürger unterwarfen sich der Einheit, welche die Garantie ihrer Existenz war.

Aber was haben diese Zeiten der Barbarei mit den modernen Zeiten Gemeinsames?

Zu welchem ausdrücklichen und recht bestimmten Zweck würde man heute alle Bürger, wie eine Münze mit demselben Bilde prägen? Etwa weil sie sich alle für verschiedene Laufbahnen bestimmen? Worauf würde man sich stützen, um sie in dieselbe Form zu gießen? und wer hat die Form? Furchtbare Frage, die uns nachdenklich machen sollte. Wer hat die Form? Wenn es eine Form gibt (und das Baccalaureat ist eine), so wird jeder den Griff derselben halten wollen, Herr Thiers, Herr Parisis, Herr Barthelemy Saint-Hilaire, ich, die Roten, die Weißen, die Blauen, die Schwarzen. Man wird sich also darum schlagen müssen, um diese vorläufige Frage, die unaufhörlich wieder auftauchen wird, zu erledigen. Ist es nicht einfacher, diese verhängnisvolle Form zu zerschlagen und ehrlich die Freiheit zu proklamieren?

Die Freiheit ist ja der Boden, wo die wahre Einheit keimt, und die Atmosphäre, welche dieselbe befruchtet. Die Konkurrenz hat zur Folge, gute Methoden hervorzubringen und öffentlich und allgemein zu machen, und schlechte auszumerzen. Man muss doch zugestehen, dass der menschliche Geist ein natürlicheres Verhältnis zur Wahrheit als zum Irrtum hat, zu dem, was gut ist, als zu dem, was schlecht ist, zu dem, was nützlich ist, als zu dem, was schädlich ist. Wenn es nicht so wäre, wenn von Natur dem Wahren der Untergang und der Triumph dem Falschen vorbehalten wäre, so wären alle unsere Anstrengungen vergeblich; die Menschheit schritte rettungslos, wie es Rousseau glaubte, in eine unvermeidliche und fortschreitende Verschlechterung. Man müsste mit Herrn Thiers sagen: Das Altertum ist das Schönste, was es auf der Welt gibt, was nicht allein ein Irrtum ist, sondern eine Gotteslästerung. Die recht verstandenen Interessen der Menschen sind harmonisch und das Licht, welches sie dieselben verstehen macht, glänzt mit einem immer lebhafteren Glanz. Die individuellen und gemeinschaftlichen Anstrengungen, die Erfahrung, die Versuche, die Täuschungen selbst, die Konkurrenz, mit einem Wort die Freiheit, lassen also die Menschheit nach dieser Einheit, welche der Ausdruck der Gesetz ihrer Natur  und die Verwirklichung des allgemeinen Wohls ist, hinstreben.

Wie ist es gekommen, dass die liberale Partei in den auffallenden Widerspruch verfallen ist, die Freiheit, die Würde und die Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen zu verkennen und dagegen eine künstliche, stationäre, herabwürdigenden, von allen Despotismen nacheinander zu Gunsten der verschiedensten Systeme aufgedrängte Einheit vorzuziehen?

Dafür gibt es mehrere Gründe: zunächst, weil auch sie das römische Gepräge der klassischen Erziehung erhalten hat. Hat sie als Führer nicht Bacheliers? Ferne hofft sie wohl durch die parlamentarischen Wechselfälle dieses kostbare Instrument, diese intellektuelle Form, nach Herrn Thiers, den Gegenstand aller ehrgeizigen Bestrebungen, in ihre Hände fallen zu sehen. Endlich haben die Notwendigkeiten der Verteidigung gegen den ungerechten Angriff Europas im Jahr 1792 nicht wenig dazu beigetragen, die Idee einer mächtigen Einheit in Frankreich populär zu machen.

Aber von allen Beweggründen, welche den Liberalismus bestimmen, die Freiheit aufzuopfern, ist der mächtigste die Furcht, welche ihm bei der Erziehung die Eingriffe des Klerus auslösen.

Diese Furcht teile ich nicht, aber ich begreife sie. Berücksichtigt, sagt der Liberalismus, die Stellung des Klerus in Frankreich, seine gelehrte Hierarchie, seinen starke Disziplin, sein Heer von vierzigtausend Mitgliedern, die sämtlich unverheiratet sind und in jeder Gemeinde des Landes die erste Stelle innehaben, den Einfluß, den er der Natur seiner Funktionen verdankt, den er von dem Wort zieht, welches er ohne Widerspruch und mächtig auf der Kanzel ertönen läßt oder welches er im Beichtstuhl zuflüstert, die Bande, welche ihn durch das Budget des Kultus an den Staat knüpfen, diejenigen, die ihn einem geistlichen Oberhaupt, welches zugleich ein fremder König ist, unterwerfen, die Mitwirkung, die ihm eine eifrige und ergebene Gesellschaft gewährt, die Hilfsmittel, die er in den Almosen, deren Verteiler er ist, findet; berücksichtigt, dass er es als seine erste Pflicht ansieht, sich der Erziehung zu bemächtigen und sagt, ob unter solchen Verhältnissen die Freiheit des Unterrichts nicht eine Schlinge ist.

Man müßte ein dickes Buch schreiben, um diese umfassende Frage und alle diejenigen, die sich daran knüpfen, abzuhandeln. Ich werde mich auf eine Erwägung beschränken und sage:

Unter einem freien Walten ist es nicht der Klerus, welcher den Unterricht unterjochen wird, sondern der Unterricht, welcher den Klerus unterjochen wird. Es ist nicht der Klerus, welcher das Jahrhundert mit seinem Bilde prägen wird, sondern das Jahrhundert, welches den Klerus mit seinem Bilde prägen wird.

Kann man zweifeln, dass der Unterricht, von den Fesseln der Universität befreit und durch den Wegfall der staatlichen Abschlüsse dem klassischen Konventionalismus entzogen, sich unter dem Sporn des Wetteifers auf neue und fruchtbare Bahnen werfen wird? Die freien Erziehungsanstalten, die mühsam zwischen den Lyzeen und Seminarien aufkommen werden, werden die Notwendigkeit fühlen, dem menschlichen Geist seine wahre Nahrung zu reichen, die Wissenschaft von dem, was die Dinge sind, und nicht die Wissenschaft von dem, was man vor zweitausend Jahren von ihnen sagte, zu wissen. „Das Altertum der Zeiten ist die Kindheit der Welt, sagt Baco, und eigentlich ist unsere Zeit weiter nichts, als das Altertum, die Welt, welche im Altwerden Wissen und Erfahrung erworben hat.“ Das Studium der Werke Gottes und der Natur in der sittlichen Ordnung und in der materiellen Ordnung, das ist der wahre Unterricht, derjenige, welcher in den freien Erziehungsanstalten herrschen wird. Die jungen Leute, welche ihn empfangen habe werden, werden sich durch die Kraft der Einsicht, die Sicherheit des Urteils und das Geschick für das praktische Leben den abscheulichen kleinen Rhetoren überlegen zeigen, welche die Universität und der Klerus mit ebenso falschen als verjährten Doktrinen übersättigt haben werden. Während die einen für die sozialen Geschäfte unseres Zeitalters vorbereitet sein werden, werden die andern darauf beschränkt sein, zunächst wo möglich das zu vergessen, was sie gelernt haben, dann aber das zu lernen, was sie wissen müssen. Solchen Ergebnissen gegenüber werden die Familienväter die freien Schulen voller Kraft und Leben diesen anderen Schulen, welche der Sklaverei des Schlendrians erliegen, vorziehen.

Was wird dann geschehen? Der Klerus, immer ehrgeizig, seinen Einfluß zu bewahren, wird selbst kein anderes Hilfsmittel haben, als den Unterricht der Sachen an die Stelle des Unterrichts der Worte, das Studium der positiven Wahrheiten an die Stelle desjenigen der konventionellen Doktrinen und das Wesen an die Stelle des Scheins zu setzen.

Doch, um zu lehren, muss man wissen und um zu wissen, muss man lernen. Der Klerus wird also genötigt sein, die Richtung seiner eigenen Studien zu ändern und ein neuer Geist wird in die Seminare dringen. Glaubt man nun aber, dass eine andere Nahrung nicht auch andere Naturen schaffe? Denn, beachtet dabei, es handelt sich hier nicht allein davon, den Stoff, sondern auch die Methode des klerikalischen Unterrichts zu ändern. Die Kenntnis der Werke Gottes und der Natur wird durch andere geistige Prozesse als diejenige der Theogonien erworben. Die Tatsachen und ihre Verkettung zu beobachten ist etwas; einen Ausdruck Tabu ohne Prüfung annehmen und daraus Folgerungen zu ziehen, ist etwas anderes. Wenn die Wissenschaft der Intuition folgt, so tritt die Prüfung an die Stelle der Autorität und die philosophische Methode an die Stelle der dogmatischen Methode; ein anderes Ziel erfordert eine andere Verfahrensweise und andere Verfahrensweisen geben dem Geist andere Gewohnheiten.

Es kann also kein Zweifel bestehen, dass die Einführung der Wissenschaft in die Seminare, das unausweichliche Ergebnis der Unterrichtsfreiheit, die Folge haben muss, in diesen Instituten auch die geistigen Gewohnheiten umzugestalten. Und das ist, wie ich überzeugt bin, die Morgenröte einer großen und wünschenswerten Revolution, derjenigen nämlich, welche die religiöse Einheit verwirklichen wird.

Ich sagte oben, dass der klassische Konventionalismus aus uns allen lebendige Widersprüche mache, Franzosen durch Notwendigkeit und Römer durch die Erziehung. Könnte man nicht auch sagen, dass wir in religiöser Beziehung lebendige Widersprüche sind?

Wir fühlen in unserem Herzen eine unwiderstehliche Macht, welche uns zur Religion drängt; und gleichzeitig fühlen wir in unserem Geist eine nicht weniger unwiderstehliche Kraft, welche uns von ihr entfernt, und um so mehr, das ist eine Tatsache, je gebildeter der Geist ist, so dass ein großer Lehrer sagen konnte: Litterati minus credunt.

Ach! dies ist eine traurige Erscheinung! Seit einiger Zeit besonders hören wir schweres Seufzen über die Abnahme des religiösen Glaubens, und merkwürdiger Weise sind selbst diejenigen, die in ihrer Seele sogar den letzten Funken des Glaubens haben erlöschen lassen, am meisten geneigt, den Zweifel frech zu finden … bei anderen. „Unterwirf Deine Vernunft, sagen sie dem Volk, sonst ist alles verloren. Es sagt mir zu, mich auf die meinige zu verlassen, denn sie ist von einem besonderen Schlage, und um die zehn Gebote zu befolgen, brauche ich sie nicht für offenbart zu halten. Selbst wenn ich etwas davon abwich, so ist das Übel nicht groß; aber bei Dir ist es anders, Du kannst sie nicht brechen, ohne die Gesellschaft in Gefahr zu bringen … und meine Ruhe.“

So sucht die Furcht ihre Zuflucht in der Heuchelei. Man glaubt nicht, aber man gibt sich den Anschein, zu glauben. Während der Skeptizismus zugrunde liegt, zeigt sich eine berechnende Religiosität an der Oberfläche, und das ist ein neuer Konventionalismus, und von der schlimmsten Art, der den menschlichen Geist entehrt.

Und doch ist nicht alles Heuchelei in dieser Sprache. Obgleich man nicht alles glaubt, obgleich man nichts erfüllt, gibt es im Grunde des Herzens, wie Lamennais sagt, eine Wurzel des Glaubens, die niemals vertrocknet.

Woher kommt diese seltsame und gefährliche Lage? Mag sie nicht daher kommen, dass sich den ursprünglichen und wesentlichen religiösen Wahrheiten, welcher alle Sekten und alle Schulen mit einer gemeinsamen Zustimmung beipflichten, mit der Zeit Institutionen, Übungen und Gebräuche beigesellt haben, welche der Verstand, so gern er es auch täte, nicht gelten lassen kann? Und haben diese menschlichen Zutaten im Geist der Klerus selbst irgendeine andere Stütze als den Dogmatismus, durch welchen er sie an die ursprünglichen, nicht bestrittenen, Wahrheiten anknüpft.

Die religiöse Einheit wird stattfinden, aber sie wird nur stattfinden, wenn jede Sekte diese parasitischen Institutionen, worauf ich hindeutete, aufgegeben haben wird. Man erinnere sich, dass Bossuet wenig Gewicht auf dieselben legte, als er mit Leibnitz über die Mittel, alle christlichen Konfessionen zur Einheit zurückzuführen, verhandelte. Würde das, was dem großen Lehrer des siebzehnten Jahrhunderts als möglich und gut erschien, von den Lehrern des neunzehnten für zu kühn erachtet werden? Wie dem auch sein mag, so wird die Freiheit des Unterrichts, indem sie andere geistige Gewohnheiten in den Klerus eindringen läßt, ohne Zweifel eins der mächtigsten Werkzeuge der großen religiösen Erneuerung sein, die künftighin allein die Gewissen befriedigen und die Gesellschaft retten kann.

Die Gesellschaften bedürfen der Moral so sehr, dass die Körperschaft, welche sich im Namen Gottes als ihre Inhaberin und Spenderin aufwirft, einen Einfluß ohne Grenzen auf dieselben erlangt. Nun zeigt die Erfahrung, dass nichts die Menschen mehr verdirbt, als der unumschränkte Einfluß. Es kommt also eine Zeit, wo, anstatt dass die Priesterschaft fortwährend nur das Werkzeug der Religion ist, die Religion das Werkzeug der Priesterschaft wird. Von diesem Augenblick an dringt ein unseliger Antagonismus in die Welt ein. Der Glauben und der Verstand, jeder für sich, ziehen alles an sich. Der Priester hört nicht auf, den heiligen Wahrheiten Irrtümer hinzuzufügen, die er für nicht weniger heilig erklärt, und bietet so dem Widerspruch des Laien immer stärkere Anlässe und immer ernstere Gründe dar. Der eine sucht dem Falschen mit dem Wahren Eingang zu verschaffen. Der andere erschüttert das Wahre mit dem Falschen. Die Religion wird Aberglaube und die Philosophie Unglaube. Zwischen diesen beiden Extremen schwankt das Maß des Zweifels, und die Menschheit geht sozusagen durch eine kritische Epoche. Inzwischen wird der Abgrund immer tiefer und der Kampf geht weiter, nicht allein eines Menschen gegen den anderen, sondern auch in dem Gewissen eines jeden Menschen mit verschiedenen Wechselfällen. Wenn eine politische Erschütterung die Gesellschaft in Schrecken gesetzt hat, so wirft sich diese aus Furcht auf die Seite des Glaubens; eine Art heuchlerische Religiosität kommt auf und der Priester hält sich für den Sieger. Aber die Ruhe hat sich kaum wieder gezeigt, der Priester hat kaum versucht, sich den Sieg zu Nutze zu machen, als der Verstand seine Rechte wieder geltend macht und sein Werk wieder anfängt. Wann wird nun diese Anarchie aufhören? Wann wird das Bündnis zwischen dem Verstand und des Glauben besiegelt werden?  —
Wenn der Glaube nicht mehr eine Waffe sein wird; wenn die Priesterschaft wieder, was sie sein soll, das Werkzeug der Religion geworden und die Formen welche ihr Vorteil bringen, gegen das Wesen, welches der Menschheit Vorteil bringt, aufgegeben haben wird. Dann kann man nicht bloß sagen, dass die Religion und die Philosophie Schwestern sind, man wird sagen müssen, dass sie zur Einheit zusammenfließen.

Doch ich steige aus diesen erhabenen Regionen herab und, wieder zu den Universitätsabschlüssen zurückkehrend, frage ich mich, ob der Klerus eine große Abneigung empfinden wird, die gewohnheitsmäßigen Bahnen des klassischen Unterrichts, eines Unterrichts, zu welchem er überdies keineswegs verpflichtet ist, aufzugeben.

Es wäre seltsam, wenn der platonische Kommunismus, das Heidentum, die durch die Sklaverei und das Raubsystem gebildeten Ideen und Sitten, die Oden des Horaz und die Metamorphosen des Ovid ihre letzten Verteidiger und Lehrer unter den Priestern Frankreichs fänden. Es ist nicht meine Sache, ihnen Ratschläge zu erteilen. Aber sie werden mir wohl erlauben, hier die Stelle aus einem Journal, welches wenn ich mich nicht täusche, von Geistlichen redigiert wird, anzuführen:

Wer sind denn, unter den Lehrern der Kirche, die Verteidiger des heidnischen Unterrichts? Ist es der heilige Clemens, welche geschrieben hat, dass die profane Wissenschaft Obst und Konfekt ist, die man nur zum Ende der Mahlzeit auftragen soll? Ist es Origines, welche er geschrieben hat, dass es in den vergoldeten Schalen der heidnischen Poesie tödliche Gifte gibt? Ist es Tertullian, welcher die heidnischen Philosophen die Patriarchen der Ketzer nennt: patriarchae heriticorum? Ist es der heilige Irenäus, welche erklärt, dass Plato das Salz aller Ketzereien gewesen sei? Ist es Lactantius, welcher bekundete, dass zu seiner Zeit die gelehrten Männer diejenigen waren, die den wenigsten Glauben hatten? Ist es der heilige Ambrosius, wenn er sagt, dass es sehr gefährlich für die Christen sei, sich mit der profanen Beredsamkeit zu beschäftigen? Ist es der heilige Hieronymus endlich, welcher in seinem Briefe an Eusochia, worin er mit Entschiedenheit das Studium der Heiden verdammte, sagte: Was gibt es Gemeinsames zwischen dem Licht und der Finsternis? Welcher Zusammenhang kann zwischen Christus und Belial bestehen? Was hat Horaz mit dem Psalter, Virgil mit dem Evangelium zu tun? …
Der heilige Hieronymus, welcher die Zeit, die er in seiner Jugend auf das Studium der heidnischen Wissenschaften verwendet hat, so schmerzlich bedauert: „Unglücklicher, der ich war, ich versagte mir die Nahrung, um ich vom Cicero nicht zu trennen; vom frühen Morgen an hatte ich den Plautus in Händen. Wenn ich zuweilen, wieder in mich gehend, mit dem Lesen der Propheten anfing, so erschien mir ihr Stil ungebildet, und weil ich blind war, so leugnete ich das Licht.“

Aber hören wir, was der heilige Augustin spricht:

Die Studien, durch welche ich dahin gelangte, die Schriften der anderen zu lesen und zu schreiben, was ich denke, waren doch viel nützlicher und viel solider, als diejenigen, denen obzuliegen man mich seitdem nötigte, welche die Abenteuer eines gewissen Äneas betrafen und welche mich über das Schicksal der aus Liebe sterbenden Dido weinen machten, während ich selbst, meine eigenen Fehler vergessend, den Tod in diesem unseligen Lesen entdeckte … Dennoch nennt man diese Torheiten die schönen und ehrenhaften Wissenschaften. Tales dementiae honestiores et uberiores litterae putantur … Mögen sie gegen mich schreien, diese Verkäufer der schönen Wissenschaften, ich fürchte sie nicht, und ich lasse mir angelegen sein, die schlechten Wege, denen ich gefolgt bin, zu verlassen … Zwar habe ich von diesem Studien viele Aussprüche, die zu wissen nützlich sind, empfangen, aber das alles kann auch anderswo als in diesen frivolen Schriften erlernt werden, und man sollte die Kinder auf einen weniger gefährlichen Weg führen. Aber o! verfluchter Strom der Gewohnheit, wer wagt es, sich Dir zu widersetzen!
Hat man nicht, um Deinem Lauf zu folgen, mich die Geschichte Jupiters lesen lassen, der zu gleicher Zeit den Blitz in Händen hat und den Ehebruch begeht? Man weiß wohl, dass das unvereinbar ist; aber mit Hilfe dieses falschen Donners vermindert man den Abscheu, welchen der Ehebruch einflößt und man veranlasst die jungen Leute, die Handlungen eines verbrecherischen Gottes nachzuahmen.

Und doch, o höllischer Strom, stürzt man alle Kinder in Deine Fluten, man macht aus diesem sträflichen Gebrauch eine große Angelegenheit. Dies geschieht öffentlich, unter den Augen der Obrigkeit, gegen einen bedungenen Lohn …
Das war der Wein des Irrtums, den uns in unserer Jugend trunkene Lehrer reichten; sie züchtigten uns, wenn wir uns weigerten, uns davon zu tränken und wir konnten von ihrem Urteil nicht Berufung einlegen auf irgendeinen anderen Richter, der nicht wie sie trunken war. So war meine Seele die Beute der unreinen Geister, denn es gibt nicht bloß eine Art, wie man den Teufeln opfert.

Diese so beredten Klagen, fügt das katholische Blatt hinzu, diese so bittere Kritik, dies so harten Vorwürfe, diese so rührende Reue, diese so treffenden Ratschläge, sind sie nicht ebenso an unser Jahrhundert gerichtet als an dasjenige, für welches der heilige Augustin schrieb? Behält man nicht unter dem Namen des klassischen Unterrichts dasselbe System der Studien bei, gegen welches der heilige Augustin sich mit solcher Kraft erhebt? Hat dieser Strom des Heidentums nicht die Welt überschwemmt? Stürzt man nicht jedes Jahr Tausende von Kindern in seine Fluten, die dort den Glauben, die Sitten, das Gefühl der menschlichen Würde, die Liebe der Freiheit, die Kenntnis ihrer Rechte und ihrer Pflichten verlieren, die aus denselben heraufsteigen ganz erfüllt von den falschen Ideen des Heidentums, von seiner falschen Moral, von seinen falschen Tugenden, so wie von seinen Lastern und von seiner tiefen Verachtung gegen die Menschheit?

Und diese schreckliche moralische Unordnung geht nicht aus einer Verkehrtheit individueller, ihrem freien Belieben überlassener Launen hervor. Nein, sie ist gesetzlich durch den Mechanismus der Universitätsabschlüsse auferlegt. Herr von Montalembert selbst, der nur bedauert, dass das Studium der antiken Wissenschaften nicht intensiv genug wäre, führte die Berichte der Inspektoren und Dekane der Fakultäten an. Einstimmig bekunden sie den Widerstand, ich möchte beinahe sagen, das Aufbegehren der öffentlichen Meinung gegen eine so unsinnige und verderbliche Tyrannei. Alle bekunden, dass die französische Jugend mit einer mathematischen Genauigkeit berechnet, was man in den Klassischen Studien von ihnen verlangt, und was man ihnen gestattet, nicht zu wissen, und dass sie genau bei der Grenze Halt macht, wo sie die Abschlüsse erlagen kann. Ist es ebenso in anderen Zweigen der menschlichen Wissens, oder ist es nicht ganz allgemein bekannt, dass auf zehn Zugelassene hundert Kandidaten kommen, die alle weiter sind, als die Eingangsvoraussetzungen fordern? Möge doch der Gesetzgeber die öffentliche Meinung und den Zeitgeist etwas berücksichtigen.

Ist es ein Barbar, ein Welscher, ein Gepide, der es hier wagt, das Wort zu nehmen? Missachtet er die außerordentliche Schönheit der vom Altertum hinterlassenen Denkmale oder die Dienste, welche die griechischen Demokratien der Sache der Zivilisation geleistet haben?

Nein, sicherlich nicht, er kann nicht oft genug wiederholen, dass er vom Gesetz nicht verlangt, sie zu ächten, sondern sie nicht zu ächten. Es lasse den Bürgern Freiheit. Sie werden schon verstehen, die Geschichte wieder in ihr wahres Licht zu setzen, das zu bewundern, was der Bewunderung würdig ist, das zu brandmarken, was Verachtung verdient, und sich von dem klassischen Konventionalismus, dieser verderblichen Seuche der modernen Gesellschaften, freizumachen. Unter dem Einfluß der Freiheit werden die Naturwissenschaften und die profanen Wissenschaften, das Christentum und das Heidentum schon wissen, sich in der Erziehung den rechten gebührenden Anteil zu verschaffen, und so wird sich zwischen Ideen, Sitten und Interessen Harmonie einstellen, die für Gewissen wie für die Gesellschaft, Bedingung der Ordnung ist.

Die Freiheit hat dem englischen Volke Brot gegeben

1. Januar 1848

Die Presse diskutiert die vom Board of Trade herausgegebenen statistischen Dokumente und stellt folgende drei Tatsachen fest:

  1. Eine sehr reichliche Getreideernte;
  2. Eine Fleisch- und Getreideeinfuhr, die immer steigt, und heute bedeutender ist, als sogar während des Mangels;
  3. Ein Zuströmen der edlen Metalle.

Diesen drei Tatsachen wollen wir zwei andere, nicht weniger sichere, hinzufügen:

  1. Der Preis des Getreides ist nicht so weit gesunken, dass man annehmen könnte, man wolle es nicht kaufen;
  2. Die Pächter sind unter allen arbeitenden Klassen diejenigen, welche am wenigsten klagen.

Nun scheint es uns unmöglich, aus den beiden ersten Tatsachen nicht zu dem Schluss zu gelangen, dass das Volk von England besser genährt ist, als es ehemals der Fall war.

Wenn die Ernte reichlich gewesen ist, wenn vom Ausland Getreidelawinen ankommen und wenn alles verkauft wird, wie die Festigkeit der Preise zeigt, so kann die Presse sich darüber ärgern, aber am Ende kann sie nicht aus anzuerkennen, dass man in England mehr Brot isst als je zuvor.

Und das beweist uns, was das Englische Volk vor der Tarifreform hat leiden müssen und dass es nicht so unrecht hatte, sich zu beklagen, da es, wenn die Ernten weniger reichlich waren und wenn nichtsdestoweniger die Einfuhr verboten war, in England notwendig unverhältnismäßig viel weniger Brot als heute geben musste.

Was man auch immer über die anderen Wirkungen der Reform sagen mag, das wenigstens steht fest: Das Volk ist besser genährt; und das ist etwas.

Schutzzöllner, Demokraten, Sozialisten, hochherzige Gönner der leidenden Klassen, die Ihr unaufhörlich die Worte Philanthropie, Hochherzigkeit, Aufopferung, Hingebung im Munde führt; die Ihr über das unglückliche Los Eurer Nachbarn jenseits des Kanals, welche die edlen Metalle ihre Küsten verlassen sehen, jammert, gesteht wenigstens ein, dass dies Unglück, wenn es da ist, nicht ohne Ausgleich ist.

Ihr sagtet, dass in England die Reichen zu reich und die Armen zu arm seien; es gibt aber scheinbar einen Prozess, der beginnt, die Stände näher zu bringen; denn wenn das Gold fortgeht, so geht es doch nicht aus den Taschen der Armen fort, und wenn der Getreideverbrauch alle Prognosen übersteigt, so wird es doch nicht vom Magen des Reichen verschlungen.

Doch wie! es ist nicht einmal wahr, dass das Geld ausgeführt wird. Ihr selbst bekundet, dass es in vollen Ladungen zurückkommt.

Moral. Wenn die Leute, welche das Gesetz machen, ihre Macht dazu anwenden wollen, um ihren Mitbürgern die Freiheit, diese verdammte Freiheit, diese bei unsern Demokraten heute so unpopuläre Freiheit zu nehmen — so sollten sie wenigstens damit anfangen einzugestehen, dass sie dem Volk Brot gibt, und dann, wenn sie dazu den Mut haben, behaupten, dass das ein fürchterliches Unglück ist.
 

Die englische und die deutsche Liga

Antwort an die Presse

Dezember 1845

Die englische Liga tritt für Freiheit ein, die Deutsche Liga für Regulierung. Kein Wunder, dass alle Pressesympathie der Deutschen Liga gilt.

Haben sich, so die Presse, die Staaten, die heute den Deutschen Verein bilden, zu dem System, das sie gemeinsam angenommen haben, Glück zu wünschen? … Wenn sich zeigt, dass Deutschland, ermutigt durch die bereits erzielten Erfolge, nur auf dem Weg, den es beschritten hat, fortfahren kann, dann beruht notwendig die Englische Liga auf großen Täuschungen …

Nun, betrachtet die fiskalischen Resultate. … Von Jahr zu Jahr zeigt sich Verbesserung in zweierlei Art: die Kosten nehmen ab, die Einnahmen nehmen zu; … der Großteil der Bevölkerung ist entlastet, … usw.

Die wirtschaftlichen Ergebnisse sind nicht weniger bedeutend. Großindustrien sind gegründet; zahlreiche Arbeitsmöglichkeiten wurden entsprechend den physischen und geistigen Möglichkeiten der armen Klassen geschaffen; große Verdienstmöglichkeiten haben sich aufgetan; die Bevölkerung hat zugenommen; der Wert des Grundeigentums ist gestiegen; usw.

Endlich zeigen sich die politischen Resultate den Augen aller, …usw.

Nach dieser Dithyrambe konnte der Schluss nicht zweifelhaft sein.

Die Gesamtheit der Errungenschaften beweist, dass die Idee des Zollvereins außerordentlich fruchtbar war; … dass die Konstellation der von dem Zollverein angesetzten Tarife für die Wohlstandsentwicklung günstig war.

Wir schließen daraus, dass die Prinzipien, welche bei der Errichtung des Zollvereins gewaltet haben, nicht leicht werden aufgegeben werden; dass sie im Gegenteil nur ansteckend auf die anderen Teile des Europäischen Kontinents wirken können, und dass folglich die Lehren der Englischen Liga Gefahr laufen, im intellektuellen Austausch, immer unüberwindbareren Hindernissen zu begegnen …

Wir machen darauf aufmerksam, dass die Presse unrecht hat, von der Idee des Zollvereins zu sprechen, denn der Zollverein beruht nicht bloß auf einer, sondern auf zwei Ideen, und weiter auf zwei sich widersprechenden Ideen: einer Idee der Freiheit und einer Idee der Beschränkung. Er hat den Verkehr der Deutschen mit den übrigen Menschen beschränkt, aber den Verkehr der Deutschen untereinander befreit. Er hat den großen Schlagbaum, welcher den Verein einschließt, erhöht, aber er hat die unzähligen Schlagbäume, welche jeden der Vereinigten umzäunten, eingerissen. Bei einem Staat nahmen beispielsweise die Verkehrshindernisse auf seiner südlichen Grenze zu, aber die Hindernisse auf seinen drei anderen Grenzen schwanden. Für die enklavierten Staaten hat sich der Kreis, in welchem sie sich frei bewegen können, bedeutend erweitert.

Der Zollverein hat also zwei diametral entgegengesetzte Prinzipien zur Anwendung gebracht. Nun ist es klar, dass Deutschland den Wohlstand, der daraus hervorgegangen ist, nicht den gleichzeitigen Wirkungen zweier Prinzipien, die sich widersprechen, zuschreiben kann. Ja, Deutschland hat sich positiv entwickelt; aber ist dies den verstärkten Schlagbäumen oder den niedergerissenen Schlagbäumen zu danken? Denn, wie stark auch immer die Zeitungen auf die Leichtgläubigkeit ihrer Abonnenten rechnen mögen, ich denke nicht, dass sie sie für dermaßen dumm halten, dass sie wagten, ihnen ins Gesicht zu sagen: dass ja und nein gleichzeitig wahr ist.

Da Deutschland zum Guten und zum Schlimmen gezogen war, so fragt es sich jetzt noch, ob, wenn das Gute überwog, dies der Abschaffung der besonderen Tarife oder der Erhöhung des allgemeinen Tarifs zu danken ist: Die Presse schreibt den ganzen Ruhm dem Prinzip der allgemeinen Beschränkung zu: in diesem Fall müsste sie der Konsequenz halber ergänzen, dass das Wohl durch die regionale Liberalisierung vermindert worden ist.

Wir allerdings glauben, dass Deutschland seine Fortschritte den Fesseln, von denen es befreit wurde, zu danken hat, und deshalb schließen wir, dass diese noch schneller gewesen wären, wenn sich dem Befreiungswerke kein restriktiver Gedanke beigemischt hätte.

Die Argumentation der Presse ist also nur ein verwirrter Trugschluss. Deutschland hatte beide Arme geknebelt; der Zollverein kam zustande und befreite den rechten Arm (den inneren Handel), und machte den linken Arm (den auswärtigen Handel) etwas fester; in dieser neuen Lage machte es einige Fortschritte. “ Seht Ihr sagt die Presse, es liegt also am Festmachen des linken Arms!“ Und warum zeigt sie uns nicht den rechten Arm?

Ist es verwunderlich, dass die Presse hier die Wirkungen von Freiheit und Monopol vermengt? Die Prinzipienlosigkeit, oder, was auf dasselbe hinausläuft, das Festhalten an mehreren Prinzipien, die sich ausschließen, scheint das entscheidende Merkmal dieses Blattes zu sein, und wahrscheinlich verdankt es dem teilweise seinen Ruf. In diesem skeptischen Jahrhundert ist nichts geeigneter, um sich einen Firnis von Mäßigung und Weisheit zu geben. „Seht die Presse, sagt man, sie bindet sich nicht an ein absolutes Prinzip, wie die Leute, welche sie Projektenmacher nennt; sie verteidigt Für und Wider, Freiheit und Beschränkung, je nachdem.“

Noch lange wird diese Taktik Aussicht auf Erfolg haben; denn wegen der widersprüchlichen Lehrmeinungen ist die Mehrheit zu glauben geneigt, dass Wahrheit nicht existiert. – Und dennoch existiert sie. Es ist ganz sicher, dass sie in Bezug auf den internationalen Handel lautet: Es ist besser, im Ausland zu kaufen, was selbst zu machen teurer ist. – Oder in dem: Es ist besser, Sachen selbst zu machen, wenn dies billiger ist, als sie im Ausland zu kaufen.

Nun redet die Presse unaufhörlich so, als wenn jeder dieser Sätze bald wahr, bald falsch wäre. Der Artikel, dem ich hier antworte, bietet ein merkwürdiges Beispiel dieser Kakophonie. 

Nachdem sie den Zollverein für die großen Resultate, die er durch die Beschränkung erreicht hat, beglückwünscht hat, tadelt sie ihn, dass er die Einfuhr des Zuckers beschränkt, und ihre Worte verdienen angeführt zu werden:

Darin lag ein großer Fehler des Zollvereins, dass er dem Rübenzucker eine so starke Ausbreitung zugestand … Wenn er der Versuchung, seinen Zucker selbst zu fabrizieren, nicht nachgegeben hätte, so hätte er mit dem Amerikanischen Kontinent und mit einem Teile Asiens sehr einträgliche Handelsverbindungen eingehen können. … Um sich diese einträglichen Verbindungen zu sichern, befand sich Deutschland in einer vortrefflichen Lage; es hatte das Glück, keine einzige Kolonie zu besitzen; folglich entging es der Notwendigkeit, Monopole zu schaffen. Es hatte die Freiheit, seinen Markt allen Ländern mit ungeheurer Zuckerproduktion, Brasilien, den Spanischen Kolonien, Indien, China, zu eröffnen; und Gott weiß, wieviele Produkte es als Gegenwert dieses exotischen Zuckers, den seine Bevölkerungen zu fabelhaft niedrigen Preisen hätte verbrauchen können, ausgeführt haben würde. Diese glänzende Aussicht hat es mit dem Tage verloren, wo es sich in den Kopf setzte, auf seinem eigenen Boden Rübenzucker zu anzubauen.

Gibt es in dieser Stelle in Argument, ein Wort, das nicht alle denkbaren Beschränkungen trifft, die zum Zweck haben, die Arbeit zu beschützen, die Schaffung neuer Industrien anzureizen; Beschränkungen, deren ansteckenden Einfluss auf den Kontinent zu befördern, der Hauptzweck des Artikels ist.

Nehmen wir die Metallindustrie in Frankreich: Ihr sagt: Deutschland hat einen großen Fehler gemacht, dass es dem Rübenzucker bei sich eine so große Ausbreitung gestattete.

Und ich sage: Frankreich hat einen großen Fehler gemacht, dass es der Eisenproduktion bei sich eine so große Ausbreitung gestattete.

Ihr sagt: Wenn Deutschland der Versuchung, seinen Zucker selbst zu fabrizieren, nicht nachgegeben hätte, so hätte es mit dem Amerikanischen Kontinent und einem Teile Asiens sehr einträgliche Handelsbeziehungen eingehen können.

Und ich sage: Wenn Frankreich der Versuchung, sein Eisen selbst zu fabrizieren, nicht nachgegeben hätte, so hätte es mit Spanien, England, Belgien, Schweden sehr einträgliche Handelsbeziehungen eingehen können.

Ihr sagt: Deutschland hatte die Freiheit, seinen Markt allen Ländern mit ungeheurer Zuckerproduktion zu eröffnen, und Gott weiß, wieviele Produkte es als Gegenwert dieses exotischen Zuckers, den seine Bevölkerung zu fabelhaft niedrigen Preisen verbraucht hätte, ausgeführt hätte.

Und ich sage:Frankreich hatte die Freiheit, seinen Markt allen Ländern mit ungeheurer Metallproduktion zu eröffnen, und Gott weiß, wieviele Produkte es als Gegenwert dieser exotischen Eisenwaren, die seine Bevölkerung zu fabelhaft niedrigen Preisen verbraucht hätte, ausgeführt hätte.

Ihr sagt: Diese glänzende Aussicht hat Deutschland mit dem Tag verloren, wo es sich in den Kopf setzte, auf seinem eigenen Boden Zucker zu machen.

Und ich sage: Diese glänzende Aussicht hat Frankreich mit dem Tag verloren, wo es sich in den Kopf setzte, alles Eisen, welches es bedarf, bei sich zu machen.

Oder wenn Ihr auf Eure Lieblingslehren zurückkommt und den Schutz, den Frankreich der Metallindustrie gewährt, rechtfertigen wollt, so werde ich Euch mit den Argumenten antworten, welche Ihr gegen den Schutz, den Deutschland der Zuckerindustrie gewährt, richtet.

Wenn Ihr sagt, dass die Eisenproduktion Arbeit für die französischen Arbeiter bereitstellt, so werde ich dasselbe von der Zuckerproduktion für die deutschen Arbeiter sagen.

Wenn Ihr sagt, dass die deutsche Arbeit bei der Einfuhr des exotischen Zuckers nichts verlieren würde, weil sie zur Schaffung eines Gegenwerts eingesetzt würde, so werde ich dasselbe von der französischen Arbeit bezüglich der Eiseneinfuhr sagen.

Wenn Ihr sagt, dass wenn die Engländer uns Eisen verkaufen, es nicht sicher ist; dass sie uns dagegen unsere Pariser Artikel und unsere Weine abnehmen, so werde ich Euch antworten, dass wenn die Brasilianer an die Deutschen Zucker verkaufen, es nicht sicher ist, dass sie Deutsche Produkte im Tausch erhalten.

Ihr seht also wohl, dass es eine Wahrheit, eine absolute Wahrheit, gibt, und dass, wie Pascal sagte, was jenseits des Rheins wahr ist, diesseits des Rheins nicht falsch sein kann.

Sonderbares ökonomisches Phänomen

21. Februar 1847

In der Sitzung vom 9. Februar lenkte Herr Leon Faucher die Aufmerksamkeit der Kammer auf die fiskalischen Verhältnisse, die in England die Handelsreformen beschleunigt haben. Sie zeigen eine Verkettung ebenso interessanter wie lehrreicher Umstände, über die unsere Leser, insbesondere wenn sie privilegierte Industrien betreiben, ernsthaft nachdenken sollten. Sie lernen daraus vielleicht, dass Monopole ebenso wie hohe Steuern nicht immer das bringen, was sie scheinbar versprechen.

Als im Jahr 1837 der Aufstand in Kanada die Ausgaben erhöhte, und damit eine Abnahme der Einnahmen einherging, war die Haushaltsbilanz in England aus dem Gleichgewicht und zeigte ein erstes Defizit von 16 Millionen Franc.

Das folgende Jahr ergab ein weiteres Defizit von 10 Millionen, 1839 einen Ausfall von 37 Millionen und 1840 eines von 40 Millionen.

Die Verwaltung dachte ernstlich darüber nach, diese immer größer werdende Wunde zu schließen. Sie hatte die Wahl zwischen zwei Mitteln: die Ausgaben zu vermindern oder die Einnahmen zu erhöhen. Sei es, dass in den Augen des Ministeriums die möglichen Reformen erster Art seit 1815 ausgeschöpft waren, sei es, dass es sich, nach der Gewohnheit aller Regierungen, verpflichtet fühlte, das Volk auszusagen, ehe es die Besitzstände der Beamten angriff, so war, wie immer, sein erster Gedanke der, welcher sich allen Ministern darbietet: aus der Steuer alles herauszuholen, was geht.

In Folge dessen brachte das Kabinett Russell eine Bill ein und das Parlament votierte sie, welche einen Zuschlag auf die Grundsteuer von 10 Prozent, auf die Zölle und die Verbrauchssteuer von 5 Prozent und auf Spirituosen von 4 Pence per Gallon bewilligte.

Ehe wir weiter gehen, ist es zweckmäßig, einen Blick darauf zu werfen, wie zu dieser Zeit die öffentlichen Abgaben des Vereinigten Königreichs verteilt waren.

Die Einnahmen beliefen sich auf ungefähr 47 Millionen Pfund Sterling.

Sie flossen aus drei Quellen: Zölle und Verbrauchssteuer, Abgaben, welche alle in beinahe gleicher Art treffen, d.h. welche in einem enormen Verhältnisse auf die arbeitenden Klassen fallen, Assessed Taxes oder Grundsteuer, welche unmittelbar die Reichen trifft, besonders in England; und Stempel, der gemischter Art ist.

Die Besteuerung des Volks brachte 36 Millionen oder 9/12 des Ganzen;

Die Besteuerung der Reichen, 4 Millionen oder 1/12 des Ganzen;

Die gemischte Besteuerung, 7 Millionen oder 2/12.

Daraus folgt, dass der Handel, die Industrie, die Arbeit, die mittleren und armen Klassen der Gesellschaft, fünf Sechsteile der öffentlichen Lasten zahlten, und dies ohne Zweifel hat Herrn Cobden zu der Äußerung veranlasst: „Wenn unser Finanzcodex für sich und ohne Kommentar auf den Mond gelangte, so bräuchten die Bewohner dieses Trabanten nichts weiter, um zu wissen, dass England durch eine Aristokratie regiert wird, die Herrin des Bodens und der Gesetzgebung ist.“

Bei dieser Gelegenheit wollen wir doch anmerken und zwar zur Ehre Frankreichs, dass während die Grundbesitzer in England nur 8 Prozent der Gesamtsteuern zahlen, sie bei uns 33 Prozent davon zahlen und überdies, in Anbetracht ihrer Zahl, eine viel größere Rolle bei den Verbrauchssteuern spielen.

Nun also sollten die von den Whigs erfundenen Steuerzuschläge einbringen:

1.426.000 liv. st. 5 Prozent auf Zölle und Verbrauchssteuer, Spirituosen ausgenommen
 485.000 4 Pence per Gallon auf Spirituosen
400.000 10 Prozent auf Grundsteuer

Somit wurde das Volk im Verhältnis von 4/5 in Anspruch genommen, um das durch die Fehler der Oligarchie herbeigeführte Defizit zu beseitigen.

Die Bill kam 1840 zur Anwendung. Am 5. April 1841 schritt man ängstlich zur Abrechnung; und nicht ohne Verwunderung und Schrecken ermittelte man gegenüber der Einnahme des vorigen Jahres, anstatt der erwarteten Zunahme von 2.200.000 Pfd. Strl., eine Abnahme von einigen hunderttausend.

Das war ein Schock. Vergebens hatte man also das Volk mit neuen Auflagen belegt; Vergeblich wäre es, künftig zu diesem Mittel zu greifen. Die Erfahrung hatte eine bedeutende Tatsache zu Tage gefördert, nämlich dass England an der äußersten Grenze seiner Steuerkraft angekommen war und dass es für die Zukunft unmöglich sein würde, durch die Erhöhung der Auflagen ihm auch nur einen Schilling mehr abzupressen. Derweil blieb das Defizit klaffend.

Die Theoretiker, wie man sie nennt, setzten sich daran, das erschreckende Phänomen zu studieren. Es kam ihnen die Idee, dass man vielleicht die Einnahmen erhöhen könnte, indem man die Steuern herabsetzte, eine Idee, die in sich widersprüchlich scheint. Außer den theoretischen Gründen, die sie zu Gunsten ihrer Meinung anführten, gewährten einige frühere Erfahrungen ihrer Ansicht eine gewisse Bestätigung. Aber für diejenigen, die, wenn sie auch dem Faktenkult frönen, doch nicht vor den Gründen der Fakten zurückschrecken, sollten wir erwähnen, wie sie ihre Meinung unterstützten.

Der Steuerertrag auf ein Verbrauchsgut, sagten sie, ist zu dem Steuersatz und der verbrauchten Menge proportional. Wenn z.B. die Steuer eins ist und zehn Pfund Zucker verbraucht werden, so ergibt sich ein Ertrag von zehn. Dieser Ertrag steigt sowohl wenn der Steuersatz erhöht wird und der Verbrauch gleich bleibt, als auch wenn der Verbrauch zunimmt und der Steuersatz unverändert bleibt. Er sinkt, wenn die eine oder die andere Komponente abnimmt; er sinkt auch, wenn eine von beiden zunimmt und die andere in stärkerem Maße abnimmt. So ist auch wenn man die Steuer auf 2 erhöht, wenn der Verbrauch auf 4 sinkt, der Ertrag nur 8. In diesem letzten Fall ist für das Volk die Entbehrung enorm, — ohne Gewinn, ja mit Verlust für den Staatshaushalt.

Dies einmal angenommen, sind dann dieser Multiplikator und dieser Multiplikandus voneinander unabhängig, oder kann man den einen nur auf Kosten des anderen vermehren? Die Theoretiker antworteten:

Die Steuer wirkt wie alle Kosten der Produktion, sie erhöht den Preis der Dinge und bringt sie außer Reichweite für eine gewisse Zahl Menschen. Daher der mathematische Schluss: wenn eine Auflage stufenweise und immer weiter erhöht wird, so kommt eben dadurch, dass sie bei jedem Grad der Erhöhung etwas mehr den Verbrauch und das steuerbare Objekt beschränkt, notwendig ein Moment, wo der geringste Zuschlag zur Steuer den Ertrag vermindert.

Die Theoretiker beschränkten sich nicht auf dies arithmetische Theorem. Indem sie etwas tiefer auf die Frage eingingen, sagten sie: wenn die Regierung den traurigen Zustand der Volksressourcen besser gekannt hätte, so hätte sie nicht einen so tief beschämenden Versuch unternommen.

Wenn die persönliche Lage der Bürger konstant wäre, so würde der Ertrag aus indirekten Steuern sich gerade so wie die Bevölkerung vermehren. Wenn außerdem das Nationalkapital und mit ihm der allgemeine Wohlstand wachsen, so nimmt der Ertrag schneller zu als die Anzahl der Menschen. Endlich, wenn die Verbrauchsfähigkeit Rückschritte macht, so muss der Staatshaushalt dabei leiden. Daraus folgt, dass wenn man das Doppel-Phänomen vor Augen hat: Bevölkerungswachstum und Verminderung der Steuererträge, man doppelten Grund zu dem Schluss hat, dass das Volk fortschreitenden Entbehrungen unterliegt. In diesem Moment die Preise zu erhöhen, heißt die Bürger weiteren Entbehrungen unterwerfen, ohne irgendeinen fiskalischen Nutzen.

Wie lagen nun die Dinge im Jahre 1840?

Es stand fest, dass die Bevölkerung jährlich um 360.361 Einwohner zunahm.

Wie hätte hiernach, wenn man die persönlichen Ressourcen als konstant annimmt, der Zoll- und Verbrauchssteuerertrag sein müssen, und wie war er in Wirklichkeit? Dies ergibt sich aus folgender Tabelle:

Jahr Bevölkerung Verhältnismäßiger Ertrag der indirekten Steuern Pfd. Wirklicher Ertrag Pfd.
1836 26 158 524 36 392 472 36 392 472
1837 26 518 885 36 938 363 33 958 421
1838 26 879 246 37 484 254 34 478 417
1839 27 239 607 38 030 145 35 093 633
1840 27 599 968 38 567 036 35 536 469

In dem wirklichen Ertrag von 1840 sind die in diesem Jahr bewilligten Zuschläge von 5 Prozent inbegriffen.

So hätte, selbst ohne jeden industriellen Fortschritt und durch die bloße Macht der Zahl, der Ertrag, welcher 1836 36 Millionen war, 1840 38 Millionen betragen müssen. Er sank auf 35 Millionen, trotz des Zuschlages von 5 Prozent, ein Ergebnis, was man aus der Abnahme der vorhergehenden Jahre hätte vorhersehen müssen. Auffallend ist, dass in den fünf früheren Jahren das Gegenteil stattgefunden hatte. Nachdem Zölle und Verbrauchssteuer herabgesetzt wurden, hatten sich die öffentlichen Einkünfte in einem Verhältnis verbessert, welches größer war, als das Bevölkerungswachstum.

Der Leser ahnt vielleicht, welche Folgerungen die Theoretiker aus diesen Beobachtungen zogen. Sie sagten dem Ministerium: Ihr könnt nicht mit Nutzen den Multiplikator (den Satz der Steuer) verstärken, ohne den Multiplikandus (das steuerbare Objekt) in größerem Maße zu schwächen; versucht, indem Ihr die Auflagen herabsetzt, die Volksressourcen zu mehren.

Das aber war ein Unternehmen voller Gefahren. Selbst einmal angenommen, dass es in einer entfernten Zukunft mit Erfolg gekrönt sein könnte, weiß man definitiv, dass Zeit erforderlich ist, ehe Steuerherabsetzungen die Lücken, welche sie hervorrufen, ausfüllen, und, vergessen wir nicht, man hatte das Defizit vor sich.

Es ging um nichts geringeres, als tiefer und tiefer in einen Abgrund zu versinken, den Kredit des alten Englands zu gefährden und die Tür zu unberechenbaren Katastrophen zu öffnen.

Eine Lösung drängte. Die Schwierigkeit überwältigte das Whigministerium. Peel trat ans Ruder.

Es ist bekannt, wie er die Aufgabe löste. Er fing damit an, eine Abgabe auf die Reichen zu legen. Er schaffte sich so Hilfsmittel, nicht allein um das Defizit zu decken, sondern auch um den momentanen Ausfällen zu begegnen, welche die Reformen, mit denen er umging, herbeiführen mussten.

Mittels der income-tax minderte er für das Volk die Last der Verbrauchssteuer und in dem Maße, wie die Liga ihre richtigen ökonomischen Ideen verbreitete, die Beschränkungen des Zollwesens. Heute würde, trotz der Abschaffung vieler Steuern und der Herabsetzung aller anderen, der Staatshaushalt, ohne die unerwarteten Notstände, die über Großbritannien hereinbrachen, in glänzender Lage sein.

Man muss anerkennen, Herr Peel hat diese finanzielle Revolution mit einer Energie und Kühnheit durchgeführt, die in Erstaunen setzen. Nicht ohne Grund bezeichnete er diese Maßregeln oft als: „Bold experiment“, als gewagten Versuch. Wir unsererseits wollen dem Ruf dieses Staatsmanns und der Dankbarkeit der arbeitenden Klassen Englands, und man kann sagen aller Länder, nicht Eintrag tun. Die Ausführung schon gereicht ihm zu Ruhm, und wir müssen bei aller Anerkennung sagen, dass die Erfindung gänzlich einem Theoretiker, einem einfachen Journalisten, Herrn James Wilson, angehört, dessen Ratschläge, wenn sie befolgt worden wären, vielleicht das Irland von 1847 retten würden, wie sie das England von 1840 gerettet haben.

Einleitung zum Buch „Cobden und die Liga“

Die Person, die am ehesten geneigt ist, sich über den Verdienst und die Tragweite eines Buches Illusionen hinzugeben, ist nach dem Autor sicherlich der Übersetzer. Vielleicht entgehe ich diesem Gesetz nicht, denn ich sage frei heraus, dass was ich veröffentliche, wenn es tatsächlich gelesen wird, für mein Land eine Art Offenbarung wäre.

Die Handelsfreiheit wird hierzulande als eine Utopie oder als etwas noch schlimmeres betrachtet. Man gibt wohl abstrakt zu, dass sie im Prinzip richtig ist. Man gibt wohl zu, dass sie sich gut in einem Theoriewerk macht. Aber hier ist Schluss. Man gesteht ihr sogar unter einer Bedingung zu, wahr zu sein: Dass sie für immer, mit dem Buch, dass sie enthält, im Staub der Bibliotheken vergraben bleibt, dass sie auf die Praxis nicht den geringsten Einfluss hat, und die Regelung der Geschäfte dem entgegengesetzten, deshalb schon abstrakt falschen Prinzip überlassen bleibt, dem der Prohibition, der Restriktion, der Protektion.

Wenn es noch einige Volkswirte gibt, die inmitten der Leere, die sich um sie verbreitet, das heilige Feuer des Freiheitsdogmas nicht ganz aus ihrem Herzen verbannt haben, so wagen sie kaum, mit unsicherem Blick, den zweifelhaften Triumph in der fernen Zukunft zu suchen. Wie von dicken Schichten toter Erde bedeckte Samen, die nicht nicht keimen, bis eine Erschütterung sie wieder an die Oberfläche bringt und den belebenden Strahlen der Sonne aussetzt, sehen sie den heiligen Samen der Freiheit in der harten Schale der Leidenschaften und Vorurteile verschlossen und wagen nicht die Zahl der sozialen Revolutionen zu zählen, die sich vollziehen müssen, bis ihn die Sonne der Wahrheit trifft.

Sie ahnen nicht, sie scheinen zumindest nicht zu ahnen, dass das Brot der Starken, verwandelt in Milch für die Schwachen, ohne Maß an eine ganze zeitgenössische Generation verteilt worden ist; dass das große Prinzip, das Recht zu handeln, seine Fesseln gesprengt hat, dass es wie im Sturm alle Geister eingenommen hat, dass es eine ganze große Nation beflügelt, dass es eine unbesiegbare öffentliche Meinung geschaffen hat, dass es von den menschlichen Angelegenheiten Besitz ergreifen wird, dass es dabei ist, die wirtschaftliche Gesetzgebung eines großen Volkes zu bestimmen!

Dies ist die gute Nachricht, die dies Buch enthält. Trifft sie auf eure Ohren, Freunde der Freiheit, Partisanen der Völkerverständigung, Apostel der universellen menschlichen Brüderlichkeit, Verteidiger der arbeitenden Klassen, ohne in eurem Herzen Vertrauen, Energie und Mut zu wecken? Ja, wenn dies Buch durch den kalten Stein dringen könnte, der Tracy, Say, Compte bedeckt, so glaube ich, dass die Knochen dieser berühmten Philanthropen in ihrem Grabe vor Freude zitterten.

Aber leider! Ich vergesse nicht die Bedingung, die ich selbst aufgestellt habe: Wenn dies Buch tatsächlich gelesen wird. —  COBDEN ! LIGA! BEFREIUNG DES HANDELS! — Wer ist Cobden? Wer hat in Frankreich von Cobden gehört? Freilich wird die Nachwelt mit seinem Namen eine der großen sozialen Reformen verbinden, die nach und nach die Schritte der Menschheit auf dem Weg der Zivilisation markieren: Die Wiederherstellung, nicht des Rechtes auf Arbeit, nach dem Schlagwort der Stunde, sondern des heiligen Rechts der Arbeit zu ihrem gerechten und natürlichen Lohn.

Freilich steht Cobden zu Smith wie die Verbreitung zur Erfindung. Freilich hat er mit seinen vielen Mitarbeitern die Sozialwissenschaft populär gemacht. Indem er im Geist seiner Landsmänner die Vorurteile beseitigt hat, auf denen das Monopol, dieser Raub im Inland, basiert, und die Eroberung, dieser Raub im Ausland, hat er die blinde Konfrontation beseitigt, die Klassen gegen Klassen und Völker gegen Völker stellt und den Menschen eine Zukunft von Frieden und Brüderlichkeit gegeben – gegründet nicht auf einem illusionären Selbstverzicht, sondern auf den unzerstörbaren Trieb zu Selbsterhaltung und individuellem Fortschritt. Man hat versucht dieses Gefühl unter dem Namen wohlverstandenes Interesse zu bagatellisieren, aber Gott hat ihm ohne Zweifel die Erhaltung und den Fortschritt unserer Art anvertraut.

Freilich hat sich dies Apostolat in der Gegenwart vollzogen, unter unserem Himmel, vor unseren Türen, und es erschüttert noch jetzt eine Nation bis in die Fundamente, deren geringste Zuckungen uns gewöhnlich bis zum Exzess beschäftigen. Und demnach, wer hat von Cobden reden hören? Oh, mein Gott! Wir haben ganz andere Dinge zu tun, als uns mit dem zu beschäftigen, was am Ende wahrscheinlich nur die Welt verändert. Muss man nicht Herrn Thiers dazu verhelfen, Herrn Guizot zu ersetzen, oder Herrn Guizot Herrn Thiers? Sind wir nicht von einem neuen barbarischen Einfall bedroht in Form von ägyptischem Öl und sardischem Fleisch? Wäre es nicht ganz abwegig, einen Augenblick unsere Aufmerksamkeit auf die Völkerverständigung zu lenken, wo diese Aufmerksamkeit doch so angenehm von Nukahiva, Papeïti und Mascate in Anspruch genommen wird?

Die Liga! Um welche Liga handelt es sich? Hat England einen Guise oder Mayenne geboren? Wollen die Katholiken und die Anglikaner ihre Schlacht zu Ivry abhalten? Die Bewegung, die Sie ankündigen, reicht sie an die von Irland heran? Wird es Krieg geben, Gefechte, vergossenes Blut? Vielleicht wird das unsere Aufmerksamkeit wecken, denn wir lieben brutale Gewaltspiele außerordentlich, und dann nehmen wir so ein Interesse an religiösen Fragen! Wir sind seit einiger Zeit so gute Katholiken, so gute Papisten geworden.

Befreiung des Handels! Welche Enttäuschung!  Was für ein Abfall! Ist das Handelsrecht, wenn es ein Recht ist, die Mühe wert, dass wir uns damit beschäftigen? Freiheit zu reden, zu schreiben, zu lehren, ja zu guter Stunde; man kann von Zeit zu Zeit darüber nachdenken, in müßigen Augenblicken, wenn uns die essentielle Frage, die ministerielle Frage einen Moment Ruhe lässt, denn schließlich interessieren diese Freiheiten Leute die Freizeit haben. Aber die Freiheit zu kaufen und zu verkaufen! Die Freiheit über die Früchte seiner Arbeit zu verfügen, dafür über den Handel alles zu erhalten, was möglich ist, das interessiert auch das Volk, den Mann der Arbeit, das berührt das Leben des Arbeiters.

Im Übrigen, handeln, tauschen, das ist so prosaisch! Und dazu ist es noch eine Frage von Wohlstand und Gerechtigkeit. Der Wohlstand! Oh, das ist zu materiell, zu materialistisch für ein Jahrhundert des Verzichts wie das unsere! Die Gerechtigkeit! Oh! das ist zu kalt. Wenn es sich wenigstens um Almosen handelte, gäbe es schöne Worte zu machen. Und ist es nicht angenehm in der Ungerechtigkeit zu verharren, wenn man gleichzeitig so bereitwillig ist wie wir, Barmherzigkeit und Philanthropie zu zeigen?

„Sein Schicksal ist besiegelt“, schrieb Kepler, “ ich werde mein Buch schreiben; man wird es heute oder später lesen. Was kümmert es mich? Es kann auf seinen Leser warten.“ — Ich bin nicht Kepler, ich entreiße der Natur keines ihrer Geheimnisse; ich bin nur ein einfacher und höchst mittelmäßiger Übersetzer. Und doch wage ich wie der bedeutende Mann zu sagen: Dies Buch kann warten; der Leser wird sich früher oder später finden.

Denn wenn auch mein Land schon einige Zeit im Angesicht der gewaltigen Revolution, die den ganzen Boden Britanniens beben läßt, fast in freiwilliger Unwissenheit schläft,  wird es eines Tages schließlich von diesem vulkanischen Feuer geblendet werden …, nein, von diesem wohltätigen Licht, das es bis zum Siebengestirn leuchten sehen wird.

Eines Tages und dieser Tag ist nicht weit, wird es, ohne Übergang, ohne Ankündigung, die große Neuigkeit lernen: England öffnet alle seine Tore; es hat alle Barrieren beseitigt, die es von den Nationen trennt; es hatte fünfzig Kolonien, es hat jetzt nur noch eine einzige und die ist das Universum; es handelt mit jedem, der handeln will; es kauft ohne einen Verkauf zu fordern; es erlaubt alle Beziehungen ohne eine zu erzwingen; es ruft die Invasion eurer Produkte auf sich, England hat die Arbeit und den Handel befreit.

— Dann vielleicht wird man wissen wollen wie, durch wen, und über welchen Zeitraum diese Revolution vorbereitet worden ist; auf welch unwegsamen Gebiet, in welch unbekannten Katakomben sie ausgesonnen worden ist, welche dunkle Freimaurerei ihre Fäden gesponnen hat; und dies Buch wird da sein, um zu antworten: Oh, mein Gott! Das geschah bei hellem Tageslicht, oder zumindest unter freiem Himmel (denn man sagt, es gäbe keine Sonne in England). Es hat sich in der Öffentlichkeit vollzogen, durch eine Diskussion im ganzen Lande, die zehn Jahre gedauert hat. Diese Diskussion hat die Anzahl der englischen Zeitungen vermehrt, sie hat ihr Format verlängert, sie hat Millionen Tonnen von Broschüren und Pamphleten hervorgebracht, man verfolgt ihren Verlauf mit Spannung in den Vereinigten Staaten, in China, und bis zu den wilden Horden schwarzer Afrikaner.

Ihr allein, Franzosen, kümmert euch nicht darum. Und warum? Ich könnte es sagen, aber wäre das wirklich klug? Was solls! Die Wahrheit drängt mich und ich werde es sagen. Es gibt unter uns zwei große Korrupteure, die die Presse verderben. Der eine nennt sich Monopol und der andere Parteigeist.

Der erste hat gesagt: Ich brauche Hass zwischen Frankreich und dem Ausland, denn wenn die Nationen sich nicht hassen, werden sie sich am Ende verständigen, sich vereinigen, sich mögen, und vielleicht, schreckliche Vorstellung! die Erzeugnisse ihrer Industrien untereinander austauschen.

Der zweite hat gesagt: Ich brauche nationale Feindschaften, denn ich erstrebe Macht, und ich werde sie erlangen, wenn es mir gelingt, mich mit soviel Popularität zu umgeben, wie ich meinen Gegnern nehme, wenn ich Ihnen vormache, sie wären an einen Fremden verraten, der bereit steht, bei uns einzufallen, und wenn ich mich als der Retter des Vaterlandes darstelle.

— So wurde die Allianz zwischen Monopol und Parteigeist geschlossen, und sie hat damit geendet, dass alle Presse darüber, was im Ausland passiert, in diesen zwei Dingen besteht: verheimlichen, entstellen. So ist Frankreich systematisch in Unwissenheit über die Tatsache gehalten worden, die dieses Buch enthüllen soll. Aber wie konnte das den Zeitungen gelingen? Das erstaunt euch? — mich auch. Aber, das es ihnen gelungen ist, ist unbestreitbar.

Deshalb, und genau weil ich den Leser (wenn ich einen habe) in eine Welt einführen werde, die ihm ganz fremd ist, soll es mir erlaubt sein, dieser Übersetzung einige allgemeine Betrachtungen über die Regelungen des Wirtschaftslebens in Großbritannien voranzustellen, sowie über die Gründe, die die Liga hervorgebracht haben und über den Geist und die Reichweite dieser Vereinigung  unter sozialen, moralischen und politischen Gesichtspunkten.

Man hat gesagt und oft wiederholt, dass die volkswirtschaftliche Schule, die die Interessen verschiedener Gesellschaftsklassen ihrem natürlichen Gleichgewicht anvertraut, in England entstanden ist, und hat daraus übereilt geschlossen, dass der erschreckende Kontrast zwischen Überfluss und Elend, der Großbritannien charakterisiert, das Ergebnis der Lehre ist, die mit soviel Autorität von Adam Smith verkündet und mit soviel Methode von J. B. Say ausgeführt worden ist. Man scheint zu glauben, dass die Freiheit auf der anderen Seite des Ärmelkanals souverän regiert und dass sie ihre Herrschaft in der ungleichen Weise führt, mit der sich dort der Reichtum verteilt.

Er habe, sagte dieser Tage Herr Mignet zu Herrn Sismondi,

er habe an der großen ökonomischen Revolution teilgenommen, die sich in unseren Tagen vollzog. Er habe die brillanten Wirkungen der Lehren gesehen, die die Arbeit befreit hätten; die die Schranken, die der Korperatismus, die Meister, die inländischen Zölle und die vielfachen Monopole seinen Produkten und seinen Handelsgeschäften entgegensetzten, beseitigt hätten; die die Produktion im Überfluss und den freien Umlauf der Werte hervorgebracht hätten, usw.

Aber in Kürze sei er weiter vorgedrungen, und es hätten sich ihm Schauspiele gezeigt, die weniger geeignet sind, ihn auf den Fortschritt der Menschheit stolz zu machen und ihn seines Glück zu versichern, in dem Land selbst, wo die neuen Theorien sich am schnellsten und am vollständigsten entwickelt hatten, in England, wo sie unbeschränkt herrschten. Was habe er gesehen? Die ganze Größe, aber auch alle Exzesse unbeschränkter Produktion …, dass jeder verschwundene Markt ganzen Bevölkerungen nur die Wahl lässt, Hungers zu sterben, die Unregelmäßigkeiten der Konkurrenz, diesen Naturzustand der Interessen, oft mörderischer als die Verheerungen des Krieges, er sah den Menschen darauf reduziert, Rohstoff für eine Maschine zu sein, die intelligenter ist als er, eingesperrt in ungesunden Orten, wo das Leben nicht die Hälfte seiner normalen Länge erreicht, wo Familienbande reißen und moralische Ideen sich verlieren … Mit einem Wort, er habe gesehen, dass extremes Elend und erschreckende Erniedrigung  in trauriger Weise den Wohlstand und Glanz eines großen Volkes erkaufen und ernsthaft bedrohen.

Traurig und beunruhigt fragte er sich, ob eine Wissenschaft, die das Glück des Menschen der Produktion von Reichtümern opfert .. die wahre Wissenschaft ist … Von da an vertrat er, dass die Volkswirtschaft weniger die abstrakte Produktion von Reichtum zum Ziel haben müsse, als vielmehr seine gleiche Verteilung.

Nebenbei gemerkt hat die Volkswirtschaft weder die Produktion von Reichtum (noch weniger die abstrakte Produktion) im Sinn noch dessen Verteilung. Es ist die Arbeit, der Handel, die diese Dinge zum Ziel haben. Die Volkswirtschaft ist kein Handwerk, sondern eine Wissenschaft. Sie erzwingt nichts, sie empfiehlt auch nichts, und folglich opfert sie nichts; sie beschreibt, wie der Reichtum entsteht und sich verteilt, so wie die Physiologie das Zusammenspiel unserer Organe beschreibt; und es ist ebenso ungerecht der einen die Übel der Gesellschaft vorzuwerfen wie der anderen die Krankheiten, die den menschlichen Körper befallen.

Wie dem auch sei, die sehr weitschweifigen Ideen, zu deren allzu beredtem Interpreten sich Herr Mignet gemacht hat, führen notwendig ins Beliebige. In Anbetracht dieser empörenden Ungleichheit, die die ökonomische Theorie, machen wir es kurz, die die Freiheit hervorgerufen haben soll, dort wo sie mit der größten Unbeschränktheit herrscht, ist es ganz natürlich, dass man sie anklagt, dass man sie zurückweist, dass man sie brandmarkt und dass man sich in künstliche soziale Anordnungen flüchtet, in Organisationen der Arbeit, erzwungene Kapitalgesellschaften und der Handarbeit, in Utopien, mit einem Wort dorthin, wo die Freiheit von vornherein als unverträglich mit Gleichheit und Brüderlichkeit unter den Menschen geopfert wird.

Es ist nicht unser Thema die Freihandelslehre auszuführen noch die zahlreichen Manifestationen dieser Schulen zu bekämpfen, die sich heutzutage den Namen Sozialismus angeeignet haben und die unter sich nichts gemeinsam haben als diese Aneignung.

Aber es ist wichtig, hier festzustellen, dass die Regelungen des Wirtschaftslebens in Großbritannien weit entfernt davon sind, auf das Freiheitsprinzip gegründet zu sein, weit entfernt von einer natürlichen Verteilung des Reichtums, weit entfernt davon, dass nach dem glücklichen Ausdruck von Herrn de Lamartine sich dort jede Industrie durch die Freiheit eine Gerechtigkeit schafft, die ihr kein willkürliches System zu verschaffen wüsste. Vielmehr gibt es kein Land auf der Welt, außer denen die noch immer die Sklaverei bedrückt, wo die Theorie von Smith, — die Lehre des Laissez-Faire, Laissez-Passer, —  weniger angewendet wird als in England und wo der Mensch für den Menschen das Opfer einer noch systematischeren Ausbeutung wäre.

Man braucht nicht zu glauben, wie man uns entgegensetzen könnte, das es genau die freie Konkurrenz ist, die auf die Dauer die Versklavung des Handwerks an das Kapital, der Arbeiterklasse an die Klasse der Müßigen mit sich gebracht hätte. Nein, diese ungerechte Vorherrschaft kann nicht als das Ergebnis, nicht einmal als der Missbrauch eines Prinzips betrachtet werden, das niemals die englische Industrie geleitet hat; und um den Ursprung dieser Vorherrschaft auszumachen, muss man zu einer Epoche zurückgehen, die sicherlich keine Zeit der Freiheit ist, zu der Eroberung Englands durch die Normannen.

Aber ohne hier die Geschichte dieser zwei Rassen nachzuzeichnen, die den Boden Britanniens bevölkern und sich dort in ziviler, politischer und religiöser Form so viele blutige Kämpfe geliefert haben, ist es Zeit, ihre gegenseitige Lage in wirtschaftlicher Hinsicht in Erinnerung zu rufen.

Die englische Aristokratie ist bekanntlich Eigentümer der gesamten Bodenfläche des Landes. Zusätzlich hält sie die legislative Gewalt in ihren Händen. Die Frage ist nur, ob sie von dieser Macht im Interesse der Gesellschaft oder im eigenen Interesse Gebrauch gemacht hat.

Wenn unsere Handelsgesetzgebung, sagte Herr Cobden im Parlament zu der Aristokratie, wenn das statute-book auf den Mond gelangen könnte, für sich allein und ohne historischen Kommentar, bräuchte es weiter nichts, dass seine Bewohner wüssten, dass es das Werk einer Versammlung von adeligen Grundbesitzern ist. (Landlords).

Wenn eine aristokratische Rasse gleichzeitig das Recht hat, das Gesetz zu machen, und die Gewalt, es durchzusetzen, ist es leider nur zu wahr, dass sie es zu ihrem Nutzen tut. Das ist eine schmerzliche Wahrheit. Sie wird, ich weiß es, gutmeinende Seelen traurig machen, die für die Reform von Missständen nicht auf die Reaktion derer zählen, die unter ihnen leiden, sondern auf die freie und brüderliche Initiative derer, die sie ausbeuten. Möge man uns in der Geschichte ein solches Beispiel des Verzichtes zeigen. Aber es wurde uns nie gegeben, weder von den herrschenden Kasten in Indien, noch von diesen Spartiaten, Athenern und Römern, die man uns immer zur Bewunderung vorhält, noch von den feudalen Herrschern des Mittelalters, noch von den Farmern der Antillen, und es ist sehr zweifelhaft, ob diese Despoten jemals ihre Macht als ungerecht und illegitim betrachtet hätten.

Dringt man ein wenig in die gewissermaßen fatalen Zwänge der aristokratischen Rassen ein, so bemerkt man schnell, dass sie beträchtlich verändert und erschwert werden durch das, was man das Bevölkerungsprinzip genannt hat.

Wären die aristokratischen Klassen von Natur statisch; wären sie nicht wie allen anderen mit der Fähigkeit ausgestattet, sich zu vermehren, dann wäre vielleicht ein gewisser Grad an Glück und sogar an Gleichheit vereinbar mit der Eroberungsherrschaft. Nachdem der Grund einmal unter den adeligen Familien aufgeteilt wäre, übergäbe jeder seine Ländereien von Generation zu Generation an seinen einzigen Repräsentanten, und offensichtlich wäre es bei solcher Regelung für eine industrielle Klasse nicht unmöglich, sich zu verbessern und in Frieden an der Seite der erobernden Rasse wohlhabend zu werden.

Aber die Eroberer vermehren sich wie die einfachen Proletarier. Wenn die Grenzen des Landes unveränderbar sind, wenn die Anzahl der adeligen Ländereien dieselbe bleibt, denn die Aristokratie achtet, um ihre Macht nicht zu schwächen, darauf, sie nicht zu teilen und sie im Ganzen, von Mann zu Mann, zu übergeben nach der Recht der Erstgeburt; bilden sich zahlreiche Familien von Nachgeborenen und vermehren sich ihrerseits.

Sie können sich nicht durch Arbeit erhalten, denn nach adeligen Vorstellungen gilt Arbeit als unehrenhaft. Es gibt demnach nur ein Mittel, sie zu versorgen. Und dieses Mittel ist die Ausbeutung der arbeitenden Klassen. Der Raub außerhalb des Landes nennt sich Krieg, Eroberungen, Kolonien. Der Raub im Inneren nennt sich Zölle, Posten, Monopole. Die zivilisierten Aristokratien widmen sich im allgemeinen diesen beiden Arten des Raubes; die unzivilisierten Aristokratien müssen auf die zweite aus dem einfachen Grund verzichten, dass es um sie keine industrielle Klasse auszubeuten gibt. Aber wenn ihnen auch die Ressourcen aus dem Raub im Ausland fehlen, was wird dann, bei den unzivilisierten Völkern, aus den Seitenlinien der aristokratischen Häuser? Was aus ihnen wird? Man rottet sie aus, denn es liegt in der Natur der Aristokratie, selbst den Tod der Arbeit vorzuziehen.

Auf den Inselgruppen im großen Ozean haben die Nachgeborenen keinen Anteil an der Erbfolge. Sie können daher nur von Nahrungsmitteln leben, die ihnen ihre älteren Brüder geben, wenn sie in der Familie bleiben, oder von dem, was ihnen die unterworfene Bevölkerung geben kann, wenn sie in die militärische Vereinigung der Arreoys eintreten. Aber welche Seite der zwei Parteien sie auch nehmen, sie können nicht hoffen, sich fortzupflanzen. Die Unmöglichkeit ihren Kindern irgendein Eigentum zu hinterlassen und sie in dem Rang zu erhalten, in dem sie geboren sind, hat bei ihnen ohne Zweifel zum Gesetz gemacht, sie umzubringen.

Die englische Aristokrate, obwohl sie von denselben Instinkten geleitet ist, wie die malaiische (denn die Umstände wechseln, aber die menschliche Natur ist immer dieselbe), hat sich, wenn ich es so ausdrücken darf, in günstigeren Umständen befunden. Sie hatte vor und unter sich die arbeitsamste, aktivste, beständigste, energischste und gleichzeitig gelehrigste Bevölkerung des Erdballs. Sie hat sie systematisch ausgebeutet.

Nichts mehr durchdacht und energischer ausgeführt als diese Ausbeutung. Der Besitz des Bodens legte der englischen Oligarchie die legislative Gewalt in die Hände; mit der Legislative, plünderte sie systematisch die Industrie. Die Einnahmen verwendet sie, um im Ausland das System von Übergriffen aufrecht zu erhalten, das Großbritannien fünfundvierzig Kolonien unterworfen hat. Und diese Kolonien dienen ihrerseits als Vorwand um auf Kosten der Industrie und zum Vorteil der Nebenlinien hohe Zölle, eine große Armee, eine mächtige Seemacht aufzubauen.

Man muss der englischen Oligarchie Gerechtigkeit widerfahren lassen. Sie hat in ihrer doppelten Politik innerer und äußerer Ausbeutung eine bewundernswerte Geschicklichkeit entwickelt. Zwei Worte, die zwei Vorurteile implizieren, haben ihr genügt, um die Klassen selbst mit einzureihen, die die ganze Last tragen: Sie hat das Monopol Protektion genannt und die Kolonien Absatzmärkte.

So ist die Existenz der englischen Oligarchie, oder zumindest ihre legislative Vormacht nicht nur eine offene Wunde Englands, sondern außerdem eine beständige Gefahr für Europa.

Und wenn es so ist, wie ist es möglich, dass Frankreich diesem gigantischen Kampf keine Aufmerksamkeit schenkt, den sich unter seinen Augen der Geist der Zivilisation und der Geist des Feudalismus liefern? Wie ist es möglich, dass man nicht einmal die Namen dieser Männer kennt, die aller Segnungen der Menschheit würdig sind, Cobden, Bright, Moore, Villiers, Thompson, Fox, Wilson und tausend andere, die es gewagt haben, den Kampf zu aufzunehmen, die ihn mit wunderbarem Talent, Mut, Hingabe und Energie verfolgen?

Das ist eine reine Frage der Handelsfreiheit, sagt man. Und sieht man denn nicht, dass die Handelsfreiheit der Oligarchie sowohl die Einnahmequellen aus dem inländischen Raub — die Monopole — rauben muss, als auch die des externen Raubes — die Kolonien —, denn Monopole und Kolonien sind so inkompatibel mit der Handelsfreiheit, wie sie nur die willkürliche Grenze dieser Freiheit sind!

Aber was sage ich? Wenn Frankreich eine vage Vorstellung von diesem Kampf auf Leben und Tod hat, der für lange Zeit das Schicksal der menschlichen Freiheit entscheiden wird, so ist es scheinbar nicht sein Sieg, dem es seine Sympathie zuwendet. Seit einigen Jahren hat man ihm solche Angst vor den Worten Freiheit, Konkurrenz, Überproduktion gemacht; man hat ihm so oft gesagt, dass diese Worte Elend, Pauperismus, Erniedrigung der arbeitenden Klassen bedeuten; man hat ihm so oft wiederholt, dass es eine englische Volkswirtschaft gab, die sich aus der Freiheit ein Instrument des Machiavellismus und der Unterdrückung gemacht hat, und eine französische Volkswirtschaft, die unter den Namen der Philanthropie, des Sozialismus, der Arbeitsorganisation, die Chancengleichheit auf der Erde wiederhergestellt hat, — dass sie in Schrecken ist vor der Lehre, die sich doch nur auf Gerechtigkeit und Gemeinsinn stützt und die sich in diesem Axiom zusammenfasst:

Die Menschen mögen frei sein, unter ihnen die Früchte ihrer Arbeit zu tauschen, wenn es ihnen zusagt.

Wenn dieser Kreuzzug gegen die Freiheit nur von phantasiebegabten Menschen gestützt wäre, die Wissenschaft machen möchten ohne durch Studium vorbereitet zu sein, wäre das Übel nicht groß. Aber ist es nicht schmerzlich, echte Volkswirte zu sehen, die ohne Zweifel von dem Bedürfnis nach einer vorübergehenden Popularität getrieben, diesen erschütternden Kundgebungen Zugeständnisse machen und sich den Anschein geben zu glauben, was sie sicher nicht glauben, nämlich dass der Pauperismus, das Proletariat, die Leiden der untersten sozialen Klassen dem zugeschrieben werden müssen, was man übertriebene Konkurrenz, Überproduktion nennt.

Wäre es nicht auf ersten Blick ziemlich überraschend, dass das Elend, der Mangel, die Entbehrung von Produkten zur Ursache …was?  genau den Überfluss an Produkten hätten? Ist es nicht seltsam, dass man uns gesagt hat, der Grund, dass die Menschen nicht genug zu essen haben sei, dass es zu viele Nahrungsmittel auf der Welt gibt? der Grund, dass sie nichts anzuziehen haben, dass die Maschinen zu viele Kleider auf den Markt werfen?

Der Pauperismus in England ist natürlich eine unbestreitbare Tatsache; die Ungleichheit der Vermögensverteilung dort sticht in die Augen. Aber warum soll man dafür eine so bizarre Ursache suchen, wenn es sich durch eine so natürliche Ursache erklären lässt: Die systematische Ausbeutung der Arbeiter durch die Müßigen?

Hier ist der Ort, die ökonomischen Regelungen Großbritanniens zu beschreiben, wie sie in den letzten Jahren vor den partiellen und teilweise trügerischen Reformen darstellten, die seit 1842 dem Parlament von dem aktuellen Kabinett vorgelegt worden sind.

Das erste was in der Finanzgesetzgebung unserer Nachbarn in die Augen sticht, und was die Eigentümer des Kontinents erstaunen wird, ist die fast totale Abwesenheit der Grundsteuer in einem Land mit einer so hohen Schuldenlast und einer so ausgeweiteten Verwaltung.

1706 , der Epoche der Vereinigung unter Königin Anne:

Anteil der Grundsteuer an den öffentlichen Einkünften 1.997.379 liv.st
Verbrauchssteuer 1.792.763 liv.st
Zoll1.549.351 liv.st

1841 unter Königin Viktoria:

Anteil der Grundsteuer (land-tax) 2.037.627 liv.st
Anteil Verbrauchssteuer 12.858.014 liv.st
Anteil Zoll 19.485.217 liv.st

So ist die direkte Steuer dieselbe geblieben, während die Konsumsteuern explodiert sind.

Dabei muss man noch bedenken, dass während dieser Zeit der Pachtzins oder das Einkommen des Landbesitzers im Verhältnis 1 zu 7 gestiegen ist, so dass dieselben Ländereien, die unter der Königin Anne 20 von 100 Steuern auf das Einkommen zahlten, heute nur noch 3 von 100 zahlen.

Es fällt auch auf, dass die Grundsteuer nur ein Fünfundzwanzigstel (2 von 50) der öffentlichen Einkünfte ausmacht. In Frankreich und in ganz Kontinentaleuropa, macht sie den größten Teil aus, wenn man der jährlichen Steuer noch die Gebühren aus Besitzwechsel und Übertragungen hinzurechnet, Gebühren, von denen der Grundbesitz auf der anderen Seite des Ärmelkanals befreit ist, während persönliches und industrielles Eigentum ihnen rigoros unterworfen sind.

Dieselbe Parteilichkeit gilt bei den indirekten Steuern. Da sie konstant sind, statt gestaffelt nach der Qualität der Waren, die sie belasten, belasten sie unverhältnismäßig viel mehr die armen Klassen als die reichen.

So kostet der Tee Pekoe 4 Schillinge und der Tee Bohea 9 Dinar, die Steuer ist 2 Schillinge. So wird der erste im Verhältnis 50 und der zweite im Verhältnis 300 zu 100 besteuert.

So kostet der raffinierte Zucker 71 Schilling und der grobe 25 Schilling, die feste Steuer von 24 Schilling ist im Verhältnis 34 zu 100 für den einen und im Verhältnis 96 zu 100 für den anderen.

So zahlt der gewöhnliche Tabak von Virginia, der Tabak des Armen 1200 zu 100 und der aus Havanna 105 zu 100. Der Wein des Reichen ist mit 28 zu 100 belastet. Der des Armen mit 254 zu 100. Und so weiter.

Dazu kommt das Getreide- und Lebensmittelgesetz (corn and provisions law), dessen man bewusst sein muss.

Das Getreidegesetz, das ausländisches Getreide ausschließt oder mit enormen Einfuhrzöllen belegt, hat zum Ziel den Preis des einheimischen Getreides zu heben unter dem Vorwand die Landwirtschaft zu schützen und mit der Wirkung die Renten der Grundeigentümer zu sichern.

Dass das Getreide-Gesetz zum Ziel hat, den Preis des einheimischen Getreides zu heben, wird von allen Parteien zugegeben. Mit dem Gesetz von 1815 verband das Parlament ganz offen den Anspruch den Weizen auf 80 Schilling der Scheffel zu halten, mit dem von 1828 wollte es dem Produzenten 70 Schilling sichern. Das Gesetz von 1842 (später als die Reformen von Herrn Peel, somit beschäftigen wir uns hier nicht damit) wurde berechnet, um zu verhindern, dass der Preis nicht unter 56 Schilling sinkt, was, sagt man, strikt aufwandsentschädigend ist.

Es stimmt, dass diese Gesetze oft das angestrebte Ziel verfehlt haben und gerade in diesem Augenblick sind die Bauern, die mit dem gesetzlichen Preis von 56 Schilling gerechnet haben und ihre Pachtverträge entsprechend abgeschlossen haben, gezwungen zu 45 Schilling zu verkaufen. Es gibt nämlich in den natürlichen Gesetzen, die danach streben alle Gewinne auf ein gemeinsames Niveau zu bringen,  eine Kraft, die der Despotismus nicht leicht besiegt.

Andererseits ist genauso klar, dass der vorgegebene Schutz der Landwirtschaft ein Vorwand ist. Die Anzahl der pachtbaren Höfe ist beschränkt, die Anzahl der Bauern oder der, die es werden können, nicht. Die Konkurrenz, die sie sich untereinander machen, zwingt sie daher sich mit den bescheidensten Gewinnen zufrieden zu geben, auf die sie sich beschränken können. Wenn nun durch teuren Weizen und teures Fleisch das Handwerk des Bauern sehr lukrativ wird, wird der Gutsherr die Pacht erhöhen, und zwar umso mehr, wie sich dann potentielle Pächter in beträchtlicher Anzahl melden.

Dass der Gutsherr, der Landlord, am Ende den ganzen Gewinn dieses Monopols vereinnahmt, daran kann letztlich niemand zweifeln. Der Preisaufschlag, der dem Konsumenten abgenötigt wird, muss schließlich jemandem zukommen, und da er nicht bei dem Bauern bleiben kann, muss er wohl bei dem Grundeigentümer ankommen.

Aber was ist genau die Belastung, die das Weizenmonopol dem englischen Volk auferlegt?

Dazu muss man nur den Preis des ausländischen Getreides im Zolllager mit dem Preis des einheimischen Weizen vergleichen. Der Unterschied multipliziert mit der Anzahl der jährlich in England konsumierten Scheffel gibt das exakte Maß für den legalen Raub, der in dieser Form von der englischen Oligarchie ausgeübt wird.

Die Statistiken stimmen nicht überein. Es ist wahrscheinlich, dass man sich einige Übertreibung in die eine oder andere Richtung erlaubt, je nachdem ob man zur Partei der Räuber oder der Beraubten gehört. Die Autorität, die das meiste Vertrauen einflößen muss, ist sicherlich die der Beamten des Handelsamtes (Board of Trade), die aufgerufen wurden, offiziell ihre Meinung vor der Kammer der zu einem Untersuchungskomitee vereinigten Kommunen kundzutun.

Herr Robert Peel sagte, als er 1842 den ersten Teil seines Finanzplanes vorstellte: Ich glaube, dass die Regierung von S. M. und die Vorschläge, die sie Ihnen unterbreitet, alles Vertrauen verdienen, um so mehr als die Aufmerksamkeit des Parlamentes durch die offizielle Untersuchung von 1839 ernsthaft auf diese Angelegenheiten gelenkt worden ist.

In derselben Ausführung, sagte der Premierminister noch: Herr Deacon Hume, dieser Mann, dessen Verlust sicherlich jeder von uns bedauert, hat festgestellt, das der Konsum des Landes ein Scheffel Weizen pro Einwohner ist.

Nichts mangelt also der Autorität, auf die ich mich stützen werde, weder die Kompetenz desjenigen, der sich äußerte, noch der offizielle Anlass, zu dem er sich äußerte, nicht einmal die Billigung des Premierministers von England.

Betrachten wir somit zu unserer Frage den folgenden Auszug eines bemerkenswerten Dialoges.

Der Präsident: Seit wievielen Jahren haben Sie Ihre Funktionen bei Zoll und im Handelsamt ausgeübt?

M. Deacon Hume: Ich habe achtunddreißig Jahre beim Zoll gedient und dann elf Jahre im Handelsamt.

D. Sie glauben, dass die Protektionsgebühren die Wirkung einer direkten Steuer auf die Allgemeinheit haben, indem sie den Preis der Konsumgüter erhöhen?

M. Sehr entschieden. Ich kann den Preis, den mich etwas kostet, nur auf folgende Weise zerlegen: ein Teil ist der natürliche Preis; der andere Teil ist die Gebühr oder die Steuer, nur dass diese Gebühr aus meiner Tasche in die eines bestimmten anderen geht anstatt in den Staatshaushalt …

D. Haben Sie jemals berechnet, was das Ausmaß der Steuer ist, die die Allgemeinheit auf Grund der Erhöhung des Preises zahlt, die das Monopol dem Getreide und dem Fleisch verschafft?

R. Ich glaube, man kann das Ausmaß dieser zusätzlichen Belastung ungefähr feststellen. Man schätzt, dass jede Person jährlich einen Scheffel Weizen konsumiert. Man kann, was die Protektion dem natürlichen Preis hinzufügt, mit 10 Schilling veranschlagen. Sie können zumindest das doppelte rechnen für das, was sie im Ganzen dem Preis des Fleisches, der Gerste, dem Hafer, dem Heu, der Butter und dem Käse hinzufügt. Dies summiert sich zu 36 Millionen Sterling pro Jahr (900 Millionen Franc) und tatsächlich zahlt das Volk diese Summe so unfehlbar aus seiner Tasche wie wenn sie in die Staatskasse in Form von Steuern liefe.

D. Und folglich hat es mehr Schwierigkeiten die Abgaben zu zahlen, die der öffentliche Haushalt erfordert?

R. Ohne Zweifel. Nachdem es schon die persönlichen Steuern bezahlt hat, ist es weniger in der Lage die nationalen Steuern zu bezahlen.

D. Kommen daher nicht auch die Schwierigkeiten, die Freiheitsbeschränkungen unserer Industrie?

R. Ich glaube sogar, dass diese hier die allerschädlichste Wirkung zeigen. Sie ist der Berechnung weniger zugänglich, aber wenn die Nation ein Handelsvolumen erreichte, das ihr, meiner Meinung nach, die Abschaffung aller dieser Protektionen, verschaffen würde, so glaube ich, dass sie leicht eine Anhebung der Steuer um 30 Schillinge pro Einwohner verkraften könnte.

D. So übersteigt Ihrer Meinung nach die Belastung des Protektionssystem die durch die Steuer?

R. Ich glaube es, wenn ich seine direkten Wirkungen und seine indirekten Folgen, die schwierig zu messen sind, in Betracht ziehe.

Ein anderer Beamter des Board of trade, Herr Mac-Gregor antwortete:

Ich denke, dass die Steuern, die in diesem Land auf die Erzeugung von Wohlstand durch Arbeit und auf das Genie der Einwohner vorweg durch restriktive und prohibitive Gebühren erhoben werden, um vieles, und wahrscheinlich um mehr als das doppelte die Höhe der Steuern übersteigen, die an den Staatshaushalt gezahlt werden.

Herr Porter, ein anderer angesehener Mitarbeiter des Board of trade, und in Frankreich durch seine statistischen Arbeiten wohlbekannt, sagte im selben Sinne aus.

Wir können demnach für gesichert nehmen, dass die englische Aristokratie dem Volk über die Ausübung dieses einen Gesetzes (corn and provisions law), einen Teil seiner Arbeitsprodukte oder, was auf dasselbe herausläuft, die legitim erworbenen Befriedigungen, die es sich davon leisten könnte, raubt, einen Teil der sich auf 1 Milliarde im Jahr beläuft und vielleicht auf 2 Milliarden, wenn man auch die indirekten Wirkungen dieses Gesetzes in Betracht zieht. Dies sind, richtig beschrieben, die Pfründe, die sich die Herren Aristokraten-Gesetzgeber, die Familienältesten selbst geschaffen haben.

Bleibt nun, die Nachgeborenen zu versorgen, denn wie wir gesehen haben, sind die aristokratischen Rassen nicht weniger als die anderen mit der Fähigkeit versehen, sich zu vermehren, und bei Strafe schrecklicher innerer Kämpfe, müssen sie wohl den Seitenzweigen ein angenehmes Los sichern, — das heißt außerhalb der Arbeit, mit anderen Worten durch Raub, — denn es hat seit je und es kann nur zwei Arten des Erwerbs geben: Produzieren oder Rauben.

Zwei ergiebige Einkommensquellen standen den Nachgeborenen offen: Der Staatshaushalt und das Kolonialsystem. Eigentlich sind diese beiden Begriffe eines. Man hebt eine Armee aus, eine Marine, mit einem Wort man erhebt Steuern, um Kolonien zu erobern, und man erhält die Kolonien, um die Marine, die Armeen oder die Steuern dauerhaft zu machen.

Solange man hat glauben könne, dass der Handel, der sich Dank eines gegenseitigen Monopols zwischen dem Monopol und seinen Kolonien abspielt, von einer anderen Natur und vorteilhafter wäre, als der zwischen freien Ländern, wurde das koloniale System von dem nationalen Vorurteil unterstützt. Aber als die Wissenschaft und die Erfahrung (und die Wissenschaft ist nur die methodische Erfahrung) die folgende einfache Wahrheit offengelegt und außer Zweifel gestellt haben: Produkte werden gegen Produkte getauscht, ist offensichtlich geworden, dass Zucker, Kaffee, Baumwolle, die man aus dem Ausland holt, der heimischen Industrie nicht weniger Absatzmärkte eröffnen als die selben Waren aus den Kolonien.

Seither ist dieses Regime, das mit so viel Gewalt und Gefahren verbunden ist, durch kein einziges vernünftiges oder auch nur trügerisches Argument mehr gestützt. Es ist nur noch der Vorwand und die Gelegenheit für eine immense Ungerechtigkeit. Versuchen wir ihr Ausmaß zu berechnen.

Das englische Volk, ich meine die produktive Klasse, gewinnt nichts an dieser weiträumigen Ausdehnung seines Kolonialbesitzes. Wenn dieses Volk reich genug ist, Zucker, Baumwolle, Bauholz zu kaufen, was macht es ihm dann, ob diese Dinge aus Jamaica, Indien und Kanada oder aus Brasilien, den Vereinigten Staaten und dem Baltischen kommen? Die manufakturielle englische Arbeit muss den Bauern der Antillen bezahlen, wie sie auch die bäuerliche Arbeit der Nationen des Nordens bezahlen würde. Es ist demnach Unsinn, in diese Rechnung vorgebliche Absatzmärkte, die England durch seine Kolonien offenstünden, eingehen zu lassen. Es hätte diese Absatzmärkte selbst, wenn die Kolonien befreit wären, und allein dadurch, dass es dort kauft. Es hätte außerdem die ausländischen Absatzmärkte, deren es sich beraubt, indem es seine Erwerbungen auf seine Besitzungen einschränkt und diesen so ein Monopol zugesteht.

Als die Vereinigten Staaten ihre Unabhängigkeit erklärten, bestanden die kolonialen Vorurteile in voller Kraft, und alle Welt weiß, dass England seinen Handel ruiniert glaubte. Es glaubte daran so fest, dass es sich im voraus mit den Kriegskosten ruinierte, um diesen weiten Kontinent unter seiner Herrschaft zu halten. Aber was geschah? Zu Beginn des Unabhängigkeitskrieges 1776, betrugen die englischen Exporte nach Nordamerika 1.300.000 liv. sterl , sie erhöhten sich 1784 auf 3.600.000 liv. sterl. , nachdem die Unabhängigkeit anerkannt worden war, und sie belaufen sich heute auf 12.400.000 liv. sterl., eine Summe, die fast der allen Exporten Englands in seine fünfundvierzig Kolonien gleichkommt, denn diese haben 1842 nicht 13.200.000 liv. sterl. überschritten. 

— Und tatsächlich gibt es keinen Grund, warum dieser Handel von Eisen gegen Baumwolle, oder von Stoff gegen Mehl, nicht mehr zwischen diesen beiden Völkern stattfinden sollte. Soll der Grund sein, dass die Bürger der Vereinigten Staaten von einem Präsidenten ihrer Wahl regiert werden, anstatt von einem Lord-Leutnant, der von den höheren Gerichtshöfen bezahlt wird? Aber welchen Zusammenhang gibt es zwischen diesem Umstand und dem Handel? Und wenn wir jemals unsere Bürgermeister und Präfekten ernennen werden, wird das die Weine aus Bordeaux daran hindern, nach Elbeuf zu gehen, und die Tücher aus Elbeuf daran, nach Bordeaux zu gelangen?

Man wird vielleicht sagen, dass England und die Vereinigten Staaten nach der Unabhängigkeitserklärung ihre Produkte gegenseitig abweisen werden, was nicht passiert wäre, wenn das koloniale Band nicht zerrissen wäre. Aber die, die diesen Einwand machen, hören ohne Zweifel, dass ein Argument zu Gunsten meiner These vorgebracht wird, sie hören munkeln, dass die zwei Länder daran gewonnen haben, frei die Produkte ihres Bodens und ihrer Industrie auszutauschen. Ich frage, wie ein Tausch von Weizen gegen Eisen oder von Tabak gegen Tuch zwischen den zwei Nationen, die ihn ausführen, schädlich sein kann, ob sie nun voneinander unabhängig sind oder nicht? — Wenn die zwei großen anglo-sächsischen Familien vernünftig handelten, ihren wahren Interessen konform, indem sie ihren Handel untereinander beschränken, dann ohne Zweifel, weil dieser Handel unheilvoll ist, und in diesem Fall hätten sie ebenso gut daran getan, ihn auch zu beschränken, als noch ein englischer Gouverneur auf dem Kapitol residierte. — Wenn sie im Gegenteil schlecht daran getan haben, liegt es daran, dass sie sich getäuscht haben, daran dass sie ihre Interessen schlecht verstanden haben, und es ist schwer zu sehen, wie sie das koloniale Band klarsichtiger hätte machen können.

Bedenke man außerdem, dass die Exporte von 1776, die sich auf 1.300.000 liv. sterl. beliefen, England nicht mehr 20 Prozent oder 260.000 liv. sterl. Gewinn gebracht haben können, und überlege man, ob die Verwaltung eines so großen Kontinentes nicht das zehnfache kostet?

Man übertreibt im übrigen den Handel, den England mit seinen Kolonien treibt und insbesondere die Entwicklung dieses Handels. Obwohl die englische Regierung die Bürger zwingt, sich bei den Kolonien zu versorgen und die Kolonialbewohner sich in der Metropole zu versorgen; obwohl die Zollschranken, die England von den anderen Nationen trennen, sich in den letzten Jahren reichlich vervielfacht und verstärkt haben, sieht man, dass der Handel Englands mit dem Ausland sich schneller entwickelt als sein Kolonialhandel, wie es die folgende Aufstellung der Exportumsätze zeigt:

in die Kolonien ins Ausland Gesamt
1831 10.254.940 l.st 26.909.432 l.st 37.164.372 l.st
1842 13.261.436 l.st 34.119.587 l.st 47.381.023 l.st

In beiden Epochen macht der Kolonialhandel nur ein bisschen über ein Viertel von dem Gesamthandel aus. Das Wachstum über elf Jahre ist ungefähr drei Millionen. Dabei ist zu beachten, dass Orientalisch-Indien, das während dieser Periode in den Genuss der Freiheit gekommen ist, mit 1.300.000 liv. st in dieses Wachstum eingehen, und Gibraltar, — das kein Kolonialhandel ist, sondern einer mit dem Ausland, mit Spanien, — mit 600,000 liv. sterl; so dass für das reale Wachstum des Kolonialhandels in einem Intervall von elf Jahren nur 1.100.000 liv. st bleiben. — In derselben Zeit haben sich trotz unserer Zölle die Exporte von England nach Frankreich von 601.688 auf 3.193.939 erhöht.

So ist der protegierte Handel um 8 Prozent gewachsen, während der behinderte Handel um 450 Prozent gewachsen ist.

Aber wenn das englische Volk an dem Kolonialsystem nicht gewonnen hat, wenn es sogar ungeheuer daran verloren hat, so verhält es sich nicht so bei den Seitenlinien der Aristokratie Britanniens.

Zunächst erfordert dies System eine Armee, eine Marine, eine Diplomatie, Lord-Leutnants, Gouverneure, Residenten, Agenten aller Art und aller Zuständigkeiten.  — Obwohl es angeblich zum Ziel hat, die Landwirtschaft, den Handel und die Industrie zu fördern, sind es, soweit ich weiß, nicht Bauern, Händler oder Industrielle, denen man diese hohen Funktionen anvertraut. Ein großer Teil der schweren Steuerlast liegt, die wie wir gesehen haben, auf dem Volke und ist dazu bestimmt, alle diese Handlanger der Eroberung zu bezahlen, die gerade wieder die Nachgeborenen der englischen Aristokratie sind.

Es ist weiterhin bekannt, dass diese adeligen Abenteurer weite Ländereien in diesen Kolonien erworben haben. Schutz wurde ihnen zugestanden. Es empfiehlt sich, zu berechnen, was er die arbeitenden Klassen kostet.

Vor 1825 war die englische Gesetzgebung über Zucker sehr kompliziert.

Zucker aus den Antillen zahlte den geringsten Zoll, der aus Maurizien und Indien war einer höheren Steuer unterworfen. Ausländischer Zucker wurde durch eine prohibitive Gebühr ausgesperrt.

Am 5. Juli 1825 wurde die Insel Maurizien und am 13. August 1836 Englisch-Indien mit den Antillen auf gleichen Fuß gestellt.

Die vereinfachte Gesetzgebung kennt nur noch zwei Zucker: kolonialen und ausländischen Zucker. Der erstere hat einen Einfuhrzoll von 24 sh., der zweite von 63 sh. pro Quint.

Wenn man für den Augenblick annimmt, dass der Selbstkostenpreis in den Kolonien und im Ausland derselbe ist, zum Beispiel 20 sh., dann versteht man leicht die Ergebnisse einer solchen Gesetzgebung für Produzenten wie für Konsumenten.

Der Ausländer kann seine Produkte nicht unter 83 sh. auf den englischen Markt bringen, nämlich 20 sh. um die Kosten der Produktion zu decken und 63 sh. um die Steuer zu leisten. — soweit dann die koloniale Produktion im geringsten unausreichend ist, um diesen Markt zu decken; sobald sich dort ausländischer Zucker in kleinster Menge zeigt, ist der Marktpreis (denn es kann nur einen Marktpreis geben) dann 83 sh. und dieser Preis zerlegt sich für den kolonialen Zucker so:

Betrag der Produktionskosten20 sh
Anteil des des Staatshaushalts oder der Steuer24 sh
Anteil des Raubes oder Monopols39 sh
Preis, der vom Konsumenten gezahlt wird83 sh

Man sieht, dass das englische Gesetz zum Ziel hat, das Volk 83 sh. für etwas bezahlen zu lassen, was nur 20 wert ist, und den Aufschlag oder die 63 sh so aufzuteilen, dass der Anteil des Staatshaushaltes 24 ist und der des Monopols 39 sh.

Wäre es so einfach, wäre das Ziel des Gesetzes erreicht worden, so reichte es aus, die Anzahl der Quint Zucker, die in England konsumiert werden, mit 39 sh. zu multiplizieren, um das Ausmaß des Raubes der Monopolisten zu Lasten des Volkes zu bestimmen.

Aber für Zucker wie für Getreide ist das Gesetz gewissermaßen gescheitert. Der durch den hohen Preis zurückgegangene Konsum beanspruchte keinen ausländischen Zucker und der Preis von 83 sh. wurde nicht erreicht.

Verlassen wir somit den Kreis der Hypothesen und betrachten wir die Fakten. Diese sind sorgsam in offiziellen Dokumenten offengelegt.

JahreKonsum (gesamt)Konsum (pro Einwohner)Preis des kolonialen Zuckers am HafenPreis des ausländischen Zuckers am Hafen
1837
1838
1839
1840
1841
3.954.810
3.909.365
3.825.599
3.594.834
4.058.435
16 (12/13)
16 (8/13)
16 (12/13)
14 (7/9)
16 (1/2)
34 sh. 7 d
33        8
39        2
49        1
39        8
21 sh. 3d
21        3
22        2
21        6
20        6
Mittelwert 3.868.668 16 (1/6) 39        5 21        5

Aus dieser Tabelle ist leicht abzuleiten, was für enorme Verluste das Monopol sowohl der Staatskasse als auch dem englischen Konsumenten verschafft hat.

Rechnen wir in französischer Währung und in glatten Zahlen für das bessere Verständnis des Lesers.

Zum Preis von 49 fr. 20c (39 sh. 5d), plus 30 fr. Gebühren (24 sh.) hat es das englische Volk die Summe 306 1/2 Millionen gekostet, jährlich 3.868.000 Quint Zucker zu konsumieren. Diese Summe zerlegt sich wie folgt:

103   1/2 Millionen, die eine gleiche Menge ausländischen Zuckers zum Preis von 29fr. 75 (21 sh. 5d) gekostet hätten
106Millionen Zoll für den öffentlichen Haushalt in Höhe von 30 fr. (24 sh.)
86   Millionen Anteil des Monopols, der sich als Differenz zwischen dem kolonialen und dem ausländischen Preis ergibt
306Millionen in Summe

Bei Gleichbehandlung der Zuckerarten mit einem Zoll von 30 fr pro Quint hätte das englische Volk , wenn es 306 Millionen Franc für diese Art Konsum hätte ausgeben wollen, zu dem Preis von 26 fr. 75 plus 30 Franc Steuer 5.400.000 Quint oder 22 kil. pro Einwohner anstelle von 16 erhalten. — Der Staatshaushalt hätte so 162 Millionen anstatt 116 Millionen eingenommen.

Wenn das Volk sich mit dem aktuellen Konsum zufrieden gegeben hätte, hätte es jährlich 86 Millionen gespart, die ihm anderen Nutzen verschafft und seiner Industrie neue Absatzmärkte eröffnet hätten.

Ähnliche Rechnungen, die wir dem Leser ersparen, zeigen, dass das Monopol, das den Eigentümern der kanadischen Wälder zugestanden wurde, die arbeitenden Klassen von Großbritannien, zusätzlich zur Steuer des Fiskus, einen Aufschlag von 30 Millionen kostet.

Das Kaffeemonopol belastet sie zusätzlich mit 6.500.000 fr..

Also kommt auf nur drei koloniale Artikel eine Summe von 123 Millionen, die aus der Börse der Konsumenten dem natürlichen Preis der Waren wie die Steuern aufgeschlagen wird, um ohne Gegenleistung in die Tasche der Kolonisten zu wandern.

Ich beende diese Erörterung, die bereits zu lang ist, mit einem Zitat, dass ich von Herrn Porter, Mitglied des Board of trade entlehne.

Wir haben 1840, und ohne die Einfuhrzölle zu rechnen, 5 Millionen Livre mehr bezahlt, als jede andere Nation für eine gleiche Menge Zucker bezahlt hätte. Im gleichen Jahr haben wir für 4.000.000 l.st. in die Zuckerkolonien exportiert, so dass wir eine Million daran verdient hätten, dem wahren Prinzip zu folgen, welches ist, zu kaufen, wo es am billigsten ist, selbst wenn wir den Pflanzern alle Waren, die sie uns abgenommen haben, geschenkt hätten.

Herr Ch. Compte hatte schon 1827 geahnt, was Herr Porter in Zahlen fasste. „Wenn die Engländer“, sagte er, berechneten „welche Menge an Waren sie den Kolonien verkaufen müssten, um die Kosten zu decken, die sie eingehen, um deren Tätigkeit zu sichern, würden sie sich überzeugen, dass das beste wäre, ihnen ihre Waren umsonst zu liefern und zu diesem Preis Handelsfreiheit einzutauschen.“

Wir sind nunmehr wie mir scheint in der Lage, das Ausmaß der Freiheit einzuschätzen, dass in England Arbeit und Handel genießen, und zu urteilen, ob man gerade in dieses Land gehen sollte, um die verheerenden Folgen der freien Konkurrenz auf Vermögensverteilung und Chancengleichheit zu studieren.

Rekapitulieren wir und fassen wir kurz die Fakten zusammen, die wir gerade festgestellt haben.

  1. Die Hauptlinien der englischen Aristokratie besitzen die ganze Oberfläche des Landes
  2. Die Grundsteuer ist über hundertfünfzig Jahre unveränderlich geblieben, obwohl der Pachtzins sich versiebenfacht hat.
  3. Grundeigentum ist von Erbsteuer ausgenommen, während das persönliche Eigentum ihr unterworfen ist.
  4. Die indirekten Steuern lasten viel weniger auf den Waren höherer Qualität für die Reichen als auf den gleichen Waren niedrigerer Qualität für das Volk.
  5. Über das Getreidegesetz erheben dieselben Regularien auf die Volksnahrung eine Steuer, die die verantwortlichen Autoritäten auf eine Milliarde Franc schätzen.
  6. Das Kolonialsystem, in sehr großem Maßstab betrieben, macht hohe Steuern nötig, und diese Steuern, die fast vollständig von den arbeitenden Klassen bezahlt werden, sind fast vollständig das Erbe der Seitenlinien der müßigen Klassen.
  7. Die lokalen Steuern wie die Zehnten (tithes) kommen ebenfalls über die etablierte Kirche bei diesen Seitenlinien an.
  8. Wenn das Kolonialsystem eine große Entwicklung der Streitkräfte erfordert, so benötigt die Erhaltung dieser Streitkräfte ihrerseits das Kolonialsystem und dieses System zieht das Monopolsystem nach sich. Wir haben gesehen, dass diese drei Artikel dem englischen Volk einen Nettoverlust von 124 Millionen bereiten.

Ich dachte, der Ausführung dieser Fakten einigen Platz einräumen zu müssen, da sie mir geeignet schienen, einige Irrtümer, einige Vorurteile, einige blinde Voreingenommenheit zu zerstreuen. Welche so offensichtliche wie unerwartete Lösungen bieten sie nicht den Volkswirten wie den Männern der Politik?

Und vorallem, wie können diese modernen Schulen, die scheinbar unternommen haben, Frankreich in dieses System gegenseitigen Raubes hineinzuziehen, indem sie ihm Angst vor der Konkurrenz machen, wie können sie, meine ich, weiter vertreten, dass es die Freiheit ist, die den Pauperismus in England hervorgebracht hat?

Sagt also, dass er aus dem Raub entstanden ist, aus dem organisierten, systematischen, anhaltenden, unbarmherzigen Raub. Ist diese Erklärung nicht einfacher, wahrer und befriedigender zugleich?

Was! Die Freiheit bringt den Pauperismus hervor! Die Konkurrenz, freie Transaktionen, das Recht ein Eigentum zu tauschen, was man das Recht hat zu zerstören, bewirkt eine ungleiche Verteilung des Reichtums! Das Gesetz der Vorsehung wäre demnach recht ungerecht! Man muss es also schnell durch ein menschliches Gesetz ersetzen, und welches Gesetz? Ein Gesetz der Einschränkung und Verhinderung.  Anstatt machen zu lassen (laissez faire), muss man hindern zu machen; anstatt geschehen zu lassen, muss man hindern, dass geschieht, anstatt handeln zu lassen, muss man hindern zu handeln, anstatt die Entlohnung der Arbeit dem zu lassen, der sie getan hat, muss man den damit versehen, der sie nicht getan hat! Nur unter dieser Bedingung vermeidet man also die Vermögensungleichheit unter den Menschen!

„Ja, sagten Sie, die Erfahrung ist da; die Freiheit und der Pauperismus koexistieren in England.“ Aber das können Sie nicht mehr sagen. Weit entfernt, dass die Freiheit und das Elend dort im Verhältnis von Ursache und Wirkung stünden, eine von ihnen zumindest, die Freiheit, existiert dort nicht einmal. Man ist dort wohl frei zu arbeiten, aber nicht die Früchte seiner Arbeit zu genießen. Was in England koexistiert, ist eine kleine Zahl von Räubern und eine große Zahl Beraubter; und man braucht kein großer Volkswirt zu sein, um daraus den Überfluss der einen und das Elend der anderen abzuleiten.

In Folge wird man, wenn man die Lage Großbritanniens in ihrer Gesamtheit, wie wir sie gerade beschrieben haben, nur ein wenig erfasst hat, und den feudalen Geist, der seine ökonomischen Einrichtungen beherrscht, überzeugt sein, dass die Finanz- und Zollreform, die sich in diesem Land vollzieht ebenso eine europäische, humanitäre Frage ist wie eine englische.

Es handelt sich nicht nur um eine Änderung der Reichtumsverteilung im Inneren des Königreiches, sondern auch um eine tiefgreifende Umgestaltung seiner Außenwirkung. Mit den ungerechten Privilegien der britischen Aristokratie fallen offensichtlich auch die Politik, die man England so übelgenommen hat, sein Kolonialsystem, seine Usurpationen, seine Armeen, seine Marine, seine Diplomatie, soweit sie oppressiv und gefährlich für die Menschheit sind.

Dies ist der ruhmreiche Triumph, den die LIGA erstrebt, denn sie fordert „die völlige Abschaffung, sofort und bedingungslos, von allen Monopolen, von allen protektionistischen Gebühren aller Art zu Gunsten von Landwirtschaft, Industrie, Handel und Seefahrt, mit einem Wort, die absolute Handelsfreiheit.“

Ich sage hier nur wenig von dieser mächtigen Vereinigung. Der Geist, der sie belebt, ihre Anfänge, ihre Fortschritte, ihre Arbeiten, ihre Kämpfe, ihre Rückschläge, ihre Erfolge, ihre Ansichten, ihre Aktionsmittel, alles das wird sich voller Ereignisse und voller Leben im Ablauf dieses Buches herauskristallisieren. Ich brauche diesen großen Korpus nicht minutiös zu beschreiben, denn ich entblöße ihn atmend und handelnd vor der französischen Öffentlichkeit, deren Augen er durch ein unverständliches Wunder der Gewohnheit, der vom Monopol subventionierten Presse so lange verborgen gehalten worden ist.

Inmitten der Bedrängnis, die durch das Regime, das wir beschrieben haben, auf den arbeitenden Klassen lasten musste, vereinigten sich sieben Männer im Oktober 1838 in Manchester, und beschlossen mit der männlichen Bestimmtheit, die die anglo-sächsische Rasse auszeichnet, alle Monopole auf gesetzlichem Wege zu beseitigen und ohne Unruhen, ohne Blutvergießen, nur durch die Macht der öffentlichen Meinung eine ebenso tiefgreifende, sogar vielleicht tiefgreifendere Revolution zu erreichen, als sie unsere Väter 1789 vollbracht haben.

Sicherlich war ungewöhnlicher Mut erforderlich, ein solches Unternehmen in Angriff zu nehmen. Ihre Gegner, die es zu bekämpfen galt, hatten Reichtum, Einfluss, Gesetzgebung, Kirche, Staat, öffentliche Gelder, Land, Plätze, Monopole für sich und waren außerdem von traditionellem Respekt und Verehrung umgeben.

Und wo einen Angriffspunkt finden gegen eine so beeindruckende Ansammlung von Kräften? Bei den industriellen Klassen? Leider glaubt in England wie in Frankreich jede Industrie, dass ihre Existenz von irgendeinem Monopolfetzen abhängt. Die Protektion hat sich unmerklich auf alles ausgedehnt. Wie kann man langfristige und scheinbar unsichere Interessen gegenüber unmittelbaren und gegenwärtigen Interessen zur Geltung bringen? Wie soviele Vorurteile zerstreuen, soviele Sophismen, die die Zeit und der Egoismus so gründlich den Geistern eingebrannt haben? Und vorausgesetzt, es gelingt einem, den Geist quer durch alle Ränge und alle Klassen aufzuklären, eine schon recht schwere Herausforderung, wie kann man ihm genug Energie, Durchhaltevermögen und Koordination geben, um ihn über die Wahlen zum Herrn der Gesetzgebung zu machen?

Der Anblick dieser Schwierigkeiten erschreckte die Gründer der Liga nicht. Nachdem sie ihnen ins Angesicht gesehen und sie eingeschätzt hatten, glaubten sie sich im Stande sie zu besiegen. Die Agitation wurde beschlossen.

Manchester wurde die Wiege dieser großen Bewegung. Es war natürlich, dass sie im Norden Englands geboren wurde, unter den industriellen Klassen, wie es natürlich ist, dass sie eines Tages unter der Bauernklasse mitten in Frankreich geboren wird. Die Industrien, die in den beiden Ländern die Handelsgüter liefern, sind diejenigen, die am unmittelbarsten unter dem Handelsverbot leiden und es ist offensichtlich, dass uns die Engländer, wenn sie frei wären, Eisen, Kohle, Maschinen, Stoffe, mit einem Wort die Produkte ihrer Minen und Fabriken liefern würden, die wir ihnen in Getreide, Seide, Weinen, Ölen, Früchten mit einem Wort mit den Produkten unserer Landwirtschaft bezahlen würde. Dies erklärt bis zu einem gewissen Punkt den merkwürdig erscheinenden Namen, den die Vereinigung annahm: ANTI-CORN-LAW-LEAGUE. Diese bescheidene Namensgebung hat zweifellos nicht unerheblich dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit Europas von der Tragweite der Agitation abzulenken. Wir halten es für notwendig, hier die Motive für diese Namensgebung anzuführen.

Selten hat die französische Presse von der Liga gesprochen ( wir sagen an anderer Stelle warum), wenn sie nicht darum herum konnte, hat sie Sorge getragen, sich mit dem Titel Anti-corn-law zu bewaffnen, um zu verstehen zu geben, dass es sich um eine ganz spezielle Frage handelt, eine einfache Reform des Gesetzes, das in England die Bedingungen des Getreideimportes regelt.

Aber nicht nur dies ist das Ziel der Liga. Sie erstrebt die gänzliche und radikale Zerstörung aller Privilegien und Monopole, die absolute Handelsfreiheit, die unbeschränkte Konkurrenz, was den Fall der aristokratischen Vorherrschaft bedeutet, soweit sie ungerecht ist, die Auflösung der kolonialen Bindungen, soweit sie exklusiv sind, das heißt, eine vollständige Revolution der inneren und äußeren Politik Grossbritanniens.

Und um hierfür nur ein Beispiel zu zitieren: Wir sehen heute die free-trader in der Frage von Oregon und Texas die Partei der Vereinigten Staaten ergreifen. Was interessiert es sie auch, dass diese Aufsässigen sich unter dem Schutz der Union selbst verwalten statt von einem mexikanischen Präsidenten oder einem englischen Lord-Kommissar regiert zu werden, vorausgesetzt, dass dort jeder verkaufen, kaufen, erwerben, arbeiten kann; vorausgesetzt dass dort jede ehrenhafte Transaktion frei ist? Unter diesen Bedingungen würden sie freiwillig den Vereinigten Staaten die beiden Kanada und Nouvelle-Ecosse abtreten und die Antillen noch obendrein; sie gäben sie sogar ohne diese Bedingung in der festen Überzeugung, dass die Handelsfreiheit früher oder später das Gesetz internationaler Transaktionen sein wird.

Aber es ist leicht zu verstehen, warum die free-trader damit begonnen haben, alle ihre Kräfte gegen ein einziges Monopol zu richten, das Getreidemonopol: Dies ist der Schlussstein des ganzen Gewölbes. Dies ist der Teil der Aristokratie, das besondere Los, dass sich die Gesetzgeber verschafft haben. Wenn man ihnen dieses Monopol raubt, werden sie die anderen billig hergeben.

Außerdem ist es dasjenige, was am meisten auf dem Volke lastet, dessen Ungerechtigkeit am leichtesten zu zeigen ist. Der Zoll auf das Brot! auf Essen! auf Leben! Wahrlich eine Losung, die wunderbar geeignet ist, die Sympathie der Massen zu wecken.

Es ist ein großes und schönes Schauspiel, zu sehen, wie eine kleine Zahl von Männern versucht durch Arbeit, Durchhaltevermögen und Energie das drückendste und bestorganisierteste Regime nach der Sklaverei, das jemals auf einem großen Volk und auf der Menschheit gelastet hat, zu zerstören. Und dies ohne dafür brutale Gewalt zu beanspruchen, sogar ohne zu versuchen, öffentliches Ärgernis zu erregen, sondern, indem sie alle Missstände des Systems in helles Licht tauchen, alle Sophismen, auf die es sich stützt, widerlegen, indem sie den Massen die Kenntnisse und Tugenden beibringen, die sie alle von dem Joch, das sie erdrückt, befreien können.

Aber dieses Schauspiel wird noch imposanter, wenn man das Schlachtfeld sich jeden Tag vergrößern sieht mit neuen Fragen und Interessen, die eine nach der anderen dazukommen, um sich an dem Kampf zu beteiligen.

Zunächst verschmäht es die Aristokratie von der Bühne herabzusteigen. Dort sieht sie sich Herr der politischen Macht durch die Armee und die Marine, der moralischen Macht durch die Kirche, der gesetzlichen Macht durch das Parlament, und schließlich dessen, was alles andere wettmacht, der Macht der öffentlichen Meinung durch die falsche nationale Größe, die dem Volk schmeichelt und die mit den Institutionen verbunden scheint, die man anzugreifen wagt. Wenn sie Höhe, Breite und Stärke der Festung betrachtet, in die sie sich zurückgezogen hat; wenn sie ihre Macht mit denen, die einige isolierte Männer gegen sie wenden, vergleicht, — so glaubt sie, sie könne sich in Schweigen und Verachtung hüllen.

Währenddessen macht die Liga Fortschritte. Hat die Aristokratie die etablierte Kirche für sich , so ruft die Liga alle andersdenkenden Kirchen zu ihrer Hilfe. Diese hängen nicht am das Monopol wegen dem Zehnten; sie unterhalten sich durch freiwillige Gaben, das heißt durch das öffentliche Vertrauen. Sie haben bald verstanden, dass die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die man Sklaverei oder Protektion nennt, der christlichen Barmherzigkeit zuwiderläuft. Sechzehnhundert andersdenkende Priester antworteten auf den Appel der Liga. Siebenhundert von ihnen aus allen Gegenden des Königreiches versammelten sich in Manchester. Sie tagten; und das Ergebnis ihrer Tagung ist, dass sie in ganz England die Sache der Handelsfreiheit predigen werden als konform mit den Gesetzen der Vorsehung, die sie verbreiten sollen.

Wenn die Aristokratie das Grundeigentum und die Bauernklassen für sich hat, so stützt sich die Liga auf die Eigentümer der tätigen Hände, der Fähigkeiten und der Intelligenz. Nichts kommt dem Eifer gleich, mit dem sich die industriellen Klassen beeilen, zu dem großen Werk zusammenzukommen.

Spontane Zuwendungen brachten dem Haushalt der Liga 1841 200.000 fr, 1842 600.000 fr, 1843 eine Million, 1844 2 Millionen, und 1848 wird eine doppelte, vielleicht dreifache Summe einem der Ziele, die die Vereinigung im Sinn hat, nämlich der Einschreibung einer großen Zahl von free-tradern in die Wahllisten gewidmet werden. Im Zusammenhang mit diesen Zuwendungen gab es ein Ereignis, das großen Eindruck machte: Die Liste, die in Manchester am 14. November 1844 eröffnet wurde, zeigte am Ende desselben Tages eine Einnahme von 16.000 Livre sterling (400.000 francs).

Dank diesen reichlichen Ressourcen verteilte die Liga ihre Lehren in die verschiedensten und klarsten Formen gebracht unter dem Volk in Broschüren, Pamphleten, Plakaten, unzählbaren Zeitungen; sie teilte England in 12 Gebiete und unterhielt in jedem einen Professor für Volkswirtschaft. Sie selbst hielt ihre Sitzungen wie eine fahrende Universität in der Öffentlichkeit in allen Städten und allen Comptes von Grossbritannien.

Es scheint im übrigen, dass der, der die menschlichen Ereignisse leitet, der Liga unerwartete Mittel zum Erfolg verschafft hat. Die Postreform erlaubte ihr, mit den Wahlkomitees, die sie überall im Land gegründet hatte, eine Korrespondenz zu unterhalten, die jährlich mehr als 300.000 Depechen umfasste; die Eisenbahnen gaben ihren Bewegungen einen Charakter der Allgegenwärtigkeit und man sah dieselben Männer, die am Morgen in Liverpool agitiert hatten, am Abend in Edinburg oder Glasgow agitieren.

Schließlich hatte die Wahlreform der mittleren Klasse die Tore des Parlaments geöffnet und die Gründer der Liga, Cobden, Bright, Gibson, Villiers sind zugelassen, das Monopol im Angesicht der Monopoleure zu bekämpfen und in demselben Raum, wo es verordnet wurde. Sie gelangten in das Common House und bildeten dort außerhalb der Whigs und Tories eine Partei, wenn man ihr diesen Namen geben kann, die keinen Vorläufer in den Annalen der konstituierten Völker hat, eine Partei, die entschlossen ist, niemals die absolute Wahrheit, die absolute Gerechtigkeit, absolute Prinzipien in Personen- und Organisationsfragen sowie in Fragen der Minister- und Oppositionsstrategie zu opfern.

Aber es reichte nicht, die sozialen Klassen zu versammeln, auf denen direkt das Monopol lastet; man musste noch die Augen derjenigen öffnen, die ernsthaft glauben, dass ihr Wohlergehen und selbst ihre Existenz von System der Protektion abhängt. Herr Cobden unternimmt diese schwere und gefährliche Herausforderung. Im Zeitraum von zwei Monaten, initiiert er vierzig Treffen inmitten der bäuerlichen Bevölkerung selbst. Dort, umgeben von oft tausenden von Arbeitern und Bauern, unter die sich wohl anlässlich der bedrohten Interessen einige Unruhestifter gemischt haben dürften, entwickelte er einen Mut, eine Kaltblütigkeit, eine Geschicklichkeit und Eloquenz, die die Bewunderung, wenn nicht die Sympathie seiner ärgsten Feinde erregte. In einer analogen Position wie ein Franzose, der versuchte, die Handelsfreiheit in den Schmieden von Decazeville oder unter den Bergarbeitern von Anzin zu predigen, weiß man nicht, was man mehr an diesem bedeutenden Mann bewundern soll, der auf einmal Ökonom, Tribun, Staatsmann, Taktiker und Theoretiker ist, und von dem man wie ich glaube gerechterweise sagen kann, was man von Destutt de Tracy gesagt hat: „Sein gesunder Menschenverstand reicht an das Genie heran.“ Seine Bemühungen zahlten sich nach Verdienst aus und die Aristokratie erfährt schmerzlich, dass das Prinzip der Freiheit unter der bäuerlichen Bevölkerung rasch Boden gewinnt.

Die Zeit, wo sie sich in verächtlichem Dünkel verschloss, ist jedenfalls vorbei; ihre Trägheit hat sie schließlich verlassen. Sie versucht die Offensive wieder aufzunehmen und ihre erste Maßnahme ist, die Liga und ihre Gründer zu verleumden. Sie nimmt ihr privates und öffentliches Leben unter die Lupe, aber ist in Kürze gezwungen, dieses Schlachtfeld zu verlassen, auf dem sie leicht mehr Tote und Verletzte lassen könnte als die Liga, und ruft die Armee der Sophismen zur Hilfe, die zu allen Zeiten und in allen Ländern dem Monopol zur Stütze gedient hat. Schutz für die Landwirtschaft, Invasion ausländischer Produkte, Senkung der Löhne durch den Überfluss an Waren, nationale Unabhängigkeit, zur Neige gehen des Geldes, gesicherte koloniale Absatzmärkte, politische Vorherrschaft, Seeherrschaft, hier sind die Fragen, die sich nicht mehr zwischen Gebildeten, nicht von einer Schule an eine andere, sondern vor dem Volke aber von der Demokratie an die Aristokratie stellen.

Währenddessen traf es sich, dass die Ligeure nicht nur mutige Agitatoren waren. Sie sind außerdem solide Volkswirte. Keiner dieser zahlreichen Sophismen hielt dem Druck der Diskussion stand. Und nach Bedarf zeigten die von der Liga angestoßenen parlamentarischen Untersuchungen ihre Nichtigkeit.

Die Aristokratie wendet sich also an einen anderen Markt. Das Elend ist unermesslich, tief, schrecklich und sein Grund ist klar: Eine verabscheuenswürdige Ungleichheit herrscht bei der Vermögensverteilung. Aber der Fahne der Liga, die das Wort GERECHTIGKEIT trägt, setzt die Aristokratie ein Banner entgegen, auf dem man das Wort BARMHERZIGKEIT liest. Sie bestreitet die Leiden des Volkes nicht mehr; aber sie zählt auf ein mächtiges Ablenkungsmittel, das Almosen. Du leidest, sagt sie dem Volke, weil du dich zu sehr vermehrt hast und ich werde dir ein großzügiges Auswanderungsprogramm vorbereiten. (Antrag von Herrn Butler.) — Du stirbst an Unterernährung; ich werde jeder Familie einen Garten und eine Kuh geben. (Allotments.) — Du bist entkräftet vor Müdigkeit. Man verlangt von dir zu viel Arbeit, ich werde ihre Dauer beschränken. (Zehn Stunden Bill.) Dann kommen die Zuwendungen, um die armen Klassen umsonst mit öffentlichen Bädern zu versorgen, mit Erholungsorten, mit den Wohltaten einer nationalen Erziehung, usw. Immer nur Almosen, immer Linderungen; aber die Ursache, die sie nötig macht, das Monopol, die künstliche und parteiische Verteilung des Reichtums, daran denkt man nicht zu rühren.

Die Liga hat sich hier gegen ein umso perfideres Kampfmittel zu verteidigen, als es scheinbar ihren Gegnern unter anderen Monopolen das Monopol der Philanthropie zuschreibt und sie selbst in den Kreis der exakten und kalten Gerechtigkeit platziert und die letztere weit weniger geeignet ist, die unreflektierte Dankbarkeit derer, die leiden, zu erregen, als selbst ohnmächtige, selbst heuchlerische Barmherzigkeit.

Ich werde nicht die Einwände wiederholen, die die Liga allen diesen Projekten für angeblich barmherzige Institutionen entgegensetzte, man wird einige im Laufe dieses Werkes hören. Es genügt zu sagen, dass sie sich den Werken darunter anschloss, die einen unbestreitbar nützlichen Charakter haben. So wurde unter den free-tradern in Manchester fast eine Million gesammelt, um den Arbeitervierteln Raum, Luft und Tageslicht zu geben. Eine gleiche Summe, die ebenfalls aus freiwilligen Zuwendungen kam, wurde in dieser Stadt dem Bau von Schulhäusern gewidmet. Aber gleichzeitig ließ sich die Liga nicht nehmen, die versteckte Falle unter dieser üppigen Zurschaustellung von Philanthropie zu zeigen: Wenn die Engländer an Hunger sterben, sagte sie, reicht es nicht ihnen zu sagen: Wir transportieren euch nach Amerika, wo es Nahrung im Überfluss gibt, man muss die Nahrung nach England hereinlassen. — Es reicht nicht den Arbeiterfamilien einen Garten zu geben, damit sie dort Kartoffeln pflanzen können; man muss ihnen vorallem nicht einen Teil des Gewinns rauben, der ihnen eine substantiellere Nahrung ermöglichte. — Es reicht nicht, die exzessive Arbeit zu limitieren, zu der sie der Raub verdammt; man muss den Raub selbst beenden, damit zehn Stunden Arbeit zwölf wert sind. — Es reicht nicht ihnen Luft und Wasser zu geben, man muss ihnen Brot geben oder zumindest das Recht, Brot zu kaufen. Nicht Philanthropie sondern Freiheit muss man der Unterdrückung entgegenhalten; nicht Barmherzigkeit sondern Gerechtigkeit kann die Übel der Ungerechtigkeit heilen. Das Almosen hat nur und kann nur eine ungenügende, flüchtige, unsichere und häufig demütigende Wirkung haben.

Mit ihren Sophismen, ihren Ausflüchten, ihren hinhaltenden Vorwänden endlich, blieb der Aristokratie noch eine Möglichkeit: die parlamentarische Mehrheit, die Mehrheit, die es unnötig macht, Recht zu haben. Der letzte Schritt der Agitation war demnach, in die Wahlgremien zu kommen. Nachdem sie die heiligen ökonomischen Lehren popularisiert hatte, musste die Liga den individuellen Anstrengungen ihrer unzähligen Bekehrten eine praktische Richtung geben. Die verfassungsgebenden Versammlungen (constituencies), das Wahlgremium des Königreiches, grundlegend zu verändern, den Einfluss der Aristokratie zu untergraben, auf die Korruption die Ächtung des Gesetzes und der öffentlichen Meinung zu lenken; dies ist die neue Phase, in die die Agitation mit einer Energie eingetreten ist, die Fortschritte noch zu vergrößern scheinen. Vires acquirit eundo. Auf den Ruf Cobdens, Brights und ihrer Freunde, ließen sich tausende von free-tradern in die Wahllisten eintragen, tausende von Monopoleuren sind daraus gestrichen und nach der Schnelligkeit dieser Bewegung zu urteilen, kann man den Tag vorhersehen, wo der Senat nicht mehr eine Klasse, sondern die Gemeinschaft repräsentieren wird.

Man wird vielleicht fragen, ob so viel Arbeit, so viel Einsatz, so viel Hingabe bisher ohne Einfluss auf den Gang der öffentlichen Angelegenheiten geblieben sind, und ob der Fortschritt der liberalen Ideen im Lande sich nicht in gewissem Grade in den Gesetzen wiedergespiegelt hat.

Ich habe zu Beginn die Regelung der englischen Wirtschaft vor der kommerziellen Krise, die zur Gründung der Liga führten, ausgeführt. Ich habe sogar versucht einige der Erpressungen, die die herrschenden Klassen auf die dienenden durch den Doppelmechanismus der Zölle und der Monopole ausüben zu quantifizieren.

Seit dieser Epoche sind die einen oder anderen geändert worden. Wer hat nicht von dem Finanzplan reden hören, den Sir Robert Peel dem Unterhaus vorgelegt hat, ein Plan der nur die Weiterentwicklung der Reformen ist, die 1842 und 1844 begonnen wurden und deren vollständige Umsetzung späteren Sitzungen des Parlaments vorbehalten ist? Ich glaube ernsthaft, dass man in Frankreich den Geist dieser Reformen verkannt hat, dass man ihre Reichweite abwechselnd übertrieben oder zu gering geschätzt hat. Man verzeihe mir denn, wenn ich hier auf einige Einzelheiten eingehe, die ich mich im Übrigen bemühe so weit wie möglich abzukürzen.

Der Raub (man verzeihe mir die häufige Wiederholung dieses Wortes; aber sie ist nötig, um den grotesken Irrtum zu bekämpfen, der in seinem Synonym Protektion impliziert ist), der Raub, in ein Regierungssystem verwandelt, hatte alle seine notwendigen Folgen hervorgebracht: eine extreme Ungleichheit der Vermögen, Elend, Verbrechen und Unordnung in den unteren Gesellschaftsschichten, eine ungeheure Reduktion allen Konsums, folglich eine Verminderung der öffentlichen Einnahmen und ein Defizit, das von Jahr zu Jahr wächst und die Kreditwürdigkeit Großbritanniens bedroht. Offensichtlich war es unmöglich in einer Situation zu verharren, die droht, das Staatsschiff zum kentern zu bringen.

Die irländische Agitation, die ökonomische Agitation, die explosive Lage in den ländlichen Gebieten, der Rebeccaismus in den gällischen Ländern, der Chartismus in den industriellen Städten, dies waren nur die diversen Symptome eines einzigen Phänomens, dem Leiden des Volkes. Aber das Leiden des Volkes, das heißt der Massen, das wiederum heißt von fast allen Menschen, muss auf die Dauer alle Klassen der Gesellschaft betreffen. Wenn das Volk nichts hat, kauft es nichts; wenn es nichts kauft, bleiben die Fabriken stehen und die Bauern verkaufen ihre Ernte nicht; und wenn sie nicht verkaufen, können sie ihre Pachten nicht zahlen. So finden sich die hohen Herren Gesetzgeber selbst durch die Wirkung ihres eigenen Gesetzes zwischen den Bankrott der Bauern und den Bankrott des Staates gestellt und zugleich in ihrem unbeweglichen und ihrem beweglichen Eigentum bedroht. So fühlte die Aristokratie den Boden unter ihren Füssen beben.

Eines ihrer vornehmsten Mitglieder, Sir James Graham, heute Minister des Inneren, hatte ein Buch geschrieben, um die Gefahren abzuwenden, die sie umgaben: Wenn ihr nicht einen Teil abtretet, werdet ihr alles verlieren, sagte er, und ein revolutionärer Sturm wird nicht nur eure Monopole von der Erdoberfläche fegen, sondern eure Ehre, eure Privilegien, euren Einfluss und eure übel erworbenen Reichtümer.

Das erste Heilmittel, das sich bot, um der unmittelbarsten Gefahr, dem Defizit, zu begegnen, war, nach dem Ausdruck, der auch von unseren Staatsmännern verwendet wurde, aus der Steuer herauszuholen, was sie hergeben kann. Aber es zeigte sich, dass gerade die Steuern, die man zu erhöhen versuchte, im Staatshaushalt die größte Leere hinterließen. Man musste für lange Zeit auf diese Quelle verzichten und die erste Sorge des jetzigen Kabinetts, als es seine Tätigkeit aufnahm, war zu erklären, dass die Steuer am Limit angekommen ist: „I am bound to say that the people of this country has been brought to the utmost limit of taxation.“ (Peel, Rede vom 10. Mai 1842.)

So wenig man auch in das gegenseitige Verhältnis der beiden grossen Klassen eingedrungen ist, deren Interessen und Kämpfe ich beschrieben habe, wird man doch leicht verstehen, welches für jede der beiden das Problem war, das es zu lösen galt.

Für die free-trader war die Lösung sehr einfach: Abschaffung aller Monopole. Die Importe freigeben war nötig um den Handel zu vermehren, und folglich die Exporte. Das hieß dem Volk auf einmal Brot und Arbeit zu geben. Das bedeutete auch allen Konsum zu begünstigen, folglich die indirekten Steuern und schließlich das finanzielle Gleichgewicht wiederherzustellen.

Für die Monopoleure war das Problem sozusagen unlösbar. Es handelte sich darum, das Volk zu besänftigen, ohne es von den Monopolen zu befreien, das öffentliche Einkommen zu erhöhen ohne die Steuern zu vermehren, das Kolonialsystem zu bewahren und die nationalen Ausgaben zu vermindern.

Das Ministerium Whig (Russell, Morpeth, Melbourne, Baring, etc.) legte einen Plan vor, der sich zwischen den beiden Lösungen hielt. Er schwächte die Monopole und das Kolonialsystem ohne sie zu zerstören. Er wurde weder von den Monopoleuren noch von den free-tradern angenommen. Die einen wollten das absolute Monopol, die anderen die unbegrenzte Freiheit. Die einen schrien: „Keine Zugeständnisse!“ die anderen: „Keine Transaktionen!“ Im Parlament geschlagen, appellierten die Whigs an das Wahlgremium. Es gab den Tories, das heißt der Protektion und den Kolonien, weitgehend recht. Das Ministerium Peel wurde (1841) mit der ausdrücklichen Aufgabe gebildet, für das große und schreckliche Problem des Defizits und des öffentlichen Elends die unfindbare Lösung zu finden, von der ich gerade sprach; und man muss zugeben, dass er die Schwierigkeit mit bemerkenswerter Weisheit in der Konzeption und Energie in der Ausführung überwunden hat.

Ich werde versuchen, den Finanzplan von Herrn Peel, jedenfalls soweit ich ihn verstehe, zu erklären.

Man darf nicht aus dem Blick verlieren, dass die Ziele, die sich dieser Staatsmann vorzunehmen musste, mit Rücksicht auf die Partei, auf die er sich stützt, folgende sind:

  • Das Gleichgewicht der Finanzen wiederherstellen;
  • Die Konsumenten ruhigstellen;
  • Die Industrie wiederbeleben;
  • Soweit möglich das wesentliche aristokratische Monopol, das Getreidegesetz, bewahren;
  • Das Kolonialsystem und mit ihm die Armee, die Marine, die hohen Positionen der Seitenlinien bewahren;

Möglicherweise nährt dieser bedeutende Mann, der mehr als jeder andere die Zeichen der Zeit zu lesen weiß, und der das Prinzip der Liga England im Gigantenschritt einnehmen sieht, auch tief in seiner Seele einen Gedanken an eine persönliche aber ruhmreiche Zukunft, den nämlich, sich die Unterstützung der free-trader zu verschaffen für die Epoche, wo sie die Mehrheit erobert hätten, um mit seiner Hand das Markenzeichen auf das Werk der wirtschaftlichen Freiheit zu pressen, ohne zu dulden, dass sich ein anderer Name an die größte Revolution der modernen Zeiten knüpft als der seinige.

Es gibt nicht eine Maßnahme, einen Satz von Herrn Robert Peel, der nicht den nächst- oder ferner liegenden Bedingungen dieses Programms genügt. Das werden wir sehen.

Der Angelpunkt, um den sich alle die finanziellen und ökonomischen Evolutionen drehen, von dem wir noch reden müssen, ist die income-tax.

Die income-tax ist bekanntlich eine Abgabe, die auf das Einkommen aller Art erhoben wird. Diese Steuer ist ihrem Wesen nach vorübergehend und patriotisch. Man greift nur unter schwersten Umständen auf sie zurück, und bisher nur im Kriegsfalle. Sir Robert Peel übernahm das Parlament 1842 und für drei Jahre; es wurde gerade bis 1849 verlängert. Dies ist das erste Mal, dass sie statt der Zerstörung zu dienen und dazu der Menschheit die Übel des Krieges aufzuerlegen, zum Instrument nützlicher Reformen wird, die Nationen versuchen zu verwirklichen, die die Wohltaten des Friedens ausnutzen wollen.

Es ist gut hier darauf hinzuweisen, dass alle Einkommen unter 150 liv. sterl. (3.700 fr.) von dieser Steuer befreit sind, so dass sie ausschließlich die reiche Klasse trifft. Man hat oft auf dieser und jener Seite des Kanals wiederholt, dass die income-tax endgültig in die Finanzgesetzgebung Grossbritanniens festgeschrieben worden ist. Aber wer immer die Natur dieser Steuer und die Art in der sie wahrgenommen wird kennt, weiß wohl, dass sie nicht endgültig eingerichtet werden könnte, zumindest in ihrer jetzigen Form, und wenn das Kabinett in dieser Hinsicht einen Hintergedanken hegt, so ist es erlaubt zu glauben, dass es, indem es die wohlhabenden Klassen daran gewöhnt, in größerem Masse zu den öffentlichen Lasten beizutragen, daran denkt, die Grundsteuer (land-tax) in Grossbritannien mehr mit den Bedürfnissen des Staates und den Anforderungen einer angemessenen Verteilungsgerechtigkeit in Einklang zu bringen.

Wie dem auch sei, das erste Ziel, das das Ministerium Tory im Blick hatte, die Wiederherstellung des Gleichgewichts in den Finanzen wurde erreicht, dank den Quellen der income-tax; und das Defizit, das die Kreditwürdigkeit Englands bedrohte, ist zumindest vorläufig verschwunden.

Ein Einnahmeüberschuss war sogar von 1842 an vorgesehen. Es ging nun um die zweite und dritte Bedingung des Programms: Die Konsumenten ruhigstellen, den Handel und die Industrie wiederbeleben.

Hier treten wir in die lange Reihe der Zollreformen ein, die 1842, 1844 und 1845 ausgeführt wurden. Unser Absicht kann hier nicht sein, sie im Detail auszuführen; wir müssen uns darauf beschränken, den Geist zu beschreiben, in dem sie konzipiert wurden.

Alle Schutzzölle wurden abgeschafft. Rinder, Kälber, Schafe, frisches und gesalzenes Fleisch, das vorher absolut abgewiesen wurde, wurden zu mäßigen Gebühren zugelassen; Rinder zum Beispiel zu 25 fr pro Kopf (die Gebühr ist in Frankreich fast doppelt so hoch), was Herrn Gauthier de Rumilly nicht gehindert hat, 1845 vor der versammelten Kammer ohne Widerspruch zu begegnen, zu sagen, dass Vieh in England immer noch ausgesperrt ist, so sehr tragen die Zeitungen Sorge, uns über das was auf der anderen Seite des Ärmelkanals passiert, im Unwissen zu halten.

Die Zölle wurden für 650 Konsumartikel um einen sehr großen Teil, teilweise um die Hälfte, zweidrittel oder dreiviertel erniedrigt; unter diesen waren Mehl, Öl, Leder, Reis, Kaffee, Talg, Bier, usw., usw.

Diese Zölle, die zuvor erniedrigt wurden, wurden 1845 für 430 Artikel ganz abgeschafft, unter sie zählten alle Rohstoffe von einiger Wichtigkeit wie Leinen, Baumwolle, Flachs, Essig, usw., usw.

Die Exportzölle wurden ebenso radikal abgeschafft. Maschinen und Öl, diese zwei Machtfaktoren, mit denen England nach den beschränkten Ideen der kommerziellen Rivalität, vielleicht natürlicherweise geizen müsste, stehen augenblicklich Europa zur Verfügung. Wir können uns ihrer zum gleichen Preis wie die Engländer bedienen, wenn wir uns nicht durch eine merkwürdige Absurdität, die aber ganz konsequent zu dem protektionistischen System ist, selbst durch unsere Zölle für diese wesentlichen Arbeitsmittel in schlechtere Bedingungen versetzt hätten, gerade in dem Augenblick, wo uns die Gleichheit bedingungslos angeboten oder besser gesagt gewährt wurde.

Man bemerke, dass die völlige Abschaffung eines Importzolls eine entscheidende Lücke und die Absenkung zumindest eine augenblickliche Lücke im Staatshaushalt hinterlässt. Diese Lücke sollen die Überschüsse aus der income-tax decken.

Demnach hat die income-tax nur eine beschränkte Dauer. Das Kabinett Tory hoffte, dass das Anwachsen des Konsums, der Aufschwung des Handels und der Industrie auf alle Zweige des öffentlichen Einkommens so wirken würden, dass das finanzielle Gleichgewicht 1849 wiederhergestellt würde, ohne dass die Quelle der income-tax länger notwendig wäre. Soweit man das aus den Wirkungen der Teilreform 1842 beurteilen kann, wurden diese Hoffnungen nicht enttäuscht. Schon haben die Gesamteinkünfte von 1844 die von 1843 um 1.410.726 liv. sterl. (35 Millionen Franc) übertroffen.

Auf der anderen Seite spricht alles dafür, dass Aktivität in alle Zweige der Wirtschaft zurückgekehrt ist und dass Wohlstand sich in allen Klassen der Gesellschaft verbreitet hat. Die Gefängnisse und die work-houses haben sich entvölkert; die Armensteuer ist gesunken; die Verbrauchssteuer hat Einnahmen gebracht; der Rebeccaismus und die Brandgefahr haben sich beruhigt; mit einem Wort, das Wiederaufblühen zeigt sich mit allen einschlägigen Zeichen, unter anderem auch durch die Zolleinnahmen.

Einnahmen aus dem Jahr in liv.sterl. :

1841 (unter dem alten Regime)
1842
1843 (erstes Jahr der Reform)
1844
19.900.000
18.700.000
21.400.000
23.500.000

Wenn man bedenkt, dass während diesem letzten Jahr die Waren, die den Zoll passiert haben, bei der Ausfuhr nichts bezahlt haben (Abschaffung der Exportzölle) und bei der Einfuhr nur reduzierte Zölle, zumindest für 650 Artikel (Senkung der Einfuhrzölle), muss man daraus schließen, dass die Masse der Produkte, die importiert wurden in einem ungeheuren Ausmaß angestiegen sein muss, damit die Gesamteinnahme nicht nur nicht gesunken ist, sondern sich sogar um 100 Millionen Franc erhöht hat.

Freilich beweist dies Anwachsen der Importe nach den Ökonomen der Presse und der französischen Rednerpulte nichts anderes als die Dekadenz der Industrie Großbritanniens, die Invasion, die Überschwemmung seiner Märkte mit ausländischen Produkten und die Stagnation seiner nationalen Arbeit! Wir lassen diese Herren diesen Schluss mit allen anderen Zeichen zu vereinbaren, in denen sich das Wiederaufblühen England manifestiert, wenn sie es können. Wir, die wir glauben,  dass sich Produkte gegen Produkte tauschen, sagen mit der Befriedigung, in dem vorher Beschriebenen einen neuen und schlagenden Beweis der Wahrheit dieser Lehre zu finden, dass Herr Robert Peel die zweite und dritte Bedingung seines Programms erfüllt hat: Den Verbraucher ruhigstellen, den Handel und die Industrie wiederbeleben.

Aber nicht dafür haben ihn die Tories an die Macht gebracht und dort erhalten. Schon ganz erschüttert von dem Schrecken, denen ihnen der in ganz anderer Weise radikale Plan von John Russell verursacht hatte und voll Stolz auf ihren kürzlichen Triumph über die Whigs, waren sie nicht bereit, die Frucht ihres Sieges zu verlieren, und sie verstanden wohl, den Mann ihrer Wahl bei der Vollendung seines Werkes nur so weit gehen zu lassen, wie er nicht oder nur scheinbar die beiden großen Instrumente des Raubes anfasst, die sich die englische Aristokratie zugeteilt hat: Das Getreidegesetz und das Kolonialsystem.

Es ist sicher dieser schwierige Teil der Herausforderung, auf die der Premierminister alle Ressourcen seines findigen Geistes verwendet hat.

Wenn ein Einfuhrzoll den Preis eines Produktes auf eine Höhe getrieben hat, die die inländische Konkurrenz in keinem Fall überschreiten kann, ist seine ganze Schutzwirkung erreicht. Was man diesem Zoll hinzufügte wäre reiner Nominal und was man davon wegnimmt in den Grenzen dieses Überschusses, ist offensichtlich wirkungslos. Nehmen wir an, ein französisches Produkt verkauft sich unter ausländischer Konkurrenz zu 15 fr., und wenn es von dieser Konkurrenz befreit ist, kann es wegen der inländischen Konkurrenz nicht über 20 fr. steigen. In diesem Fall gäbe ein Zoll von 5 oder 6 fr. auf das ausländische Produkt dem ähnlichen nationalen allen Schutz, den der Zolls gewähren kann. Würde der Zoll auf 100 fr. gehoben, würde er den Preis des Produktes nach Voraussetzung nicht um eine Centime erhöhen, und folglich wäre jede Senkung, die nicht unter 5 oder 6 fr. geht, ohne Wirkung für Produzenten und Verbraucher.

Es scheint, dass die Beobachtung dieses Phänomens Sir Robert Peels Verhalten bei dem großen aristokratischen Monopol, dem Weizen, und dem großen kolonialen Monopol, dem Zucker, geleitet hat.

Wir haben gesehen, dass das Weizengesetz, das zum erklärten Ziel hatte, dem nationalen Produzenten 64 sh. pro Quint Getreide zu sichern, seine Aufgabe verfehlt hat. Die bewegliche Skala (sliding-scale) war wohl berechnet, um dies Ziel zu erreichen, denn sie fügte dem Preis des ausländischen Getreides im Hafen einen angepassten Zoll hinzu, der den Endpreis auf 70 sh. und mehr erhöhen musste. Aber die Konkurrenz der nationalen Produzenten auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Verminderung des Verbrauchs, die der Teuerung folgt, sind zusammengekommen, um den Weizen auf einem mittleren Preisniveau geringerer Höhe zu halten, das 56 sh. nicht überschritten hat.

Was machte also Herr Robert Peel? Er hat bei dem Teil des Zolls gekürzt, der ganz unwirksam war, und er hat die bewegliche Skala so gesenkt, dass er dachte, den Weizen auf 56 sh. festzulegen, das heißt den höchsten Preis, den die inländische Konkurrenz ihm normalerweise anzunehmen erlaubt, so dass er in Wirklichkeit der Aristokratie nichts geraubt und dem Volk nichts zugestanden hat.

So gesehen hat Herr Rober diese Taschenspieler-Politik nicht verborgen, denn auf jede Forderung nach höheren Zöllen antwortete er: Ich glaube, dass Sie schlüssige Beweise hatten, dass Sie an der äußersten Grenze der profitablen Nahrungsmittelsteuer angekommen sind (profitable taxation). Ich rate Ihnen, sie nicht weiter anzuheben. Wenn Sie es machen, werden Sie sicherlich Ihr Ziel verfehlen. Most assuredly you will be defeated in your object.

Ich spreche nur vom Weizen, aber man sollte wissen, dass dasselbe Gesetz Getreide aller Art umfasst. Außerdem wurden Butter und Käse, die einen wesentlichen Teil der Einkünfte der herrschaftlichen Ländereien ausmachen, nicht entlastet. Es ist demnach wohl wahr, dass das aristokratische Monopol nur sehr uneffektiv angefressen wurde.

Derselbe Geist herrschte vor bei verschiedenen Veränderungen, die in das Zuckergesetz eingeführt wurden. Wir hatten gesehen, dass die Prämie für die Pflanzer, oder der Differenzzoll zwischen kolonialem und ausländischem Zucker 39 sh. pro Quint war. Dies ist die Marge, die der Raub angestrebt hatte. Aber wegen der Konkurrenz, die sich die Kolonien untereinander machten, konnten sie dem Konsumenten nur 18 sh über den natürlichen Preis und den fiskalen Zoll entreißen. Sir Robert konnte demnach den Differenzzoll von 39 sh auf 18 sh. senken ohne etwas zu ändern außer einen toten Buchstaben in dem statute-book.

Nun, was tat er? Er richtete den folgenden Zoll (in sh.) ein:

kolonialer Zucker, roh 
    — raffiniert 
14
16
ausländischer Zucker (frei), roh
    —  raffiniert
23
28
ausländischer Zucker (Sklaven)63

Er schätzt, dass unter diesem neuen Zoll 230.000 Tonnen kolonialer Zucker nach England eingeführt werden und da die Protektion 10 sh. pro Quint oder oder 10 liv. st. pro Tonne beträgt, ist die Summe, die dem Konsumenten abgenötigt wird, um ohne Gegenleistung den Pflanzern gegeben zu werden, 2.300.000 liv. st. oder 57.000.000 anstelle von 86 Millionen.

Aber auf der anderen Seite sagt er: Die Folge wird sein, dass der Staatshaushalt aus dem Zuckerzoll in Folge der Senkung liv. st. 3.960.000 verliert. Das Einkommen aus dieser Quelle war letztes Jahr 5.216.000 liv., es wird deshalb für das nächste Jahr einen Einkommensverlust von 1.300.000 liv. sterl., d.h. 32.500.000 fr geben und die income-tax, das heißt eine neue Steuer, soll die Leere in der Kasse füllen, so dass wenn das Volk bezüglich des Zuckerkonsums ruhiggestellt ist, dies nicht zu Lasten des Monopols sondern auf Kosten des Staatshaushaltes geschehen ist und wenn man ihm mit der income-tax zurückgibt, was er mit dem Zoll verliert, folgt daraus, dass der Raub und die Lasten dieselben bleiben, und dies um so mehr, wenn man das sagen kann, als sie eine leichte Verschiebung erleiden.

In den ganzen wirklichen oder scheinbaren Reformen, die von Sir Robert Peel erreicht wurden, manifestierte seine Vorliebe für das Kolonialsystem sich ständig, und dies ist es vorallem, was ihn grundsätzlich von den free-tradern trennt. Jedes mal wenn der Minister eine ausländische Ware entlastete, trug er Sorge, die ähnliche Ware aus den englischen Kolonien mindestens ebenso stark zu entlasten, so dass die Protektion dieselbe blieb. So wurde, um nur ein Beispiel zu zitieren, das ausländische Bauholz um fünf Sechstel reduziert; aber das Holz aus den Kolonien um neun Zehntel. Das Erbe der Seitenlinien der Aristokratie wurde demnach nicht wesentlich beschnitten, nicht mehr als das der Hauptlinien, und in dieser Hinsicht kann man sagen, dass der Finanzplan (financial statement), das gewagte Experiment (bold experiment), des Ministers an der Macht, in den Grenzen einer englischen Frage blieb, und sich nicht auf die Höhe einer humanitären Frage erhob; denn die Menschheit ist nur sehr indirekt an der inneren Regelung des englischen öffentlichen Haushalts interessiert, aber sie wäre zutiefst und günstigst eingenommen von einer Reform, selbst einer finanziellen, die den Fall des Kolonialsystems mit sich bringt, das schon so oft den Frieden und die Freiheit der Welt so schwer bedroht hat.

Weit entfernt der Liga auf diesem Gebiet zu folgen, verliert Sir Robert Peel keine Gelegenheit, sich zu Gunsten der Kolonien zu äußern, und bei der Ausführung der Motive seines Finanzplans fügt er, nachdem er die Kammer daran erinnert hat, das England fünfundvierzig Kolonien besitzt, nachdem er sogar dafür eine Erhöhung des Budgets gefordert hat, hinzu: Man könnte sagen, dass es nicht klug ist, unser Kolonialsystem so sehr zu erweitern, wie wir es getan haben. Aber ich halte mich daran, dass Sie Kolonien haben, und wo Sie sie einmal haben, muss man sie mit ausreichenden Kräften erhalten. Ich weigere mich im übrigen, so sehr mir bewusst ist, wie sehr dieses System Kosten und Gefahren mit sich bringt, ich weigere mich, die Politik zu verurteilen, die uns dazu geführt hat, auf verschiedene Punkte des Globus diese von englischem Geist beseelten Besitzungen zu schaffen, die die englische Sprache sprechen und vielleicht dazu bestimmt sind, sich in der Zukunft zu dem Rang großer Wirtschaftsmächte zu erheben!

Ich glaube gezeigt zu haben, dass Sir Robert Peel mit Geschicklichkeit die schlechten Seiten seines Programms erfüllt hat.

Es wäre vielleicht nicht ohne Interesse für den Leser, den wahrscheinlichen Ausgang der Reformen zu erahnen, von denen wir bisher nur die ersten Züge kennen. Eine kürzlich erschienene Broschüre hat einen Finanzplan offengelegt, der die einflussreichen Mitglieder der Liga versammeln muss. Wir erwähnen ihn hier, ebenso wegen seiner wunderbaren Einfachheit und seiner vollkommenen Konformität mit den reinsten Prinzipien der Handelsfreiheit, wie auch deswegen, weil ihm keineswegs jeder offizielle Charakter fehlt. Er kommt nämlich von einem Beamten des Board of trade, Herrn Mac-Gregor, so wie die Postreform von einem Angestellten des post-office getrieben war, Herrn Rowland-Hill. Man kann hinzufügen, dass er genug Analogie mit den Änderungen hat, die von Sir Robert Peel bewerkstelligt wurden, um vermuten zu lassen, das dass er nicht ohne Wissen und noch weniger gegen des Willen des Premierministers an die Öffentlichkeit getragen wurde.

Hier der Plan des Sekretärs des Board of trade.

Er nimmt an, dass die Ausgaben sich heute auf 50 Millionen st. belaufen. Sie müssen ohne Zweifel eine große Verminderung erleiden, denn dieser Plan bringt eine starke Reduktion der Armee, der Marine, der Kolonialverwaltung und der Steuererhebung; in diesem Fall könnten die Einnahmenüberschüsse angewendet werden, um entweder Schulden zurückzuzahlen oder um die direkte Steuer zu senken, von der noch gesprochen werden wird.

Die Einnahmen werden sich auf die folgenden Quellen stützen:

Zoll. — Die Gebühren werden gleich sein, egal ob die Produkte aus den Kolonien oder dem Ausland kommen.

Es wird nur acht Produkte geben, die einem Einfuhrzoll unterworfen werden, nämlich:

  • Tee
  • Zucker
  • Kaffee und Kakao
  • Tabak
  • Schnaps
  • Wein
  • Trockenfrüchte
  • Gewürze.
Produkt 21,500,000 l. st.
Schnaps im Inland 5,000,000 31,500,000 l. st.
inländischer oder importierter Treber 5,000,000
Die beiden letzteren Steuern werden von der Zollverwaltung eingetrieben.
Stempelgebühr. — die Gebühren auf Versicherungen gegen Meer- und Feuergefahr werden abschafft, hierzu zählen auch die Lizenzen. 7,500,000
Grundsteuer (nicht weiterverkauft) 1.200.000
Defizit, dass im ersten Jahr durch eine Kombination der income-tax und der land-tax gedeckt werden muss: 9.800.000
Gesamtausgaben 50.000.000 l. sterl.

Die Post sieht Herr Mac-Gregor nicht als eine Einkommensquelle für den Staat. Man kann die aktuelle Gebühr nicht senken, da sie auf die kleinste Münze reduziert ist, die in England genutzt wird; aber die Überschüsse aus den Einnahmen werden für die Verbesserung des Services und auf die Entwicklung von Dampfschiffen verwendet.

Man bemerke, dass in diesem System:

  • Die Protektion vollständig abgeschafft ist, da der Zoll nur Waren trifft, die England nicht produziert, außer Schnaps und Treber. Aber diese sind einer gleichen Steuer unterworfen wie die ähnlichen ausländischen Produkte.
  • Das Kolonialsystem radikal geändert ist. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus, sind die Kolonien unabhängig von der Metropole und die Metropole von den Kolonien, denn die Gebühren sind gleich; es gibt keine Privilegien mehr, und jeder bleibt frei, sich auf dem billigsten Markte zu bedienen. Daraus folgt, dass eine Kolonie, die sich politisch von ihrem Mutterlande trennte, keine Veränderung seines Handels und seiner Industrie erführe. Nur seine Finanzlage würde sich erleichtern.

Alle Finanzverwaltung in Großbritannien beschränkt sich auf das Eintreiben der direkten Steuer, den Zoll, der erheblich vereinfacht ist, und der Stempelgebühr. Die assessed-taxes und die Erwerbssteuer sind abgeschafft und die inländischen und grenzübergreifenden Transaktionen einer Freiheit und Schnelligkeit überlassen, deren Wirkung uneinschätzbar ist. So ist in größter Kürze der Finanzplan, der scheinbar das Muster, das Ideal ist, nach dem offensichtlich die Reformen, die sich unter den unaufmerksamen Augen Frankreichs vollziehen, freilich von ganz weitem, streben. Dieser Exkurs mag vielleicht zur Rechtfertigung für die Vermutung dienen, die ich ich gewagt habe, über die Zukunft und die letztendlichen Absichten von Sir Robert Peel zu machen.

Ich habe mich bemüht, offen die Frage zu stellen, was sich in England ereignet. Ich habe das Schlachtfeld beschrieben, die Größe der Interessen, die dort diskutiert werden, die Kräfte, die dort aufeinandertreffen, und die Folgen des Sieges. Ich habe, glaube ich, gezeigt, dass obwohl sich alle Hitze der Agitation auf Steuer-, Zoll-, Getreide- und Zuckerfragen zu konzentrieren scheint, es tatsächlich um Monopol und Freiheit, um Aristokratie und Demokratie, um Gleichheit oder Ungleichheit der Wohlstandsverteilung geht. Es geht darum, zu wissen, ob die gesetzgeberische Macht und der politische Einfluss dem Mann des Raubes oder dem Mann der Arbeit gehört, das heißt zu wissen, ob Gesetz und Politik weiter die Keime von Unruhen und Gewalt in die Welt werfen werden oder die Keime von Eintracht, Gerechtigkeit und Frieden.

Was hält man von einem Historiker, der sich vorstellte, dass Europa am Anfang dieses Jahrhunderts nicht unter der Führung der geschicktesten Generäle so viele kluge Manöver in Waffen mit seinen unzählbaren Armeen durchgeführt hätte, um zu wissen, wem die kleinen Gebiete gehören sollen, wo die Schlachten von Austerlitz und Wagram stattfanden? Dynastien und Reiche hingen von diesen Kämpfen ab. Aber die Triumphe der Gewalt können flüchtig sein; nicht so die der Meinung.

Und wenn wir ein ganzes großes Volk, dessen Wirkung auf die Welt nicht geringzuschätzen ist, sich die Lehren der Gerechtigkeit und Wahrheit zueigen machen sehen, wenn wir es die falschen Ideen der Mächtigen verwerfen sehen, die dieses Volk so lange gefährlich für die anderen Nationen gemacht hat, wenn wir es bereit sehen, einer begehrlichen und unruhestiftenden Oligarchie den politischen Einfluss zu nehmen, so hüten wir uns davor zu glauben, dass obwohl die Anstrengungen der ersten Kämpfe sich auf ökonomische Fragen richteten, nicht edlere Interessen an dem Kampf teilhaben.

Denn wenn neben so einigen Lektionen der Ungerechtigkeit, so einigen Beispielen internationaler Perversität, England, dieser kaum sichtbare Punkt auf dem Globus, auf seinem Boden so viele große und nützliche Ideen hat keimen sehen; wenn es die Wiege der Presse, der Jury, der repräsentativen Regierungsform, der Abschaffung der Sklaverei war, trotz der Widerstände einer mächtigen und unbarmherzigen Oligarchie; was muss dann das Universum erst von diesem selben England erwarten, wenn alle seine moralische, soziale und politische Macht durch eine sanfte und mühsame Revolution, friedlich von den Geistern unter der Führung einer Vereinigung vollzogen, die in ihrem Kreis so viele Männer zählt, deren überlegene  Intelligenz und erprobte Moral auf ihr Land und ihr Jahrhundert ein so glänzendes Licht werfen, in die Hände der Demokratie gelangt sein wird?

Eine solche Revolution ist nicht ein Ereignis, ein Unfall, eine Katastrophe aus unaufhaltsamem aber flüchtigen Enthusiasmus. Es ist, wenn ich so sagen darf, ein langsames soziales In-sich-zusammenfallen, dass alle Bedingungen des Bestands der Gesellschaft, die Umgebung, in der sie lebt und atmet, ändert. Es ist die Gerechtigkeit, die sich die Macht verschafft und der gesunde Menschenverstand, der sich Autorität verschafft. Es ist das Allgemeinwohl, das Wohl des Volkes, der Massen, der Großen und Kleinen, der Starken und Schwachen, das zur Regel der Politik wird; es ist das Privileg, der Missbrauch, die Kaste, die unter dem Teppich verschwindet, nicht durch eine Palastrevolution oder einen Straßenaufstand, sondern durch die fortschreitende und allgemeine Anerkennung der Rechte und Pflichten der Menschen.

Mit einem Wort, es ist der Triumph der menschlichen Freiheit, es ist der Tod des Monopols, dieses Abgottes in tausend Formen, ständig erobernd, sklavenbesitzend, theokratisch, feudal, industriell, kommerziell, finanziell und sogar philanthropisch. Welche Verkleidung es auch an nimmt, es wird der Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung nicht mehr standhalten, denn sie hat gelernt, es unter der roten Uniform wie unter dem schwarzen Talar, unter der Weste des Pflanzers, wie unter der bestickten Kleidung des adligen Paares zu erkennen.

Freiheit für alle! Jedem der gerechte und natürliche Lohn seiner Tätigkeit! Jedem gerechten und natürlichen Zugang zur Gleichheit, im Verhältnis zu seiner Anstrengung, seiner Intelligenz, seiner Voraussicht und seiner Moral. Freier Handel mit dem Universum! Frieden mit dem Universum! Keine koloniale Untertänigkeit mehr, keine Armee, keine Marine außer, was zur Aufrechterhaltung der nationalen Unabhängigkeit notwendig ist!

Radikale Trennung zwischen dem, was Aufgabe der Regierung und des Gesetzes ist, und dem was nicht ihre Aufgabe ist!  Die politische Organisation darauf beschränkt, jedem seine Freiheit und die Sicherheit gegen jede äußere Aggression zu garantieren, sei es aus dem Ausland oder im Inland, eine gerechte Steuer, um die Menschen, die mit dieser Aufgabe betraut sind, angemessen zu entlohnen, und nicht um unter den Namen Absatzmärkte als Maske für die Usurpation des Auslandes zu dienen und unter dem Namen Protektion zur Beraubung der Bürger untereinander.

Dies geschieht in England auf dem scheinbar so beschränkten Schlachtfeld einer Zollfrage. Aber diese Frage schließt die Sklaverei in ihrer modernen Form ein, denn wie es ein Mitglied der Liga im Parlament sagte, nämlich Herr Gibson: Sich Menschen zu verschaffen, um sie zu eigenem Gewinn arbeiten zu lassen oder sich die Früchte ihrer Arbeit zu verschaffen ist immer Sklaverei; es besteht hier nur ein Unterschied im Grad.

Im Angesicht dieser Revolution, die, ich sage nicht, sich vorbereitet, sondern die sich in einem benachbarten Land vollzieht, deren Bestimmung, man übersehe es nicht, die ganze Welt interessiert; im Angesicht der offensichtlichen Symptome dieser humanitären Arbeit, Symptome, die sich bis auf das diplomatischen und parlamentarischen Gebiet erstrecken, durch Reformen, die der Aristokratie über vier Jahre nach und nach abgetrotzt wurden; im Angesicht dieser mächtigen Agitation, in ganz anderer Weise mächtig als die irländische Agitation und in ganz anderer Weise wichtig in ihren Ergebnissen, da sie unter anderem danach strebt die Beziehungen der Völker untereinander zu ändern, die Bedingung ihrer industriellen Existenz zu ändern, in ihren Beziehungen das Prinzip der Brüderlichkeit durch das des Antagonismus zu ersetzen, — kann man sich nicht genug über das tiefe, allgemeine und systematische Schweigen wundern, das sich die französische Presse scheinbar auferlegt hat.

Von allen sozialen Phänomenen, die sie mir zu beobachten gegeben hat, ist dies Schweigen, und vorallem sein Erfolg, sicher das, was mich in das tiefste Erstaunen setzt. Dass es einem kleinen Fürst von Deutschland durch Wachsamkeit einige Monate gelungen wäre, den Lärm der französische Revolution daran zu hindern, in seinen Ländereien widerzuhallen, das könnte man notfalls verstehen. Aber dass in einer großen Nation, die sich rühmt, die Freiheit der Presse und der Tribünen zu besitzen, es den Zeitungen gelungen wäre, der Kenntnis der Öffentlichkeit über sieben Jahre in Folge die größte Bewegung der modernen Zeiten zu entziehen, und Tatsachen, die unabhängig von ihrer humanitären Reichweite, auf unsere industriellen Regulierungen einen unwiderstehlichen Einfluss ausüben müssen und bereits ausüben, dies ist ein Strategiewunder an das die Nachwelt nicht glauben können wird und dessen Geheimnis zu durchdringen wichtig ist.

[…]
Es folgt eine Abhandlung über das Zeitungswesen in Frankreich
[…]

Es ist also wahr, dass die Strategie der Zeitungen, ob sie ihren Sitz in Paris oder der Provinz haben, sie dahin gebracht hat, sich auf das zu einigen, was die Monopolkomitees zahlen, um die öffentliche Meinung über die große soziale Bewegung zu täuschen, die in England stattfindet; um darüber nie zu reden oder, wenn man nicht vermeiden kann, ein paar Worte darüber zu verlieren, um sie wie die Abschaffung der Sklaverei als das Werk eines vollendeten Machiavellismus zu präsentieren, der zum letzten Ziel hat, die Welt zu Gunsten von England auszubeuten, durch die Ausübung der Freiheit an sich.

Diese kindische Vorsichtsmaßnahme wird, scheint mir, der Lektüre dieses Buches nicht standhalten. Wenn man die free-traders handeln sieht, wenn man sie reden hört, Schritt für Schritt den dramatischen Erschütterungen dieser Agitation folgt, die ein ganzes Volk bewegt, und deren sicherer Ausgang der Fall dieser oligarchischen Vorherrschaft ist, die bei uns genau das ausmacht, was England gefährlich macht, dann erscheint es mir unmöglich, dass man sich immer noch vorstellt, dass so viele andauernde Bemühungen, so viel ernsthafter Eifer, so viel Leben, so viel Tatkraft, ganz und gar nur ein Ziel haben: ein Nachbarvolk zu überlisten, seine Handelsgesetzgebung auf die Grundlagen der Gerechtigkeit und der Freiheit zu gründen.

Denn schließlich muss man bei dieser Lektüre gut in Erinnerung bewahren, dass es in England zwei Klassen gibt, zwei Völker, zwei Interessen, zwei Prinzipien, mit einem Wort: Aristokratie und Demokratie.

Wo die eine die Ungleichheit will, strebt die andere nach Gleichheit; wo die eine Einfuhrbeschränkungen verteidigt, fordert die andere die Freiheit; wo die eine Eroberung anstrebt, das Kolonialregime, politische Vorherrschaft, exklusive Seeherrschaft, arbeitet die andere an der allgemeinen Befreiung; das heißt daran, die Eroberung abzulehnen, die kolonialen Bande zu sprengen, daran in den internationalen Beziehungen die künstlichen Arrangements der Diplomatie durch freie und freiwillige Handelsbeziehungen zu ersetzen.

Ist es nicht absurd, diesen beiden Klassen, diesen beiden Völker, diesen beiden Prinzipien mit demselben Hass zu begegnen, wo die eine der Menschheit ganz notwendig günstig gesonnen, die andere ihr feindlich gesonnen ist? Bei Strafe der blindesten und gröbsten Inkonsequenz müssen wir entweder dem englischen Volk oder der englischen Aristokratie die Hand reichen. Wenn die Freiheit, der Frieden, die Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht auf natürliche Entlohnung der Arbeit unser Prinzipien sind, müssen wir der Liga unsere Sympathie entgegenbringen; wenn wir dagegen glauben, dass der Raub, die Eroberung, das Monopol, der sukzessive Einfall in alle Regionen des Globus für ein Volk Elemente der Größe sind, die der normalen Entwicklung anderer Völker nicht entgegenstehen, dann müssen wir uns auf die Seite der englischen Aristokratie stellen.

Aber nochmals, der Gipfel der Absurdität, was uns zum Gespött der Nationen machen und uns später über unsere eigene Dummheit erröten lassen könnte, wäre an diesem Kampf zweier entgegengesetzter Prinzipien teilzunehmen und den Soldaten der beiden Lager denselben Hass und denselben Abscheu entgegenzubringen. Dieses Gefühl, was man merkwürdigerweise für den Nationalstolz hält, ist der Kindheitsstufe einer Gesellschaft würdig und konnte bisher durch die völlige Unkenntnis entschuldigt werden, in der wir selbst über die Tatsache des Kampfes gehalten wurden; aber darin zu verharren, wenn sie uns offenbart worden ist, hieße zugeben, dass wir weder Prinzipien, noch feste Ansichten und Ideen haben; es hieße auf alle Würde zu verzichten; das hieße der erstaunten Welt ins Gesicht zu sagen, dass wir keine Menschen mehr sind, dass es nicht mehr die Vernunft, sondern der blinde Instinkt ist, der unsere Handlungen und unsere Sympathien lenkt.

Wenn ich mir nicht darüber Illusionen mache, muss dieses Werk auch unter literarischem Gesichtspunkt von Interesse sein. Die Redner der Liga haben sich oft auf den höchsten Grad politischer Beredsamkeit erhoben, und dies war notwendig. Welche äußeren Umstände und Seelenzustände sind am geeignetsten, Redegewalt hervorzubringen? Etwa nicht ein großer Kampf, wo das individuelle Interesse des Redners vor der Unermesslichkeit des öffentlichen Interesses zurücktritt? Und welcher Kampf hätte diesen Charakter außer der, wo die heftigste Aristokratie mit der energischsten Demokratie der Welt mit den Waffen der Legalität, des Wortes und der Vernunft kämpft, die eine für ihre ungerechten und sekulären Privilegien, die andere für die heiligen Rechte der Arbeit, für den Frieden, die Freiheit und die Brüderlichkeit in der großen menschlichen Familie?

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Es folgen Bemerkungen über Idealismus im Gegensatz zu Parteigeist. Nur der Idealismus bringt wahrhaft große Redner hervor.
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Auch nützliche und praktische Lehren  müssen meiner Meinung nach aus der Lektüre dieses Buches hervorgehen. Ich möchte nicht von den ökonomischen Kenntnissen sprechen, die sie so gut verbreiten kann. Ich habe jetzt die konstitutionelle Taktik im Sinn, um zur Lösung einer großen nationalen Frage zu gelangen, mit anderen Worten, die Kunst der Agitation. Wir sind noch Anfänger in diesem Strategiegenre. Ich fürchte nicht, die nationale Eigenliebe zu verletzen, wenn ich sage, dass eine lange Erfahrung den Engländern die Kenntnis gegeben hat, die uns fehlt, die Mittel mit denen man ein Prinzip triumphieren lässt, nicht durch einen Tageskrawall, sondern durch einen sanften, geduldigen, hartnäckigen Kampf; durch tiefgehende Diskussion, durch die Erziehung der öffentlichen Meinung.

Es gibt Länder, wo, wer die Idee einer Reform hat, damit beginnt, die Regierung aufzufordern, sie zu verwirklichen, ohne sich darum zu kümmern, ob die Leute bereit sind, sie aufzunehmen. Die Regierung weigert sich und alles ist gesagt. In England wendet sich der Mann, der einen Gedanken hat, den er für nützlich hält an Mitbürger, die mit der gleichen Idee sympathisieren. Man vereinigt sich, man organisiert sich, man versucht, Leute zu bekehren, und dies ist bereits eine erste Anstrengung, bei der sich einige Träume und Utopien verflüchtigen. Wenn dann die Idee wertvoll ist, gewinnt sie Raum, sie dringt in alle gesellschaftlichen Nischen, sie verbreitet sich nach und nach.

Die entgegengesetzte Idee formt ihrerseits Vereinigungen, Widerstände. Das ist die Periode der öffentlichen, allgemeinen Diskussion, der Petitionen, der unaufhörlichen Bewegungen; man zählt die Stimmen des Parlaments, man misst den Fortschritt, man verfolgt ihn, indem man die Listen reinigt und wenn schließlich der Tag des Triumphes da ist, ist das Urteil des Parlamentes keine Revolution, es ist nur eine Bilanz des Geisteszustandes; die Reform des Gesetzes folgt der Reform der Ideen und man kann sicher sein, dass die Eroberung von dem Volk für immer sichergestellt ist.

Von diesem Gesichtspunkt aus, schien mir das Beispiel der Liga zu verdienen, uns zur Nachahmung vorgehalten zu werden. Man erlaube mir zu zitieren, was ein deutscher Reisender zu diesem Thema sagte.

In Manchester, sagte Herr J. G. Kohl, finden die ständigen Sitzungen des Komites der Liga statt. Ich verdankte es dem Wohlwollen eines Freundes in das geräumige Gebäude einzutreten, wo ich die Gelegenheit hatte, Dinge zu sehen und zu hören, dich mich äußerst überraschten. George Wilson und andere namhafte Chefs der Liga, die in dem Beratungszimmer versammelt waren, empfingen mich freimütig und freundlich, antworteten auf der Stelle auf alle meine Fragen und setzten mich über alle Details ihrer Operationen in Kenntnis. Ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, was in Deutschland mit Menschen geschähe, die mit solchem Talent und solcher Kühnheit dabei sind, die fundamentalen Gesetze des Staates anzugreifen. Längst stöhnten sie ohne Zweifel in dunklen Verließen statt frei und wagemutig bei hellem Tageslicht an ihrem großen Werk zu arbeiten. Ich fragte mich auch, ob solche Männer in Deutschland einen Fremden mit dieser Freimütigkeit und Herzlichkeit in ihre Geheimnisse einweihen würden.

Ich war überrascht, die Angehörigen der Liga, alles Privatleute, Händler, Fabrikanten, Literaten, wie Minister und Staatsmänner ein großes politisches Unternehmen führen zu sehen. Das Geschick in öffentlichen Angelegenheiten scheint eine angeborene Fähigkeit der Engländer zu sein. Während ich in dem Beratungszimmer war, wurde eine stattliche Zahl von Briefen hereingebracht, geöffnet, gelesen und ohne Unterbrechung oder Verzögerung beantwortet. Diese Briefe, die aus allen Gegenden des Königreiches zusammenströmten, behandelten die verschiedensten Dinge, die sich alle auf das Ziel der Vereinigung bezogen. Einige brachten Neuigkeiten von Bewegungen der Liga oder ihrer Gegner; denn das Ohr der Liga ist immer offen für Freunde und Feinde …

Über lokale Vereinigungen, die überall in England gegründet wurden, hat die Liga mittlerweile ihren Einfluss auf das ganze Land ausgeweitet und ist zu einer außerordentlichen Bedeutung gelangt. Ihre Feste, ihre Ausstellungen, ihre Bankette, ihre Treffen erscheinen wie große öffentliche Ereignisse … Jedes Mitglied das 50 l. beisteuert (1.250 fr.) hat Sitz und Stimme im Rat … Es gibt Arbeiterkomitees, um die Verbreitung ihrer Lehren unter den arbeitenden Klassen zu fördern; und Damenkomitees, um sich der Sympathie und Kooperation des schönen Geschlechtes zu versichern. Sie hat Professoren, Redner, die ständig durch das Land reisen, um das Feuer der Agitation in den Geist des Volkes zu sprühen. Diese Redner haben oft Konferenzen und öffentliche Diskussionen mit den Rednern der gegnerischen Partei, und es kommt fast immer so, dass diese besiegt vom Schlachtfeld weichen …

Die Angehörigen der Liga schreiben direkt an die Königin, an den Duc von Wellington, an Sir Robert Peel und andere hervorragende Männer, und verfehlen nicht, ihnen ihre Zeitungen und gelegentliche und immer wahrheitsgetreue Berichte ihrer Operationen zuzusenden. Manchmal entsenden sie zu den herausragendsten Männern der englischen Aristokratie eine Deputation, mit dem Auftrag, ihnen die härtesten Wahrheiten ins Gesicht zu werfen.

Man denkt sich wohl, dass die Liga die Macht des hundertarmigen Briareos, der Presse, nicht missachtet. Sie verbreitet nicht nur ihre Ansichten über Zeitungen, die ihr wohlwollen, sondern sie gibt auch selbst eine große Zahl periodischer Publikationen heraus, die ganz ihren Zielen gewidmet sind. Diese enthalten natürlich die Ergebnisse der Operationen, der Ausschreibungen, der Treffen, der Diskurse gegen das Protektionsregime, wiederholen zum tausendsten Mal, dass das Monopol gegen die Ordnung der Natur ist, und dass die Liga zum Ziel hat, das Gleichgewicht der Vorsehung herrschen zu lassen. — … Die Vereinigung für die Freiheit stützt sich vorallem auf diese kurzen und billigen Pamphlete, tracts genannt, die bevorzugte Waffe der englischen Polemik: mit diesen kurzen und populären Erörterungen zu zwei Sous aus der Feder von hervorragenden Schriftstellern wie Cobden und Bright, attackiert die Liga ständig die Öffentlichkeit und hält sie unter ständigem Beschuss. Sie verachtet auch noch sanftere Waffen nicht; Anschläge, Plakate, die Devisen enthalten, Gedanken, Sätze, Aphorismen, ernste und scherzhafte, philosophische oder satirische Verse, aber alle behandeln genau zwei Dinge: das Monopol und den Freihandel … Die Liga und die Antiliga haben ihr Schlachtfeld bis zu den Abc-Schützen erweitert, und sähen so die Diskussionselemente in den Geist der zukünftigen Generationen.

Alle Publikationen der Liga werden nicht nur geschrieben, sondern gedruckt, in Umschläge getan und in den Sälen des Manchester-Komites veröffentlicht. Ich durchquerte eine Vielzahl von Räumen, wo diese verschiedenen Tätigkeiten stattfanden, bis ich zu dem großen Lagerraum kam, wo Bücher, Zeitungen, Berichte, Tabellen, Pamphlete, Plakate wie Mousseline- oder Baumwollballen aufgeschichtet lagen. Schließlich erreichten wir den Erfrischungsraum, wo uns von eleganten Damen Tee serviert wurde. Gespräche entwickelten sich, etc …

[…]
Hier ergeht sich Bastiat in einigen philosophischen Bemerkungen über die Bestimmung der Frau in der Geschichte.
[…]

Bei dem Versuch einige Lehren anzugeben, die man aus der Lektüre dieses Buches ziehen kann, brauche ich nicht zu sagen, dass ich den Verdienst daran ausschließlich den Rednern zugestehe, deren Diskurse ich übersetze, denn was die Übersetzung angeht, so bin ich der Erste ihre äußerste Schwäche anzuerkennen; ich habe die Beredsamkeit von Cobden, Fox, George Thompsen verblassen lassen, ich habe versäumt, der französischen Öffentlichkeit andere große Redner der Liga bekannt zu machen, die Herren Moore, Villiers und den Colonel Thompson; ich habe den Fehler begangen, nicht aus den so reichlichen und so dramatischen Quellen der Parlamentsdebatten zu schöpfen; schließlich hätte ich unter den Massen von Material, die zu meiner Verfügung standen, eine geeignetere Wahl treffen können, um den Fortschritt der Agitation zu beschreiben. Für alle diese Mängel kann ich dem Leser nur eine Entschuldigung anbieten. Die Zeit und der Platz haben mir gefehlt, vorallem der Platz; denn wie hätte ich mehrere Bände wagen können, wo ich so sehr über das Schicksal des einen beunruhigt bin, den ich dem Urteil der Öffentlichkeit darbiete?

Ich hoffe zumindest, dass er einige Hoffnungen in den volkswirtschaftlichen Schulen weckt. Es gab eine Zeit, wo sie mit gutem Grund den Triumph ihres Prinzips in Kürze erwartete. Wenn auch im Volke noch so einige Vorurteile herrschten, die intellektuelle Klasse, diejenige, die sich mit dem Studium der moralischen und politischen Wissenschaften befasst, war davon fast befreit. Man war noch geteilter Meinung über Fragen der günstigen Gelegenheit, aber was die Lehre angeht, war die Autorität von Smith und Say unbestritten.

Seither sind zwanzig Jahre vergangen, und weit entfernt, dass die Volkswirtschaft Terrain gewonnen hätte, reicht es nicht, zu sagen, dass sie Terrain verloren hat, man könnte fast sagen, sie hat keines mehr, außer vielleicht den engen Raum, wo die Academie des sciences morales steht. In der Theorie haben die seltsamsten Hirngespinste, die apokalyptischsten Visionen, die bizarrsten Utopien die ganze neue Generation eingenommen. In der Anwendung ist das Monopol nur von Eroberung zu Eroberung geschritten. Das Kolonialsystem hat seine Basis erweitert; das Protektionssystem hat für die Arbeit künstliche Entlohnungen geschaffen, und das Allgemeininteresse ist zur Plünderung freigegeben; zu guter Letzt existiert die ökonomische Schule nur noch in sozusagen historischem Zustand und ihre Bücher werden nur noch wie historische Quellen studiert, die unserer Zeit die Gedanken einer Zeit erzählen, die nicht mehr ist.

Währenddessen ist eine kleine Zahl Männer dem Prinzip der Freiheit treu geblieben. Sie werden ihr noch treu sein, wenn sie sich in der vollkommensten Isolation befinden, denn die ökonomische Wahrheit offenbart sich der Seele mit einer Autorität, die der mathematischen Evidenz gleichkommt.

Aber sie verlieren zwar ihren Glauben in den endlichen Triumph der Wahrheit nicht, dennoch ist es unvermeidlich, dass sie bei dem Geisteszustand und dem Rückschritt der Lehre eine tiefe Entmutigung empfinden. Dieses Gefühl manifestiert sich in einem kürzlich veröffentlichten Buch, das sicherlich das Hauptwerk ist, dass die ökonomische Schule seit 1830 hervorgebracht hat. Ohne ein Prinzip zu opfern, sieht man in jeder Zeile, dass Herr Dunoyer die Verwirklichung einer fernen Zukunft anvertraut hat; es sei denn mangels Vernunft merzte eine harte Erfahrung die unheilvollen Vorurteile aus, die die Sonderinteressen mit solchem Geschick unterhalten und ausbeuten.

Unter diesen traurigen Umständen muss ich wohl hoffen, dass dies Buch trotz seiner Fehler, einigen Trost bieten wird, einige Hoffnungen wecken wird, Eifer und Hingabe im Herzen meiner politischen Freunde wiedererwecken wird, und ihnen zeigen wird, dass, wenn die Fackel der Wahrheit auch an einer Stelle verblichen ist, sie auf einen anderen Punkt einen unwiderstehlichen Strahl wirft; dass die Menschheit nicht zurückschreitet, sondern in Gigantenschritten nach vorne geht und dass die Zeit nicht weit ist, wo die Vereinigung und der Wohlstand der Völker auf eine unveränderliche Grundlage gestellt sein werden: Die freie und brüderliche Kommunikation der Menschen aller Gegenden, aller Klimata und aller Rassen.

Das Gesetz

Das Gesetz — pervertiert!

Das Gesetz — und mit ihm die Kollektivgewalt der Nation — das Gesetz, sage ich, nicht nur seinem Ziel entfremdet, sondern eingesetzt, ein ganz gegenteiliges Ziel zu verfolgen!
Das Gesetz als Instrument aller Begehrlichkeiten, anstatt ihr Zügel zu sein!
Das Gesetz selbst als Vollzieher der Ungerechtigkeit, welche zu bestrafen seine Aufgabe war!

Sicherlich ist dies ein schwerwiegender Tatbestand, wenn er besteht, weshalb es mir erlaubt sein muss, die Aufmerksamkeit meiner Mitbürger auf ihn zu richten.

Wir erhalten von Gott das Geschenk, das für uns alle anderen einschließt: das Leben — das körperliche, geistige und moralische Leben. Aber das Leben erhält sich nicht von selbst. Der es uns gegeben hat, hat uns die Sorge übertragen, es zu erhalten, weiterzuentwickeln, es zu vervollkommnen.

Dafür hat er uns mit vielen wunderbaren Fertigkeiten versehen; er hat uns in ein Umfeld verschiedenster Elemente gesetzt. Durch die Anwendung unserer Fertigkeiten auf diese Elemente ereignet sich das Phänomen der Aneignung, des Erwerbs, mit dem das Leben seinen ihm bestimmten Kreis durchläuft.

Existenz, Fertigkeiten, Erwerb — mit anderen Worten: Persönlichkeit, Freiheit, Eigentum. Sieh da: der Mensch.

Diese drei Dinge sind es, von denen wir fern aller Demagogie sagen können, dass sie aller menschlichen Gesetzgebung vorhergehen und darüber stehen.

Nicht weil die Menschen Gesetze erlassen haben, gibt es Persönlichkeit, Freiheit und Eigentum. Im Gegenteil, weil Persönlichkeit, Freiheit und Eigentum vorherbestehen, erlassen die Menschen Gesetze.

Was ist also das Gesetz? Wie ich es schon anderweitig gesagt habe, ist es die gemeinschaftliche Organisation des individuellen Rechtes auf legitime Verteidigung.

Jeder von uns hat sicher von Natur — von Gott — das Recht, seine Person zu verteidigen, seine Freiheit, sein Eigentum. Denn dies sind die drei grundlegenden oder bewahrenden Elemente des Lebens, Elemente, die einander ergänzen, und die man nicht von einander trennen kann. Denn was sind unsere Fertigkeiten, wenn nicht ein Ausdruck unserer individuellen Persönlichkeit, und was ist das Eigentum, wenn nicht ein Ausdruck unserer Fertigkeiten?

Wenn jeder Mensch das Recht hat, seine Person, seine Freiheit, sein Eigentum sogar mit Gewalt zu verteidigen, so haben mehrere Menschen das Recht, sich abzusprechen, sich zu verständigen, eine Kollektivgewalt zu bilden, um geregelt für diese Verteidigung zu sorgen.

Das kollektive Recht hat daher sein Prinzip, seine Daseinsberechtigung, seine Legitimation im individuellen Recht; und die Kollektivgewalt kann vernünftiger Weise kein anderes Ziel, keine andere Aufgabe haben, als die Einzelkräfte, die sie ersetzt.

Ebenso wie die Gewalt eines Individuums nicht legitim auf die Person, die Freiheit, das Eigentum eines anderen Individuums übergreifen kann, kann aus dem selben Grund die Kollektivgewalt nicht legitim angewendet werden, um die Person, die Freiheit, das Eigentum von Individuen oder Klassen zu zerstören.

Denn diese Perversion der Macht wäre, in dem einen wie dem anderen Fall, im Widerspruch mit unseren Prämissen. Wer wird zu sagen wagen, dass uns die Gewalt gegeben ist, nicht um unsere Rechte zu verteidigen, sondern um die gleichen Rechte unseren Brüdern zu verweigern? Und wenn dies für jede individuelle Gewalt, die isoliert handelt, nicht richtig ist, wie könnte es bei der Kollektivgewalt wahr sein, die nur die organisierte Vereinigung von Einzelkräften ist.

Wenn also etwas klar ist, dann das Folgende: Das Gesetz ist die Organisation des natürlichen Rechtes auf legitime Verteidigung, es ist die Ablösung der individuellen Gewalt durch eine Kollektivgewalt, um in dem Bereich zu handeln, wo die individuelle Gewalt das Recht hat zu handeln, um das zu tun, was jene tun darf, um Personen, Freiheit, Eigentum zu garantieren, um jedem sein Recht zu wahren, um zwischen allen die GERECHTIGKEIT herrschen zu lassen.

Und existierte ein Volk, das auf dieser Basis gegründet ist, dann scheint mir dort Ordnung zu herrschen, in Taten wie in Gedanken. Es scheint mir, dies Volk hätte die einfachste Regierung, die billigste, am wenigsten drückende, am wenigsten spürbare, am wenigsten verantwortliche, die gerechteste, und folglich stabilste, die man sich vorstellen kann, was auch immer im Übrigen ihre Staatsform wäre.

Denn unter einer solchen Herrschaft verstünde jeder wohl, dass er alle Möglichkeiten wie auch die ganze Verantwortung für seine Existenz trägt. Wenn nur die Person respektiert wäre, die Arbeit frei und die Früchte der Arbeit gegen jeden ungerechten Zugriff gesichert, hätte niemand mit dem Staat zu schaffen. Im Glück freilich hätten wir nicht ihm für unseren Erfolg zu danken, das ist wahr; aber im Unglück rechneten wir unser Scheitern ihm genauso wenig zu, wie unsere Bauern ihm den Hagel oder den Nachtfrost zuschreiben. Wir würden ihn nur für das unschätzbare Gut der SICHERHEIT kennen.

Es ist auch sichergestellt, dass sich — weil der Staat nicht in die privaten Angelegenheiten eingreift  — die Bedürfnisse und ihre Befriedigung in natürlicher Weise entwickeln. Arme Familien strebten keine literarische Unterrichtung an, bevor sie Brot haben. Die Stadt wüchse nicht auf Kosten des Landes oder das Land auf Kosten der Städte. Es gäbe nicht so große Fehlallokationen von Kapital, Arbeit und Bevölkerung, wie sie durch gesetzliche Maßnahmen hervorgerufen werden, Fehlleitungen, die selbst die lebensnotwendige Versorgung so unsicher, so heikel machen und dadurch die Regierungen mit so außerordentlich schwerer Verantwortung belasten.

Unglücklicherweise hat sich das Gesetz nicht auf seine Rolle beschränkt. Es hat sich davon nicht einmal nur in neutraler und diskutabler Absicht davon entfernt. Es hat Schlimmeres getan: Es hat seinem eigentlichen Zweck entgegen gehandelt; es hat sein eigentliches Ziel zerstört; es hat sich verwenden lassen, die Gerechtigkeit zu verweigern, die es zur Geltung bringen sollte, jene Grenze zwischen den Rechten auszulöschen, der es Respekt verschaffen sollte; es hat die Kollektivgewalt denen dienstbar gemacht, die ohne Risiko und ohne Skrupel die Person, die Freiheit oder das Eigentum der anderen ausbeuten wollen; es hat den Raub in Recht verwandelt, um ihn zu schützen, und die legitime Verteidigung in ein Verbrechen, um es zu bestrafen.

Wie hat sich diese Perversion des Gesetzes vollzogen? Was waren ihre Folgen?

Das Gesetz hat sich pervertiert aus zwei ganz verschiedenen Gründen: aus primitivem Egoismus und falscher Menschenliebe.

Reden wir von dem Ersten.

Sich zu erhalten, sich zu entwickeln, sind alle Menschen gleichermaßen bestrebt, so sehr dass, wenn nur jeder die freie Ausübung seiner Fertigkeiten und die freie Verfügung über ihre Produkte genösse, der soziale Fortschritt unaufhörlich wäre, ununterbrochen, unfehlbar.

Aber es gibt eine andere Neigung, die auch alle gleichermaßen haben. Dies ist, wenn möglich, auf Kosten anderer zu leben und weiterzukommen. Ich unterstelle dies nicht einfach mal so in vergrämter, pessimistischer Laune. Die Geschichte zeugt davon: mit unaufhörlichen Kriegen, Völkerwanderungen, kirchlicher Unterdrückung, allgemeiner Verbreitung der Sklaverei, industriellen Betrugsfällen und Monopolen; Dinge, von denen ihre Annalen voll sind.

Diese verhängnisvolle Neigung liegt in der Verfassung des Menschen selbst, in diesem Gefühl – primitiv, universell, unüberwindlich – das ihn zum Wohlbefinden drängt und den Schmerz meiden lässt.

Der Mensch kann nur leben und genießen durch beständige Aneignung, durch beständigen Erwerb, das heißt durch eine beständige Anwendung seiner Fertigkeiten auf die Dinge, anders gesagt durch Arbeit. Daher das Eigentum.

Jedoch kann er tatsächlich leben und genießen, indem er sich die Produkte der Fertigkeiten von seinesgleichen aneignet und sie für sich verwertet. Daher der Raub.

Nun, da die Arbeit an sich eine Qual ist, und der Mensch natürlich geneigt, die Qual zu meiden, so führt dies dazu – die Geschichte bezeugt es  — dass überall, wo der Raub weniger mühsam ist als die Arbeit, er auch Überhand nimmt; er nimmt Überhand, ohne dass Religion oder Moral ihn dann daran hindern könnten.

Wann also hört der Raub auf? Wenn er mühsamer, gefährlicher wird als die Arbeit.

Ganz offensichtlich war es Ziel des Gesetzes, dieser verhängnisvollen Neigung das mächtige Hindernis der Kollektivgewalt entgegenzusetzen; es sollte Partei nehmen für das Eigentum und gegen den Raub.

Aber das Gesetz wird meistens von einem Mann oder von einer Klasse von Menschen gemacht. Und weil das Gesetz nicht ohne Sanktion existiert, nicht ohne Sicherung durch eine überlegene Gewalt, kann es nicht ausbleiben, dass es diese Gewalt  schließlich in die Hände derer legt, die Gesetze erlassen.

Dieses unvermeidbare Phänomen, in Verbindung mit der verhängnisvollen Neigung, die wir im menschlichen Herzen aufgefunden haben, erklärt die fast allgemeine Perversion des Gesetzes. Anstatt ein Zügel für die Ungerechtigkeit zu sein wird es zu einem Instrument und dem unbezwingbarsten Instrument der Ungerechtigkeit. Offenbar zerstört es – je nach Macht des Gesetzgebers – zu dessen Vorteil den übrigen Menschen in unterschiedlichem Grade die Persönlichkeit durch Sklaverei, die Freiheit durch Unterdrückung, das Eigentum durch Raub.

Es liegt in der Natur der Menschen, sich gegen die Ungerechtigkeit zu wehren, deren Opfer sie sind. Solange daher die Ausbeutung durch das Gesetz zum Vorteil der Klassen, die es erlassen, organisiert ist, neigen alle ausgebeuteten Klassen dazu auf friedlichem oder revolutionärem Wege auch ein bißchen auf die Gestaltung des Gesetzes Einfluss zu nehmen. Diese Klassen können, je nach dem Grad der Aufklärung, zu dem sie gelangt sind, sich zwei ganz verschiedene Ziele setzen, wenn sie die Eroberung ihrer politischen Rechte verfolgen: Entweder wollen sie den legalen Raub aufhören lassen oder sie wollen daran teilnehmen.

Unglück, dreimal Unglück für die Nationen, wo dieser letztere Gedanke unter den Massen vorherrscht, wenn sie sich ihrerseits der legislativen Macht bemächtigen!

Bis jetzt hat sich der legale Raub von der kleinen Zahl gegen die große Zahl manifestiert, wie man es bei Völkern sieht, wo das Recht Gesetz zu geben in wenigen Händen konzentriert ist. Doch nun liegt dieses Recht bei allen, und wir suchen das Gleichgewicht in dem allgemeinen Raub. Anstatt auszumerzen, was die Gesellschaft an Ungerechtigkeit enthielt, verallgemeinern wir sie. Sobald die enterbten Klassen ihre politischen Rechte entdeckten, war der erste Gedanke, der sie ergriff, nicht, sich von dem Raub zu befreien (das setzte bei ihnen Einsicht voraus, die sie nicht haben konnten), sondern vielmehr gegen die anderen Klassen und zu ihrem eigenen Nachteil ein System von Repressalien zu organisieren, – als müsste bevor das Reich der Gerechtigkeit kommt, alle eine grausame Vergeltung treffen, die einen wegen ihrer Ungerechtigkeit, die anderen wegen ihrer Unwissenheit.

Es konnte also in der Gesellschaft keine größere Veränderung und kein größeres Unglück aufkommen als dieses: Die Wandlung des Gesetzes in ein Instrument des Raubes.

Was sind die Auswirkungen einer solchen Verwirrung? Es bräuchte Bände, um sie alle zu beschreiben. Geben wir uns zufrieden, die brennendsten zu nennen.

Die erste ist, dass die Menschen den Sinn für Recht und Unrecht verlieren.

Keine Gesellschaft kann existieren, wenn dort nicht in gewissem Grade Respekt vor den Gesetzen herrscht. Aber am sichersten werden die Gesetze respektiert, wenn sie respektabel sind. Wenn Gesetz und Moral einander widersprechen, findet sich der Bürger vor der grausamen Wahl, entweder das Gefühl für Moral zu verlieren oder den Respekt vor dem Gesetz, zwei gleich große Übel, das eine wie das andere, zwischen denen schwer zu wählen ist.

Es liegt so sehr in der Natur des Gesetzes, die Gerechtigkeit herrschen zu lassen, dass Gesetz und Gerechtigkeit im Denken der Massen eins sind. Wir sind alle entschieden geneigt, was legal ist für legitim zu halten, bis zu dem Punkt, dass viele fälschlich alle Gerechtigkeit vom Gesetz ableiten. Es reicht also, dass das Gesetz den Raub anordnet und heiligt, um den Raub für viele Gewissen gerecht und geheiligt erscheinen zu lassen. Die Sklaverei, die Einfuhrschranken, das Monopol finden nicht nur unter denen Verteidiger, die davon profitieren, sondern ebenso unter denen, die darunter leiden. Versuchen Sie, irgendwelche Zweifel an der Moralität dieser Einrichtungen vorzutragen! Sie sind, werden sie sagen, ein gefährlicher Neuerer, ein Utopist, ein Theoretiker, ein Verächter der Gesetze. Sie erschüttern den Grund, auf dem die Gesellschaft ruht. Halten Sie eine Vorlesung über Moral oder Wirtschaftspolitik? Dann werden sich öffentliche Körperschaften finden, die der Regierung folgende Petition zukommen lassen:

Dass die Wissenschaft künftig nicht mehr unter dem alleinigen Gesichtspunkt des Freihandels (der Freiheit, des Eigentums, der Gerechtigkeit) gelehrt werde, wie dies bisher geschah, sondern auch und vor allem unter dem Gesichtspunkt der Tatsachen und der Gesetzgebung (im Widerspruch zu Freiheit, Eigentum, Gerechtigkeit), die die französische Industrie regeln.

Dass auf öffentlichen Lehrstühlen, die aus dem Staatshaushalt bezahlt werden, Professoren ganz und gar unterlassen, den geringsten Angriff gegen den Respekt vor den geltenden Gesetzen zu unternehmen.

So dass, existierte ein Gesetz, das die Sklaverei sanktioniert oder das Monopol, die Unterdrückung oder den Raub irgendeiner Art, es nicht einmal erlaubt wäre, davon zu sprechen. Denn wie davon sprechen, ohne den Respekt zu erschüttern, den es einflößt? Noch mehr, Moral und  Wirtschaftspolitik müssten unter dem Gesichtspunkt dieses Gesetzes gelehrt werden, das heißt unter der falschen Voraussetzung, dass es dadurch allein gerecht ist, dass es Gesetz ist.

Eine andere Wirkung dieser bedauerlichen Perversion des Gesetzes ist es, den politischen Leidenschaften und Kämpfen und allgemein der Politik im eigentlichen Sinne eine übertriebene Bedeutung zu geben.

Ich könnte diese Behauptung auf tausenderlei Weise beweisen. Ich beschränke mich beispielhaft darauf, sie durch ein Thema nahezubringen, das kürzlich alle Geister bewegt hat: Das allgemeine Wahlrecht.

Was auch immer die Zöglinge der Schule Rousseaus, die für sehr fortschrittlich gelten und die ich für zwanzig Jahrhunderte zurück halte, darüber denken mögen, das allgemeine Wahlrecht (dies Wort in seiner rigorosen Bedeutung) ist nicht eines jener heiligen Dogmen, bei denen Prüfung oder Zweifel bereits Verbrechen sind.

Man kann ernste Bedenken dagegen vorbringen:

Zunächst beinhaltet das Wort allgemein einen groben Sophismus. Frankreich hat 36 Millionen Einwohner. Damit das Wahlrecht allgemein wäre, müsste es 36 Millionen Wählern zuerkannt werden. In dem ausgeweitetsten System erkennt man es nur 9 Millionen zu. Drei von vier Personen sind also ausgeschlossen und — mehr noch — von diesem letzten Viertel ausgeschlossen worden. Auf welchem Prinzip beruht dieser Ausschluss? Auf dem Prinzip der mangelnden Eignung. Allgemeines Wahlrecht heißt: allgemeines Wahlrecht für die Befähigten. Es bleiben folgende Fragen zur Sache: Wer sind die Befähigten? Das Alter, das Geschlecht, gerichtliche Verurteilungen, sind das die einzigen Anzeichen für mangelnde Eignung?

Bei näherer Betrachtung erkennt man leicht, warum das Wahlrecht Befähigung voraussetzt; worin sich das allgemeinste System von dem eingeschränktesten nur in den Merkmalen unterscheidet, an denen man diese Befähigung erkennen kann — was keinen Unterschied im Prinzip darstellt, sondern nur in der Ausprägung.

Der Grund ist, dass der Wähler nicht für sich, sondern für alle wählt.

Wenn, wie es die Republikaner griechischer und römischer Färbung vorgeben, uns das Wahlrecht mit dem Leben gegeben wäre, wäre es ungerecht von den Männern, Frauen und Kinder vom wählen auszuschließen. Warum schließt man sie aus? Weil sie für unfähig gelten. Und warum ist Unfähigkeit ein Motiv für den Ausschluss? Weil der Wähler bei seiner Wahl nicht nur für sich selbst Verantwortung trägt; weil jede Wahl die Gesellschaft im Ganzen berührt und bewegt; weil die Gesellschaft sehr wohl das Recht hat, gewisse Garantien zu fordern, wenn es um Handlungen geht, von denen ihr Wohlergehen und ihre Existenz abhängen.

Ich weiß, was man antworten kann. Ich weiß auch, was man darauf entgegnen könnte. Hier ist nicht der Ort, eine solche Auseinandersetzung auszutragen. Was ich aufzeigen möchte, ist, dass diese ganze Auseinandersetzung (so gut wie die meisten politischen Fragen), die die Völker bewegt, aufrührt und beunruhigt, fast ganz unwichtig würde, wenn das Gesetz stets das gewesen wäre, was es sein sollte.

In der Tat, wenn sich das Gesetz darauf beschränkte, allen Personen, allen Freiheiten, allen Besitztümern Respekt zu verschaffen, wenn es nur die Organisation des individuellen Rechtes auf legitime Verteidigung, die Schranke, der Zügel, die Züchtigung gegen alle Unterdrückungen wäre, gegen allen Raub, würden wir dann wohl unter Bürgern viel über mehr oder weniger allgemeines Wahlrecht diskutieren? Würde dies wohl das höchste Gut, den öffentlichen Frieden, in Frage stellen? Würden die ausgeschlossenen Klassen etwa nicht friedlich warten, bis sie an der Reihe sind? Würden die zugelassenen Klassen wohl sehr eifersüchtig auf ihr Privileg sein? Und ist es nicht klar, dass, wo doch das Interesse identisch und gemeinsam ist, die einen ohne große Verstimmungen für die anderen handeln würden?

Aber lassen Sie nur erst dies verhängnisvolle Prinzip sich einbürgern, dass das Gesetz — unter dem Vorwand der Organisation, der Regulierung, des Schutzes, der Förderung — von den einen nehmen kann, um anderen zu geben, aus dem von allen Klassen erworbenen Vermögen schöpfen kann, um das einer Klasse zu mehren; einmal das Vermögen der Bauern, einmal das der Handwerker, der Kaufleute, der Reeder, der Künstler, der Schauspieler! — Oh sicher, dann gibt es keine Klasse, die nicht mit Recht fordert, auch ihrerseits Hand an das Gesetz zu legen; die nicht mit Eifer ihr passives und aktives Wahlrecht fordert; eher die Gesellschaft umstürzt, als es nicht zu erhalten. Die Bettler und Vagabunden selbst werden uns beweisen, dass sie unanfechtbare Titel haben. Sie werden Ihnen sagen:

Wir kaufen niemals Wein, Tabak, Salz, ohne Steuer zu zahlen, und ein Teil dieser Steuer wird gesetzlich in Prämien, in Subventionen Leuten gegeben, die reicher sind als wir. Anderen dient das Gesetz dazu, den Brotpreis künstlich zu erhöhen, oder den für Fleisch, für Eisen, für Tuch. Da jeder das Gesetz zu seinem Nutzen ausbeutet, wollen wir es auch ausbeuten. Wir wollen das Recht auf Fürsorge aus ihm hervorgehen lassen, das ist die Beteiligung der Armen am Raub. Dafür müssen wir Wähler und Gesetzgeber sein, damit wir im Großen das Almosen für unsere Klasse organisieren, wie Ihr im Großen die Protektion für Eure organisiert habt. Sagt uns nicht, dass ihr uns unser Teil gebt, dass ihr uns, nach dem Antrag von Herrn Mimerel, eine Summe von 600 000 Franc auswerft, um uns zum Schweigen zu bringen — wie einen Knochen zum nagen. Wir haben anderen Ehrgeiz, und jedenfalls wollen wir für uns schachern wie die anderen Klassen für sich geschachert haben!

Was kann man auf dies Argument entgegnen? Ja, solange es prinzipiell anerkannt ist, dass das Gesetz von seiner wahren Aufgabe abgewendet werden kann, dass es Eigentum verletzen kann, anstatt es zu beschützen, wird jede Klasse das Gesetz machen wollen, sei es, um sich vor Ausbeutung zu schützen, sei es um sie ebenfalls zu ihrem Nutzen zu organisieren. Die politische Frage wird dann immer voller Vorurteil alles beherrschen und vereinnahmen. Mit einem Wort, man wird sich am Tor des Parlaments schlagen. Drinnen wird der Kampf wird nicht weniger heftig sein. Um sich davon zu überzeugen, braucht man nicht einmal zu sehen, was sich in den Parlamenten in Frankreich und England abspielt. Man muss nur wissen, was in Frage steht.

Muss man noch beweisen, dass diese hässliche Perversion des Gesetzes ständig zu Hass und Zwietracht führt, die bis zur gesellschaftlichen Zerrüttung gehen können? Werfen wir einen Blick auf die Vereinigten Staaten. Dies ist das Land auf der Welt, wo das Gesetz am ehesten in seiner Rolle bleibt, jedem seine Freiheit und sein Eigentum zu garantieren. Es ist auch das Land der Welt, wo die gesellschaftliche Ordnung auf dem festesten Grund zu stehen scheint. Allerdings gibt es selbst in den Vereinigten Staaten zwei Fragen, und nur diese beiden, die seit Anbeginn mehrmals die politische Ordnung in Gefahr gebracht haben. Und was sind diese beiden Fragen? Die Sklaverei- und die Zollfrage, will sagen, genau die beiden einzigen Fragen, wo — entgegen dem allgemeinen Geist dieser Republik — das Gesetz räuberischen Charakter angenommen hat. Die Sklaverei ist eine durch das Gesetz sanktionierte Verletzung des Rechtes der Person. Der Schutzzoll ist eine vom Gesetz begangene Verletzung des Rechtes auf Eigentum. Und sicherlich ist sehr bemerkenswert, dass inmitten so vieler anderer Debatten, diese zweifache gesetzliche Plage, trauriges Erbe der alten Welt, das einzige ist, was den Bruch der Union herbeiführen kann und vielleicht herbeiführen wird. 1 Tatsächlich ist in einer Gesellschaft nichts Bedenklicheres vorstellbar als dieses: Dass das Gesetz ein Instrument der Ungerechtigkeit geworden ist. Und wenn dies so fürchterliche Folgen in den Vereinigten Staaten hat, wo es nur eine Ausnahme ist, was muss es in unserem Europa hervorbringen, wo es ein Prinzip, ein System ist?

Herr de Montalembert eignete sich den Gedanken einer berühmten Proklamation von Herrn Carlier an und sagte: Dem Sozialismus muss der Krieg erklärt werden. Und mit Sozialismus, muss man annehmen, bezeichnete er nach der Definition von Herrn Charles Dupin den Raub.

Aber von welchem Raub wollte er sprechen? Denn es gibt zwei Sorten von Raub. Es gibt den außergesetzlichen und den gesetzlichen Raub.

Den außergesetzlichen Raub, den man Diebstahl, Betrug nennt, denjenigen, der im Strafgesetzbuch erklärt und vorgesehen ist und bestraft wird, wahrlich, den kann man wohl nicht mit dem Namen Sozialismus schmücken. Dieser ist es nicht, der die Gesellschaft systematisch in ihren Grundfesten bedroht. Übrigens hat der Krieg gegen diese Art Raub nicht auf das Signal von Herrn de Montalembert oder Herrn Carlier gewartet. Er wird seit Anbeginn der Welt geführt; lange Zeit vor der Februarrevolution, lange Zeit vor dem Erscheinen des Sozialismus, hat Frankreich für ihn einen Apparat von Gerichten, Polizei, Gendarmerie, Gefängnissen, Zuchthäusern und Schafotts vorgesehen. Es ist das Gesetz selbst, das diesen Kampf führt, und nach meiner Meinung wäre wünschenswert, dass das Gesetz immer bei dieser Haltung gegenüber dem Raub bliebe.

Aber dem ist nicht so. Das Gesetz ergreift manchmal Partei für ihn. Manchmal vollzieht es ihn mit eigenen Händen, um dem Nutznießer die Scham, die Gefahr und den Skrupel zu ersparen. Manchmal macht es diesen ganzen Apparat von Gerichten, Polizei, Gendarmerie und Gefängnissen dem Räuber zu Diensten und behandelt den Beraubten, der sich verteidigt, als Verbrecher. Mit einem Wort, es gibt den gesetzmäßigen Raub, und von diesem spricht ohne Zweifel Herr de Montalembert.

Diese Art Raub kann in der Gesetzgebung eines Volkes ein vereinzelter Fehltritt sein. In diesem Falle ist das Beste, diesen ohne viel Aufhebens und Gejammer trotz der Klagen der Interessierten schnellstmöglich zu beseitigen. Wie erkennt man ihn? Das ist ganz einfach. Überprüfe, ob das Gesetz den einen nimmt, was ihnen gehört, um anderen zu geben, was ihnen nicht gehört. Überprüfe, ob das Gesetz zum Nutzen eines Bürgers und zum Schaden der anderen eine Handlung vornimmt, die der Bürger selbst nicht ohne Verbrechen vornehmen könnte. Beeilen Sie sich, dies Gesetz abzuschaffen. Es ist nicht nur eine Ungerechtigkeit, es ist eine ergiebige Quelle von Ungerechtigkeiten. Denn es ruft Repressalien hervor, und wenn Sie nicht aufpassen, wird sich die Ausnahme ausweiten, sich vervielfältigen und systematisch werden. Ohne Zweifel wird der Nutznießer laut schreien; er wird sich auf erworbene Rechte berufen. Er wird sagen, dass der Staat seiner Industrie Schutz und Förderung schuldet; er wird argumentieren, es sei gut, wenn der Staat ihn reicher macht, weil er, wenn er reicher ist, mehr ausgibt und so einen Regen von Löhnen über die armen Arbeiter strömen lässt. Hüten Sie sich, diesen Sophisten anzuhören, denn genau durch die Systematisierung dieser Argumente systematisiert sich der legale Raub.

Dies ist geschehen. Es ist die Chimäre des Tages, alle Klassen auf Kosten der anderen Klassen reicher zu machen; das heißt, den Raub allgemein zu machen, unter dem Vorwand, ihn zu organisieren. Der gesetzmäßige Raub kann sich nun auf unendlich viele Weisen vollziehen. Daher die unendliche Vielzahl von Organisationsplänen: Zölle, Protektion, Prämien, Subventionen, Förderungen, progressive Steuern, kostenloser Unterricht, Recht auf Arbeit, Recht auf Gewinn, Recht auf Lohn, Recht auf Unterstützung, Recht auf Arbeitsmittel, kostenloser Kredit, etc. Und es ist die Gesamtheit all dieser Pläne, in dem, worin sie übereinstimmen — dem gesetzmäßigen Raub — die Sozialismus heißt.

Wo nun der Sozialismus, so definiert, ein ideologisches Gebäude ist, welchen Krieg wollen Sie gegen ihn führen, wenn nicht einen ideologischen Krieg? Sie finden diese Ideologie falsch, absurd, abscheulich. Widerlegen Sie sie. Das wird Ihnen um so leichter fallen, um so falscher, absurder, abscheulicher sie ist. Vor allem, wenn Sie stark sein wollen, beginnen Sie damit, aus Ihrer Gesetzgebung all das auszumerzen, was sich dort an Sozialismus einschleichen konnte — und das ist keine geringe Aufgabe. Herrn de Montalembert wurde vorgeworfen, gegen den Sozialismus brutale Gewalt anwenden zu wollen. Von diesem Vorwurf muss man ihn entlasten, denn er hat wörtlich gesagt: Gegen den Sozialismus müssen wir Krieg führen, im Einklang mit dem Gesetz, der Ehre und der Gerechtigkeit.

Aber warum merkt Herr de Montalembert nicht, dass er sich in einem Teufelskreis befindet? Sie wollen dem Sozialismus das Gesetz entgegensetzen? Aber gerade der Sozialismus beruft sich auf das Gesetz. Er erstrebt nicht den außergesetzlichen sondern den gesetzlichen Raub. Es ist das Gesetz selbst, das er, wie die Monopolisten aller Art, gebrauchen möchte; und wenn er einmal das Gesetz für sich hat, wie wollen Sie das Gesetz gegen ihn wenden? Wie wollen sie es unter den Zugriff Ihrer Tribunale, Ihrer Gendarmen, Ihrer Gefängnisse stellen?

Außerdem, was machen Sie? Sie wollen ihn hindern, Hand an die Gestaltung der Gesetze zu legen. Sie wollen ihn aus dem Parlament heraushalten. Sie werden keinen Erfolg haben, das wage ich Ihnen vorherzusagen, solange drinnen Gesetze nach dem Prinzip des gesetzmäßigen Raubs verabschiedet werden. Das ist zu ungerecht, zu absurd.

Diese Frage des gesetzmäßigen Raubes muss unbedingt gelöst werden. Und es gibt dabei nur drei Lösungen:

  • dass die kleine Zahl die große Zahl beraubt,
  • dass jedermann jedermann beraubt,
  • dass niemand jemanden beraubt.

Partieller Raub, allgemeiner Raub, kein Raub, dazwischen man muss wählen. Das Gesetz kann nur eines dieser drei Ergebnisse verfolgen.

Partieller Raub — das ist das System, das vorwog, solange das Wahlrecht partiell war, das System, zu dem wir zurückkehren, um das Eindringen des Sozialismus zu verhindern.

Allgemeiner Raub — das ist das System von dem wir bedroht waren, seit das Wahlrecht allgemein geworden ist, als die Masse die Idee erfasst hatte, Gesetz zu geben nach dem Prinzip der Gesetzgeber, die ihr vorausgegangen waren.

Kein Raub — dies ist das Prinzip der Gerechtigkeit, des Friedens, der Ordnung, der Stabilität, der Versöhnung, der Vernunft, das ich mit aller — leider! ganz unzureichenden — Kraft meiner Lungen verkünden werde bis zu meinem letzten Atemzug.

Und ernsthaft, kann man von dem Gesetz etwas anderes fordern? Kann das Gesetz, das als notwendige Sanktion die Gewalt hat, vernünftigerweise zu etwas anderem in Anspruch genommen werden, als jedem sein Recht zu wahren? Ich bestreite, dass es aus diesem Zirkel entkommen kann, ohne dass man es verdreht und folglich die Gewalt gegen das Recht wendet. Und wie dies das Verhängnisvollste ist, die unlogischste gesellschaftliche Verwirrung, die man sich vorstellen kann, muss man wohl erkennen, dass die wahre viel gesuchte Lösung des sozialen Problems in die einfachen Worten zu fassen ist: DAS GESETZ IST DIE ORGANISIERTE GERECHTIGKEIT.

Nun merke wohl: Die Gerechtigkeit durch das Gesetz zu organisieren, das heißt durch Gewalt, schließt die Idee aus, durch das Gesetz oder mit Gewalt eine wie auch immer geartete inhaltliche Ausprägung menschlicher Aktivität zu organisieren: Arbeit, Wohltätigkeit, Landwirtschaft, Wirtschaft, Industrie, Bildung, Kultur, Religion. Denn eine solche nachgeordnete Organisation müsste notwendig die vorrangige Organisation zerstören. Wie kann Gewalt in die Freiheit der Bürger eingreifen, ohne einen Schlag gegen die Gerechtigkeit zu führen, ohne gegen ihr eigentliches Ziel zu handeln?

Hier stoße ich mich am populärsten Vorurteil unserer Zeit. Wir wollen nicht nur, dass das Gesetz gerecht ist; wir wollen auch noch, dass es philanthropisch ist. Wir geben uns nicht damit zufrieden, dass es jedem Bürger die freie und friedfertige Ausübung seiner Fertigkeiten garantiert, zu seiner körperlichen, geistigen und moralischen Entwicklung. Wir verlangen von ihm, dass es direkt Wohlergehen, Bildung und Moral über die Nation verbreitet. Dies ist die verführerische Seite des Sozialismus.

Aber, ich wiederhole es, diese zwei Aufgaben des Gesetzes widersprechen sich. Wir müssen uns entscheiden. Der Bürger kann nicht gleichzeitig frei sein und es nicht sein. Herr von Lamartine schrieb mir einmal: Ihre Lehre ist nur die Hälfte meines Programms; Sie sind bei der Freiheit stehengeblieben, ich bei der Brüderlichkeit. Ich habe ihm geantwortet: Die zweite Hälfte Ihres Programms zerstört die erste. Und in der Tat, es ist mir vollkommen unmöglich, das Wort Brüderlichkeit von dem Wort freiwillig zu trennen. Es ist mir vollkommen unmöglich, eine Brüderlichkeit zu begreifen, die gesetzlich erzwungen ist, ohne dass die Freiheit gesetzlich zerstört wird und die Gerechtigkeit gesetzlich mit Füßen getreten wird.

Der legale Raub hat zwei Wurzeln: Die eine, wie wir gerade gesehen haben, liegt im menschlichen Egoismus. Die andere liegt in der falschen Philanthropie.

Bevor ich fortfahre, muss ich wohl das Wort Raub erläutern.

Ich gebrauche es nicht, wie es oft geschieht, in einer vagen, unbestimmten, angenäherten, metaphorischen Bedeutung: Ich bediene mich seiner in einem gänzlich wissenschaftlichen Sinne, um die entgegengesetzte Idee zu der des Eigentums auszudrücken. Wenn ein Anteil der Reichtümer von demjenigen, der sie erworben hat, ohne seine Zustimmung und ohne Entschädigung zu dem wechselt, der sie nicht erzeugt hat, sei es mit Gewalt oder List, sage ich, es handele sich um einen Angriff auf das Eigentum, es handele sich um Raub. Ich sage, dass das Gesetz gerade dies immer und überall unterdrücken müsse. Und wenn das Gesetz selbst die Handlung vollzieht, die es unterdrücken müsste, sage ich, dass es sich nicht weniger um Raub handele, ja sogar, gesellschaftlich gesprochen, unter erschwerenden Umständen. Nur ist in diesem Fall nicht der, der von dem Raub profitiert, dafür verantwortlich, sondern das Gesetz, der Gesetzgeber, die Gesellschaft, und dies macht es zur politischen Gefahr.

Es ist bedauerlich, dass dies Wort etwas Verletzendes hat. Ich habe vergeblich ein anderes gesucht, denn nie und heute weniger denn je, wollte ich in unsere Auseinandersetzungen ein polarisierendes Schlagwort werfen. So erkläre ich, ob man es glaubt oder nicht, dass ich nicht die Absichten oder die Moral von irgend jemand in Frage stellen will. Ich greife eine Idee an, die ich für falsch halte, ein System, dass mir ungerecht scheint, und dies so ohne jede Absicht, dass jeder von uns davon Vorteil hat, ohne es zu wollen und darunter leidet, ohne es zu wissen. Nur unter dem Einfluss von Parteigeist oder von Furcht kann die Aufrichtigkeit von Protektionismus, Sozialismus oder sogar dem Kommunismus in Zweifel gezogen werden, die nur eine und dieselbe Pflanze sind, in drei verschiedenen Wachstumsphasen. Alles was man sagen könnte ist, dass der Raub im Protektionismus am sichtbarsten ist durch seine Parteilichkeit, im Kommunismus durch seine Universalität; daraus folgt, dass von den drei Systemen der Sozialismus noch das vageste, das unentschiedenste, und folglich das aufrichtigste ist.

Wie dem auch sei, wenn wir zu dem Schluss kommen, dass der legale Raub eine seiner Wurzeln in der fehlgeleiteten Philanthropie hat, stellt man offensichtlich die Absichten außer Frage.

Untersuchen wir nun, was dieses populäre Streben wert ist, woher es kommt und wohin es führt, das vorgibt, das allgemeine Wohl durch den allgemeinen Raub zu verwirklichen.

Die Sozialisten sagen uns: Wo doch das Gesetz die Gerechtigkeit organisiert, warum soll es nicht die Arbeit, die Bildung, die Religion organisieren?

Warum? Weil es die Arbeit, die Bildung, die Religion nicht zu organisieren wüsste, ohne die Organisation der Gerechtigkeit fallenzulassen.

Bemerken Sie doch, dass das Gesetz die Gewalt ist, und dass folglich der Bereich des Gesetzes nicht rechtmäßig den rechtmäßigen Bereich der Gewalt überschreiten darf.

Wenn Gesetz und Gewalt einen Menschen in den Grenzen der Gerechtigkeit halten, wird ihm nur eine reine Negation auferlegt. Er muss nur darauf verzichten zu schaden. Sie greifen weder seine Persönlichkeit, noch seine Freiheit, noch sein Eigentum an. Sie sichern nur Persönlichkeit, Freiheit und Eigentum des anderen. Sie beschränken sich auf die Verteidigung; sie verteidigen das gleiche Recht von allen. Sie erfüllen eine Aufgabe, deren Harmlosigkeit offensichtlich ist, deren Nützlichkeit unmittelbar, und deren Legitimität unbestritten.

Dies ist so wahr — darauf wies mich einer meiner Freunde hin —, dass wenn jemand sagt, das Ziel des Gesetzes sei, die Gerechtigkeit regieren zu lassen, er sich streng genommen nicht richtig ausdrückt. Es müsste heißen: Das Ziel des Gesetzes ist, die Ungerechtigkeit daran zu hindern zu regieren. In der Tat, nicht die Gerechtigkeit existiert eigentlich, sondern die Ungerechtigkeit. Die eine entsteht aus der Abwesenheit der anderen.

Aber wenn das Gesetz — mittels seines notwendigen Handlangers, der Gewalt — eine Art der Arbeit aufzwingt, eine Methode oder einen Inhalt der Bildung, einen Glauben oder einen Kult, dann nimmt es nicht mehr negativ sondern positiv Einfluss auf die Menschen. Es setzt den Willen des Gesetzgebers an die Stelle ihres eigenen Willens, die Initiative des Gesetzgebers an die Stelle ihrer eigenen Initiative. Sie müssen nicht mehr beraten, vergleichen, vorhersehen; das Gesetz macht all dies für sie. Die Intelligenz wird für sie ein unnützes Inventar. Sie hören auf, Menschen zu sein. Sie verlieren ihre Persönlichkeit, ihre Freiheit, ihr Eigentum.

Versuchen Sie, sich eine Form der Arbeit vorzustellen, die mit Gewalt auferlegt wird und kein Angriff auf die Freiheit ist; eine Umverteilung von Vermögen, die mit Gewalt auferlegt wird, und kein Angriff auf das Eigentum ist. Wenn Ihnen das nicht gelingt, geben Sie zu, dass das Gesetz nicht Arbeit und Industrie organisieren kann, ohne Ungerechtigkeit zu organisieren.

Wenn ein Publizist aus der Abgeschlossenheit seines Stübchens seine Blicke über die Gesellschaft schweifen lässt, ist er erschüttert von der Ungleichheit, die sich ihm darbietet. Er seufzt über die Leiden, die das Los so vieler unserer Brüder sind, Leiden, deren Anblick noch trauriger wird durch den Kontrast mit Luxus und Überfluss.

Er müsste sich vielleicht fragen, ob ein solcher gesellschaftlicher Zustand nicht historischen Raub durch Eroberung zur Ursache hat und neuen Raub über die Vermittlung der Gesetze. Er müsste sich fragen, ob — mit dem Streben aller Menschen nach Wohlergehen und Vervollkommnung — die Herrschaft der Gerechtigkeit nicht genügt, um den größten Fortschritt und die größte Gleichheit zu verwirklichen, die mit jener individuellen Verantwortung verträglich ist, die Gott als gerechten Lohn für Tugend und Laster gesetzt hat.

Er denkt nicht einmal daran. Sein Denken richtet sich auf gesetzliche oder künstliche Kombinationen, Arrangements, Organisationen. Er sucht das Heilmittel in der Verewigung und Übertreibung dessen, was das Übel erzeugt hat.

Denn gibt es abseits der Gerechtigkeit — die, wie wir gesehen haben, nur eine wahrhafte Negation ist — eine gesetzliche Regelung, die nicht das Prinzip des Raubes einschlösse?

Sie sagen: Da sind Arme, — und Sie wenden sich an das Gesetz. Aber das Gesetz ist keine Brust, die sich von selbst füllt, oder deren Milchdrüsen sich anderswo als in der Gesellschaft füllen. Es fließt nichts in den Staatshaushalt, zu Gunsten eines Bürgers oder einer Klasse, als was andere Bürger und andere Klassen gezwungen waren dort hineinzugeben. Wenn jeder nur das Äquivalent dessen entzöge, was er hineingetan hat, dann ist Ihr Gesetz freilich nicht räuberisch, aber es tut nichts für die Armen, es tut nichts für die Gleichheit. Es kann nur insoweit Instrument der Gleichstellung sein, als es den einen nimmt, um anderen zu geben, und dann ist es ein Instrument des Raubes. Untersuchen Sie aus diesem Blickwinkel Schutzzoll, Förderungsprämien, Recht auf Gewinn, Recht auf Arbeit, Recht auf Unterstützung, Recht auf Bildung, progressive Steuer, Gratiskredit, Genossenschaftswerkstätten, immer werden Sie auf dem Grund den legalen Raub finden, die organisierte Ungerechtigkeit.

Sie sagen: Da sind Menschen ohne Bildung, — und Sie wenden sich an das Gesetz. Aber das Gesetz ist keine Fackel, die weithin ein ihr eigenes Licht verbreitet. Es beruht auf einer Gesellschaft, wo es Menschen gibt, die wissen, und andere, die nicht wissen; Bürger, die das Bedürfnis haben zu lernen, und andere, die bereit sind zu lehren. Es kann von zwei Dingen nur eines tun: entweder diese Art von Transaktionen sich frei vollziehen lassen, sich diese Art Bedürfnisse frei befriedigen lassen; oder den Willen der Menschen bezwingen, und von den einen nehmen, um die Lehrer zu bezahlen, die einstellt werden, um die anderen zu unterrichten. Aber es kann im zweiten Fall nichts tun, was nicht ein Angriff auf Freiheit und Eigentum wäre, ein gesetzmäßiger Raub.

Sie sagen: Da sind Menschen ohne Moral und Religion, — und Sie wenden sich an das Gesetz. Aber das Gesetz ist die Gewalt, und muss ich noch sagen, was für ein grausames und wahnsinniges Unternehmen es ist, mit Gewalt in diese Dinge einzugreifen?

Mit seinen Systemen und seinen Bemühungen am Ende scheint der Sozialismus, selbstgefällig wie er auch sein mag, nicht umhin zu können, das Monströse des legalen Raubes zu sehen. Aber was macht er? Er verkleidet es geschickt für alle Augen, selbst für seine eigenen, unter den verführerischen Namen von Brüderlichkeit, Solidarität, Organisation, Vereinigung. Und weil wir nicht so viel von dem Gesetz erwarten, weil wir von ihm nur Gerechtigkeit verlangen, so unterstellt er, dass wir die Brüderlichkeit zurückweisen, die Solidarität, die Organisation, die Vereinigung und wirft uns das Schimpfwort Individualisten an den Kopf.

Wisse er also, dass wir nicht die natürliche Organisation zurückweisen, sondern die erzwungene; nicht die freiwillige Vereinigung, sondern die Formen der Vereinigung, die er uns auferlegen will; nicht die spontane Brüderlichkeit, sondern die gesetzlich vorgeschriebene Brüderlichkeit; nicht die Solidarität der Vorsehung, sondern die künstliche Solidarität, die nur ein ungerechter Ersatz für Verantwortung ist.

Der Sozialismus, wie die alte Politik, aus der er hervorgegangen ist, vermengt die Regierung und die Gesellschaft. Darum schließt er jedesmal, wenn wir nicht wollen, dass die Regierung etwas tut, dass wir wollen, dass es überhaupt nicht getan werde. Wir weisen die staatliche Bildung zurück, also wollen wir keine Bildung. Wir weisen eine Staatsreligion zurück, also wollen wir keine Religion. Wir weisen die staatliche Gleichmacherei zurück, also wollen wir keine Gleichheit; usw. Es ist, als ob er uns anklagte, wir wollten nicht, dass Menschen essen, weil wir den staatlichen Weizenanbau ablehnen.

Wie hat sich in der politischen Welt die verschrobene Idee durchsetzen können, aus dem Gesetz abzuleiten, was nicht darin ist: Das Wohl, positiv definiert, der Reichtum, die Wissenschaft, die Religion?

Die modernen Publizisten, besonders die der sozialistischen Schule, gründen ihre verschiedenen Theorien auf eine gemeinsame Hypothese – sicherlich die merkwürdigste, die abstruseste, die einem Menschen in den Sinn kommen kann.

Sie teilen die Menschheit in zwei Teile. Die Gesamtheit der Menschen minus eins bildet den ersten Teil, der Publizist ganz allein den zweiten und bei weitem wichtigsten Teil.

Als erstes nehmen sie wahrhaftig an, dass die Menschen in sich weder ein Handelsprinzip noch eine Möglichkeit des Erkenntnisgewinns haben. Sie sind ohne Antrieb, träge Masse, passive Moleküle, Atome ohne Spontaneität, bestenfalls ein gegen die eigene Lebensweise gleichgültiges Gewächs, fähig unter einem äußeren Willen und einer äußeren Hand unendlich viele mehr oder weniger symmetrische, künstliche, perfekte Formen anzunehmen.

Daraufhin nimmt jeder von ihnen ohne weiteres an, dass er selbst, unter den Namen des Organisators, Aufklärers, Gesetzgebers, Vorstehers, Gründers dieser Wille und diese Hand ist, dieser allgemeine Antrieb, diese schaffende Kraft, deren erhabene Aufgabe es ist, diese verstreute Materie — die Menschen — in einer Gesellschaft zu vereinigen.

Hiervon ausgehend schneidet — wie jeder Gärtner nach Laune seine Bäume in Pyramiden, Sonnenschirme, Würfel, Kegel, Vasen, Spaliere, Spindeln, Fächer schneidet — der Sozialist nach seiner Chimäre die arme Menschheit in Gruppen, Serien, Zentren, Unterzentren, in Zellen, Genossenschaftswerkstätten, harmonische, kontrastierende, und so weiter und so fort.

Und ebenso wie der Gärtner, um die Bäume zu beschneiden, Äxte, Sägen, Rebmesser und Scheren braucht, braucht der Publizist, um seine Gesellschaft zurechtzustutzen, Gewalten, die er nur in den Gesetzen finden kann — Zollgesetz, Steuergesetz, Sozialfürsorgegesetz, Bildungsgesetz.

So selbstverständlich betrachten die Sozialisten die Menschheit als Material für soziale Experimente, dass, wenn der Erfolg dieser Kombinationen nicht ganz sicher scheint, sie zumindest eine Parzelle der Menschheit als Experimentierfeld fordern: Es ist bekannt, wie populär unter ihnen die Idee ist, alle Systeme auszuprobieren. Einer ihrer Führer forderte sogar ernsthaft von der verfassungsgebenden Versammlung eine Gemeinde mit allen ihren Einwohnern, um seinen Versuch zu durchzuführen.

Ebenso baut jeder Erfinder seine Maschine im Kleinen, bevor er sie im Großen baut. Ebenso opfert der Chemiker einige Reagenzien, der Bauer einige Samen und eine Ecke seines Ackers, um eine Idee zu erproben.

Aber welch unermesslicher Abstand zwischen dem Gärtner und seinen Bäumen, dem Erfinder und seiner Maschine, dem Chemiker und seinen Substanzen, zwischen dem Bauern und seinen Samen! — Der Sozialist glaubt allen Ernstes, dass ihn derselbe Abstand von der Menschheit trennt.

Kein Wunder, dass die Publizisten des neunzehnten Jahrhunderts die Gesellschaft für das künstliche Erzeugnis eines Gesetzgebergenies halten.

Diese Idee, Frucht der klassischen Erziehung, hat alle Denker, alle großen Schriftsteller unseres Landes beherrscht. Alle sahen zwischen der Menschheit und dem Gesetzgeber dasselbe Verhältnis wie zwischen Lehm und Töpfer.

Mehr noch, wenn sie zuerkannten, im Herzen des Menschen ein Handlungsmotiv zu finden, in seiner Intelligenz Urteilsfähigkeit, dachten sie, dass Gott ihm damit eine verhängnisvolle Gabe beschert hätte, und dass die Menschheit unter dem Einfluss dieser beiden Antriebe schicksalhaft zu ihrem Verfall neige. Sie gingen tatsächlich davon aus, dass die Menschheit, ihren Neigungen überlassen, sich nur mit Religion beschäftige, um zum Atheismus abzugleiten, mit der Wissenschaft, um zur Unwissenheit zu gelangen, mit Arbeit und Tausch, um im Elend zu vergehen.

Glücklicherweise — nach diesen selben Schriftstellern — gibt es gewisse Menschen, Regierende und Gesetzgeber genannt, die vom Himmel nicht nur für sich selbst sondern für alle anderen entgegengesetzte Neigungen empfangen haben. Während die Menschheit zum Übel neigt, streben sie zum Guten, während die Menschheit in die Finsternis schreitet, erstreben sie das Licht, während die Menschheit zum Laster hingezogen ist, werden sie von der Tugend angezogen. Und auf Grund dieser Voraussetzung fordern sie Gewalt, die es ihnen ermöglichen soll, ihre eigenen Neigungen an die Stelle der Neigungen der Menschheit zu setzen.

Man braucht nur beinahe zufällig ein Buch über Philosophie, Politik oder Geschichte zu öffnen, um zu sehen, wie tief in unserem Land die Idee verwurzelt ist — Tochter klassischer Studien und Mutter des Sozialismus —, dass die Menschheit eine leblose Masse sei, die von der Macht Leben, Organisation, Moral und Reichtum empfängt; oder, was noch schlimmer ist, dass die Menschheit von sich aus zum Verfall neigt und auf dieser schiefen Bahn nur durch die mysteriöse Hand des Gesetzgebers aufgefangen wird. Immer zeigt uns der klassische Konventionalismus hinter der passiven Gesellschaft eine okkulte Macht, die unter den Namen Gesetz, Gesetzgeber, oder unter diesem bequemeren und vageren Ausdruck MAN, die Menschheit bewegt, bereichert, und moralisiert.

BOSSUET. „Eines der Dinge, die MAN (wer?) dem Geist der Ägypter am stärksten einprägte, war die Vaterlandsliebe… Es war nicht erlaubt, unnütz für den Staat zu sein; das Gesetz wies jedem seine Arbeit zu, die sich vom Vater auf den Sohn übertrug. Man konnte weder zwei haben noch die Arbeit wechseln… Aber es gab eine Beschäftigung, an der alle teilhaben mussten. Dies war das Studium der Gesetze und der Weisheit. Die Unkenntnis der Religion und der Staatsordnung wurden in keinem Stande entschuldigt. Im Übrigen hatte jeder Berufsstand seinen ihm zugeordneten Bezirk (von wem?)… Unter guten Gesetzen war das Vorzüglichste, dass jedermann in der Gesinnung aufgezogen war (von wem?), sie zu befolgen… Ihre Merkuren haben Ägypten mit wunderbaren Erfindungen erfüllt und haben es im Lande an fast nichts fehlen lassen, was das Leben angenehm und ruhig machen könnte.“

So zogen die Menschen nach Bossuet nichts aus sich: Patriotismus, Reichtum, Tätigkeit, Weisheit, Erfindungen, Arbeit, Wissenschaften, alles kam ihnen aus der Betätigung der Gesetze oder der Könige. Sie mussten sich nur gehen lassen. Sogar an dem Punkt, wo Diodor die Ägypter anklagte, den Kampf und die Musik zurückzuweisen, verbessert ihn Bossuet. Wie kann das sein, sagt er, wo doch diese Künste von Trismegistus erfunden worden sind?

Ebenso bei den Persern:

„Eines der ersten Anliegen des Fürsten war es, die Landwirtschaft aufblühen zu lassen… Ebenso wie es Beamte für die Führung der Armeen gab, gab es auch welche, die die bäuerlichen Arbeiten überwachten… Der Respekt, den MAN den Persern für die königliche Autorität einflößte, ging bis zum Äußersten.“

Die Griechen, so geistreich sie auch seien, waren ihrem eigenen Geschick nicht weniger fremd, so dass sie aus sich selbst heraus nicht einmal wie Hunde und Pferde zu den einfachsten Spielen gekommen wären. Klassisch ist es eine anerkannte Tatsache, dass alles von außen zu den Völkern kommt.

„Die Griechen, von Natur aus geistvoll und mutig, wurden zu früher Stunde von den Königen und den Kolonien aus Ägypten kultiviert. Daher haben sie die Leibesübungen, die Wettläufe zu Fuß; zu Pferd und zu Wagen… Das wichtigste, was die Ägypter ihnen beigebracht haben, war, sich gesittet zu geben, sich von den Gesetzen formen zu lassen für das öffentliche Wohl.“

FENELON. Geprägt vom Studium und der Bewunderung des Altertums, Zeuge der Macht Ludwigs des 14ten, konnte Fénelon kaum der Idee entrinnen, dass die Menschheit passiv ist, dass ihr Unglück wie ihr Wohlstand, ihre Tugenden wie ihre Laster aus äußerem Einfluss entstehen, auf sie ausgeübt durch das Gesetz oder den, der es macht. Auch in seinem utopischen Salente unterwirft er die Menschen mit ihren Interessen, ihren Fertigkeiten, ihren Bedürfnissen, ihren Tugenden der absoluten Verfügung des Gesetzgebers. Worum es sich auch handelt, nie sind sie es, die für sich selbst urteilen, es ist der Fürst. Die Nation ist nur eine formlose Masse, deren Seele der Prinz ist. In ihm wohnen Verstand, Vorsorge, alle Organisationsprinzipien, aller Fortschritt und folglich die ganze Verantwortung.

Um diese Behauptung zu beweisen, müsste ich das ganze zehnte Buch des Telemach abschreiben. Ich verweise den Leser darauf und begnüge mich, einige zufällig gewählte Passagen aus dieser berühmten Dichtung zu zitieren. Dabei zögere ich nicht, ihr in jeder anderen Hinsicht Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Mit der überraschenden Leichtgläubigkeit, die die Klassiker auszeichnet, stellt Fénelon gegen das Zeugnis des gesunden Menschenverstandes und der Tatsachen fest, dass bei den Ägyptern allgemeine Glücklichkeit herrschte, und er schreibt sie nicht ihrer eigenen Weisheit sondern der ihrer Könige zu.

Wir konnten die Augen nicht auf beide Ufer werfen, ohne üppige Städte wahrzunehmen, lieblich gelegene Landhäuser, Ländereien, die sich alle Jahre mit gesegneter Ernte bedecken, ohne Unterbrechung; Weiden voller Herden, Arbeiter, gebeugt unter der Last der Früchte, welche die Erde aus ihrem Schoß hervorbringt; Hirten, die die sanften Töne ihrer Flöten und ihrer Schalmeien von dem Echo rundum widertönen lassen. Glücklich, sagte Mentor, das Volk, das so von einem weisen König geleitet wird.

Dann ließ mich Mentor das Glück und den Überfluss bemerken, der sich über das ganze ägyptische Land ausstreckt, wo man bis zu zweiundzwanzig Tausend Städte zählte; die Gerechtigkeit, zugunsten des Armen gegen die Reichen ausgeführt; die gute Erziehung der Kinder, die man an Gehorsam gewöhnte, Arbeit, Mäßigkeit, Liebe zu Kunst und Literatur; die Sorgfalt bei allen religiösen Zeremonien; Selbstlosigkeit, das Streben nach Ehre, die Treue gegen die Menschen und die Furcht vor den Göttern, die jeder Vater seinen Kindern einflößte. Er wurde nicht müde, diese gute Ordnung zu bewundern. Glücklich, sagte er mir, das Volk, das ein weiser König so führt.

Fénelon macht aus Kreta eine noch verführerische Idylle. Dann fügt er, durch den Mund Mentors hinzu:

Alles, was Ihr auf dieser wunderbaren Insel seht, ist die Frucht der Gesetze von Minos. Die Erziehung, die er den Kindern geben ließ, machte den Körper gesund und stark. MAN gewöhnt sie vor allem an ein einfaches, mäßiges und arbeitsames Leben; MAN nimmt an, dass jede Ausschweifung Körper und Geist verweichlicht; MAN bietet ihnen niemals ein anderes Vergnügen, als an Tugend unbesiegbar zu sein und höchsten Ruhm zu erringen… Hier bestraft MAN drei Laster, die bei den anderen Völkern unbestraft bleiben: Undankbarkeit, Verstellung, und Geiz. Luxus und Verweichlichung braucht MAN nie zu unterdrücken, denn sie sind in Kreta unbekannt… MAN duldet dort weder wertvolle Möbel, noch prachtvolle Kleidung, noch delikate Festmähler, noch goldgeschmückte Paläste.

So bereitet Mentor seinen Schüler darauf vor, das Volk von Itaka aufzureiben und zu manipulieren — ohne Zweifel mit äußerst philanthropischer Absicht — und, um sicherer zu gehen, gibt er ihm als Vorbild dafür Salente.

So empfangen wir unsere ersten Vorstellungen von Politik. Wir werden geschult, die Menschen ungefähr so zu behandeln, wie Olivier von Serres die Bauern lehrt, den Boden zu behandeln und zu mischen.

MONTESQUIEU. Um den Geschäftsgeist zu erhalten, müssen alle Gesetze ihn begünstigen; müssen dieselben Gesetze, durch ihre Verfügungen die Vermögen in dem Maß aufteilen, wie der Handel sie vermehrt, indem sie jedem armen Bürger ein hinreichendes Auskommen geben, damit er arbeiten kann wie die anderen, und jeden reichen Bürger in solcher Mittelmäßigkeit halten, dass er arbeiten muss, um zu bewahren oder dazuzugewinnen…

So verfügen die Gesetze über alle Vermögen.

Wenn auch in der Demokratie die reale Gleichheit die Seele des Staates ist, ist sie gleichwohl so schwierig zu etablieren, dass eine extreme Genauigkeit hierin nicht immer angebracht ist. Es genügt, dass MAN einen Grundzins einrichtet, der die Unterschiede vermindert oder in einem gewissen Grad hält. Danach kommt es besonderen Gesetzen zu, die Ungleichheit durch Zahlungen, die sie den Reichen auflasten und Erleichterungen, die sie den Armen zugestehen, sozusagen auszugleichen…

Da ist sie wieder, die Angleichung der Vermögen durch das Gesetz, durch die Gewalt.

Es gab in Griechenland zwei Arten von Republiken. Die einen waren militärisch, wie Sparta; die anderen handeltreibend, wie Athen. In den einen wollte MAN, dass die Bürger müßig seien. In den anderen bemühte MAN sich, ihnen Liebe zur Arbeit zu geben.

Schenkt doch bitte dem großen Genie dieser Gesetzgeber etwas Aufmerksamkeit, das sie brauchten, um zu sehen, dass sie, indem sie alle hergebrachten Gebräuche angriffen und  alle Tugenden umwälzten, dem Universum ihre Weisheit zeigen würden. Lykurg verschmolz den Mundraub mit dem Geist der Gerechtigkeit, die härteste Sklaverei mit der äußersten Freiheit, die rohesten Gefühle mit der größten Mäßigung, und gab so seiner Stadt Stabilität. Er schien ihr alle Hilfsmittel wegzunehmen: die Künste, den Handel, Geld, Mauern. Man hat dort Ehrgeiz ohne Hoffnung wohlhabender zu werden; man hat dort natürliche Gefühle und ist weder Kind, noch Ehemann, noch Vater; die Scham sogar ist von der Keuschheit genommen. Auf diesem Wege wurde Sparta zu Größe und Ruhm geführt

Das Außerordentliche, das man in den Einrichtungen der Griechen sah, haben wir auch in der Degeneration und Korruption der modernen Zeit gesehen. Ein ehrenwerter Gesetzgeber hat ein Volk geformt, wo die Rechtschaffenheit genauso natürlich scheint wie die Tapferkeit bei den Spartiaten. Herr Penn ist ein wahrhafter Lykurg, und wenn auch der erste den Frieden zum Ziel hatte und der andere den Krieg, so ähneln sie sich doch in dem einzigartigen Weg, auf den sie ihr Volk geschickt haben, in dem Einfluss, den sie auf freie Menschen gehabt haben, in den Vorurteilen, die sie besiegt haben, in den Leidenschaften, die sie bezwungen haben.

Paraguay kann uns ein anderes Beispiel liefern. Man hat es dem Jesuitenorden als Verbrechen anlasten wollen, dass er das Vergnügen zu befehlen für das einzig Gute im Leben hält. Aber es ist immer gut, die Menschen zu regieren und sie dadurch glücklicher zu machen.

Wer ähnliche Institutionen einrichten will, wird die Gütergemeinschaft der Platonischen Republik einrichten: den Respekt, den er für die Götter forderte; die Trennung von den Fremden zur Wahrung der Sitten; dass die Stadt den Handel macht und nicht die Bürger. Er wird uns Künste geben ohne unseren Luxus und unsere Bedürfnisse ohne unsere Begierden.

Der Hype des Tages mag noch so schreien: Das ist von Montesquieu, also ist es genial! erhaben! Ich habe Mut zu meiner Meinung und sage:

Was! Sie haben die Stirn das schön zu finden!

Aber das ist abstoßend! scheußlich! Und diese Auszüge, die ich vervielfachen könnte, zeigen, dass nach der Vorstellung von Montesquieu Personen, Freiheiten, Besitztümer, die ganze Menschheit nur geeignete Materialien sind, die Weisheit des Gesetzgebers anzuwenden.

ROUSSEAU. Obwohl dieser Publizist, die höchste Autorität der Demokraten, das soziale Gebäude auf dem Allgemeinen Willen gründet, hat niemand so vollständig wie er die gänzliche Passivität der Menschheit gegenüber dem Gesetzgeber postuliert.

Wenn es wahr ist, dass ein großer Fürst ein seltener Mensch ist, wie verhält es sich erst mit einem großen Gesetzgeber? Der erstere muss nur dem Modell folgen, dass der andere vorschlagen muss. Der eine ist der Ingenieur, der die Maschine entwirft, der andere nur der Arbeiter, der sie montiert und zum Laufen bringt.

Und was sind die Menschen bei alldem? Die Maschine, die montiert wird und läuft, oder eher das Rohmaterial, aus dem die Maschine gemacht ist!

So besteht zwischen dem Gesetzgeber und dem Fürsten, zwischen dem Fürsten und den Untertanen das selbe Verhältnis, wie zwischen dem Landwirtschaftsexperten, dem Bauern und der Ackerscholle. In welcher Höhe über der Menschheit schwebt also der Publizist, der die Gesetzgeber regiert und sie in diesen befehlerischen Worten ihr Gewerbe lehrt:

Wollen Sie dem Staat Zusammenhalt geben? Nähern sie die Extreme an, soweit es möglich ist. Dulden Sie weder Steinreiche noch Lumpenpack.

Ist der Boden uneben oder unfruchtbar oder das Land zu eng für die Einwohner, dann wendet Euch der Industrie und den Künsten zu, deren Produktion Ihr gegen Waren, die Ihnen fehlen tauschen werdet… Fehlen Euch auf gutem Boden die Einwohner, dann wendet Eure Aufmerksamkeit der Landwirtschaft zu, die die Menschen vermehrt, und verjagt die Künste, die nur die Entvölkerung des Landes besiegeln… Hat Euer Land ausgedehnte und leicht zugängliche Ufer, so bedeckt das Meer mit Schiffen, Ihr werdet eine glänzende und kurze Existenz haben. Umspült das Meer an Euren Küsten nur schroffe Felsen, bleibt barbarisch und nährt Euch von Fischen. Ihr werdet dabei ruhiger leben, besser vielleicht, und ganz sicher glücklicher. Mit einem Wort, außerhalb der Maximen, die allen gemeinsam sind, hat jedes Volk eigene Bedingungen, die es in einer besonderen Weise ordnen und seiner Gesetzgebung ihre Besonderheit nur für dieses Volk geben. So hatten einstmals die Hebräer und neulich die Araber die Religion zum ersten Prinzip, die Athener die Bildung, Karthago und Tyrus den Handel, Rhodos die Marine, Sparta den Krieg und Rom die Tugend. Der Autor vom Geist der Gesetze hat gezeigt, durch welche Kunst der Gesetzgeber die Institution zu jedem dieser Ziele lenkt… Aber wenn der Gesetzgeber sich in seinem Ziel täuscht und ein anderes Prinzip verfolgt als aus der Natur der Sache hervorgeht: dass das eine zur Knechtschaft neigt und das andere zur Freiheit; das eine zu Reichtümern, das andere zur Bevölkerung; das eine zum Frieden, das andere zu Eroberungen, – so wird man die Gesetze sich unmerklich abschwächen sehen, die Verfassung sich ändern, und der Staat wird mehr und mehr erschüttert werden, bis er zerstört ist oder verändert, und bis die unbesiegbare Natur ihr Reich zurückgewonnen hat.

Aber wenn die Natur hinreichend unbesiegbar ist, ihre Herrschaft zurückzugewinnen, warum gibt Rousseau nicht zu, dass sie keinen Gesetzgeber braucht, um von Anfang an zu herrschen? Warum gibt er nicht zu, dass die Menschen, wenn sie ihrer eigenen Initiative folgen, sich von selbst an ausgedehnten und zugänglichen Ufern dem Handel zuwenden werden, ohne dass sich ein Lykurg, ein Solon, ein Rousseau einmischen auf das Risiko, sich zu täuschen?

Wie dem auch sei, wir sehen die schreckliche Verantwortung, die nach Rousseau auf den Erfindern, Organisatoren, Führern, Gesetzgebern und Manipulatoren der Gesellschaften lastet. Er ist auch gegen sie sehr anspruchsvoll.

Wer zu unternehmen wagt, ein Volk zu regeln, muss sich in der Lage fühlen, sozusagen die menschliche Natur zu ändern, jedes Individuum, das für sich ein vollkommenes und einzigartiges Ganzes ist, zum Teil von einem größeren Ganzen umzubilden, von dem dieses Individuum, im Ganzen oder zum Teil, sein Leben und sein Sein empfängt; die menschliche Verfassung zu ändern, um sie zu stärken; eine teilweise und moralische Existenz anstelle der körperlichen und unabhängigen Existenz zu setzen, die wir alle von der Natur empfangen haben. Er muss, mit einem Wort, dem Menschen seine eigenen Kräfte nehmen, um ihm fremde zu geben…

Arme Menschheit, was wollten die Anhänger Rousseaus aus deiner Würde machen?

RAYNAL. Das Klima, das heißt der Himmel und die Sonne, sind die erste Vorgabe für den Gesetzgeber. Seine Ressourcen diktieren ihm seine Bedürfnisse. Zunächst muss er seine örtliche Lage untersuchen. Ein Volksstamm an der Meeresküste wird Schifffahrtsgesetze haben… Wenn die Kolonie im Binnenland errichtet wird, muss ein Gesetzgeber seine Beschaffenheit und Fruchtbarkeit vorhersehen…

Vor allem bei der Verteilung des Eigentums springt die Weisheit der Gesetzgebung ins Auge. Im Allgemeinen und in allen Ländern der Welt muss man, wenn man eine Kolonie gründet, die Ländereien an alle Menschen vergeben, dass heißt für jeden eine Fläche, die zum Unterhalt einer Familie ausreicht…

Auf einer einsamen Insel, die man mit Kindern bevölkerte, bräuchte MAN nur die Keime der Wahrheit mit der Entwicklung der Vernunft aufgehen zu lassen…Aber wenn MAN ein schon altes Volk in einem neuen Land ansiedelt, besteht die Kunst darin, ihm nur diejenigen schädlichen Meinungen und Gewohnheiten zu lassen, von denen man es nicht heilen und bessern kann. Will man hindern, dass sie sich vererben, dann wache MAN über die zweite Generation mit einer allgemeinen und öffentlichen Erziehung der Kinder. Ein Fürst, ein Gesetzgeber, gründe niemals eine Kolonie, ohne zuvor weise Männer für die Erziehung der Jugend dort hinzuschaffen… In einer entstehenden Kolonie stehen der Vorsorge des Gesetzgebers alle Mittel zur Verfügung, wenn er das Blut und die Sitten eines Volkes reinigen will. Wenn er Genie und Tugend hat, werden die Länder und die Menschen, die er in seinen Händen hat, seiner Seele einen Gesellschaftsplan eingeben, den ein Schriftsteller immer nur vage und unter unsicheren Annahmen skizzieren könnte, die schwanken und mit einer Unendlichkeit von Umständen komplizierter werden, zu schwierig vorherzusehen und zu kombinieren…

Glaubt man nicht zu hören, wie ein Landwirtschaftsprofessor seinen Studenten sagt: „Das Klima ist die erste Vorgabe für den Landwirt. Seine Ressourcen diktieren ihm seine Bedürfnisse. Zunächst muss er seine örtliche Lage untersuchen. Befindet er sich auf lehmigen Boden, muss er sich so verhalten. Hat er es mit Sand zu tun, seht her, wie er sich damit zurechtfindet. Alle Mittel stehen dem Landwirt zur Verfügung, der seinen Boden säubern und verbessern will. Versteht er sich auf die Kunst, so werden die Ländereien, die Düngemittel, die er in seinen Händen hat, ihm einen Ausbeutungsplan eingeben, den ein Professor nur vage und unter unsicheren Annahmen skizzieren kann, die schwanken und mit einer Unendlichkeit von Umständen komplizierter werden, schwierig vorherzusehen und zu kombinieren.“

Aber, Ihr erhabenen Schriftsteller, lasst Euch herab, Euch gelegentlich zu erinnern, dass dieser Lehm, dieser Sand, dieser Mist, über den ihr so beliebig verfügt, aus Menschen besteht, Euch ebenbürtig, intelligente und freie Wesen wie Ihr, die von Gott, wie Ihr, die Fähigkeit erhalten haben, zu sehen, vorzusorgen, für sich selbst zu denken und zu urteilen!

MABLY. (Er nimmt an, dass die Gesetze von dem Rost der Zeit zerfressen sind, die Sicherheit vernachlässigt, und fährt so fort:)

Es ist offensichtlich, dass sich die Machtbereiche der Regierung unter diesen Umständen abgeschwächt haben. Gebt ihnen neue Spannung (an den Leser wendet sich Mably hier), und das Übel wird behoben sein… Bemüht Euch weniger, die Fehler zu bestrafen als die Tugenden zu ermutigen, die Ihr braucht. Mit dieser Methode gebt Ihr Eurer Republik die Kraft der Jugend. Weil sie bei freien Völkern unbekannt war, haben diese ihre Freiheit verloren! Aber wenn die Fortschritte des Übels so groß sind, dass die gewöhnliche Verwaltung sie nicht wirksam beheben kann, zieht Euch eine außerordentliche Verwaltung heran, deren Amtszeit kurz und deren Macht beträchtlich ist. Die Vorstellungskraft der Bürger muss dann angestoßen werden…

Und ganz nach diesem Geschmack über zwanzig Bände.

Es gab eine Epoche, wo sich – unter dem Einfluss solcher Lehren, die die Grundlage der klassischen Erziehung sind – jeder außerhalb und über die Menschheit stellen wollte, um sie nach seiner Laune zu arrangieren, zu organisieren und einzurichten.

CONDILLAC. Erhebt Euch, mein Herr, zu einem Lykurg oder Solon. Bevor Ihr die Lektüre dieser Schrift weiterverfolgt, gönnt Euch das Vergnügen, irgendeinem wilden Volk Amerikas oder Afrikas Gesetze zu geben. Macht diese irrenden Menschen sesshaft; lehrt sie, Herden zu füttern…; arbeitet daran, die sozialen Qualitäten zu entwickeln, die die Natur in sie gelegt hat… Verordnet ihnen, anzufangen, Menschenpflichten auszuüben… Vergiftet durch Züchtigungen die Vergnügen, die die Leidenschaften bieten und Ihr werdet diese Barbaren mit jedem Artikel Eurer Gesetzgebung ein Laster verlieren und eine Tugend annehmen sehen.

Alle Völker hatten Gesetze. Aber wenige unter ihnen waren glücklich. Was ist der Grund dafür? Er liegt darin, dass die Gesetzgeber fast nie beachtet haben, dass das Ziel der Gesellschaft ist, die Familien durch ein gemeinsames Interesse zu einen.

Die Unparteilichkeit der Gesetze besteht in zweierlei: Gleichheit zu schaffen im Vermögen und in der Würde der Bürger… In dem Maße, wie Eure Gesetze größere Gleichheit einrichten, werden sie jedem Bürger teurer… Wie könnten der Geiz, der Ehrgeiz, die Wohllust, die Faulheit, der Müßiggang, der Neid, der Hass, die Eifersucht Menschen bewegen, die an Vermögen und Würde ebenbürtig sind, und denen die Gesetze keine Hoffnung lassen, die Gleichheit zu brechen? (Es folgt ein Idyll)

Das was man Euch über die spartanische Republik gesagt hat, muss Euch hierüber voll aufklären. Kein anderer Staat hat jemals Gesetze gehabt, die der Ordnung der Natur und der Gleichheit angemessener waren.

Es überrascht nicht, dass das siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert die Menschheit als eine träge Masse angesehen haben, die alles, Form, Gestalt, Antrieb, Bewegung und Leben von einem großen Fürsten, einem großen Gesetzgeber, einem großen Genie erwartet und erhält. Diese Jahrhunderte waren erfüllt vom Studium der Antike, und die Antike bietet uns tatsächlich überall, in Ägypten, in Persien, in Griechenland, in Rom das Schauspiel einiger Männer, die die Menschheit nach Gutdünken manipulieren, die mit Gewalt oder Betrug dienstbar gemacht ist. Was beweist das? Eben weil sich Mensch und Gesellschaft vervollkommnen können, muss sich der Irrtum, die Unwissenheit, der Despotismus, die Sklaverei, der Aberglauben eher zu Beginn der Zeit häufen. Das Unrecht der Schriftsteller, die ich zitiert habe, ist nicht, Tatsachen festgestellt zu haben, sondern sie als Regel vorgeschlagen zu haben, zur Bewunderung und Nachahmung für zukünftige Völker. Ihr Unrecht ist, unverzeihlich kritiklos und in kindischem Konventionalismus für wahr genommen zu haben, was unvorstellbar ist, nämlich Größe, Würde, Moralität und Wohlstand dieser künstlichen Gesellschaften der alten Welt; nicht verstanden zu haben, dass die Zeit Aufklärung bringt und verbreitet; dass in dem Maße, wie sich die Aufklärung ausbreitet, Gewalt vor Recht zur Seite tritt und die Gesellschaft sich selbst in die Hand nimmt.

Und welcher Art ist nun die politische Arbeit, an der wir teilhaben? Sie ist nichts anderes als das instinktive Streben aller Völker nach Freiheit. Und was ist die Freiheit, dieses Wort, das die Macht hat, alle Herzen höher schlagen zu lassen und die Welt zu bewegen, wenn nicht die Gesamtheit aller Freiheiten: Freiheit des Gewissens, der Lehre, der Vereinigung, der Presse, der Wahl des Wohnsitzes, der Arbeit, des Handels; mit anderen Worten, die freie Ausübung aller unschädlichen Fertigkeiten für alle; in noch anderen Worten, die Zerstörung aller Despotismen, sogar der gesetzmäßigen Despotie, und die Zurückführung des Gesetzes auf seine einzige vernünftige Zuständigkeit, nämlich die, das individuelle Recht auf legitime Verteidigung zu regeln oder Ungerechtigkeit abzuwehren.

Dieses Streben der Menschheit ist freilich besonders in unserer Heimat gänzlich behindert von der verhängnisvollen Neigung aller Publizisten — Frucht klassischer Erziehung — sich außerhalb der Menschheit zu stellen, um sie zu arrangieren, zu organisieren, und nach ihrer Laune einzurichten.

Denn während die Gesellschaft sich bewegt, um die Freiheit zu verwirklichen, denken die großen Männer, die sich an ihre Spitze setzen – durchdrungen von den Prinzipien des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts – nur daran, sie unter den philanthropischen Despotismus ihrer sozialen Erfindungen zu beugen und sie – Rousseaus Ausspruch – fügsam das Joch öffentlicher Glückseligkeit tragen zu lassen, so wie sie es sich ausgedacht haben.

Man sah es 1789. Kaum war das Ancien Regime zerstört, beschäftigte man sich damit, die neue Gesellschaft anderen künstlichen Einrichtungen zu unterwerfen, immer in diesem Konsens: der Allmacht des Gesetzes.

SAINT-JUST. Der Gesetzgeber gebietet der Zukunft. An ihm liegt es, das Gute zu wollen. An ihm liegt es, die Menschen so zu machen, wie er sie haben will.

ROBESPIERRE. Die Aufgabe der Regierung ist es, die körperlichen und moralischen Kräfte der Nation auf das Ziel ihrer Institution zu lenken.

BILLAUD-VARENNES. Man muss das Volk neu schaffen, das man der Freiheit überlassen will. Denn man muss alte Vorurteile zerstören, alte Gewohnheiten ändern, verderbte Emotionen bessern, überflüssige Bedürfnisse beschneiden, eingefleischte Laster ausrotten. Es braucht also eine starke Tat, einen heftigen Anstoß … Bürger, die unbeugsame Strenge Lykurgs wurde in Sparta zur unerschütterlichen Basis der Republik, der schwache und vertrauende Charakter Solons stürzte Athen wieder in die Sklaverei. Diese Parallele enthält die ganze Wissenschaft des Regierens.

LEPELLETIER. Wenn ich bedenke, wie entartet die Menschheit ist, bin ich von der Notwendigkeit überzeugt, sie gänzlich aufzufrischen und sozusagen ein neues Volk zu erschaffen.

Die Menschen sind somit nur minderwertiges Material. Es ist nicht an ihnen, das Gute zu wollen — sie können es nicht — es ist Sache des Gesetzgebers, nach Saint-Just. Die Menschen sind nur, was er will, dass sie sind.

Nach Robespierre, der wörtlich Rousseau kopiert, beginnt der Gesetzgeber mit einer Zielvorgabe für die Institution der Nation. Dann brauchen die Regierungen nur noch alle körperlichen und moralischen Kräfte auf dieses Ziel zu lenken. Die Nation selbst bleibt bei all dem stets passiv, und Billaud-Varennes lehrt uns, dass sie nur die Vorurteile, Gewohnheiten, Gefühle und Bedürfnisse haben darf, die der Gesetzgeber erlaubt. Er geht soweit zu sagen, dass die unbeugsame Strenge eines Mannes die Basis der Republik ist.

Wir haben gesehen, dass Mably, falls das Übel so groß ist, dass die gewöhnliche Verwaltung ihm nicht abhelfen kann, die Diktatur empfiehlt, um die Tugend blühen zu lassen. „Zieht“, sagt er, „eine außerordentliche Verwaltung heran, deren Amtszeit kurz und deren Macht beträchtlich ist. Die Vorstellungskraft der Bürger muss dann angestoßen werden.“ Diese Lehre ist nicht verloren gegangen. Hören wir Robespierre:

Das Prinzip der republikanischen Regierung ist die Tugend, und ihr Mittel, während sie sich festigt, der Schrecken. Wir wollen in unserem Land den Egoismus durch Moral ersetzen, die Ehre durch Rechtschaffenheit, die Gewohnheiten durch Prinzipien, die Wohlerzogenheit durch Pflichten, die Tyrannei der Mode durch das Reich der Vernunft, die Verachtung des Unglücks durch die Verachtung des Lasters, die Unverschämtheit durch Stolz, die Eitelkeit durch Seelengröße, Geldbegierde durch Ruhmbegierde, gute Kumpanei durch Rechtschaffenheit, Intrige durch Verdienst, Schöngeist durch Genie, Aufsehen durch Wahrheit, die Langeweile der Lust durch den Zauber des Glücks, die Kleinlichkeit der Großen durch die menschliche Größe, ein liebenswertes, frivoles, elendes Volk durch ein großzügiges, mächtiges, glückliches Volk – das heißt alle Laster und Lächerlichkeiten der Monarchie durch alle Tugenden und Wunder der Republik.

Wie hoch über den Rest der Menschheit hebt sich hier Robespierre! Und bemerken Sie die Umstände unter denen er spricht. Er beschränkt sich nicht darauf, den Wunsch nach einer großen Erneuerung des menschlichen Herzens auszudrücken; er hält sich nicht einmal dabei auf, dass sie aus einer geregelten Regierung hervorgehen soll. Nein, er will sie selbst hervorbringen — und zwar durch Schrecken. Die Rede, aus der diese kindisch zusammengestoppelte Flut von Antithesen genommen ist, hat zum Ziel, die moralischen Prinzipien herauszustellen, die eine revolutionäre Regierung leiten müssen. Bemerken Sie, dass Robespierre nicht nur die Diktatur fordert, um das Ausland zurückzuweisen und die Parteien zu bekämpfen. In Wahrheit will er durch den Schrecken und — bevor die Verfassung ins Spiel kommt — seine eigenen Prinzipien von Moral durchsetzen. Sein Anspruch geht nicht weniger weit, als im Lande durch Terror den Egoismus auszurotten, und weiterhin Ehre, Gewohnheiten, Wohlerzogenheit, Mode, Eitelkeit, Geldgier, Kumpanei, Intrige, Schöngeist, Lust und Elend.

Erst nachdem er, Robespiere, diese Wunder vollbracht hat — wie er sie mit Recht nennt —, wird er den Gesetzen erlauben ihre Herrschaft wiederzugewinnen. — Ach Elende! Ihr glaubt Euch so groß, die Menschheit so klein, wollt alles reformieren. Reformiert Euch selbst, diese Aufgabe reicht für Euch.

Indessen fordern die Herren Reformatoren, Gesetzgeber und Publizisten im Allgemeinen nicht, über die Menschheit eine unmittelbare Despotie auszuüben. Nein, sie sind zu gemäßigt und zu philanthropisch dafür. Sie fordern nur die Despotie, den Absolutismus, die Allmacht des Gesetzes. Sie streben nur an, das Gesetz zu machen.

Um zu zeigen, wie allgemein diese seltsame Geistesverfassung in Frankreich verbreitet war, müsste ich nicht nur den ganzen Mably, den ganzen Raynal, den ganzen Rousseau, den ganzen Fénelon, lange Auszüge aus Bossuet und Montesquieu kopieren sondern auch noch das ganze Protokoll der Sitzungen des Konvents. Ich hüte mich davor wohl und verweise den Leser darauf.

Wie man sich denken kann, gefiel diese Idee Bonaparte. Er ergriff sie mit Feuer und setzte sie energisch in die Praxis um. Er sah sich als Chemiker und in Europa nur eine Materie für Experimente. Aber bald erwies sich diese Materie als ein gewaltiges Reaktiv. Dreiviertel desillusioniert, schien Bonaparte auf Sankt-Helena zu erkennen, dass die Völker einen gewissen Eigenwillen haben, und er zeigte sich weniger feindlich gegen die Freiheit. Dies hinderte ihn indes nicht, in seinem Testament seinem Sohn die Lehre zu geben: „Regieren heißt Moralität, Bildung und Wohlergehen verbreiten.“

Brauchen wir noch weitere ermüdende Zitate, um die Gedankenwelt von Morelly, Babeuf, Owen, Saint-Simon, Fourier sichtbar machen? Ich beschränke mich darauf, dem Leser einige Auszüge des Buches von Louis Blanc über die Organisation der Arbeit vorzulegen.

In unserem Projekt empfängt die Gesellschaft den Antrieb durch die Macht.

Worin besteht der Antrieb, den die Macht der Gesellschaft gibt? Darin, ihr das Projekt von Herrn L. Blanc aufzuzwingen.

Die Gesellschaft andererseits ist die Menschheit.

Also erhält schließlich die Menschheit den Antrieb von Herrn L. Blanc.

Steht ihm frei, wird man sagen. Ohne Zweifel steht es der Menschheit frei, Ratschlägen von irgendwem zu folgen. Aber so versteht Herr L. Blanc die Sache nicht. Er strebt an, dass sein Projekt in Gesetz umgewandelt wird und folglich mit Gewalt von der Macht umgesetzt wird.

In unserem Projekt regelt der Staat nur die Arbeit durch Gesetze (entschuldigen Sie diese Kleinigkeit), Kraft derer sich die industrielle Bewegung in völliger Freiheit entwickeln kann und muss. Er (der Staat) setzt die Freiheit nur auf einen Hang (nur das), den sie — einmal auf den Weg gebracht —, aufgrund von Sachzwängen und einer natürlichen Folge des eingerichteten Mechanismus hinabsinkt.

Aber was ist dieser Hang? — Der von Herrn L. Blanc gezeigte. — Führt er nicht in Abgründe? — Nein er führt zu Glück. — Warum bringt sich die Gesellschaft also nicht selbst auf den Weg? — Weil sie nicht weiß, was sie will, und Antrieb braucht. — Wer wird ihr diesen Antrieb geben? — Die Macht. — Und wer wir der Macht den Antrieb geben? — Der Erfinder des Mechanismus, Herr L. Blanc.

Wir werden diesem Kreis nie entkommen: Die passive Menschheit und ein bedeutender Mann, der sie mittels gesetzlichen Eingriffen führt. Wird die Gesellschaft wenigstens etwas Freiheit genießen, wenn sie einmal auf diesem Hang ist? — Ohne Zweifel. — Und was ist Freiheit?

Sagen wir es ein für alle Mal: Die Freiheit besteht nicht nur im zugestandenen RECHT, sondern in der MACHT, die dem Menschen gegeben ist, seine Fertigkeiten auszuüben, zu entwickeln, unter Herrschaft der Gerechtigkeit und unter Wahrung des Gesetzes.

Und dies ist keine lehre Unterscheidung: Ihr Sinn ist tief, ihre Folgen sind gewaltig. Denn sobald man zugesteht, dass der Mensch, um wahrhaft frei zu sein, die MACHT braucht, seine Fertigkeiten auszuüben und zu entwickeln, folgt, dass die Gesellschaft jedem ihrer Mitglieder angemessene Bildung schuldet, ohne die sich der menschliche Geist nicht entfalten kann, sowie Mittel zur Arbeit, ohne die die menschliche Tätigkeit nicht begonnen werden kann. Nun, durch wessen Eingriff wird die Gesellschaft jedem ihrer Mitglieder angemessene Bildung und die nötigen Arbeitsmittel geben, wenn nicht durch den Eingriff des Staates?

So ist die Freiheit die Macht. — Und worin besteht diese MACHT? — Darin Bildung und Arbeitsmittel zu besitzen. — Wer wird Bildung und Arbeitsinstrumente vergeben? — Die Gesellschaft, die sie schuldet . — Durch wessen Eingriff wird die Gesellschaft Arbeitsmittel an die, die sie nicht haben, vergeben? — Durch den Eingriff des Staates. — Von wem wird der Staat sie nehmen?

Mag der Leser antworten und sehen, wohin all dies führt. Eines der seltsamsten Phänomene unserer Zeit – das wahrscheinlich unsere Nachkommen sehr erstaunen wird – ist, dass die Lehre, die sich auf diese dreifache Hypothese: die radikale Leblosigkeit der Menschheit, die Allmacht des Gesetzes, die Unfehlbarkeit des Gesetzgebers stützt, das Glaubensbekenntnis derjenigen Partei ist, die allein sich demokratisch nennt.

Es ist wahr, dass sie sich auch sozial nennt.

Soweit demokratisch hat sie grenzenlosen Glauben in die Menschheit.

Soweit sozial achtet sie sie wie den letzten Dreck.

Handelt es sich um politische Rechte, handelt es sich darum, aus seiner Mitte den Gesetzgeber hervorgehen zu lassen, ja dann hat, ihrer Meinung nach, das Volk die Weisheit mit Löffeln gefressen. Es ist ausgestattet mit bewundernswertem Feingefühl, sein Wille ist immer recht, der Allgemeine Wille kann sich nicht irren. Das Wahlrecht kann nicht allgemein genug sein. Niemand schuldet der Gesellschaft irgendeine Garantie. Der Wille und die Fähigkeit gut zu entscheiden verstehen sich von selbst. Kann das Volk sich täuschen? — Leben wir nicht im Zeitalter der Aufklärung? Was also! Soll das Volk ewig bevormundet werden? Hat es nicht seine Rechte mit genügend Mühe und Opfern erkämpft? Hat es nicht genügend Beweise seiner Intelligenz und Weisheit gegeben? Ist es nicht zur Mündigkeit gelangt? Ist es nicht in der Lage für sich selbst zu urteilen? Kennt es nicht seine Interessen? Wagt da etwa ein Mann oder eine Klasse, das Recht zu fordern, sich an die Stelle des Volks zu setzen, für es zu entscheiden und zu handeln? Nein, nein, das Volk will frei sein und wird es sein. Es will seine eigenen Angelegenheiten regeln und wird sie regeln.

Aber ist Gesetzgeber einmal durch Wahl aus den Wahlversammlungen hervorgegangen, ja dann ändert sich die Sprache. Die Nation fällt in die Passivität zurück, in die Trägheit, ins Nichts; und der Gesetzgeber wird allmächtig. Sein die Erfindung, sein die Richtung, sein der Antrieb, sein die Organisation. Die Menschheit muss sich nur gehen lassen, die Stunde des Despotismus hat geschlagen. Und bemerken Sie, dass dies fatal ist; denn das Volk, eben noch so aufgeklärt, so gesittet, so vollkommen, hat nun keine Neigungen mehr, oder, wenn es welche hat, führen sie alle zum Niedergang. Und wenn man ihm ein bisschen Freiheit ließe! Aber wissen Sie nicht, dass — nach Herrn ConsidérantFreiheit schicksalhaft zum Monopol führt? Wissen Sie nicht, dass die Freiheit die Konkurrenz ist? Dass Konkurrenz — nach Herrn L. Blanc — für das Volk ein System der Vernichtung, für die Bourgeoisie eine Ursache des Ruins ist? Dass deshalb die Völker umso ausgerotteter und ruinierter sind, je freier sie sind, dies bezeugen die Schweiz, Holland, England und die Vereinigten Staaten? Wissen Sie nicht, dass die Konkurrenz — immer nach Herrn L. Blanc — zum Monopol führt und dass aus dem selben Grund niedrige Preise zu Teuerungen führen? Dass die Konkurrenz dazu neigt, die Quellen des Konsums auszutrocknen und die Produktion in eine alles verschlingende Tätigkeit treibt? Dass die Konkurrenz die Produktion zwingt zu wachsen und den Konsum zu schrumpfen — woraus folgt, dass freie Völker produzieren, um nicht zu konsumieren. Dass sie zugleich Unterdrückung und Wahnsinn ist, und dass es absolut notwendig ist, dass Herr L. Blanc sich hier einmischt?

Übrigens, welche Freiheit könnte man den Menschen lassen? Etwa Gewissensfreiheit? Aber sie werden alle die Erlaubnis nutzen, um Atheisten zu werden. Die Freiheit in der Lehre? Aber die Väter werden sogleich Lehrer bezahlen, um ihren Söhnen Sittenlosigkeit und Irrtum zu lehren. Im Übrigen wäre — glaubt man Herrn Thiers —, die Lehre, die der nationalen Freiheit überlassen worden wäre, nicht mehr national und wir würden unsere Kinder in den Ideen der Türken und Hindus unterrichten, anstatt dass sie dank dem gesetzmäßigen Despotismus der Universitäten das Glück haben, in den edlen Ideen der Römer aufgezogen zu werden. Die Freiheit der Arbeit? Aber das ist die Konkurrenz, die dafür sorgt, dass alle Produkte unkonsumiert bleiben, das Volk ausgerottet und die Bourgeoisie ruiniert wird. Den Freihandel? Aber bekanntlich, die Protektionisten haben es zur Genüge bewiesen, ruiniert ein Mensch sich, wenn er frei handelt und man muss, um reich zu werden, ohne Freiheit Handel treiben. Versammlungsfreiheit? Aber nach der sozialistischen Lehre schließen sich Freiheit und Versammlung aus, denn die Menschen sollen ja nur ihrer Freiheit beraubt werden, um sie zwangszuvereinigen.

Sie sehen also wohl, dass die sozialistischen Demokraten den Menschen guten Gewissens keinerlei Freiheit lassen können, da diese aus sich heraus, wenn jene Herren hier nicht für Ordnung sorgen, in jeder Hinsicht zu Verfall und Amoral neigen.

Bleibt zu erkunden, auf welcher Grundlage man in diesem Fall für sie mit solcher Hartnäckigkeit das allgemeine Wahlrecht fordert.

Die Ansprüche der Organisatoren rufen eine andere Frage hervor, die ich ihnen oft gestellt habe, und auf die sie, soweit ich weiß, nie geantwortet haben. Wenn die natürlichen Neigungen der Menschheit so schlecht sind, dass man ihr die Freiheit nehmen muss, wie kommt es dann, dass die Neigungen der Organisatoren gut sind? Gehören die Gesetzgeber und ihre Vertreter nicht zur Menschheit? Sind sie aus anderem Lehm geknetet als der Rest der Menschen? Sie sagen, die Gesellschaft müsse, sich selbst überlassen, schicksalhaft in den Abgrund laufen, weil ihre Instinkte pervers sind. Sie geben vor, sie auf diesem Hang aufzuhalten und ihr eine bessere Richtung aufzuzwingen. Sie haben also vom Himmel eine Intelligenz und Tugenden bekommen, die sie außerhalb und über die Menschheit stellen — sollen sie ihre Titel vorweisen. Sie wollen Hirten sein, sie wollen, dass wir die Herde sind. Dieses Verhältnis setzt bei ihnen eine überlegene Natur voraus, für die wir wohl das Recht haben, im vorhinein einen Beweis zu fordern.

Beachten Sie: Ich streite ihnen nicht das Recht ab, soziale Kombinationen zu erfinden, sie zu verkünden, zu ihnen zu raten, sie bei sich selbst, zu ihrem Gewinn und auf ihr Risiko, auszuprobieren. Aber ich streite ihnen wohl das Recht ab, sie uns über die Vermittlung des Gesetzes — das heißt der öffentlichen Gewalten und Gelder — aufzuerlegen.

Ich fordere, dass die Cabétisten, Fouriéristen, Proudhonier, Akademiker, Protektionisten nicht ihre besonderen Ideen aufgeben, sondern jene Idee, die ihnen gemeinsam ist, uns gewaltsam in ihre Gruppen und Klassen zu zwingen, in ihre Genossenschaftswerkstätten, ihre Gratisbank, ihre griechisch-römischen Moral, ihre Fesselung des Geschäftslebens. Was ich von ihnen fordere, ist uns die Möglichkeit zu lassen, ihre Pläne zu prüfen und uns nicht in ihre Pläne direkt oder indirekt hineinzuziehen, wenn wir finden, dass diese unsere Interessen verletzen, oder wenn sie unserem Gewissen zuwiderlaufen.

Denn die Anmaßung, Macht und Steuer eingreifen zu lassen, unterdrückt und raubt nicht nur, sie setzt auch wieder dieses Vorurteil voraus: Die Unfehlbarkeit des Organisators und die Unfähigkeit der Menschheit.

Und wenn die Menschheit unfähig ist, für sich selbst zu urteilen, was redet man uns dann von allgemeinem Wahlrecht?

Dieser Widerspruch in den Ideen spiegelt sich leider in den Tatsachen, und während das französische Volk alle anderen in der Eroberung seiner Rechte überholt hat, oder eher seiner politischen Garantien, ist es nichtsdestoweniger das regierteste, dirigierteste, verwaltetste, besteuertste, eingeengteste und ausgebeutetste aller Völker geblieben.

Es ist unter allen auch jenes, wo die Revolutionen am unmittelbarsten drohen, und das muss so sein.

Solange man von der Idee ausgeht, die von allen Publizisten und so energisch von Herrn L. Blanc in diesen Worten vertreten wird: „Die Gesellschaft empfängt den Antrieb durch die Macht“, solange die Menschen sich selbst für empfänglich aber passiv halten, unfähig, sich durch eigene Wahrnehmung und aus eigener Energie zu irgendeiner Moral zu erheben, zu einem Wohlbefinden, und nur alles vom Gesetz erwarten — mit einem Wort, wenn sie annehmen, dass ihr Verhältnis zum Staat das der Herde zum Hirten ist — dann ist klar, dass die Verantwortung der Macht gewaltig ist. Das Wohl und Übel, Tugend und Laster, Gleichheit und Ungleichheit, Überfluss und Elend, alles leitet sich von ihr ab. Ihr wird alles angerechnet, sie unternimmt alles, sie macht alles. Also verantwortet sie alles. Wenn wir glücklich sind, fordert sie mit gutem Recht unsere Dankbarkeit, aber wenn wir elend sind, können wir nur ihr die Schuld dafür geben. Verfügt sie nicht im Prinzip über unsere Person und unser Hab und Gut? Ist das Gesetz nicht allmächtig? Indem sie das Monopol für Universitäten geschaffen hat, hat sie es auf sich genommen, die Hoffnungen der Familienväter zu erfüllen, die dann keine Freiheit mehr haben; und wenn diese Hoffnungen enttäuscht werden, wer hat die Schuld? Indem sie die Industrie reguliert hat, hat sie es auf sich genommen, sie gedeihen zu lassen, sonst wäre es unsinnig gewesen, ihr die Freiheit zu nehmen; und wenn sie leidet, wer hat die Schuld? Indem sie eingreift, um durch das Jonglieren mit Zöllen die Handelsbilanz auszugleichen, hat sie es auf sich genommen, den Handel blühen zu lassen; und wenn er, weit davon entfernt zu blühen, zusammenbricht, wer hat die Schuld? Indem sie den Schifffahrtsindustrien Schutz im Tausch für ihre Freiheit zugesteht, hat sie es auf sich genommen, sie lukrativ zu machen; und wenn sie Verlust machen, wer hat die Schuld?

So gibt es kein Leiden in der Nation, für das die Regierung sich nicht freiwillig verantwortlich gemacht hätte. Ist es dann erstaunlich, dass jedes Leiden Grund zur Revolution ist?

Und was soll das Heilmittel sein? Den Bereich des Gesetzes unendlich zu erweitern, das heißt, die Verantwortung der Regierung.

Aber wenn die Regierung es auf sich nimmt, die Löhne zu erhöhen und zu regeln, und kann es nicht; wenn sie es auf sich nimmt allem Unglück beizustehen, und kann es nicht; wenn sie es auf sich nimmt, die Renten aller Arbeiter zu sichern und kann es nicht; wenn sie es auf sich nimmt, alle Arbeiter mit Arbeitsmitteln auszustatten und kann es nicht; wenn sie es auf sich nimmt, allen Überschuldeten Gratiskredite zu gewähren und kann es nicht; wenn, nach den Worten, die wir mit Bedauern aus der Feder von Herrn de Lamartine fließen sehen haben, „der Staat sich die Aufgabe stellt, die Seele der Völker aufzuklären, zu entwickeln, zu vergrößern, zu stärken, zu vergeistigen und zu heiligen“, und scheitert, — ist dann nicht offensichtlich, dass am Ende jeder, leider! mehr als wahrscheinlichen Enttäuschung, eine nicht weniger unausweichliche Revolution steht?

Ich nehme meine These wieder auf und sage: Unmittelbar nach der Volkswirtschaft und am Beginn der Politologie stellt sich eine entscheidende Frage. Das ist diese:

Was ist das Gesetz? Was muss es sein? Was ist sein Wirkungsfeld? Was sind seine Grenzen? Wo hören folglich die Zuständigkeiten des Gesetzgebers auf?

Ich zögere nicht zu antworten: Das Gesetz ist die organisierte Kollektivgewalt, um der Ungerechtigkeit Widerstand zu leisten; oder kurz: DAS GESETZ IST DIE GERECHTIGKEIT.

Es ist nicht wahr, dass der Gesetzgeber über unsere Personen und unsere Besitztümer absolute Gewalt hat, denn sie existierten vorher und seine Aufgabe ist es, sie mit Garantien zu umgeben.

Es ist nicht wahr, dass das Gesetz zur Aufgabe hat, unsere Gewissen zu regieren, unsere Ideen, unseren Willen, unsere Bildung, unsere Gefühle, unsere Arbeit, unseren Handel, unsere Gaben, unsere Genüsse.

Seine Aufgabe ist, zu hindern, dass in einer dieser Angelegenheiten das Recht des Einen in das Recht des Anderen übergreift.

Das Gesetz, weil es als notwendige Sanktion die Gewalt hat, kann keinen anderen legitimen Bereich haben, als den legitimen Bereich der Gewalt, nämlich: die Gerechtigkeit.

Und wie jedes Individuum nur das Recht hat, im Falle legitimer Verteidigung auf Gewalt zurückzugreifen, kann die kollektive Gewalt, die nur eine Vereinigung individueller Gewalten ist, vernünftigerweise nicht zu einem anderen Zweck angewendet werden.

Das Gesetz ist also nur die Organisation des vorherbestehenden Rechtes auf legitime Verteidigung.

Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.

Dass es – selbst mit philanthropischen Ziel – Personen unterdrücken oder Besitztümer rauben kann, ist so falsch, wie es seine Aufgabe ist, diese zu beschützen.

Und man sage nicht, dass es zumindest philanthropisch sein könnte, vorausgesetzt es enthielte sich jeder Unterdrückung, jedes Raubes. Dies ist widersprüchlich. Das Gesetz kann nicht über unsere Personen und unser Wohl verfügen. Wenn es sie nicht garantiert, verletzt es sie allein dadurch, dass es verfügt, durch seine reine Existenz.

Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.

Sehen Sie, was so klar ist, einfach, perfekt definiert und eingegrenzt, jeder Intelligenz zugänglich, jedem Auge sichtbar, denn die Gerechtigkeit ist eine gegebene Größe, unwandelbar, unveränderbar, die weder mehr noch weniger zulässt.

Gehen Sie darüber hinaus, machen Sie das Gesetz religiös, brüderlich, angleichend, philanthropisch, industriell, literarisch, künstlerisch, sofort sind sie im Unendlichen, im Ungewissen, im Unbekannten, in einer aufgezwungenen Utopie, oder, was schlimmer ist, in der Vielzahl der Utopien, die darum kämpfen, sich des Gesetzes zu bemächtigen und sich umzusetzen. Denn die Brüderlichkeit, die Philanthropie haben nicht wie die Gerechtigkeit feste Grenzen. Wo machen Sie halt? Wo macht das Gesetz halt? Der eine, wie Herr de Saint-Cricq, wird seine Philosophie nur auf einige industrielle Klassen anwenden, und er wird vom Gesetz fordern, dass es über die Konsumenten zu Gunsten der Produzenten verfügt . Der andere, wie Herr Considérant, wird das Anliegen der Arbeiter in die Hand nehmen und er wird für sie vom Gesetz ein garantiertes MINIMUM fordern, Kleidung, Wohnung, Nahrung und alle zum Unterhalt notwendigen Dinge . Ein Dritter, Herr L. Blanc, wird mit Recht sagen, dass dies nur der Anfang der Brüderlichkeit ist und dass das Gesetz allen Arbeitsmittel und Ausbildung geben muss. Ein vierter wird zur Geltung bringen, dass ein solches Arrangement noch Ungleichheit Raum lässt und dass das Gesetz in die abgelegensten Weiler Luxus, Literatur und Künste bringen muss. Sie werden so bis zum Kommunismus kommen, oder eher wird die Gesetzgebung — wie sie es jetzt schon ist — das Schlachtfeld aller Träumereien und aller Begehrlichkeiten sein.

Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.

So erhält man eine einfache, unerschütterliche Regierung. Und woher sollte auch der Gedanke an eine Revolution kommen, an einen Aufstand, an eine einfache Meuterei gegen eine öffentliche Gewalt, die darauf beschränkt ist, die Ungerechtigkeit zu unterdrücken. Unter einer solchen Herrschaft gäbe es mehr Wohlstand, der Wohlstand wäre gleichmäßiger verteilt, und niemand dächte daran, die Regierung für Leiden anzuklagen, die von der Menschheit untrennbar sind, denen sie ebenso fremd gegenüber stünde wie den Veränderungen der Temperatur. Hat sich das Volk jemals gegen das Kassationsgericht erhoben oder ist in den Amtssitz des Friedensrichters eingefallen, um den Minimallohn zu fordern, den Gratiskredit, die Arbeitsmittel, Zollvergünstigungen, oder die Genossenschaftswerkstatt? Es weiß wohl, dass diese Einrichtungen außerhalb der Macht des Richters liegen, und es würde genauso lernen, dass sie außerhalb der Macht des Gesetzes liegen.

Aber stellen Sie das Gesetz auf den Grundsatz der Brüderlichkeit, verkünden Sie, dass sich von ihm Wohl und Übel ableiten, dass es für jeden individuellen Schmerz verantwortlich ist, für jede soziale Ungleichheit, und Sie werden einer endlosen Folge von Klagen, Hass, Problemen und Revolutionen Tür und Tor öffnen.

Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.

Und es wäre ganz merkwürdig, wenn es billigerweise etwas anderes sein könnte! Ist nicht die Gerechtigkeit das Recht? Sind die Rechte nicht gleich? Warum greift dann das Gesetz ein, um mich den sozialen Plänen der Herren Mimerel, de Melun, Thiers, Louis Blanc zu unterwerfen, statt diese Herrn meinen Plänen zu unterwerfen? Bin ich denn nicht von Natur mit genug Vorstellungsvermögen ausgestattet, um auch eine Utopie zu entwerfen? Ist die Rolle des Gesetzes, eine Wahl zu treffen zwischen so vielen Chimären und die öffentliche Gewalt einer von ihnen dienstbar zu machen?

Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.

Und man behaupte nicht unablässig, dass das Gesetz, so konzipiert — atheistisch, individualistisch und ohne Bindungen —, die Menschheit nach seinem Bild formen wird. Dies ist ein absurder Schluß, wohl würdig jener abgöttischen Bewunderung der Regierung, die das Gesetz für die Menschheit hält.

Was also? Daraus, dass wir frei sein werden, folgt dass wir aufhören werden zu handeln? Daraus, dass wir keinen Antrieb vom Gesetz erhalten, folgt, dass wir antriebslos werden? Daraus, dass das Gesetz sich darauf beschränken wird, uns die freie Ausübung unserer Fertigkeiten zu garantieren, folgt, dass unsere Fertigkeiten mit Energielosigkeit belegt werden? Daraus, dass das Gesetz uns nicht Formen der Religion, Arten der Vereinigung und Methoden der Lehre, Vorgehensweisen der Arbeit, Ausrichtungen des Handels und Planungen der Wohltätigkeit auferlegen wird, folgt, dass wir uns geradewegs in den Atheismus stürzen werden, in die Isolation, die Unwissenheit, das Elend und den Egoismus? Folgt, dass wir nicht mehr die Macht und Güte Gottes zu erkennen wüssten, wüssten, uns zu vereinigen, für einander einzustehen, zu lieben und unseren unglücklichen Brüdern beizustehen, die Geheimnisse der Natur zu studieren und die Vervollkommnung unseres Wesens anzustreben?

Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.

Und unter dem Gesetz der Gerechtigkeit, unter der Herrschaft des Rechts, unter dem Einfluss der Freiheit, der Sicherheit, der Stabilität, der Verantwortung, wird jeder Mensch zu seinem vollen Wert kommen, zur vollen Würde seines Wesens, und die Menschheit wird mit Ordnung, mit Ruhe – ohne Zweifel langsam – aber mit Gewissheit den Fortschritt vorantreiben, der ihre Bestimmung ist.

Es scheint mir, dass die Theorie auf meiner Seite ist. Denn jede Frage, die ich zur Erwägung stelle, ob sie religiös ist, philosophisch, politisch, volkswirtschaftlich; ob es sich um den Wohlstand handelt, um Moral, um Gleichheit, um Recht, um Gerechtigkeit, um Fortschritt, um Verantwortung, um Solidarität, um Eigentum, um Arbeit, um Handel, um Kapital, um Löhne, um Steuern, um Bevölkerung um Kredit, um Regierung; an welchen Punkt am wissenschaftlichen Horizont ich auch den Ausgangspunkt meiner Untersuchungen lege, immer ende ich unverändert dabei: die Lösung des sozialen Problems liegt in der Freiheit.

Und habe ich nicht auch die Erfahrung für mich? Werfen Sie einen Blick auf den Globus! Welches sind die glücklichsten Völker, die moralischsten, die friedlichsten? Diejenigen, wo das Gesetz am wenigsten in die private Tätigkeit eingreift, wo sich die Regierung am wenigsten fühlbar macht, wo die Individualität den größten Spielraum hat und die öffentliche Meinung am meisten Einfluss, wo die Räderwerke der Verwaltung am wenigsten zahlreich und am unkompliziertesten sind, die Steuern am wenigsten drückend und am wenigsten ungleich, die Unzufriedenheiten des Volkes am wenigsten heftig und am wenigsten zu rechtfertigen, wo die Verantwortung der Individuen und der Klassen am regsamsten ist und wo folglich die Sitten, wenn sie nicht perfekt sind, unfehlbar danach streben, sich richtigzustellen, wo Transaktionen, Konventionen, Vereinigungen am wenigsten beschränkt sind, wo die Arbeit, das Kapital, der Glaube an Gott am meisten in den Erfindungen der Menschen vorwiegt, diejenigen mit einem Wort, die die folgende Lösung am besten treffen: in den Grenzen des Rechts, alles über die freie und vervollkommnungsfähige Spontanität des Menschen, nichts über das Gesetz oder die Gewalt außer der universellen Gerechtigkeit.

Es muss einmal gesagt werden: Es gibt zu viele große Männer auf der Welt; es gibt zu viele Gesetzgeber, Organisatoren; Einrichter von Gesellschaften, Führer des Volkes, Väter der Nation, etc. Zu viele Menschen stellen sich außerhalb der Menschheit, um sie zu regieren, zu viele Menschen machen einen Beruf daraus, sich um sie zu kümmern.

Man mag entgegnen: Sie kümmern sich ganz gut darum, Sie die sprechen. Das ist wahr. Aber offenbar geschieht dies in einem ganz anderen Sinne und von einem ganz anderen Gesichtspunkt aus, und wenn ich mich unter die Reformatoren mische, geschieht das nur, um sie dazu zu bringen abzulassen.

Ich kümmere mich darum nicht wie Vaucanson um seinen Automat, sondern wie ein Physiologe des menschlichen Organismus: um ihn zu studieren und zu bewundern.

Ich kümmere mich darum in dem Geiste, der einen berühmten Reisenden beseelte.

Er traf auf einen wilden Stamm. Ein Kind war gerade geboren worden und ein Gedränge von Wahrsagern, Hexern, Empirikern umringten es, bewaffnet mit Ringen, Haken und Bändern. Der eine sagte: „Dies Kind wird nie den Duft einer Friedenspfeife riechen, wenn ich ihm nicht die Nasenflügel verlängere.“ Ein andere: „Es wird des Gehörs beraubt sein, wenn ich ihm nicht die Ohren bis zu den Schultern herabziehe.“ Ein dritter: „Es wird nicht das Licht der Sonne sehen, wenn ich nicht seinen Augen eine schräge Ausrichtung gebe.“ Ein vierter: „Es wird sich niemals aufrecht halten, wenn ich ihm nicht die Beine krümme.“ Ein fünfter: „Es wird nicht denken, wenn ich nicht sein Hirn zusammendrücke.“ „Zurück“, sagt der Reisende. „Gott weiß, was er tut; habt nicht den Anspruch, mehr davon zu verstehen als er, und da er dieser zerbrechlichen Kreatur Organe gegeben hat, lasst seine Organe sich entwickeln, sich kräftigen durch Übung, durch Erprobung, Erfahrung und Freiheit.“

Gott hat auch in die Menschheit alles gelegt, was sie braucht, um ihre Bestimmung zu erfüllen. Es gibt eine gesellschaftliche Physiologie der Vorsehung wie es eine menschliche Physiologie der Vorsehung gibt. Auch die gesellschaftlichen Organe sind ausgelegt, um sich harmonisch zu entwickeln unter der großartigen Luft der Freiheit. Zurück also Empiriker und Organisatoren! Zurück ihre Ringe, ihre Ketten, ihre Haken, ihre Zangen! Zurück ihre künstlichen Mittel! Zurück ihre Genossenschaftswerkstätten, ihre kommunistische Produktionsgemeinschaft, ihr Regulierungswahn, ihre Zentralisierung, ihre Zölle, ihre Beschränkungen, ihre Moralisierung oder ihre Angleichung durch Steuer! Und nachdem man vergeblich dem gesellschaftlichen Körper so viele Systeme auferlegt hat, möge man da enden, wo man hätte beginnen sollen, möge man die Systeme zurückweisen, möge man endlich die Freiheit auf die Probe stellen — die Freiheit, die ein Akt des Glaubens an Gott und sein Werk ist.

  1. Man beachte, dass dieser Text 13 Jahre vor Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs geschrieben wurde. (Die Übersetzer) []

Was man sieht

und

WAS MAN NICHT SIEHT

Inhalt

  1. Die zerbrochene Scheibe
  2. Die Entlassung
  3. Die Steuer
  4. Theater und Künste
  5. Öffentliche Arbeiten
  6. Die Vermittler
  7. Einfuhrbeschränkung
  8. Die Maschinen
  9. Kredit
  10. Algerien
  11. Ersparnis und Luxus
  12. Recht auf Arbeit, Recht auf Gewinn

In der Volkswirtschaft ruft eine Handlung, eine Gewohnheit, eine Einrichtung, ein Gesetz nicht nur eine einzige Wirkung hervor sondern eine Reihe von Wirkungen. Von diesen Wirkungen ist nur die erste direkt, sie zeigt sich gleichzeitig mit ihrer Ursache, man sieht sie. Die anderen entwickeln sich erst nach und nach, man sieht sie nicht; glücklich wer sie vorhersieht.

Dies ist der ganze Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Volkswirt: Der eine klebt an der sichtbaren Wirkung, der andere berücksichtigt sowohl die Wirkung, die man sieht, als auch diejenige, die man vorhersehen muss.

Aber dieser Unterschied ist enorm, denn es ist fast immer so, dass die unmittelbare Folge günstig ist und die letztendlichen Folgen unheilvoll und umgekehrt. — Das führt dazu, dass der schlechte Volkswirt eine kleine gegenwärtige Verbesserung anstrebt, aus der ein großes Übel entsteht, während der wahre Volkswirt eine große zukünftige Verbesserung erstrebt auf die Gefahr eines kleinen gegenwärtigen Übels.

Im Übrigen verhält es sich bei der Hygiene und der Moral ebenso. Oft ist die erste Frucht einer Gewohnheit umso süßer, je bitterer die späteren sind. Dies belegen: die Prasserei, die Faulheit, die Verschwendungssucht. Wenn also ein Mensch, von der Wirkung, die man sieht, überwältigt, noch nicht gelernt hat, diejenigen Wirkungen wahrzunehmen, die man nicht sieht, so wird er nicht nur aus Neigung sondern aus Kalkül unheilvollen Gewohnheiten verfallen.

Dies erklärt die entsetzlich schmerzvolle Entwicklung der Menschheit. Unwissenheit umhüllt ihre Wiege. Also lässt sie sich in ihren Handlungen durch deren erste Folgen leiten, die einzigen, die sie damals sehen konnte. Nur langsam lernt sie, auch die anderen zu berücksichtigen. Zwei sehr verschiedene Meister lehren sie diese Lektion: Die Erfahrung und die Voraussicht. Die Erfahrung regiert effizient aber brutal. Sie lehrt uns alle Wirkungen einer Handlung, indem sie sie uns fühlen lässt; wir können der Erkenntnis, dass Feuer brennt, nicht ausweichen, wenn wir uns verbrennen. Diesen derben Arzt würde ich gerne soweit wie möglich durch einen sanfteren ersetzen: die Voraussicht. Deshalb erforsche ich die Folgen gewisser volkswirtschaftlicher Phänomene und setze denen, die man sieht, diejenigen entgegen, die man nicht sieht.

I. Die zerbrochene Scheibe

Waren Sie je Zeuge der Wut des braven Bürgers Hans Biedermann, nachdem es sein missratener Sohn geschafft hat, eine Scheibe zu zerschlagen? Wenn Sie einmal bei diesem Schauspiel anwesend waren, haben Sie sicherlich auch bemerkt, dass alle Anwesenden — ganz gleich wie viele — wie auf Kommando dem unglücklichen Eigentümer diesen gleichen Trost spenden: Unglück ist zu etwas nutze. Solche Unfälle geben der Industrie ihr Auskommen. Alle Welt muss leben. Was würde aus den Glasern, wenn man niemals Scheiben zerschlüge?

Nun, es gibt zu dieser Trostformel eine ganze Theorie. Es ist gut, sie hier in diesem einfachen Fall flagrante delicto zu ertappen. Bemerkenswerterweise ist es gerade diese Theorie, welche unglücklicherweise an den meisten unserer Hochschulen gelehrt wird.

Angenommen, Hans Biedermann muss sechs Franc ausgeben, um den Schaden zu beheben. Wenn man dann sagen will, dass der Unfall der Glasindustrie sechs Franc zukommen lasse, dass er in Höhe von sechs Franc die genannte Industrie fördert, stimme ich zu. Ich streite es in keiner Weise ab, man argumentiert richtig. Der Glaser wird kommen, er wird sich darum kümmern, sechs Franc erhalten, sich die Hände reiben und das missratene Kind von Herzen segnen. Dies ist, was man sieht.

Aber wenn man so ableitet — wie man es allzu häufig tut — dass es gut ist, Scheiben zu zerschlagen, dass das Geld in Umlauf bringt, dass dadurch die Industrie im allgemeinen gefördert wird, sehe ich mich gezwungen aufzuschreien: Haltet ein! Ihre Theorie bleibt bei dem stehen, was man sieht, sie berücksichtigt nicht, was man nicht sieht.

Man sieht nicht, dass unser Bürger, weil er sechs Franc für eine Sache ausgegeben hat, sie nicht mehr für eine andere ausgeben kann. Man sieht nicht, dass er, hätte er nicht die Scheibe reparieren müssen, zum Beispiel seine abgelaufenen Schuhe ersetzt oder ein Buch mehr in seine Bibliothek gestellt hätte. Kurz, er hätte mit diesen sechs Franc irgendetwas gemacht, was er nun nicht macht.

Berücksichtigen wir also die Industrie im Ganzen.

Durch die zerbrochene Scheibe wird die Glasindustrie in Höhe von sechs Franc gefördert; dies ist, was man sieht. Wäre die Scheibe nicht zerbrochen, wäre die Schuhindustrie (oder eine andere) in Höhe von sechs Franc gefördert worden. Dies ist, was man nicht sieht.

Und wenn man, was man nicht sieht, weil es eine negative Tatsache ist, ebenso in Betracht zöge, wie das, was man sieht, weil es eine positive Tatsache ist, würde man verstehen, dass es der Industrie im Ganzen oder die Gesamtheit der nationalen Arbeit egal ist, ob Scheiben zerbrechen oder nicht.

Stellen wir jetzt die Rechnung von Hans Biedermann auf.

Im ersten Fall, dem der zerbrochenen Scheibe, gibt er sechs Franc aus und hat nicht mehr und nicht weniger als vorher, die Nutznießung einer Scheibe. Im zweiten Fall, in dem der Unfall nicht passiert wäre, hätte er sechs Franc für Schuhzeug ausgegeben und hätte die Nutznießung eines Paars Schuhe und einer Scheibe dazu.

Nun, da Hans Biedermann Teil der Gesellschaft ist, muss man schließen, dass die Gesellschaft im Ganzen, in der Bilanz ihrer Arbeiten und Nutznießungen, den Wert der zerbrochenen Scheibe verloren hat.

Wodurch wir verallgemeinernd zu dem unerwarteten Schluss kommen: Die Gesellschaft verliert den Wert unnütz zerstörter Güter, sowie zu dem Lehrsatz, der den Protektionisten schwer im Magen liegen wird: Zerschlagen, zerbrechen und zerstören heißt nicht, die nationale Arbeit fördern, oder kürzer: Zerstörung ist kein Gewinn.

Was sagen Sie dazu, Moniteur Industriel, was sagen Sie, Schüler des guten Herrn de Saint-Chamans, der mit so großer Genauigkeit ausgerechnet hat, was die Industrie an dem Brand von Paris gewinne — wegen der Häuser, die man neu bauen müsse?

Es tut mir leid, seine erfindungsreichen Berechnungen durcheinanderzubringen, insbesondere da er ihren Geist in unsere Gesetzgebung hat eindringen lassen. Aber ich bitte ihn, sie zu wiederholen, um dabei das, was man nicht sieht, dem gegenüberzustellen, was man sieht.

Der Leser sollte sich wohl bewusst sein, dass nicht mehr nur zwei Personen, sondern drei in dem kleinen Drama mitspielen, das ich seiner Aufmerksamkeit anheimgestellt habe. Der eine, Hans Biedermann, repräsentiert den Verbraucher, der durch Zerstörung nur ein Gut anstelle von zweien nutzen kann. Der andere, in der Person des Glasers, zeigt uns den Produzenten, dessen Industrie vom Unfall gefördert wird. Der dritte ist der Schuster (oder irgendeine andere Industrie), dessen Arbeit aus demselben Grund ebenso viel verliert. Diese dritte Person hält man beständig im Schatten; sie personifiziert, was man nicht sieht, und ist ein notwendiger Teil der Analyse. Sie ist es, die uns verstehen lässt, wie absurd es ist, einen Gewinn in einer Zerstörung zu sehen. Sie wird uns in Kürze lehren, dass es nicht weniger absurd ist, einen Gewinn in einer Beschränkung zu sehen, die letztendlich nur eine partielle Zerstörung ist. — Gehen Sie allen Argumenten auf den Grund, die man für sie geltend macht, Sie finden dort nichts als eine Umschreibung der Volksweisheit: Was würde aus den Glasern, wenn man niemals Scheiben zerschlüge?

II. Die Entlassung

Bei einem Volk verhält es sich wie bei einem einzelnen Menschen: Wenn man sich etwas leisten will, muss man sehen, ob es wert ist, was es kostet. Für eine Nation ist Sicherheit das höchste Gut. Wenn man, um sie zu erlangen, hunderttausend Mann in Bereitschaft setzen und hundert Millionen ausgeben muss, habe ich nichts dagegen einzuwenden. Es ist ein Nutzen, der um den Preis eines Opfers erkauft wird. Man missverstehe also nicht den Punkt meiner Darlegung.

Ein Abgeordneter schlägt vor, hunderttausend Mann zu entlassen, um den Steuerzahlern hundert Millionen zu ersparen.

Wenn man sich darauf beschränken würde, ihm zu antworten: Diese hunderttausend Mann und hundert Millionen sind unverzichtbar für die nationale Sicherheit: Es ist ein Opfer, aber ohne dieses Opfer würde Frankreich von Bürgerkriegsparteien zerrissen oder vom Ausland eingenommen. — so habe ich diesem Argument nichts entgegenzusetzen: Es kann faktisch wahr oder falsch sein, aber es enthält keine theoretische, volkswirtschaftliche Häresie. Die Häresie beginnt, wenn man das Opfer selbst als einen Vorteil darstellen will, da es jemandem Nutzen bringt.

Nun würde ich mich sehr irren, wenn sich nicht — kaum dass der Urheber dieses Vorschlages die Rednertribüne herabgestiegen ist — schon ein Redner dorthin begibt, um zu sagen:

Hunderttausend Mann entlassen! Wo denken Sie hin? Was wird aus ihnen werden? Wovon werden sie leben? Etwa von Arbeit? Aber wissen Sie nicht, dass an Arbeit überall Mangel ist? Dass alle Berufe überfüllt sind? Wollen Sie die Männer auf den Markt werfen, um die Konkurrenz zu vermehren und die Löhne zu drücken? Jetzt, wo es so schwierig ist, ein kümmerliches Dasein zu fristen, ist es da nicht ein glücklicher Umstand, dass der Staat hunderttausend Menschen Brot gibt? Ziehen Sie außerdem in Betracht, dass die Armee Wein, Kleider, Waffen konsumiert, dass sie so Beschäftigung in die Fabriken, in die Garnisonsstädte trägt und dass sie zu guter Letzt unzählbare Lieferanten versorgt. Schrecken Sie nicht vor der Idee zurück, diese gewaltige industrielle Aktivität aufzulösen?

Diese Rede zielt wie man sieht darauf, die hunderttausend Soldaten beizubehalten, wobei man von der Notwendigkeit des Militärdienstes absieht und statt dessen volkswirtschaftliche Betrachtungen anstellt. Nur dies sind die Betrachtungen, die ich zurückweisen muss.

Hunderttausend Männer, deren Versorgung die Steuerzahler hundert Millionen kostet, leben und lassen ihre Versorger leben, soweit die hundert Millionen reichen: Dies ist, was man sieht.

Aber hundert Millionen, die die Taschen der Steuerzahler verlassen haben, schränken diese Steuerzahler und ihre Versorger in ihrem Leben ein, soweit eben diese hundert Millionen reichen: Dies ist, was man nicht sieht. Rechnen Sie, zählen Sie und sagen Sie mir, wo ist der Gewinn in der Bilanz?

Was mich angeht, werde ich Ihnen sagen, wo der Verlust ist; und der Einfachheit halber argumentieren wir statt über hunderttausend Männer und hundert Millionen Franc über einen Mann und tausend Franc.

Wir sind im Dorf A. Die Ausheber gehen um und rekrutieren einen Mann. Die Steuereintreiber gehen ebenfalls um und erheben tausend Franc. Der Mann und die Summe werden nach Metz transportiert, die eine, um den anderen ein Jahr leben zu lassen, ohne etwas zu tun. Wenn Sie nur Metz betrachten, ja dann haben sie hundertmal recht, die Maßnahme ist sehr vorteilhaft. Aber wenn sich Ihre Augen auf das Dorf A richten, werden Sie anders urteilen, denn, wenn Sie nicht blind sind, werden Sie sehen, dass dieses Dorf einen Arbeiter und seinen Lohn in Höhe von tausend Franc, sowie die Beschäftigung, die der Arbeiter durch das Ausgeben dieser tausend Franc um sich verbreitet, verloren hat.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob dies sich ausgleicht. Was in dem Dorf geschah, geschieht jetzt in Metz, und das ist alles.

Aber hier ist der Verlust: Auf dem Dorf schaffte und arbeitete ein Mann: Das war ein Arbeiter; in Metz hält er den Kopf rechts und den Kopf links: Das ist ein Soldat. Das Geld und sein Umlauf sind dieselben in den beiden Fällen. Aber in dem einen gab es dreihundert produktive Arbeitstage, in dem anderen dreihundert unproduktive Arbeitstage — immer unter der Voraussetzung, dass ein Teil der Armee für die öffentliche Sicherheit unnötig ist.

Die Entlassung komme. Sie weisen mich auf einen Anstieg um hunderttausend Arbeiter hin, auf eine verschärfte Konkurrenz und den Druck, den sie auf die Löhne ausübt. Dies ist, was Sie sehen.

Aber hier ist, was Sie nicht sehen. Sie sehen nicht, dass hunderttausend Soldaten nach Hause zu schicken nicht heißt, hundert Millionen verschwinden zu lassen, sondern vielmehr, sie den Steuerzahlern zurückzugeben. Sie sehen nicht, dass hunderttausend Arbeiter auf den Markt zu werfen bedeutet, auch zugleich die hundert Millionen auf den Markt zu werfen, die dazu bestimmt waren, ihre Arbeit zu bezahlen; dass folglich dieselbe Maßnahme, die das Angebot an tätigen Händen vermehrt, auch die Nachfrage danach vermehrt; woraus folgt, dass Ihre Lohnminderung illusionär ist. Sie sehen nicht, dass es sowohl vor wie auch nach der Entlassung im Lande hundert Millionen gibt, denen hunderttausend Menschen gegenüberstehen; dass aller Unterschied in Folgendem besteht: Vorher übergibt das Land die hundert Millionen an hunderttausend Menschen für Nichtstun. Nachher übergibt es sie ihnen für Arbeit. Sie sehen schließlich nicht: wenn ein Steuerzahler sein Geld gibt, sei es für einen Soldaten im Tausch für nichts, sei es für einen Arbeiter im Tausch für etwas, sind alle späteren Folgen des Umlaufes dieses Geldes dieselben. Nur im zweiten Falle erhält der Steuerzahler etwas, im ersten nichts. — Ergebnis: ein Nettoverlust für die Nation.

Der Sophismus, den ich hier bekämpfe, hält der Probe durch Steigerung nicht stand, die der Prüfstein aller Prinzipien ist. Wenn eine Vergrößerung der Armee alles eingeschlossen, alle Interessen berücksichtigt, einen nationalen Gewinn erwirtschaftet, warum versammelt man dann nicht die gesamte männliche Bevölkerung des Landes unter die Fahnen?

III. Die Steuer

Haben Sie nie jemand sagen hören:

Die Steuer ist die beste Anlage, ist befruchtender Tau. Sehen Sie, wie viele Familien sie leben lässt, und folgen Sie in Gedanken ihrem vielfachen Widerhall in der Industrie: Sie ist das Unendliche, das Leben.

Um diese Lehre zu bekämpfen, muss ich die vorige Widerlegung wiederholen. Die Volkswirtschaft weiß wohl, dass ihre Argumente nicht unterhaltsam genug sind, als dass man sagen könnte: Repetita placent. Sie hat das Sprichwort auch für ihren Gebrauch angepasst wie Basile, wohl wissend, dass aus ihrem Munde Repetita docent.

Die Vorteile, die die Beamten dabei haben, ein Staatsgehalt zu beziehen, sind, was man sieht. Das Wohl, das daraus für ihre Lieferanten entsteht, ist wieder, was man sieht. Es springt in die Augen des Körpers.

Aber den Nachteil, den die Steuerzahler erleiden, wenn sie dies alles bezahlen, sieht man nicht, und den Schaden, der daraus für ihre Lieferanten entsteht, sieht man noch weniger, obwohl dies in die Augen des Geistes springen sollte.

Wenn ein Beamter zu seinem Vorteil hundert Sous mehr ausgibt, schließt dies ein, dass ein Steuerzahler hundert Sous weniger zu seinem eigenen Nutzen ausgibt. Aber die Ausgabe des Beamten ist sichtbar, weil sie getan wird, während die des Steuerzahlers unsichtbar ist, weil man sie — leider — unterbindet.

Sie vergleichen die Nation mit ausgetrockneter Erde und die Steuer mit einem fruchtbaren Regen. Nun gut. Aber Sie müssen auch fragen, wo die Quellen dieses Regens sind, und ob es nicht eben genau die Steuer ist, die die Feuchtigkeit aus dem Boden pumpt und ihn austrocknet.

Sie müssen sich außerdem fragen, ob der Boden soviel von dem kostbaren Regenwasser erhalten kann, wie er durch die Entwässerung verliert.

Fest steht jedenfalls: Wenn Hans Biedermann hundert Sous für den Steuereintreiber abzählt, erhält er nichts dafür. Wenn nachher ein Beamter diese hundert Sous ausgibt und sie Hans Biedermann gibt, erhält er dafür den Gegenwert an Weizen oder Arbeit. Das Endresultat ist, dass Hans Biedermann einen Verlust von fünf Franc hat.

Es ist sehr wahr, dass häufig, wenn man so will meistens, der Beamte Hans Biedermann einen gleichwertigen Dienst leistet. In diesem Fall gibt es weder auf der einen noch auf der anderen Seite einen Verlust, es gibt nur einen Tausch. Meine Argumentation wendet sich auch nicht gegen öffentliche Dienste. Ich sage das Folgende: Wenn Sie eine Stelle wollen, beweisen Sie ihre Nützlichkeit. Beweisen Sie, dass sie Hans Biedermann durch die Dienste, die sie ihm leistet, das gleiche wert ist, was sie ihn kostet. Aber bemühen Sie nicht — abgesehen von dieser intrinsischen Nützlichkeit — als Argument den Vorteil, den sie dem Beamten bringt, seiner Familie und seinen Lieferanten. Behaupten Sie nicht, dass sie die Arbeit fördert.

Wenn Hans Biedermann einem Beamten hundert Sous für einen wirklich nützlichen Dienst zahlt, verhält es sich genauso, als ob er diese hundert Sous einem Schuster für ein Paar Schuhe gibt. Beide geben und sind danach quitt. Aber wenn Hans Biedermann einem Beamten hundert Sous gibt und dafür keinen Dienst oder sogar Schikanen erhält, ist dies als ob er sie einem Räuber geben würde. Es hilft nichts zu sagen, dass der Beamte diese hundert Sous zum großen Nutzen der nationalen Arbeit ausgeben wird; genauso hätte es der Räuber gemacht; genauso hätte es auch Hans Biedermann selbst gemacht, wenn er auf seinem Wege weder dem ungesetzlichen noch dem gesetzlichen Parasiten begegnet wäre.

Gewöhnen wir uns also an, die Dinge nicht nur danach zu beurteilen, was man sieht, sondern auch danach, was man nicht sieht.

Letztes Jahr war ich im Finanzausschuss, denn bei der verfassungsgebenden Versammlung waren die Mitglieder der Opposition nicht systematisch von allen Kommissionen ausgeschlossen. Darin handelte die verfassungsgebende Versammlung weise. Wir haben Herrn Thiers sagen hören: Ich habe mein Leben damit verbracht, die Menschen der Parti Legitimiste und der Parti Prêtre zu bekämpfen. Seit die gemeinsame Gefahr uns einander näher gebracht hat, seit ich mit ihnen umgehe, sie kenne, seit wir uns vertraulich unterhalten, habe ich gemerkt, dass sie nicht die Monster sind, die ich mir vorgestellt hatte.

Ja, das Misstrauen übersteigert sich, der Hass schäumt über zwischen Parteien, die nicht miteinander verkehren; und wenn die Mehrheit in die Kommissionen einige Mitglieder der Minderheiten hineinkommen ließe, würde man man vielleicht auf beiden Seiten anerkennen, dass die Ideen nicht so weit voneinander entfernt und vor allem die Absichten nicht so pervers sind, wie man annimmt.

Wie auch immer, letztes Jahr war ich im Finanzausschuss. Jedesmal, wenn einer unserer Kollegen davon sprach, die Versorgung des Präsidenten der Republik, der Minister, der Diplomaten in Maßen zu halten, antwortete man ihm:

Zu Gunsten des Dienstes selbst muss man gewisse Funktionen mit Glanz und Würde umgeben. So kann man hierfür Leute von Verdienst gewinnen. Unzählige Unglückliche wenden sich an den Präsidenten der Republik, und dies bedeutet, ihn in die peinliche Lage bringen, immer abzulehnen. Eine gewisse Repräsentation in den ministeriellen und diplomatischen Salons ist eines der Räderwerke konstitutioneller Regierungen, etc., etc.

Wenn solche Argumente auch umstritten sein können, so verdienen sie sicherlich eine genaue Untersuchung. Sie gründen auf dem öffentlichen Interesse, wohl oder schlecht verstanden; und ich meinerseits mache es mir dabei schwerer als viele unserer zeitgenössischen Catos, die ausgesprochen geizig und neidisch sind.

Aber was meinem Gewissen als Volkswirt widerstrebt, was mich für den intellektuellen Ruf meines Vaterlandes erröten lässt, ist, wenn man zu diesem absurden und immer günstig aufgenommenen Gemeinplatz gelangt:

Im Übrigen fördert der Luxus der großen Funktionäre die Künste, die Industrie, die Arbeit. Der Staatschef und seine Minister können keine Festlichkeiten und Abende geben ohne das Leben in allen Adern des gesellschaftlichen Körpers zirkulieren zu lassen. Ihre Bezüge zu senken heißt, die Pariser Industrie auszuhungern und im Gegenzug damit auch die nationale.

Ich bitte Sie, meine Herren, respektieren Sie gnädigst zumindest die Arithmetik und verkünden Sie nicht vor der Nationalversammlung Frankreichs aus Angst, dass sie Ihnen zu ihrer Schande nicht zustimmt, eine Addition ergebe eine andere Summe, je nachdem ob man sie von oben nach unten oder von unten nach oben bildet.

Was! Ich einige mich mit einem Erdarbeiter, dass er mir für hundert Sous eine Rinne auf mein Feld legt. Im Augenblick des Abschlusses nimmt mir der Steuereintreiber meine hundert Sous und lässt sie dem Innenministerium zukommen. Mein Geschäft ist vereitelt, aber der Herr Minister fügt seinem Diner einen Gang mehr hinzu. Wie wagen Sie zu behaupten, dass diese offizielle Ausgabe ein Zuwachs für die nationale Industrie ist! Verstehen Sie nicht, dass hier nur eine einfache Umverteilung von Konsum und Arbeit vorliegt? Ein Minister hat seine Tafel besser garniert, das ist wahr, aber ein Bauer hat ein Feld weniger gut entwässert, das ist ebenso wahr. Ein Pariser Delikatessenhändler hat hundert Sous gewonnen, ich stimme Ihnen zu; aber gestehen Sie mir zu, dass ein Erdarbeiter in der Provinz fünf Franc nicht verdient hat. Alles, was man sagen kann ist, dass das offizielle Bankett und der zufriedene Delikatessenhändler sind, was man sieht, das überschwemmte Feld und der unbeschäftigte Erdarbeiter, was man nicht sieht.

Mein Gott! Welche Mühe muss man in der Volkswirtschaft aufbringen, um zu beweisen, dass zwei und zwei vier sind; und wenn Sie dort angekommen sind, schreit man: Das ist so klar, wie ist das langweilig! Dann wählt man, als hätten Sie überhaupt nichts bewiesen.

IV. Theater und Künste

Muss der Staat die Künste subventionieren?

Es gibt sicherlich viel dafür und dagegen zu sagen.

Zu Gunsten des Subventionssystems kann man sagen, dass die Künste die Seele einer Nation erweitern, erheben und poetisieren, sie den materiellen Sorgen entreißen, ihr ein Gefühl des Schönen geben, sich also günstig auf die Lebensart, die Gebräuche, die Sitten und sogar die Industrie der Nation auswirken. Man kann sich fragen, wo in Frankreich die Musik stünde ohne das Théâtre-Italien und das Konservatorium, die dramatische Kunst ohne das Théâtre-Francais, die Malerei und Skulptur ohne unsere Sammlungen und unsere Museen. Man kann weiter gehen und sich fragen, ob ohne die Zentralisierung und folglich Subventionierung der Künste sich dieser exquisite Geschmack entwickelt hätte, der die französischen Arbeiten auszeichnet und ihre Produkte der ganzen Welt empfiehlt. Wäre es nicht bei solchen Ergebnissen höchst unklug, auf diesen mäßigen Beitrag aller Bürger zu verzichten, der doch wahrlich inmitten Europas die Überlegenheit und den Ruhm Frankreichs verwirklicht?

Diesen Gründen und manch anderen, deren Kraft ich nicht geringschätze, kann man nicht weniger mächtige entgegenstellen. Es gibt zunächst, könnte man sagen, eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Geht das Recht des Gesetzgebers so weit, den Lohn des Handwerkers zu beschneiden, um dem Künstler einen Zuschlag zu seinem Gewinn zu geben? Herr Lamartine sagte: Wenn Sie die Subvention eines Theaters abschaffen, wo werden Sie auf diesem Wege stehen bleiben, und werden sie nicht in der Folge dahin kommen, Ihre Fakultäten, Ihre Museen, Ihre Institute, Ihre Bibliotheken zu schließen? Man könnte antworten: Wenn Sie alles subventionieren wollen, was gut ist und nützlich, wo werden Sie auf diesem Weg stehen bleiben, und werden Sie nicht in Folge dahin kommen, schließlich auch die Landwirtschaft, die Industrie, den Handel, die Wohltätigkeit, die Lehre öffentlich zu besolden? Des weiteren, ist es denn sicher, dass die Subventionen die Entwicklung der Kunst fördern? Diese Frage ist weit entfernt davon, beantwortet zu sein, und wir sehen mit eigenen Augen, dass die Theater, die Erfolg haben, eben die sind, die aus eigener Kraft leben. Schließlich, um zu höheren Betrachtungen aufzusteigen, kann man bemerken, dass Bedürfnisse und Wünsche aufeinander aufbauen und sich in dem Maße fortentwickeln, wie es der öffentliche Wohlstand zulässt; dass die Regierung sich nicht in diese Wechselwirkung einzumischen hat, da sie in einem gegebenen Zustand gegenwärtigen Wohlstands nicht die Luxusindustrien durch Steuern fördern kann, ohne die lebensnotwendigen Industrien zu schädigen und so den natürlichen Weg der Zivilisation umzukehren. Man kann zu bedenken geben, dass diese künstlichen Verlagerungen der Bedürfnisse und Geschmäcker, der Arbeit und der Bevölkerung, die Völker in eine prekäre und gefährliche Lage versetzen, die keine solide Basis mehr hat.

Dies sind einige Argumente, die die Gegner der Staatsintervention anführen, wenn es um die Reihenfolge geht, in der die Bürger glauben, ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen und folglich ihre Beschäftigung lenken zu müssen. Ich gehöre zu denen, ich gebe es zu, die glauben, dass die Wahl, der Antrieb von unten kommen muss, nicht von oben, von den Bürgern, nicht vom Gesetzgeber, und die entgegengesetzte Lehre scheint mir zur Vernichtung der menschlichen Freiheit und Würde zu führen.

Aber stelle man sich vor, was man, ebenso falsch wie unberechtigt, den Ökonomen vorwirft? Dass wir, wenn wir die Subvention ablehnen, die Sache selbst, die subventioniert werden soll, ablehnen, dass wir Feinde von aller Art Aktivitäten sind, weil wir wollen, dass diese Aktivitäten frei sein und in sich selbst ihren Lohn suchen sollen. Fordern wir also, dass der Staat nicht durch Steuer in die religiösen Dinge eingreifen soll? Dann sind wir Atheisten. Fordern wir, dass der Staat nicht durch Steuer in die Erziehung eingreift? Dann hassen wir die Aufklärung. Sagen wir, dass der Staat nicht dem Boden oder irgendeiner Industrie mittels der Steuer einen künstlichen Wert geben darf? Dann sind wir Feinde von Eigentum und Arbeit. Glauben wir, dass der Staat nicht die Künstler subventionieren soll? Dann sind wir Barbaren, die Künste für unnütz halten.

Ich protestiere hier mit aller Kraft gegen diese Folgerungen. Uns liegt der absurde Gedanke fern, die Religion, die Erziehung, das Eigentum, die Arbeit und die Künste zu vernichten. Wenn wir fordern, dass der Staat die freie Entwicklung aller dieser Arten menschlicher Beschäftigung schützt, ohne die einen auf Kosten der anderen zu fördern, so glauben wir vielmehr, dass sich alle lebendigen Kräfte der Gesellschaft unter dem Einfluss der Freiheit harmonisch entwickeln werden, so dass keine mehr, wie wir es heute sehen, zu einer Quelle von Problemen, Missbräuchen, Tyrannei und Unordnung würde.

Unsere Gegner glauben, dass eine Aktivität, die nicht gefördert oder reguliert wird, eine vernichtete Aktivität ist. Wir glauben das Gegenteil. Sie glauben an den Gesetzgeber, nicht an die Menschheit. Wir an die Menschheit, nicht an den Gesetzgeber.

So sagte Herr Lamartine: Im Namen dieses Prinzips muss man die öffentlichen Ausstellungen abschaffen, die die Ehre und den Reichtum dieses Landes ausmachen.

Ich antworte Herrn Lamartine: Von Ihrem Blickwinkel aus heißt nicht-subventionieren abschaffen, weil Sie für gegeben nehmen, dass alles nur durch den Willen des Staates existiert, und daraus schließen, dass nichts lebt als was die Steuer leben lässt. Aber ich wende das Beispiel, das Sie gewählt haben, gegen Sie, und weise Sie darauf hin, dass die größte, die erlesenste aller Ausstellungen, diejenige die im liberalsten, universellsten Geiste konzipiert ist — und ich könnte mich sogar des Wortes humanitär bedienen, das hier nicht übertrieben ist — die Ausstellung ist, die in London bevorsteht, die einzige, in die sich keine Regierung einmischt und die keine Steuer unterstützt.

Um zu den Künsten zurückzukehren, kann man, ich wiederhole es, für und gegen das System der Subventionen mächtige Gründe anführen. Der Leser wird verstehen, dass ich bei der speziellen Zielsetzung dieser Schrift diese Gründe weder ausführen noch zwischen ihnen entscheiden muss.

Aber Herr Lamartine hat ein Argument vorgebracht, dass ich nicht schweigend übergehen kann, denn es kehrt in den genau begrenzten Kreis dieser volkswirtschaftlichen Studie zurück. Er hat gesagt:

Die volkswirtschaftliche Frage bezüglich der Theater, ist in einem einzigen Wort zusammenzufassen: Arbeit. Die Art dieser Arbeit ist nicht von Belang, es ist eine genauso fruchtbare, produktive Arbeit, wie alle anderen Arten von Arbeit in einer Nation. Die Theater ernähren nicht weniger, bezahlen nicht weniger als achtzigtausend Arbeiter aller Art in Frankreich, Maler, Maurer, Dekorateure, Schneider, Architekten, etc., die das eigentliche Leben und den Motor mehrerer Viertel dieser Hauptstadt bilden, und in dieser Eigenschaft müssen sie Ihre Sympathien erhalten!

Ihre Sympathien! — Übersetzen Sie: Ihre Subventionen.

Und weiter unten:

Die Vergnügungen von Paris sind die Arbeit und der Unterhalt von ganzen Departements, der Luxus der Reichen sind Lohn und Brot von zweihunderttausend Arbeitern aller Art, die von der so vielfältigen Industrie der Theater auf dem Boden der Republik leben, und aus diesen edlen Vergnügungen, die Frankreich berühmt machen, ihren Lebensunterhalt und das Notwendige für ihre Familien und ihre Kinder empfangen. Ihnen geben Sie diese 60 000 Franc. ( Sehr gut! sehr gut! zahlreiche Beifallsbekundungen)

Für mein Teil bin ich gezwungen zu sagen: sehr schlecht! sehr schlecht! Wobei ich wohlgemerkt die Tragweite dieses Urteils auf das wirtschaftlihce Argument beschränke, von dem hier die Rede ist.

Ja, an die Arbeiter der Theater gehen zumindest zum Teil die erwähnten 60 000 F. Einige Brocken könnten sich wohl unterwegs verkrümeln. Wenn man die Sache näher untersucht, könnte man vielleicht gar entdecken, dass der Kuchen einen anderen Weg nimmt; glücklich die Arbeiter, wenn ihnen einige Krümel bleiben! Aber ich will einmal zugestehen, dass die ganze Subvention an die Maler, Dekorateure, Kostümschneider, Friseure, etc. geht. Dies ist was man sieht.

Aber woher kommt die Summe? Hier die Rückseite der Medaille, genauso wichtig zu untersuchen wie die Vorderseite. Wo ist die Quelle dieser 60 000 Franc? Und wohin würden sie gehen, wenn ein gesetzliches Votum sie nicht vorher zur Rue Rivoli und von dort zur Rue Grenelle lenkte? Dies ist, was man nicht sieht.

Sicherlich wird niemand zu behaupten wagen, dass das gesetzliche Votum diese Summe aus der Wahlurne hervorgezaubert hat, dass sie ein reiner Zusatz zum nationalen Reichtum ist, dass ohne diese wunderbare Abstimmung diese sechzig tausend Franc für immer unsichtbar und nicht fassbar wären. Man muss wohl zugeben, dass die Mehrheit nichts weiter tun konnte, als zu entscheiden, dass sie einem Teil genommen werden, um einem anderen Teil gegeben zu werden, und dass sie an einer Stelle ankommen, weil sie einer anderen entzogen werden.

Wenn die Sache so ist, ist klar, dass der Steuerzahler, der mit einem Franc besteuert wurde, diesen Franc nicht mehr zur Verfügung hat. Es ist klar, dass ihm Konsum im Wert eines Francs genommen wurde, und dass der Arbeiter, wer es auch sei, der sie ihm verschafft hätte, im selben Grade seines Lohnes beraubt wird.

Geben wir uns also nicht der kindischen Illusion hin zu glauben, dass die Abstimmung vom 16. Mai irgendetwas zum nationalen Wohlstand und zur nationalen Arbeit hinzugefügt hat. Sie verlagert Genüsse, sie verlagert Löhne, das ist alles.

Aber ersetzt sie eine Art des Konsums und eine Art der Arbeit durch wichtigere, moralischere und vernünftigere Konsumgüter und Arbeiten? Ich könnte auf diesem Boden kämpfen. Ich könnte sagen: Indem Sie den Steuerzahlern 60 000 Franc entreißen, vermindern Sie die Löhne der Arbeiter, Erdarbeiter, Zimmermänner, Schmiede, und Sie vermehren im gleichen Maße die Löhne von Sängern, Friseuren, Dekorateuren und Kostümschneidern. Nichts beweist, dass diese letztere Klasse interessanter ist als die andere. Herr Lamartine vertritt es nicht. Er sagt selbst, dass die Arbeit des Theaters genauso fruchtbar, genauso produktiv ist (und nicht mehr) wie jede andere, was man noch bestreiten könnte; denn der beste Beweis, dass die zweite nicht so fruchtbar ist wie die Erste, ist, dass diese aufgeboten wird, jene zu unterstützen.

Aber dieser Vergleich zwischen dem Wert und inneren Verdienst verschiedener Arten von Arbeit gehört nicht zu meinem gegenwärtigen Thema. Alles, was ich hier zu tun habe, ist zu zeigen, dass Herr Lamartine und die Personen, die seiner Argumentation applaudiert haben, wenn sie mit dem linken Auge die Löhne gesehen haben, die von den Lieferanten der Schauspieler verdient werden, auch mit dem rechten Auge die Löhne hätten sehen sollen, die den Lieferanten der Steuerzahler verloren gehen. Deshalb haben sie sich der Lächerlichkeit ausgesetzt, eine Verlagerung für einen Gewinn anzusehen. Wenn Sie in ihrer Lehre konsequent wären, würden sie unendlich Subventionen fordern; denn was für einen Franc und 60 000 Franc richtig ist, ist unter gleichen Umständen auch für eine Milliarde Franc richtig.

Wenn es sich um Steuern handelt, meine Herren, prüfen Sie die Nützlichkeit mit Argumenten für die zugrundeliegende Sache, aber nicht mit der peinlichen Behauptung: Die öffentlichen Ausgaben lassen die Arbeiterklasse leben. Sie hat den Fehler, eine wesentliche Tatsache zu verkennen, nämlich dass öffentliche Ausgaben immer private Ausgaben ersetzen, und dass sie folglich einen Arbeiter statt eines anderen leben lassen, aber der Gesamtheit der Arbeiterklasse in der Tat nichts zugute tun. Ihre Argumentation ist sehr in Mode, aber zu absurd, dass die Vernunft hierin nicht recht behielte.

V. Öffentliche Arbeiten

Dass eine Nation, nachdem sie sich überzeugt hat, dass eine große Unternehmung der Allgemeinheit nutzen wird, diese aus den Einnahmen eines allgemeinen Beitrages ausführen lässt, ist ganz natürlich. Aber mir reißt die Geduld, ich gebe es zu, wenn ich höre, wie man zur Verteidigung eines solchen Beschlusses den volkswirtschaftlichen Patzer anführt: Das ist im Übrigen ein Mittel, um Arbeitsplätze zu schaffen.

Der Staat baut einen Weg, ein öffentliches Gebäude, erneuert eine Straße, gräbt einen Kanal. Dadurch gibt er gewissen Arbeitern Arbeit, das ist, was man sieht. Aber er nimmt gewissen anderen Arbeitern die Arbeit, das ist, was man nicht sieht.

Betrachten wir die Straße, die gebaut werden soll. Tausend Arbeiter kommen jeden Morgen an, gehen jeden Abend weg, nehmen ihren Lohn mit, aber sicher. Wenn der Straßenbau nicht verfügt worden wäre, wenn das Budget nicht genehmigt worden wäre, hätten diese guten Leute dort weder diese Arbeit, noch diesen Lohn gefunden. Auch das ist klar.

Aber ist das alles? Umfasst die Operation in ihrer Gesamtheit nicht noch etwas anderes? In dem Augenblick, wo Herr Dupin die feierlichen Worte spricht: Die Versammlung hat angenommen, kommen da die Millionen wunderbar auf einem Mondenstrahl herab in die Geldschränke der Herren Fould und Bineau? Damit die Entwicklung, wie man sagt, vollständig ist, ist es da nicht nötig, dass der Staat die Einnahme genauso gut organisiere wie die Ausgabe, dass er seine Eintreiber ins Land schickt und seine Steuerpflichtigen zur Steuer heranzieht?

Studieren Sie also die Frage in ihren beiden Bestandteilen. Beachten Sie wohl die Bestimmung, die der Staat den beschlossenen Millionen gegeben hat und versäumen Sie nicht, auch die Bestimmung zu beachten, die die Steuerzahler diesen selben Millionen gegeben hätten — und ihnen nicht mehr geben können. So werden Sie verstehen, dass eine öffentliche Unternehmung eine Medaille mit zwei Seiten ist. Auf der einen Seite ein beschäftigter Arbeiter mit der Aufschrift: was man sieht; auf der anderen eine unbeschäftigter mit der Aufschrift: was man nicht sieht.

Der Sophismus, den ich in dieser Schrift bekämpfe, ist umso gefährlicher, wenn er auf öffentliche Arbeiten angewendet wird, als er dazu dient, die unsinnigsten Unternehmungen und Verschwendungen zu rechtfertigen. Wenn eine Eisenbahnlinie oder eine Brücke wirklich nützlich sind, reicht es diese Nützlichkeit anzuführen. Aber wenn man das nicht kann, was dann? Man greift auf die Mystifikation zurück: Man muss Arbeitsplätze schaffen.

Gesagt, getan, ordnet man an, die Terrassen des Champ de Mars zu errichten und abzutragen. Der große Napoleon glaubte bekanntlich ein menschenfreundliches Werk zu vollbringen, indem er Gräben ausheben und zuschütten ließ. Er sagte auch: Was zählt das Ergebnis? Man braucht nur den Wohlstand zu sehen, der sich in der Arbeiterklasse verbreitet.

Kommen wir auf den Boden der Tatsachen. Geld schafft eine Illusion. Das Zusammenkommen aller Bürger für ein gemeinsames Werk in Form einer Geldabgabe zu fordern, heißt in Wirklichkeit, von ihnen ein physisches Zusammenkommen zu fordern; denn jeder von ihnen verschafft sich durch Arbeit die Summe, mit der er besteuert wird. Nun, wenn man alle Bürger versammelt, um sie durch ihren Einsatz ein Werk ausführen zu lassen, das für alle nützlich ist, so wäre das verständlich; ihre Vergütung läge in den Ergebnissen des Werkes selbst. Aber dass man sie versammelt, um Straßen zu bauen, wo niemand fahren wird, Paläste, wo niemand wohnen wird, und dies unter dem Vorwand, ihnen Arbeit zu verschaffen — das wäre absurd, und sie wären sicherlich berechtigt, dagegen einzuwenden: Diese Arbeit geht uns nichts an. Wir würden lieber auf eigene Rechnung arbeiten.

Das Vorgehen, die Bürger über Geld und nicht über Arbeitseinsätze zusammenkommen zu lassen, ändert nichts an diesen Grundsätzen. Nur teilt sich bei diesem letzteren Vorgehen der Verlust auf alle auf. Bei dem ersten Wege entgehen diejenigen, die der Staat beschäftigt, ihrem Anteil des Verlustes und fügen ihn dem Teil hinzu, den ihre Landesgenossen bereits zu tragen haben.

Es gibt einen Artikel in der Verfassung der lautet:

Die Gesellschaft begünstigt und ermutigt die Entwicklung der Arbeit … indem der Staat, die Departements und die Gemeinden öffentliche Arbeiten einrichten, die geeignet sind, Arbeitslose zu beschäftigen.

Als vorübergehende Maßnahme, in einer Krisenzeit, während eines strengen Winters, kann dieser Eingriff des Steuerzahlers gute Wirkung zeigen. Er wirkt auf die selbe Weise wie die Versicherungen. Er fügt der Arbeit oder dem Lohn nichts hinzu, sondern er nimmt Arbeit und Löhne zu gewöhnlichen Zeiten, um sie zu schwierigen Zeiten — mit Verlust freilich — zu verteilen.

Als eine ständige, allgemeine, systematische Maßnahme, ist dies nichts anderes als eine ruinöse Mystifikation, eine Unmöglichkeit, ein Widerspruch, der wenig initiierte Arbeit zeigt, die man sieht und viel Arbeit verschwinden lässt, die man nicht sieht.

VI. Die Vermittler

Die Gesellschaft ist die Gesamtheit der Dienste, die die Menschen sich gegenseitig gezwungen oder freiwillig leisten, d.h. der öffentlichen und der privaten Dienste.

Die ersteren, die vom Gesetz auferlegt und geregelt sind, welches man nicht immer einfach ändern kann, wenn es nötig wäre, können lange Zeit mit dem Gesetz zu ihrem eigenen Nutzen überdauern und noch den Namen öffentlicher Dienste tragen, auch wenn sie überhaupt keine Dienste mehr sind, sogar wenn sie nur noch öffentliche Schikanen sind. Die zweiten liegen im Bereich der Entscheidung, der individuellen Verantwortung. Jeder leistet und empfängt, was er will, was er kann, nach einer Debatte für und wider. Sie haben immer die Annahme wirklicher Nützlichkeit für sich, genau gemessen nach ihrem miteinander verglichenen Wert.

Deshalb sind die ersteren so oft erstarrt, während die zweiteren dem Gesetz des Fortschritts folgen.

Obwohl gerade die übertriebene Ausweitung der öffentlichen Dienste, durch die Ineffizienz, die sie mit sich bringt, dazu neigt, innerhalb der Gesellschaft ein gefährliches Parasitentum zu etablieren, ist es recht überraschend, dass mehrere moderne Sekten diesen Mangel den freiwilligen und privaten Diensten zuschreiben und Berufe in Laufbahnen umwandeln wollen.

Diese Sekten erheben sich mit Eifer gegen das, was sie Vermittler nennen. Sie würden gerne den Kapitalisten, den Bankier, den Spekulanten, den Unternehmer, den Kaufmann und den Händler abschaffen, mit dem Vorwurf, dass diese sich zwischen die Produktion und den Verbrauch stellen, um alle beide zu schädigen, ohne ihnen irgendeinen Wert hinzuzufügen. — Oder vielmehr würden sie gerne dem Staat die Arbeit übertragen, die jene vollbringen, denn die Arbeit ist unverzichtbar.

Der Sophismus der Sozialisten in diesem Punkt besteht darin, der Öffentlichkeit zu zeigen, was sie den Vermittlern im Tausch für ihre Dienste zahlt, und ihr zu verbergen, was sie dem Staat zahlen müsste. Es ist immer wieder der Widerspruch zwischen dem, was in die Augen springt und dem, was sich nur dem Verstand zeigt, zwischen dem, was man sieht, und dem, was man nicht sieht.

Vor allem 1847 und zur Zeit des Mangels haben die sozialistischen Schulen versucht — und es ist ihnen gelungen — ihre verhängnisvolle Theorie populär zu machen. Sie wussten wohl, dass auch die absurdeste Propaganda bei Menschen, die leiden, immer gewisse Chancen hat — malesuada fames.

Also gefiehlen sie sich darin mit den Schlagworten Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, Spekulation auf den Hunger, Zurückhaltung von Waren, den Handel zu verunglimpfen und seine Wohltaten zu verschleiern.

Warum, sagen sie, soll man die Sorge, Lebensmittel aus den Vereinigten Staaten und der Krim kommen zu lassen, den Händlern überlassen? Warum organisieren der Staat, die Departements, die Gemeinden nicht einen Versorgungsdienst und Versorgungsläden? Sie würden zum Selbstkostenpreis verkaufen und das Volk, das arme Volk wäre befreit von dem Tribut, den es dem freien Handel zahlt, d.h. dem egoistischen, individualistischen, anarchischen Handel.

Der Tribut, den das Volk an den Handel zahlt, ist, was man sieht. Der Tribut, den das Volk an den Staat zahlen würde oder an seine Agenten in einem sozialistischen System, ist, was man nicht sieht. Worin besteht der angebliche Tribut, den das Volk dem Handel zahlt? In folgendem: dass zwei Menschen sich gegenseitig einen Dienst leisten, in voller Freiheit, unter dem Druck der Konkurrenz und zu einem umkämpften Preis. Wenn der Magen, der Hunger hat, in Paris ist und der Weizen, der ihn stillen kann, in Odessa, kann das Leiden nicht aufhören, wenn nicht der Weizen zu dem Magen kommt. Es gibt drei Mittel für diese Zusammenkunft:

  1. Die hungernden Menschen können sich selbst den Weizen holen;
  2. Sie können sich an die wenden, die diesem Beruf nachgehen;
  3. Sie können sich vereinigen und öffentliche Beamte mit dieser Operation betrauen.

Welches dieser drei Mittel ist das vorteilhafteste?

Zu allen Zeiten, in allen Ländern, und umso eher je freier, je aufgeklärter, je erfahrener sie waren, haben die Menschen freiwillig das zweite gewählt. Ich gebe zu, dass dies in meinen Augen genügt, um dieser Seite den Vorzug zu geben. Mein Verstand weigert sich zu glauben, dass die Menschheit sich in ihrer Gesamtheit über einen Punkt täuscht, der sie so direkt betrifft.

Untersuchen wir es dennoch.

Dass sechsunddreißig Millionen Bürger wegfahren, um sich in Odessa den Weizen zu holen, den sie brauchen, ist offensichtlich unausführbar. Das erste Mittel taugt nichts. Die Verbraucher können dies nicht für sich selbst erledigen, deshalb müssen sie auf Vermittler zurückgreifen, Beamte oder Händler.

Bemerken wir immerhin, dass das erstere Mittel das natürlichste wäre. Im Grunde ist es an dem, der Hunger hat, seinen Weizen zu besorgen. Es ist ein Leiden, das ihn angeht; es ist ein Dienst, den er sich selbst leistet. Wenn ein anderer, unter welchem Titel auch immer, ihm diesen Dienst leistet und diese Mühe auf sich nimmt, hat der andere ein Recht auf eine Entlohnung. Was ich hier sage dient der Feststellung, dass die Dienste der Vermittler in sich das Prinzip der Entlohnung tragen.

Wie dem auch sei, weil man sich an jemand wenden muss, den die Sozialisten einen Parasiten nennen, wer ist der anspruchsvollere Parasit, der Händler oder der Beamte?

Der Handel (ich setze ihn als frei voraus, wie könnte ich sonst argumentieren?) der Handel, sage ich, wird vom Interesse getragen, die Jahreszeiten zu studieren, Tag für Tag den Erntestand festzustellen, Informationen an allen Erdpunkten einzuholen, Bedürfnisse vorherzusehen, im vorhinein vorzusorgen. Er hat Schiffe bereit, überall Korrespondenten; sein unmittelbares Interesse ist, so billig wie möglich zu kaufen, bei der Durchführung überall zu sparen, die größten Ergebnisse mit den geringsten Mitteln zu erreichen. Nicht nur die französischen Händler sondern Händler der ganzen Welt befassen sich mit der Versorgung Frankreichs am Bedarfstag; und wenn das Interesse die Händler unausweichlich dazu treibt, ihre Aufgabe zu den geringsten Kosten zu erfüllen, treibt die gegenseitige Konkurrenz sie nicht weniger unausweichlich dahin, die Konsumenten an allen verwirklichten Einsparungen teilhaben zu lassen. Wenn der Weizen angekommen ist, hat der Handel Interesse daran, ihn möglichst schnell zu verkaufen, um seine Risiken zu beenden, seine Einkünfte zu realisieren und wenn möglich von neuem zu beginnen. Vom Preisvergleich geleitet, verteilt er die Lebensmittel über die ganze Landesfläche, immer beginnend beim höchsten Preis, das heißt dort, wo die Not am größten ist. Es ist also nicht möglich, sich eine Organisation vorzustellen, die besser am Interesse derer ausgerichtet ist, die Hunger haben, und die Schönheit dieser Organisation, die von den Sozialisten nicht wahrgenommen wird, kommt genau daher, dass sie frei ist. — Sicher ist der Verbraucher gezwungen, dem Handel seine Ausgaben für Transport, Grenzüberschreitung, Lagerhaltung, Kommission usw. zu ersetzen; aber in welchem System muss nicht derjenige, der den Weizen isst, die Ausgaben ersetzen, die notwendig waren, ihn bereitzustellen? Zusätzlich muss man einen Anteil für den geleisteten Dienst bezahlen: Aber dieser Anteil ist durch die Konkurrenz auf das mögliche Minimum reduziert, und was seine Berechtigung angeht, so wäre es merkwürdig, wenn die Pariser Handwerker nicht für die Marseilleser Händler arbeiteten, wo doch die Marseilleser Händler für die Pariser Handwerker arbeiten.

Was wird geschehen, wenn gemäß der sozialistische Erfindung der Staat den Handel ersetzt? Bitte zeigen Sie mir, wo für die Öffentlichkeit die Ersparnis wäre. Wäre sie im Einkaufspreis? Aber man stelle sich die Abgesandten von vierzigtausend Gemeinden vor, die an einem festgelegten Tag und am Bedarfstag in Odessa eintreffen, man bedenke die Auswirkung auf die Preise. Läge die Ersparnis in den Kosten? Aber bräuchte man weniger Schiffe, weniger Matrosen, weniger Entladungen, weniger Lagerhaltung, oder wäre man davon frei, dies alles zu bezahlen? Wäre sie im Gewinn der Händler? Aber werden Ihre delegierten Beamten umsonst nach Odessa kommen? Werden sie für das Prinzip der Brüderlichkeit reisen und arbeiten? Müssen sie nicht leben? Muss man ihnen nicht die aufgewendete Zeit bezahlen? Und glauben Sie, dass das nicht tausendmal die zwei oder drei Prozent überschreiten wird, die der Händler verdient, den Satz zu dem er bereit ist, den Handel abzuschließen?

Und dann bedenken Sie die Schwierigkeit, so viele Steuern zu erheben, so viele Lebensmittel zu verteilen. Bedenken Sie die Ungerechtigkeiten, die Missbräuche, die von einem solchen Unternehmen untrennbar sind. Bedenken Sie die Verantwortung, die dann auf der Regierung lastet.

Die Sozialisten, die diesen Unsinn erfunden haben, und die ihn in Unglückstagen den Massen einflüstern, verleihen sich großzügig den Titel fortschrittliche Männer — und dies nicht ohne eine gewisse Gefahr, dass die Gewohnheit, dieser Sprachtyrann, das Wort bestätigt und das Urteil, das es impliziert. Fortschrittlich! Das unterstellt, dass diese Herren eine weitere Sicht haben als der gewöhnliche Mann; dass ihr einziger Fehler ist, Ihrem Jahrhundert zu weit voraus zu sein; und dass, wenn die Zeit noch nicht gekommen ist, gewisse freie Dienste zu unterbinden, die angeblich parasitär sind, die Öffentlichkeit daran Schuld hat, die hinter dem Sozialismus zurück ist. Bei meiner Seele und meinem Gewissen, das Gegenteil ist wahr, und ich weiß nicht, in welches barbarische Zeitalter man zurückgehen müsste, um in diesem Punkt den sozialistischen Kenntnisstand anzutreffen.

Die modernen Sektierer setzen ständig der gegenwärtigen Gesellschaft die Gemeinschaft entgegen. Sie bemerken nicht, dass die Gesellschaft in einer freien Ordnung eine echte Gemeinschaft ist, die allen, die ihrer fruchtbaren Phantasie entspringen, ganz überlegen ist.

Erhellen wir dies durch ein Beispiel:

Damit ein Mann, wenn er aufsteht, ein Kleidungsstück anlegen kann, muss ein Stück Land eingezäunt, urbar gemacht, trockengelegt, bearbeitet, mit einer gewissen Sorte Pflanzen besät werden; Herden müssen sich davon ernähren, die ihre Wolle geben müssen, diese Wolle muss gesponnen, gewebt, gefärbt und und zu Tuch verarbeitet werden; dies Tuch muss geschnitten, genäht und zu Kleidern verarbeitet werden. Und diese Folge von Tätigkeiten enthält eine Menge anderer; denn sie beruht auf dem Gebrauch von Ackergeräten, auf Schäfern, Fabriken, Öl, Maschinen, Wägen, usw.

Wenn die Gesellschaft nicht eine sehr reale Gemeinschaft wäre, so müsste derjenige, der ein Kleidungsstück haben will, allein für sich selbst arbeiten, d.h. selbst die unzählbaren Handlungen dieser Abfolge vornehmen, von Anfang bis Ende, von dem ersten Spatenstich, bis zu dem letzten Nadelstich.

Aber dank der Geselligkeit, die unserer Spezies eigentümlich ist, sind diese Tätigkeiten auf viele Arbeiter verteilt, und sie teilen sich mehr und mehr zum allgemeinen Wohl, mit steigendem Verbrauch und sowie eine spezialisierte Tätigkeit eine neue Industrie unterhalten kann. Danach kommt die Verteilung des Produktes, die sich nach dem Wert richtet, den jeder zu dem Gesamtwerk beigetragen hat. Wenn dies keine Gemeinschaft ist, so frage ich, was dann.

Bemerken Sie, dass keiner der Arbeiter das kleinste Partikel Materie aus dem Nichts gezogen hat: Sie haben sich darauf beschränkt, sich gegenseitige Dienste zu leisten, sich untereinander zu einem gemeinsamen Ziel zu verhelfen. Und alle können mit Blick auf die anderen als Vermittler betrachtet werden. Wenn zum Beispiel im Verlauf des Werkes der Transport so wichtig wird, so dass er eine Person beschäftigt, das Spinnen eine zweite, das Weben eine dritte, warum wird dann die erste für parasitärer als die anderen gehalten? Muss der Transport nicht gemacht werden? Widmet, wer ihn macht, ihm nicht Zeit und Mühe? Erspart er sie nicht seinen Genossen? Machen sie mehr oder etwas anderes als er? Sind sie nicht alle gleichermaßen bei der Entlohnung, d.h. bei der Aufteilung des Produktes, dem Gesetz des ausgehandelten Preises unterworfen? Geschieht nicht diese Arbeitsteilung und ihre Vereinbarungen in voller Freiheit und für das öffentliche Wohl? Wozu brauchen wir also einen Sozialisten, der unter dem Vorwand der Organisation despotisch unsere freiwilligen Vereinbarungen stört, die Arbeitsteilung behindert, gemeinsame Bemühungen durch isolierte ersetzt und die Zivilisation zurückdreht?

Ist die Gemeinschaft, wie ich sie hier beschreibe, darum weniger Gemeinschaft, weil jeder frei ein- und austritt, seinen Platz wählt, aus seiner Verantwortung heraus urteilt und verhandelt und den Antrieb und Garantie des persönlichen Interesses hineinträgt? Muss, damit sie diesen Namen verdient, ein sogenannter Reformer kommen und uns seine Formel und seinen Willen auferlegen und sozusagen die Menschheit auf sich konzentrieren?

Je mehr man diese fortschrittlichen Schulen untersucht, desto mehr bleibt man überzeugt, dass nur eines zugrundeliegt: Unwissenheit, die sich für unfehlbar erklärt und im Namen dieser Unfehlbarkeit den Despotismus fordert.

Möge der Leser diese Abschweifung entschuldigen. Sie ist vielleicht nicht unnütz zu einem Zeitpunkt, wo Verkündigungen gegen Vermittler aus den Büchern Saint-Simons, der Phalanstérier und Icarier den Journalismus und die Rednertribünen beherrschen und die Freiheit der Arbeit und des Tausches ernsthaft bedrohen.

VII. Einfuhrbeschränkung

Herr Verbieter (nicht ich bin es, der ihn eingeführt hat, sondern Herr Charles Dupin, der seitdem… aber lassen wir das…), Herr Verbieter widmete seine Zeit und sein Kapital der Umwandlung der Mineralien seiner Ländereien in Eisen. Weil die Natur großzügiger zu den Belgiern war, geben sie ihr Eisen den Franzosen billiger als Herr Verbieter, was bedeutet, dass alle Franzosen — oder Frankreich — eine gegebene Menge Eisen für weniger Arbeit erhalten konnten, wenn sie es von den ehrenwerten Flamen kauften. Und so, ihrem Interesse folgend, ließen sie es daran auch nicht fehlen, und täglich sah man eine Menge Nagelschmiede, Schmiede, Wagner, Mechaniker, Hufschmiede und Arbeiter persönlich oder über Vermittler in Belgien einkaufen. Dies missfiel Herrn Verbieter sehr.

Zunächst kam ihm die Idee, diesen Missbrauch aus eigener Kraft abzustellen. Das wäre das Mindeste, da ja nur er darunter litt. Ich werde mein Gewehr nehmen, sagt er sich, ich werde vier Pistolen an meinen Gürtel hängen, meine Patronentasche füllen, mir meinen Flamberg umhängen und mich so an die Grenze begeben. Dort werde ich den ersten Schmied, Nagelschmied, Hufschmied, Mechaniker oder Schlosser, der dort seine Angelegenheiten statt meiner betreibt, töten, damit er Lebensart lerne.

Als er gerade gehen will, kamen Herrn Verbieter einige Gedanken, die seinen kriegerisches Eifer ein bisschen dämpfen. Er sagt sich: Zunächst ist es nicht absolut unmöglich, dass die Käufer von Eisen, meine Landesbrüder und Feinde, die Sache übel aufnehmen, und anstatt sich töten zu lassen, mich selber töten. Außerdem können wir, selbst wenn ich alle meine Angestellten aufbringe, nicht alle Übergänge bewachen. Zu guter Letzt wird mich dies Vorgehen einiges kosten, mehr als das Ergebnis wert ist.

Herr Verbieter wollte sich gerade traurig darein fügen, dass er nicht freier ist als alle anderen, als er einen Geistesblitz hat.

Ihm fällt ein, dass es in Paris eine große Fabrik für Gesetze gibt. „Was ist ein Gesetz?“, sagt er sich. Es ist eine Regel, der sich, sei sie gut oder schlecht — einmal verordnet — jedermann fügen muss. Zur Durchsetzung einer solchen organisiert man eine öffentliche Truppe, und um diese öffentliche Truppe zu unterhalten, entzieht man der Nation Menschen und Geld.

Wenn ich erreichte, dass aus der großen Pariser Fabrik ein klitzekleines Gesetz herauskäme, das lautet: „Die Einfuhr von belgischem Eisen ist verboten“, erreichte ich Folgendes: Die Regierung wird die paar Diener, die ich zur Grenze fahren wollte, durch zwanzigtausend Söhne meiner widerspenstigen Schmiede, Schlosser, Hufschmiede, Handwerker, Mechaniker und Arbeiter ersetzen. Außerdem wird sie, um diese zwanzig tausend Zöllner bei guter Laune und Gesundheit zu halten, ihnen fünfundzwanzig Millionen Franc auszahlen, die von denselben Schmieden, Nagelschmieden, Handwerkern und Arbeitern genommen werden. Die Wache würde von ihnen besser durchgeführt, sie würde mich nichts kosten, ich wäre der Brutalität der Eisenhändler nicht ausgesetzt, ich könnte das Eisen zu meinem Preis verkaufen, ich genösse die süße Genugtuung, unser großes Volk beschämend mystifiziert zu sehen. Das wird es lehren, unablässig zu verkünden, es würde allen europäischen Fortschritt vorantreiben und vorwegnehmen. Oh! Der Coup wäre pikant und ist den Versuch wert.

Also begibt sich Herr Verbieter in die Fabrik der Gesetze. — Ein andermal werde ich vielleicht die Geschichte seiner dunklen Ränke erzählen; heute will ich nur von seinem offenen Vorgehen berichten. — Er macht vor den Herren Gesetzgebern folgende Betrachtung geltend:

Das belgische Eisen verkauft sich in Frankreich zu zehn Franc, was mich zwingt, das meine zum selben Preis zu verkaufen. Ich würde es lieber zu fünfzehn Franc verkaufen und kann es nicht wegen diesem verfluchten belgischen Eisen. Machen Sie ein Gesetz, das sagt: — Das belgische Eisen darf nicht mehr nach Frankreich importiert werden. — Sofort werde ich meinen Preis um fünf Franc erhöhen, und dies wären die Folgen:

Für jedes Quint Eisen, das ich der Öffentlichkeit liefere, werde ich statt zehn Franc fünfzehn Franc bekommen, ich werde schneller reich werden, ich werde meinen Abbau erweitern, ich werde mehr Arbeiter beschäftigen. Meine Arbeiter und ich werden mehr Ausgaben tätigen, zum großen Vorteil unserer Zulieferer im Umkreis von mehreren Meilen. Diese werden größeren Absatz haben, und folglich mehr Aufträge an die Industrie vergeben und nach und nach wird die Beschäftigung im ganzen Land steigen. Dieses selige hundert Sous Stück, das Sie in meinen Geldschrank fallen lassen, wird wie ein Stein, den man in einen See wirft, weithin unendlich viele konzentrische Kreise ziehen.

Von dieser Rede bezaubert, begeistert zu erfahren, dass es so leicht ist, das Vermögen eines Volkes durch Gesetzgebung zu erhöhen, stimmten die Gesetzesfabrikanten für die Einfuhrsperre. Was redet man von Arbeit und Sparsamkeit, sagten sie. Wozu diese mühsamen Mittel, um den nationalen Reichtum zu mehren, wenn doch ein Dekret genügt?

Und tatsächlich hatte das Gesetz alle Folgen, die von Herrn Verbieter angeführt wurden, nur hat es auch noch andere, denn — lassen wir ihm Gerechtigkeit widerfahren — er hat keine falsche Überlegung angestellt sondern eine unvollständige. Als er ein Privileg forderte, stellte er die Wirkungen heraus, die man sieht und ließ die im Schatten, die man nicht sieht. Er hat nur zwei Persönlichkeiten gezeigt, wo es doch drei auf der Bühne gab. An uns liegt es dies unfreiwillige oder absichtliche Versehen zu beheben.

Ja, der Ecu, der so gesetzlich in den Geldschrank von Herrn Verbieter geleitet wurde, stellt einen Vorteil dar für ihn und für diejenigen, deren Arbeit er fördern muss. — Und wenn dieser Ecu durch das Dekret vom Mond herabgestiegen wäre, würden diesen guten Wirkungen keine schlechten kompensierend gegenüberstehen. Unglücklicherweise ist es nicht der Mond, von dem dies mysteriöse hundert Sous Stück kommt, sondern vielmehr die Tasche eines Schmiedes, Nagelschmiedes, Wagners, Hufschmieds, Arbeiters, Ingenieurs, mit einem Wort, von Hans Biedermann, der es heute zahlt, ohne ein Milligramm Eisen mehr zu erhalten als zu den Zeiten, wo er noch zehn Franc zahlte. Man muss doch auf den ersten Blick bemerken, dass dies die Frage sehr ändert, denn offensichtlich wird der Gewinn von Herrn Verbieter durch den Verlust von Hans Biedermann kompensiert, und alles, was Herr Verbieter mit diesem Ecu zur Förderung der Arbeit tun kann, hätte auch Hans Biedermann getan. Der Stein ist nur an einer Stelle in den See geworfen worden, weil er gesetzlich gehindert worden ist, an einer anderen Stelle hineingeworfen zu werden.

Also kompensiert, was man nicht sieht, das was man sieht, und insoweit bleibt als Resultat der Operation eine Ungerechtigkeit und — bedauerlicherweise — eine Ungerechtigkeit, begangen durch das Gesetz.

Dies ist nicht alles. Ich habe gesagt, dass man eine dritte Person immer im Dunkeln lässt. Ich muss sie hier erscheinen lassen, damit sie uns einen zweiten Verlust von fünf Franc offenbart. Dann haben wir erst das Ergebnis der Operation im ganzen.

Hans Biedermann ist Besitzer von 15 Franc — erwirtschaftet im Schweiße seines Angesichts. Wir befinden uns noch in der Zeit, wo er frei entscheiden kann. Was macht er mit seinen 15 Franc? Er kauft einen Modeartikel für 10 Franc und mit diesem Modeartikel bezahlt er (oder der Vermittler zahlt für ihn) das Quint belgischen Eisens. Hans Biedermann bleiben 5 Franc. Er schmeißt sie nicht in den Fluss, sondern (und dies ist, was man nicht sieht) gibt sie einem Industriellen im Tausch für einen irgendwie gearteten Nutzen, zum Beispiel einem Buchladen für die Abhandlung über Universalgeschichte von Bossuet.

So wird die nationale Arbeit im Maße von 15 Franc gefördert, nämlich:

  • 10 Franc, die an den Pariser Kleinhandel gehen;
  • 5 Franc, die an den Buchladen gehen.

Und Hans Biedermann erhält für seine 15 Francs zwei Artikel nach seiner Wahl, nämlich:

  • Ein Quint Eisen;
  • Ein Buch.

Nun kommt das Dekret.

Wie ändert sich die Lage von Hans Biedermann? Wie die der nationalen Arbeit?

Hans Biedermann zahlt seine 15 Franc bis zum letzten Cent an Herrn Verbieter gegen ein Quint Eisen und hat nur noch die Nutznießung von einem Quint Eisen. Er verliert die Nutznießung eines Buches oder irgendeines anderen gleichwertigen Objektes. Er verliert 5 Franc. Man wird das zugeben; man kann nicht umhin zuzugeben, dass wenn die Einfuhrschranke die Preise erhöht, der Konsument die Differenz verliert.

Aber, sagt man, die nationale Arbeit gewinnt sie.

Nein, sie gewinnt sie nicht; denn nach dem Dekret ist sie gefördert wie vorher, nämlich im Maße von 15 Franc.

Nur nach dem Dekret gehen die 15 Franc von Hans Biedermann an die Metallurgie, während sie sich vor dem Dekret auf den Modeladen und den Buchladen aufteilten.

Die Gewalt, die Herr Verbieter selbst an der Grenze ausübt, oder diejenige, die er durch das Gesetz ausüben lässt, könnten vom moralischen Gesichtspunkt sehr verschieden beurteilt werden. Es gibt Leute, die glauben, dass der Raub alle Unmoralität verliert, solange er nur legal ist. Ich meinerseits könnte mir keinen erschwerenderen Umstand vorstellen. Wie dem auch sei, die volkswirtschaftlichen Ergebnisse sind dieselben.

Drehen Sie die Sache, wie sie wollen, aber haben Sie ein wachsames Auge und Sie werden sehen, dass nichts Gutes vom legalen oder illegalen Raub kommt. Wir leugnen nicht, dass daraus für Herrn Verbieter und seine Industrie — oder wenn man so will, für die nationale Industrie — ein Gewinn von fünf Franc entsteht. Aber wir heben hervor, dass daraus auch ein zweifacher Verlust entsteht, der eine für Hans Biedermann, der 15 Franc statt 10 Franc zahlt; der andere für die nationale Arbeit, die den Unterschied nicht empfängt. Wählen Sie den der beiden Verluste aus, mit dem Sie den Gewinn ausgleichen wollen, den wir zugeben. Der andere wird nichtsdestoweniger einen Nettoverlust darstellen.

Moral: Zwang ist keine Produktion, sondern Zerstörung. Oh! Wenn Zwang Produktion wäre, wäre unser Frankreich reicher.

VIII. Die Maschinen

Fluch den Maschinen! Jedes Jahr treibt ihre vordringende Macht Millionen von Arbeitern in den Pauperismus, indem sie ihnen die Arbeit nimmt, mit der Arbeit den Lohn, mit dem Lohn das Brot! Fluch den Maschinen!

So der Aufschrei des populären Vorurteils, dessen Echo in den Zeitungen widerhallt.

Aber die Maschinen verfluchen heißt den menschlichen Geist verfluchen!

Mich macht betroffen, dass überhaupt jemand bei einer solchen Lehre ein gutes Gefühl hat.

Ist sie nämlich wahr, was ist dann die unausweichliche Folge? Dass es Beschäftigung, Wohlergehen, Wohlstand und Glück nur für dumme, geistig unbewegliche Völker gibt, denen Gott nicht die unheilvolle Gabe verliehen hat, zu denken, zu beobachten, Schlüsse zu ziehen, zu erfinden, die größten Ergebnisse mit den geringsten Mitteln zu erzielen. Anders gesagt: Lumpen, erbärmliche Hütten, Armut, Unterernährung sind das unvermeidliche Los jeder Nation, die forscht und im Eisen, im Feuer, im Wind, in der Elektrizität, im Magnetismus, in den Gesetzen der Chemie und der Mechanik, mit einem Wort in den Kräften der Natur eine Ergänzung ihrer eigenen Kräfte sucht und findet. Und man darf dann wohl mit Rousseau sagen: Jeder Mensch, der denkt, ist ein verdorbenes Tier.

Das ist nicht alles: Wenn diese Doktrin wahr ist, so muss man — da ja alle Menschen denken und erfinden, da tatsächlich alle in jeder Minute ihres Lebens von der Ersten bis zur Letzen versuchen, natürliche Kräfte mitarbeiten zu lassen, mehr mit weniger zu erreichen, ihre Arbeit oder das, was sie zahlen zu verringern, den größtmöglichen Konsum mit der geringstmöglichen Arbeit zu erreichen — aus all dem schließen, dass die Menschheit im Ganzen zu ihrem Niedergang strebt, genau durch dieses intelligente Streben nach Fortschritt, das jedes ihrer Mitglieder quält.

Daher muss aus der Statistik hervorgehen, dass die Bewohner von Lancaster aus dieser Heimat der Maschinen fliehen, um in Irland Arbeit zu suchen, wo diese unbekannt sind, und aus der Geschichte, dass in Epochen der Zivilisation finstere Barbarei herrscht und dass die Zivilisation in den Zeiten der Unwissenheit und Barbarei erstrahlt.

Offensichtlich liegt in dieser Flut von Widersprüchen etwas Schockierendes, das uns darauf hinweist, dass das Problem einen Lösungsansatz enthält, der nicht genügend erhellt wurde.

Hier ist das ganze Geheimnis: hinter dem, was man sieht, liegt, was man nicht sieht. Ich werde versuchen, Licht darauf zu werfen. Mein Argument kann nur eine Wiederholung des vorhergehenden sein, denn es handelt sich um eine identische Fragestellung.

Die Menschen neigen, wenn sie nicht mit Gewalt gehindert werden, von Natur aus dazu, sich an das Billige zu halten, das heißt an das, was ihnen bei gleichem Konsum Arbeit erspart, ob dieses Billige ihnen nun von einem geschickten ausländischen Produzenten geboten wird oder von einem geschickten mechanischen Produzenten. Der theoretische Einwand, den man gegen diese Neigung bringt, ist in beiden Fällen derselbe. Im einen wie im anderen Fall wirft man diesem Produzenten die Arbeit vor, die er scheinbar zur Untätigkeit verurteilt. Doch was ihn auszeichnet ist genau, Arbeit nicht untätig sondern verfügbar zu machen.

Deshalb setzt man ihm auch in beiden Fällen dasselbe praktische Hindernis entgegen — die Gewalt. Der Gesetzgeber hindert die ausländische Konkurrenz und verbietet die mechanische Konkurrenz. — Denn welches andere Mittel kann es geben, ein natürliches Streben aller Menschen zu beschränken, als ihnen die Freiheit zu nehmen?

In vielen Ländern, zugegeben, schlägt der Gesetzgeber nur eine dieser beiden Konkurrenzen und beschränkt sich darauf, über die andere zu stöhnen. Dies beweist nur eines, nämlich dass der Gesetzgeber dieses Landes inkonsequent ist.

Das darf uns nicht überraschen. Auf einem falschen Wege ist man immer inkonsequent, sonst würde man die Menschheit ausrotten. Niemals hat man gesehen und niemals wird man sehen, dass ein falsches Prinzip bis ans Ende getrieben wird. Ich habe es bereits anderswo gesagt: Die Inkonsequenz ist die natürliche Schranke der Absurdität. Ich hätte hinzufügen können: Sie ist auch gleichzeitig ihr Beweis.

Kommen wir zu unserem Argument. Es wird nicht lang sein.

Hans Biedermann besaß zwei Franc, die er zwei Arbeiter verdienen ließ.

Aber nun erdachte er eine Einrichtung aus Seilen und Gewichten, die die Arbeit um die Hälfte vermindert.

Also erhält er das gleiche Ergebnis, spart einen Franc und entlässt einen Arbeiter.

Er entlässt einen Arbeiter; das ist, was man sieht.

Und weil man nur dies sieht, sagt man: Da sieht man, wie das Elend der Zivilisation auf dem Fuß folgt, wie die Freiheit die Gleichheit zunichte macht. Der menschliche Geist hat eine Eroberung gemacht und sofort ist ein Arbeiter für immer in den Abgrund des Pauperismus gefallen. Es ist allerdings möglich, dass Hans Biedermann weiterhin beide Arbeiter arbeiten lässt, aber er wird nur jedem zehn Sous geben, weil sie sich untereinander Konkurrenz machen und sich zu herabgesetztem Preis anbieten. So werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Man muss die Gesellschaft neu organisieren.

Ein schöner Schluss und würdig des Anfangs!

Glücklicherweise sind Anfang und Schluss alle beide falsch, denn hinter der Hälfte des Phänomens, die man sieht, steht die andere Hälfte, die man nicht sieht.

Man sieht nicht den gesparten Franc von Hans Biedermann und die notwendigen Wirkungen dieser Ersparnis.

Denn durch seine Erfindung gibt Hans Biedermann nur noch einen Franc für Handlanger aus, um ein bestimmtes Bedürfnis zu verfolgen, ihm bleibt ein anderer Franc.

Wenn es also auf der Welt einen Arbeiter gibt, der seine unbeschäftigten Hände anbietet, so gibt es auf der Welt auch einen Kapitalisten, der seinen unbeschäftigten Franc anbietet. Diese beiden Elemente treffen und verbinden sich.

Und es ist klar wie der Tag, dass das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage an Arbeit, zwischen Angebot und Nachfrage an Lohn kein bisschen anders geworden ist.

Die Erfindung und ein Arbeiter, bezahlt mit dem ersten Franc, vollbringen jetzt das Werk, das vorher zwei Arbeiter vollbracht haben.

Der zweite Arbeiter, bezahlt mit dem zweiten Franc, verwirklicht ein neues Werk. Gibt es also eine Veränderung auf der Welt?

Es gibt einen nationalen Konsum mehr, mit anderen Worten, die Erfindung ist eine kostenlose Eroberung, ein kostenloser Gewinn für die Menschheit.

Aus der Form, wie ich meine Argumentation geführt haben, könnte man den folgenden Schluss ziehen:

Der Kapitalist ist es, der den ganzen Vorteil der Maschinen empfängt. Die Klasse der Lohnarbeiter — wenn sie auch nur vorübergehend leidet — profitiert davon nie, denn wie Sie selber sagen, verlagern die Maschinen einen Teil der nationalen Arbeit, zwar ohne sie zu vermindern aber auch ohne sie zu vermehren.

Diese kleine Schrift geht nicht darauf aus, alle Entgegnungen zu widerlegen. Sein einziges Ziel ist, ein volkstümliches, sehr gefährliches und sehr verbreitetes Vorurteil zu bekämpfen. Ich wollte beweisen, dass eine neue Maschine nur eine gewisse Zahl von Händen verfügbar macht, indem sie zwingend auch den Lohn freisetzt, der für sie ausgegeben wurde. Diese Hände und dieser Lohn finden sich, um zu produzieren, was man vor der Erfindung nicht produzieren konnte; woraus folgt, dass die Erfindung als endgültiges Ergebnis einen Anstieg des Konsums bei gleicher Arbeit hat.

Wer erntet diesen Konsumüberschuss?

Ja, es ist zunächst der Kapitalist, der Erfinder, der erste, der sich der Maschine mit Erfolg bedient und dies ist die Entlohnung seines Genies und seines Mutes. In diesem Fall verwirklicht er, wie wir gesehen haben, eine Ersparnis von Produktionskosten, die wie immer sie ausgegeben wird (und sie wird es immer), genauso viele Hände beschäftigt, wie die Maschine freigesetzt hat.

Aber in Kürze zwingt ihn die Konkurrenz, seinen Verkaufspreis gerade um das Maß der Ersparnis selbst zu senken. Und dann ist es nicht mehr der Erfinder, der den Nutzen der Erfindung erntet, es ist der Käufer des Produktes, der Verbraucher, die Öffentlichkeit, hierin eingeschlossen die Arbeiter, mit einem Wort, die Menschheit.

Und was man nicht sieht ist, dass die Ersparnis, die so allen Verbrauchern weitergegeben wird, einen Fond bildet, aus dem der Lohn einen Unterhalt entnimmt, der den ersetzt, den die Maschine genommen hat.

So, indem wir das obige Beispiel wieder aufnehmen, erhält Hans Biedermann ein Produkt für die Ausgabe von zwei Franc an Löhnen. Dank seiner Erfindung, kostet ihn die Handarbeit nur noch einen Franc.

Solange er das Produkt zum selben Preis verkauft, gibt es einen Arbeiter weniger, der dieses spezielle Produkt produziert, dies ist, was man sieht; aber es gibt einen Arbeiter mehr, der durch den Franc beschäftigt wird, den Hans Biedermann gespart hat: dies ist, was man nicht sieht.

Später ist Hans Biedermann durch den natürlichen Lauf der Dinge gezwungen, den Preis seines Produktes um einen Franc zu senken, also verwirklicht er keine Ersparnis mehr; also verfügt er nicht mehr über einen Franc, um der nationalen Arbeit eine neue Produktion in Auftrag zu geben. Aber dafür ist sein Käufer an seine Stelle getreten, und dieser Käufer ist die Menschheit. Wer immer das Produkt kauft, zahlt einen Franc weniger, spart einen Franc, und hält notwendig diese Ersparnis zu Diensten des Fonds der Löhne bereit: Das ist auch, was man nicht sieht.

Man hat diesem Problem der Maschinen eine andere Lösung gegeben, die auf Tatsachen beruht.

Man hat gesagt: Die Maschine mindert die Kosten der Produktion und lässt den Preis des Produktes sinken. Die Preissenkung bewirkt ein Anwachsen des Konsums, dieser erzwingt ein Anwachsen der Produktion und damit werden nach der Erfindung ebenso viele Arbeiter oder sogar mehr Arbeiter beschäftigt, als man vorher brauchte. Man führt zum Beleg den Druck, die Spinnerei, die Presse, etc. an.

Dieses Argument ist nicht wissenschaftlich.

Man müsste daraus schließen: Wenn der Verbrauch eines speziellen Produktes, um das es geht, konstant oder nahezu konstant bleibt, schadet die Maschine der Arbeit. — So ist es nicht.

Nehmen wir an, dass in einem Land alle Männer Hüte tragen. Wenn man es durch eine Maschine schafft, ihren Preis um die Hälfte zu senken, folgt nicht notwendig, dass man doppelt so viele nachfragen wird.

Wird man in diesem Falle sagen, dass ein Teil der nationalen Arbeit entfallen ist? Ja, nach dem volkstümlichen Argument. Nein, nach meinem. Denn wenn man in diesem Land auch nicht einen einzigen Hut mehr kauft, wird der gesamte Fond der Löhne doch nicht geringer werden: Was weniger an die Hutindustrie geht, wird sich in der Ersparnis für alle Konsumenten wiederfinden und wird, statt die Arbeit zu entlohnen, welche die Maschine unnütz gemacht hat, eine Neuorientierung aller Industrien hervorrufen.

So geht es wirklich zu. Ich habe die Zeitungen bei 80 Franc stehen sehen, jetzt sind sie bei 48. Dies ist eine Ersparnis von 32 Franc für die Abonnenten. Es ist nicht sicher, zumindest nicht notwendig, dass diese 32 Franc immer noch die Richtung Journalismus-Industrie nehmen. Aber sicher, notwendig ist, dass sie, wenn nicht diese Richtung so eine andere nehmen. Der eine bedient sich ihrer, um mehr Zeitungen zu erhalten, der andere, um sich besser zu ernähren, ein dritter, um sich besser zu kleiden, ein vierter, um sich besser einzurichten.

So sind die Industrien solidarisch. Sie bilden ein großes Ensemble, wo alle Teile durch geheime Kanäle miteinander kommunizieren. Was in einer gespart wird, kommt den anderen zugute. Wichtig ist, zu verstehen, dass niemals, gar niemals, die Ersparnisse auf Kosten der Arbeit und der Löhne gehen.

IX. Kredit

Zu allen Zeiten, aber vor allem in den letzten Jahren, suchte man den Wohlstand allgegenwärtig zu machen, indem man den Kredit allgegenwärtig macht.

Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass seit der Februarrevolution die Pariser Pressen mehr als zehntausend Broschüren ausgespien haben, die diese Lösung der sozialen Frage anpreisen.

Ach, diese Lösung hat nur eine optische Täuschung zur Grundlage, wenn denn eine Täuschung eine Grundlage sein kann.

Man beginnt damit, das Zahlungsmittel mit den Produkten zu vermengen, dann vermengt man Papiergeld mit dem Zahlungsmittel und aus diesen zwei Verwirrungen leitet man eine vorgebliche Wirklichkeit ab.

Man muss in dieser Frage unbedingt das Geld, die Münzen, die Wechsel und die anderen Instrumente vergessen, mit deren Hilfe die Produkte von einer Hand in die andere wandern, um nur die Produkte selbst zu sehen, die der wahre Inhalt des Darlehens sind.

Denn wenn ein Arbeiter fünfzig Franc leiht, um einen Pflug zu kaufen, sind es nicht die fünfzig Franc, die man ihm leiht, sondern der Pflug.

Und wenn ein Händler zwanzigtausend Franc leiht, um ein Haus zu kaufen, sind es nicht zwanzigtausend Franc, die er schuldet, sondern das Haus.

Das Geld erscheint hier nur, um das Übereinkommen mehrerer Parteien zu erleichtern.

Es kann sein, dass Peter nicht bereit ist, seinen Pflug zu verleihen, und Hans ist bereit, sein Geld zu verleihen. Was macht also Wilhelm? Er leiht das Geld von Hans und kauft mit diesem Geld den Pflug von Peter.

Aber tatsächlich leiht niemand Geld für das Geld selbst. Man leiht Geld, um Produkte zu erhalten.

Nun, in keinem Land können mehr Produkte von einer Hand in die andere gehen, als es gibt.

Wie groß auch die Summe Geldes und Papiers ist, die umläuft, die Gruppe der Entleiher kann nicht mehr Pflüge, Häuser, Werkzeuge, Ausstattung, Rohstoffe leihen, als die Gruppe der Verleiher liefern kann.

Denn behalten wir wohl im Kopf, dass jeder Entleiher einen Verleiher voraussetzt und jedes Leihen ein Verleihen.

Was können die Kreditinstitute unter dieser Voraussetzung Gutes tun? Es den Leihern und Verleihern erleichtern, sich zu finden und sich zu verständigen. Aber was sie nicht tun können ist, die Menge der geliehenen und verliehenen Objekte vermehren.

Das eben wäre aber notwendig, um das Ziel der Reformatoren zu erreichen, denn sie erstreben nichts Geringeres, als Pflüge, Häuser, Werkzeuge, Ausstattung und Rohstoffe allen zur Verfügung zu stellen, die es wünschen.

Und wie stellen sie sich das vor ?

Für die Entleihung die Garantie des Staates zu geben.

Vertiefen wir die Materie, denn es gibt hier etwas, was man sieht, und etwas, was man nicht sieht. Versuchen wir beides zu sehen.

Nehmen wir an, es gibt nur einen Pflug auf der Welt und zwei Arbeiter erheben darauf Anspruch.

Peter ist der Besitzer des einzigen Pflugs, der in Frankreich zur Verfügung steht. Hans und Jakob wollen ihn leihen. Hans bietet Garantien durch seine Redlichkeit, seine Besitztümer, seinen guten Ruf. Man glaubt ihm, er hat Kredit. Jakob flößt kein Vertrauen ein oder weniger. Natürlich bietet Peter seinen Pflug Hans an.

Aber nun greift der Staat unter sozialistischem Einfluss ein und sagt zu Peter: Geben Sie Ihren Pflug Jakob, ich garantiere ihnen die Rückgabe, und diese Garantie ist mehr wert als die von Hans, denn er muss alleine für sich gerade stehen, und ich — ich besitze zwar nichts, das ist wahr — aber ich verfüge über das Vermögen aller Steuerzahler; und mit dem letzteren werde ich bei Bedarf das Kapital und den Zins bezahlen.

Folglich gibt Peter seinen Pflug Jakob: das ist, was man sieht.

Und die Sozialisten reiben sich die Hände und sagen: Sehen Sie, wie unser Plan gelungen ist. Dank des staatlichen Eingriffs hat der arme Jakob einen Pflug. Er braucht nicht mehr die Erde umzugraben; seht ihn auf dem Weg zum Glück. Ein Gut für ihn und ein Gewinn für die Nation als ganzes.

Ei nein! Meine Herren, es ist kein Gewinn für die Nation, denn hier ist, was man nicht sieht.

Man sieht nicht, dass der Pflug nur an Jakob gegangen ist, weil er nicht an Hans gegangen ist.

Man sieht nicht, dass wenn Jakob arbeitet statt umzugraben, Hans nunmehr umgraben muss statt zu arbeiten.

Dass folglich, was man für eine Vermehrung der Leihe hält nur eine Verlagerung der Leihe ist.

Außerdem sieht man nicht, dass diese Verlagerung zwei grundlegende Ungerechtigkeiten enthält.

Die Ungerechtigkeit gegen Hans, der durch seine Redlichkeit und seine Tätigkeit Kredit verdient und erkämpft hat, dessen er sich jetzt beraubt sieht.

Die Ungerechtigkeit gegen die Steuerzahler, denen zugemutet wird, eine Schuld zu zahlen, die sie nichts angeht.

Will man einwenden, die Regierung biete Hans dieselben Möglichkeiten wie Jakob? Aber da es nur einen verfügbaren Pflug gibt, können nicht zwei verliehen werden. Das Argument läuft immer darauf hinaus, dass es dank dem staatlichen Eingriff mehr Leihen gibt als es Verleihe gibt, denn der Pflug repräsentiert hier die Masse des verfügbaren Kapitals.

Ich habe die Operation freilich auf ihre einfachste Form reduziert; aber prüfen Sie mit demselben Prüfstein die kompliziertesten staatlichen Kreditinstitutionen, Sie werden sich überzeugen, dass sie nur folgendes Ergebnis haben können: den Kredit zu verlagern, nicht ihn zu vermehren. In einem gegebenen Land zu einer gegebenen Zeit gibt es nur eine gewisse Summe verfügbaren Kapitals, und das wird alles angelegt. Wenn man den Insolventen Garantien gibt, kann der Staat (immer zum Schaden des Steuerzahlers) wohl die Zahl der Leiher vermehren und so den Zinssatz in die Höhe treiben, aber er kann nicht die Zahl der Verleiher vermehren und das Gesamtausmaß der Leihen.

Beschuldige man mich nun aber nicht eines Schlusses, vor dem Gott mich bewahre. Ich sage, dass das Gesetz die Leihe nicht künstlich begünstigen muss; aber ich sage nicht, dass es sie künstlich behindern muss. Wenn sich in unserem Hypothekensystem oder anderswo Hindernisse für die Verbreitung und Anwendung des Kredites finden, soll man sie beseitigen; nichts besser, nichts gerechter als das. Aber dies ist — abgesehen von der Freiheit — alles, was die Reformatoren, die dieses Namens würdig sind, vom Gesetz verlangen können.

X. Algerien

Aber sehen Sie da vier Redner sich um die Tribüne streiten. Sie sprechen zunächst alle auf einmal, dann einer nach dem anderen. Was haben sie gesagt? Sehr schöne Dinge ohne Zweifel über die Macht und Größe Frankreichs, über die Notwendigkeit zu sähen um zu ernten, über die glänzende Zukunft unserer gigantischen Kolonie, dass es vorteilhaft sei, unseren Bevölkerungsüberschuss zu zerstreuen usw. usw. ; großartige Proben der Redekunst, immer verziert mit dem Schluss:

Stimmen Sie für fünfzig Millionen (mehr oder weniger) um in Algerien Häfen und Straßen zu bauen, um Kolonisten dorthin zu bringen, ihnen Häuser zu bauen, ihre Felder urbar zu machen. Damit werden Sie den französischen Arbeiter entlasten, die afrikanische Arbeit fördern und den Marseiller Handel befruchten. Ein reiner Gewinn.

Ja, das ist wahr, wenn man die besagten fünfzig Millionen nur von dem Augenblick an verfolgt, wo der Staat sie ausgibt, wenn man verfolgt, wo sie hingehen, nicht wo sie herkommen; wenn man nur das Gute berücksichtigt, dass sie bewerkstelligen, wenn sie den Tresor der Steuereinnehmer verlassen und nicht das Übel, das man produziert hat, auch nicht das Gute, was man verhindert hat, als man sie dort hineinleitete; ja, von diesem beschränkten Blickpunkt aus ist es ein reiner Gewinn. Das in der Barbarei gebaute Haus ist, was man sieht; der in der Barbarei angelegte Hafen ist, was man sieht; die Arbeit, die in der Barbarei hervorgerufen wird ist,was man sieht; einige Hände weniger in Frankreich, das ist, was man sieht, ein großer Umschlag von Handelsgütern in Marseille, das ist noch immer, was man sieht. Aber es gibt etwas anderes, was man nicht sieht. Das ist, dass die Millionen, die vom Staat ausgegeben wurden, nicht mehr, wie es sonst geschehen wäre, vom Steuerzahler ausgegeben werden können. Von allem Guten, das der öffentlichen Ausgabe zugeschrieben wird, muss man also alle Übel der verhinderten privaten Ausgabe abziehen; — zumindest, wenn man nicht so weit geht, zu sagen, dass Hans Biedermann mit den 100 Sous Stücken, die er wohl verdient hatte, und die ihm die Steuer raubt, nichts gemacht hätte. Eine absurde Annahme. Denn wenn er sich die Mühe gemacht hat, sie zu verdienen, so weil er hoffte, die Genugtuung zu haben, sich ihrer zu bedienen. Er hätte seinen Gartenzaun wieder aufrichten lassen und kann es nicht mehr, das ist, was man nicht sieht. Er hätte sein Feld kalken lassen und kann es nicht mehr, das ist, was man nicht sieht. Er hätte seine Hütte aufgestockt und kann es nicht mehr, das ist, was man nicht sieht. Er hätte seine Maschinenausstattung vermehrt und kann es nicht mehr, das ist, was man nicht sieht. Er wäre besser ernährt, besser gekleidet, hätte seine Söhne besser unterrichten lassen, hätte die Mitgift seiner Tochter aufgebessert und kann es nicht mehr, das ist, was man nicht sieht. Er hätte sich in den Verein für gegenseitige Hilfeleistung begeben und kann es nicht mehr, das ist, was man nicht sieht. Einerseits der Nutzen, der ihm geraubt ist und die Handlungsspielräume, die man in seinen Händen zerstört hat, andererseits die Arbeit des Erdarbeiters, des Zimmermannes, des Schmiedes, des Schneiders, des Schulmeisters in seinem Dorf, die er gefördert hätte und die es nun nicht mehr gibt, das ist immer, was man nicht sieht.

Man rechnet sehr auf die zukünftige Prosperität Algeriens; mag sein. Aber man soll auch die Flaute mitrechnen, mit der man unterdessen unvermeidlich Frankreich lahmlegt. Man zeigt mir den Marseiller Handel; aber wenn man dort mit dem Produkt der Steuer handelt, werde ich immer einen vergleichbaren Handel im Rest des Landes zeigen, der ruiniert wird. Man sagt: Hier ist ein Kolonist, der in die Barbarei transportiert wird. Das ist eine Erleichterung für die Bevölkerung, die im Lande bleibt. Ich antworte: Wie kann das sein, wenn man mit diesem Kolonisten, den man nach Algerien transportiert, auch zwei oder dreimal das Kapital dorthin transportiert hat, von dem er in Frankreich hätte leben können? 1

Das einzige Ziel, das ich im Blick habe, ist dem Leser klar zu machen, dass bei jeder öffentlichen Ausgabe hinter dem Guten, das offenliegt, ein Übel steht, das schwerer zu erkennen ist. Soweit es an mir liegt, möchte ich ihn die Gewohnheit annehmen lassen, das eine und das andere zu sehen und beides zu berücksichtigen.

Wenn eine öffentliche Ausgabe vorgeschlagen wird, muss man sie für sich selbst untersuchen, ohne die vorgebliche Förderung für die Arbeit, die daraus entsteht, denn diese Förderung ist eine Chimäre. Was in dieser Sache die öffentliche Ausgabe tut, hätte auch die private Ausgabe getan. Also steht das Interesse der Arbeit nie zur Debatte.

Es ist nicht Ziel dieser Schrift, das innere Verdienst der öffentlichen Ausgaben für Algerien zu würdigen.

Aber ich kann eine allgemeine Betrachtung nicht zurückhalten. Nämlich, dass steuerfinanzierte kollektive Ausgaben apriori immer ungünstig zu beurteilen sind. Warum? Sehen Sie:

Zunächst leidet die Gerechtigkeit immer ein bisschen. Da Hans Biedermann mit Blick auf einen Nutzen geschwitzt hat, um sein hundert Sous Stück zu erwerben, ist es zumindest ärgerlich, dass der Fiskus kommt, um ihm diesen Nutzen zu nehmen und ihn jemand anders zu geben. Sicherlich ist es dann am Fiskus oder an denen, die ihn handeln lassen, gute Gründe anzugeben. Wir haben gesehen, dass der Staat schlechte gibt, wenn er sagt: Mit diesen hundert Sous werde ich Arbeitern Beschäftigung geben, denn Hans Biedermann (sobald ihm der Star gestochen ist) wird unweigerlich antworten: Donnerwetter! Mit diesen hundert Sous kann ich sie wohl selbst beschäftigen.

Diesen Grund beiseite geräumt, zeigen sich die anderen in ihrer ganzen Nacktheit, und die Debatte zwischen dem Fiskus und dem armen Hans zeigt sich sehr vereinfacht. Wenn der Staat ihm sagt: Ich nehme dir hundert Sous, um den Polizisten zu bezahlen, der dich davon befreit, über deine eigene Sicherheit zu wachen; um die Straße zu pflastern, auf der du jeden Tag gehst; um den Magistrat zu bezahlen, der Eigentum und Freiheit Achtung verschafft; um den Soldaten zu bezahlen, der unsere Grenzen bewacht, so wird Hans Biedermann zahlen ohne zu mucksen, oder ich täusche mich sehr. Aber wenn der Staat ihm sagt: Ich nehme dir hundert Sous, um dir einen Sous Prämie zu zahlen, wenn du dein Feld gut bebaut hast; oder um deinen Sohn lernen zu lassen, was du nicht willst, dass er es lernt; oder dass der Herr Minister seinem Gastmahl einen hundert-und-ersten Gang hinzufügt; ich nehme sie, um in Algerien eine Hütte zu bauen, abgesehen davon, dass ich dir jedes Jahr hundert weitere Sous nehme, um dort einen Kolonisten zu unterhalten; und weitere hundert Sous, um einen Soldaten zu unterhalten, der den Kolonisten bewacht, und weitere hundert Sous, um einen General zu unterhalten, der den Soldaten bewacht, usw., usw., dann scheint mir, ich hörte den armen Hans schreien: Diese rechtmäßige Regierung ähnelt sehr dem Buschregime von Bondy! Und weil der Staat den Einwand vorhersieht, was tut er? Er bringt alles durcheinander, er holt genau die abscheuliche Begründung hervor, die ohne Einfluss auf die Frage sein sollte; er spricht von der Wirkung der hundert Sous auf die Arbeit; er zeigt den Koch und den Ausstatter des Ministers; er zeigt einen Kolonisten, einen Soldaten, einen General, die von den fünf Franc leben; er zeigt eben, was man sieht. Und solange Hans Biedermann nicht gelernt hat, in Betracht zu ziehen, was man nicht sieht, wird Hans Biedermann getäuscht werden. Deshalb bemühe ich mich, es ihm mit vielen Wiederholungen beizubringen.

Daraus, dass die öffentlichen Ausgaben die Arbeit verlagern ohne sie zu vermehren, folgt ein zweiter und schwerer Einwand gegen sie. Die Arbeit zu verlagern heißt, die Arbeiter zu verlagern, heißt die natürlichen Gesetze zu stören, die bei der Verteilung der Bevölkerung auf das Land vorherrschen. Wenn fünfzig Millionen dem Steuerzahler gelassen werden, ernähren sie, da der Steuerzahler überall ist, die Arbeit in den vierzigtausend Gemeinden Frankreichs; sie wirken wie ein Band, das jeden in seinem Geburtsort hält; sie verteilen sich auf alle möglichen Arbeiter und alle vorstellbaren Industrien. Wenn hingegen der Staat diese fünfzig Millionen von den Bürgern abzieht, akkumuliert und an einem bestimmten Punkt ausgibt, zieht er an diesen Punkt einen entsprechenden Teil verlagerter Arbeit, eine entsprechende Zahl fremder Arbeiter, eine treibende, haltlose, und ich wage zu sagen, gefährliche Bevölkerung, sobald der Fond erschöpft ist! — Aber so geht es zu (und ich kehre so zum Thema zurück): Diese fiebrige Betriebsamkeit, sozusagen auf einen begrenzten Ort geblasen, zieht alle Blicke auf sich, das ist was man sieht; das Volk klatscht, staunt über die Schönheit und die Leichtigkeit des Vorgehens, fordert seine Wiederholung und Ausweitung. Was es nicht sieht ist, dass eine gleiche Menge wahrscheinlich sinnvollerer Arbeit im ganzen übrigen Frankreich vernichtet worden ist.

XI. Ersparnis und Luxus

Nicht nur bei öffentlichen Ausgaben verdunkelt das, was man sieht das, was man nicht sieht. Indem es die Hälfte der Volkswirtschaft im Schatten lässt, erzeugt dies Phänomen eine falsche Moral. Es bringt die Nationen dahin, ihre moralischen und ihre materiellen Interessen als entgegengesetzt zu betrachten. Was könnte entmutigender und trauriger sein? Sehen Sie:

Es gibt keinen Familienvater, der sich nicht verpflichtet fühlt, seine Kinder Ordnung, Haushalten, Erhaltungssinn, Sparsamkeit, Mäßigung bei den Ausgaben zu lehren.

Es gibt keine Religion, die nicht gegen Pracht und Luxus wettert. Das ist sehr gut. Aber auf der anderen Seite, was ist populärer als die Aussagen:

„Sparen heißt die Adern des Volkes austrocknen.“
„Der Luxus der Großen schafft den Wohlstand der Kleinen.“
„Die Verschwender ruinieren sich, aber sie machen den Staat reich.“
„Der Überfluss des Reichen lässt das Brot des Armen wachsen.“

Da ist doch sicherlich ein klaffender Widerspruch zwischen der moralischen Idee und der sozialen. Was für große Geister ruhen in Frieden, nachdem sie den Konflikt festgestellt haben! Das ist, was ich niemals verstehen konnte; denn es scheint mir, dass man nichts Schmerzlicheres empfinden kann, als in der Menschheit zwei widersprüchliche Tendenzen festzustellen. Was! Sie läuft in den Abgrund am einen wie am anderen Ende! Sparsam läuft sie ins Elend, verschwenderisch verkommt sie in moralischer Verworfenheit!

Glücklicherweise zeigen die volkstümlichen Maximen die Ersparnis und den Luxus in einem falschen Licht und berücksichtigen nur ihre unmittelbaren Folgen, die man sieht und nicht die endgültigen Wirkungen, die man nicht sieht. Versuchen wir, diese unvollständige Sichtweise zu vervollständigen.

Mondor und sein Bruder Arist2 haben das väterliche Erbe geteilt und haben jetzt jeder fünfzig tausend Franc Rente. Mondor übt die modische Philanthropie aus. Das ist, was man einen Verschwender nennt. Er erneuert sein Mobiliar mehrmals im Jahr, wechselt seine Kutsche alle Monate; man erzählt sich die erfindungsreichen Methoden, mit denen er sie schneller zuschanden bringt: Kurz, er lässt die Lebemänner von Balzac und Alexandre Dumas verblassen.

Man muss auch das Lobkonzert hören, das ihn immer umgibt!

Erzählen Sie uns von Mondor! Mondor lebe! Er ist der Wohltäter der Arbeiter, die Vorsehung des Volkes. Freilich wälzt er sich in Orgien, er besudelt die Vorübergehenden, seine Würde und die Menschenwürde leiden ein wenig … Aber, bah, wo er sich nicht durch seine Person nützlich macht, macht er sich durch sein Vermögen nützlich. Er bringt Geld in Umlauf; sein Hof ist immer voller Lieferanten, die immer zufrieden wieder gehen. Sagt man nicht, das Gold ist rund, damit es rolle!

Arist hat einen ganz anderen Lebensplan gefasst. Wenn er nicht ein Egoist ist, ist er zumindest ein Individualist, denn er kalkuliert seine Ausgaben, sucht nur mäßige und vernünftige Genüsse, denkt an die Zukunft seiner Kinder — um es beim Wort zu nennen, er spart.

Und man muss nur hören, was das gemeine Volk über ihn sagt!

Wozu ist dieser schlechte Reiche gut, dieser Geizhals? Ohne Zweifel hat die Schlichtheit seines Lebens etwas Beeindruckendes und Rührendes. Er ist übrigens menschlich, wohltätig, großzügig, aber er rechnet. Er verzehrt nicht alle seine Einkünfte. Sein Palast ist nicht immer glänzend und voll Trubel. Welchen Verdienst erwirbt er sich bei den Tapezierern, Wagenbauern, Pferdehändlern und Süßwarenhändlern?

Diese Urteile, verderblich für die Moral, beruhen darauf, dass eines in die Augen springt: die Ausgaben des Verschwenders; und ein anderes sich ihnen entzieht: die gleich große oder sogar größere Ausgabe des Sparsamen.

Aber die Dinge wurden von dem göttlichen Erfinder der sozialen Ordnung so bewundernswert eingerichtet, dass hierin wie überall die Volkswirtschaft und die Moral — weit entfernt sich zu beeinträchtigen — übereinstimmen, und dass die Weisheit von Arist nicht nur würdiger ist, sondern außerdem profitabler als der Leichtsinn Mondors.

Und wenn ich sage profitabler, meine ich nicht nur profitabel für Arist, oder nur für die Gesellschaft im Ganzen, sondern profitabler für die heutigen Arbeiter, für die Industrie von heute.

Um dies zu beweisen, genügt es, dem Auge des Geistes die verborgenen Folgen der menschlichen Handlungen sichtbar zu machen, die das physische Auge nicht sieht.

Ja, die Verschwendung Mondors hat überall sichtbare Wirkungen: Jeder kann seine Reisekutschen, seine Landauer, seine Phaetons , die niedlichen Deckengemälde, seine wertvollen Teppiche, die Pracht seines Palastes sehen. Jeder weiß, dass seine Vollblüter über die Pferderennbahn laufen. Die Gastmahle, die er im Hotel de Paris gibt, lassen die Menge auf den Straßen stehen bleiben, und man sagt: Seht, ein guter Mann, der — weitentfernt etwas von seinen Einkünften übrig zu behalten — wahrscheinlich sein Kapital aufzehrt. — Das ist, was man sieht.

Es ist nicht ganz so leicht zu sehen, was vom Standpunkt der Arbeiter aus mit den Einkünften von Arist geschieht. Folgen wir dennoch der Spur, und wir werden uns versichern, dass alle bis zum letzten Obolus Arbeiter beschäftigen werden, so sicher wie die Einkünfte von Mondor. Nur mit dem Unterschied: Die leichtsinnige Ausgabe von Mondor ist dazu verurteilt, ständig zu sinken und ein unausweichliches Ende zu finden; die vernünftige Ausgabe von Arist wird von Jahr zu Jahr wachsen.

Und wenn es so ist, findet sich sicher das öffentliche Interesse im Einklang mit der Moral.

Arist gibt für sich und sein Haus zwanzig tausend Franc pro Jahr aus. Wenn dies nicht für sein Glück genügte, verdiente er nicht den Namen eines Weisen. — Er ist ergriffen von dem Leid, das auf den armen Bevölkerungsschichten lastet. Er fühlt sich verpflichtet, hier etwas Linderung zu bringen und widmet der Wohltätigkeit zehn tausend Franc. — Unter Händlern, Fabrikanten, Bauern hat er Freunde, die gegenwärtig in Schwierigkeiten sind. Er informiert sich über ihre Situation, um ihnen mit Klugheit und Effizienz zur Hilfe zu kommen und bestimmt für dies Werk nochmal zehn tausend Franc. — Schließlich vergisst er nicht, dass er Töchter auszustatten hat, Söhne, denen er eine Zukunft sichern muss, und legt sich folglich auf, jedes Jahr zehn tausend Franc zu sparen und anzulegen.

Hier also die Verwendung seiner Einkünfte: 1. Persönliche Ausgaben 20 000 F 2. Wohltätigkeit 10 000 F 3. Freundschaftsdienste 10 000 F 4. Ersparnis 10 000 F Nehmen wir uns jeden dieser Posten vor und wir werden sehen, dass kein einziger Obolus der nationalen Arbeit entgeht.

1. Persönliche Ausgabe. Diese hat, was Arbeiter und Ausstatter angeht, genau dieselben Wirkungen wie eine gleiche Ausgabe von Mondor. Das versteht sich von selbst. Reden wir nicht mehr davon.

2. Wohltätigkeit. Die zehntausend Franc, die dieser Bestimmung gewidmet sind, werden genauso die Industrie ernähren: Sie gelangen zum Bäcker, zum Metzger, zum Händler von Kleidung und Möbeln. Nur dienen das Brot, das Fleisch, die Kleidung nicht direkt Arist, sondern denen, die er an seine Stelle gesetzt hat. Nun, dieses Austauschen eines Konsumenten gegen einen anderen kümmert die Industrie im Ganzen in keiner Weise. Ob Arist hundert Sous ausgibt oder ob er einen Unglücklichen bittet, sie an seiner Stelle auszugeben, ist ein und dasselbe.

3. Freundschaftsdienste. Der Freund, dem Arist zehn tausend Franc gibt oder leiht, empfängt sie nicht, um sie zu vergraben. Dies widerspricht der Voraussetzung. Er bedient sich ihrer, um Waren oder Schulden zu zahlen. Im ersten Fall wird die Industrie gefördert. Wird man zu sagen wagen, dass sie mehr am Kauf eines Vollblüters für zehn tausend Franc von Mondor zu verdienen hat als an einem Kauf von Stoff für zehntausend Franc von Arist oder seinem Freund? Und wenn diese Summe dazu dient, eine Schuld zu bezahlen, ist das Ergebnis nur, dass eine dritte Person erscheint, der Gläubiger, der die zehn tausend Franc einnehmen wird, aber der sie sicherlich zu etwas in seinem Handel, seiner Fabrik, oder seinem Betrieb gebrauchen wird. Das ist ein Vermittler mehr zwischen Arist und den Arbeitern. Die Namen ändern sich, die Ausgabe bleibt und die Förderung der Industrie auch.

4. Bleiben die zehn tausend gesparten Franc; — und an dieser Stelle erscheint Mondor vom Gesichtspunkt der Förderung der Künste, der Industrie, der Beschäftigung, der Arbeiter Arist sehr überlegen, während sich vom Gesichtspunkt der Moral, Arist Mondor ein wenig überlegen zeigt.

Ich sehe die Existenz solcher Widersprüche zwischen den großen Gesetzen der Natur niemals ohne körperliches Missbehagen, das bis zur Qual geht. Wenn die Menschheit zwischen zwei Parteien wählen müsste, deren eine ihre Interessen verletzt, die andere ihr Gewissen, so müssten wir als an ihrer Zukunft verzweifeln. Glücklicherweise ist es nicht so. — Und, um Arist seine volkswirtschaftliche Überlegenheit wieder aufnehmen zu sehen, ebenso wie seine moralische Überlegenheit, reicht es das tröstende Axiom zu verstehen, das nichtsdestoweniger wahr ist, wenn es auch paradox erscheint: Sparen ist ausgeben.

Was ist das Ziel Arists, wenn er zehn tausend Franc spart? Ist es zweitausend Hundert Sous Stücke in einem Versteck in seinem Garten zu vergraben? Nein, sicherlich nicht, er möchte sein Kapital und sein Einkommen vergrößern. Folglich verwendet er das Geld, das er nicht braucht, um persönliche Bedürfnisse zu befriedigen, dazu, Land zu kaufen, ein Haus, Staatspapiere, Aktien, oder er überlässt es einem Händler oder Bankier. Folgen Sie den Écus unter all diesen Möglichkeiten, und Sie werden sich überzeugen, dass sie über Vermittler oder Leiher genauso sicher Arbeit bezahlen werden, wie wenn Arist sie nach dem Beispiel seines Bruders gegen Möbel, Juwelen oder Pferde eingetauscht hätte.

Denn wenn Arist für 10 000 F Land oder Zinseinkünfte kauft, wird er von der Überlegung geleitet, dass er diese Summe nicht auszugeben braucht, denn dies ist, was Sie ihm zum Vorwurf machen.

Aber ebenso ist der, der ihm das Land oder die Zinseinkünfte verkauft, von der Überlegung bestimmt, dass er das Bedürfnis hat, die zehntausend Franc irgendwie auszugeben.

So findet die Ausgabe in allen Fällen statt, entweder von Arist oder von denen, die ihn ersetzen.

Vom Gesichtspunkt der Arbeiterklasse, der Förderung der Beschäftigung, gibt es also zwischen dem Verhalten von Arist und dem von Mondor nur einen Unterschied; da die Ausgaben von Mondor direkt von ihm und in seiner Umgebung vorgenommen werden, sieht man sie; die von Arist finden teilweise über Vermittler und weit entfernt statt, man sieht sie nicht. Aber tatsächlich ist für den, der die Wirkungen auf die Ursachen zurückzuführen weiß, das, was man nicht sieht, so sicher, wie das, was man sieht. Die Begründung ist, dass in beiden Fällen die Ecus umlaufen, und dass nicht mehr im Geldschrank des Weisen als in dem des Verschwenders bleiben.

Es ist demnach falsch zu sagen, dass das Sparen der Industrie einen gegenwärtigen Schaden zufügt. In dieser Hinsicht ist es ebenso wohltätig wie der Luxus.

Aber wie überlegen ist es doch, wenn der Gedanke, statt sich auf den flüchtigen Augenblick zu beschränken, eine lange Dauer erfasst.

Zehn Jahre sind vergangen. Was ist aus Mondor und seinem Vermögen geworden, und aus seiner großen Popularität? Alles das ist verschwunden, Mondor ist ruiniert; weit entfernt jedes Jahr sechzig tausend Franc über den sozialen Körper zu verteilen, fällt er ihm vielleicht zur Last. In jedem Fall ist er nicht mehr das Vergnügen seiner Lieferanten, er zählt nicht mehr als Förderer der Künste und der Industrie, er nützt den Arbeitern nichts mehr, so wenig wie seiner Brut, die er im Elend hinterlässt.

Am Ende derselben zehn Jahre bringt Arist nicht nur weiterhin alle seine Einkünfte in Umlauf, sondern von Jahr zu Jahr wachsende Einkünfte. Er vergrößert das nationale Kapital, das heißt den Fond, aus dem der Lohn fließt, und weil es die Mächtigkeit dieses Fonds ist, wovon die Arbeitsnachfrage abhängt, trägt er dazu bei, die Entlohnung der Arbeiterklasse beständig zu erhöhen. Stirbt er einmal, so hinterlässt er Kinder, denen er ermöglicht hat, ihn bei seinem Werk des Fortschritts und der Zivilisation zu ersetzen.

Vom Standpunkt der Moral ist die Überlegenheit der Ersparnis über den Luxus unbestreitbar. Es ist tröstlich festzustellen, dass es vom wirtschaftlichen Standpunkt genauso ist für jeden, der nicht bei den unmittelbaren Wirkungen der Phänomene stehen bleibt, sondern seine Untersuchungen bis zu ihren letzten Wirkungen fortzuführen weiß.

XII. Recht auf Arbeit, Recht auf Gewinn

Brüder, leistet euren Beitrag, um mir Arbeit zu eurem Preis zu verschaffen. Das ist das Recht auf Arbeit, der elementare Sozialismus oder der ersten Grades. Brüder, leistet euren Beitrag, um mir Arbeit zu meinem Preis zu verschaffen. Das ist das Recht auf Gewinn, der verfeinerte Sozialismus oder der zweiten Grades.

Der eine wie der andere leben durch diejenigen ihrer Wirkungen, die man sieht. Sie sterben durch diejenigen ihrer Wirkungen, die man nicht sieht.

Was man sieht, ist die Arbeit und der Gewinn, die von dem sozialen Beitrag geschaffen werden. Was man nicht sieht, sind die Arbeiten, zu denen dieser selbe Beitrag Anlass geben würde, wenn man ihn den Steuerzahlern ließe.

1848 zeigte sich das Recht auf Arbeit einen Augenblick lang von zwei Seiten. Das reichte, um ihm in der öffentlichen Meinung den Todesstoß zu geben.

Die eine Seite nannte sich: nationale Werkstatt.

Die andere: fünfundvierzig Centimes.

Millionen flossen jeden Tag von der Rue de Rivoli in die nationalen Werkstätten. Das ist die schöne Seite der Medaille.

Aber hier ist die Rückseite. Damit Millionen dort herauskommen, müssen sie dort hineingekommen sein. Deshalb wenden sich die Organisatoren des Rechts auf Arbeit an die Steuerzahler.

Nun, die Bauern sagten: Ich muss 45 Centimes zahlen. Also verzichte ich auf ein Kleidungsstück, kalke mein Feld nicht und repariere mein Haus nicht.

Und die Arbeiter auf dem Lande sagten: Da unser Bürger auf ein Kleidungsstück verzichtet, gibt es weniger Arbeit für den Schneider; da er sein Feld nicht kalkt, gibt es weniger Arbeit für den Erdarbeiter; da er sein Haus nicht repariert, gibt es weniger Arbeit für den Zimmermann und den Maurer.

Es wäre also bewiesen, dass man einen Sack Getreide nicht zweimal mahlen kann, und dass die von der Regierung bezahlte Arbeit auf Kosten der Arbeit geht, die vom Steuerzahler selbst in Auftrag gegeben wird. Das war der Tod des Rechts auf Arbeit, das sich als eine Chimäre offenbarte und als eine Ungerechtigkeit.

Indessen, das Recht auf Gewinn, das nur die Übertreibung des Rechts auf Arbeit ist, lebt immer noch und fühlt sich ausgezeichnet.

Hat die Rolle, die der Protektionist die Gesellschaft spielen lässt, nicht etwas Peinliches?

Er sagt ihr:

Du musst mir Arbeit geben, und mehr noch, lukrative Arbeit. Ich habe dummerweise eine Industrie gewählt, die mir zehn Prozent Verlust beschert. Wenn du einen Beitrag von zwanzig Franc von meinen Landesbrüdern erhebst und mir zukommen lässt, wird sich mein Verlust in Gewinn verwandeln. Nun, der Gewinn ist ein Recht. Du schuldest ihn mir.

Die Gesellschaft, die diesen Sophisten anhört, die Zölle erhebt, um ihn zufriedenzustellen, die nicht wahrnimmt, dass der von einer Industrie erlittene Verlust nicht weniger ein Verlust ist, wenn man andere zwingt ihn zu bezahlen, diese Gesellschaft, sage ich, verdient die Bürde, die man ihr auferlegt.

So sieht man bei den zahlreichen Themen, die ich durchlaufen habe: Die Volkswirtschaft nicht zu kennen heißt, sich von der unmittelbaren Wirkung eines Phänomens blenden zu lassen; sie kennen heißt, in Gedanken und in der Vorsorge die Gesamtheit der Wirkungen in Betracht zu ziehen.3

Ich könnte hier einen Haufen anderer Fragen derselben Probe unterwerfen. Aber ich schrecke vor der Eintönigkeit einer immer gleichen Argumentation zurück und schließe damit, was Chateaubriand über die Geschichte sagt, auf die Volkswirtschaft anzuwenden. Er sagt:

Es gibt zwei Wirkungen in der Geschichte: eine unmittelbare, die ihrer Zeit bekannt ist, eine weitreichende, die man zunächst nicht erkennt. Diese Wirkungen laufen oft einander zuwider; die eine kommt aus unserer kurzfristigen Erkenntnis, die andere aus ewiger Erkenntnis. Das Ereignis der Vorsehung entfaltet sich nach dem menschlichen Ereignis. Gott erhebt sich hinter den Menschen. Verleugnen Sie, soviel sie wollen, den obersten Ratschluss, verleugnen Sie sein Eingreifen, diskutieren Sie über die Wortwahl, nennen Sie Sachzwang oder Vernunft, was das Volk Vorsehung nennt; aber betrachten Sie auf das Ende einer Tat, und sie werden sehen, dass sie immer das Gegenteil von dem erzeugt hat, was man erwartete, wenn sie nicht von Anfang an auf Moral und Gerechtigkeit gegründet war. (nach Chateaubriand, Mémoires d’outre-tombe [Erinnerungen aus dem Jenseits])

  1. Der Kriegsminister hat kürzlich bestätigt, dass jedes Individuum, das nach Algerien transportiert wurde, den Staat 8 000 Franc gekostet hat. Nun ist es sicher, dass die Unglücklichen, um die es sich handelt, in Frankreich sehr gut von einem Kapital von 4 000 Franc gelebt hätten. Ich frage, inwiefern man die französische Bevölkerung entlastet, wenn man ihr einen Mann und die Existenzmittel von zwei Männern nimmt? (der Autor) []
  2. Molière, Die Schule der Ehemänner: Der weise und liberale Arist führt am Ende die viel jüngere Braut heim. (die Übersetzer) []
  3. Wenn alle Folgen einer Handlung auf ihren Urheber zurückfielen, ginge unsere Erziehung rasch. Aber es ist nicht so. Manchmal sind die guten sichtbaren Folgen für uns, und die schlechten unsichtbaren Folgen für jemand anderen, was sie uns noch unsichtbarer macht. Man muss also warten, bis die Reaktion von denen kommt, die die schlechten Folgen der Handlung zu tragen haben. Das dauert manchmal sehr lange, und das verlängert die Herrschaft des Irrtums. Ein Mensch macht etwas, was gute Folgen in der Größe 10 zu seinem Vorteil produziert, und schlechte Folgen in der Größe 15, die auf dreißig seinesgleichen verteilt werden, so dass auf jeden nur 1/2 fällt. Im Ganzen gibt es einen Verlust und die Reaktion muss notwendig kommen. Man versteht jedoch, dass sie umso mehr auf sich warten lässt, je mehr das Übel auf die Masse verteilt ist und das Gute auf einen Punkt konzentriert. (unveröffentlichte Bemerkung des Autors) []

Der Steuereintreiber

Herr Kerbholz 1: Steuereintreiber
Hans Biedermann: Weinbauer


K: Sie haben zwanzig Fass Wein geerntet?

H: Ja, mit Müh und Schweiß.

K: So bitt ich mir sechs der besten aus.

H: Sechs von zwanzig! Güte des Himmels! Sie wollen mich ruinieren. Und, wenn ich bitten darf, wozu wollen Sie sie denn verwenden?

K: Das erste Fass ist für die Staatsgläubiger bestimmt. Wenn man Schulden hat, so muss man mindestens die Zinsen zahlen.

H: Und wo ist denn das Kapital geblieben?

K: Das würde zu weit führen. Ein Teil wurde einst auf Patronen verwandt, die den schönsten Rauch der Welt machten. Mit einem anderen Teil wurden Menschen besoldet, die sich auf fremder Erde zum Krüppel haben schießen lassen, nachdem sie sie verwüstet hatten. Nachdem diese letzteren Ausgaben uns unsere lieben Feinde auf den Hals gehetzt haben, wollten diese ohne Geld nicht wieder abziehen, das man dann leihen musste.

H: Und was kommt für mich heute dabei heraus?

K: Die Befriedigung zu sagen:

Wie bin ich stolz, ein Franzose zu sein
Wenn ich auf unsere Armee schaue.

H: Und die Demütigung, meinen Erben ein Stück Land zu hinterlassen, das mit einer ewigen Grundschuld belastet ist. Naja, man muss wohl bezahlen, was man schuldet, welchen verrückten Gebrauch man auch davon gemacht hat. Für ein Fass mag es angehen, aber die fünf anderen?

K: Eines ist nötig, um den öffentlichen Dienst zu bezahlen, die Staatsregierung, die Richter, die Ihnen die Grenzfurchen garantieren, welche Ihr Nachbar sich aneignen will, die Gendarmen, die die Diebe jagen, während Sie schlafen, den Straßendienst, welcher den Weg unterhält, der Sie zur Stadt führt, den Priester, der Ihre Kinder tauft, den Lehrer, der sie erzieht, und Ihren gehorsamen Diener, der nicht umsonst arbeitet.

H: Nun, das lässt sich doch hören, Dienst um Gegendienst. Dagegen kann man nichts sagen. Allerdings würde ich mich gerne mit dem Priester und dem Schullehrer direkt einigen; doch ich will nicht darauf bestehen, darum mag es angehen für das zweite Fass! Es ist noch weit bis sechs.

K: Halten Sie zwei Fässer für zu viel als Ihren Beitrag zur Erhaltung der Armee und der Flotte?

H: Ach! Es ist wenig im Vergleich zu dem, was sie mich bereits kosteten, denn sie haben mir zwei Söhne geraubt, die ich sehr lieb hatte.

K: Man muss doch das europäische Gleichgewicht erhalten.

H: Ach mein Gott! Das Gleichgewicht würde genauso sein, wenn man diese Kräfte überall um die Hälfte oder Dreiviertel reduzierte. Wir würden unsere Kinder und unsere Einkünfte behalten. Man muss sich nur verständigen.

K: Ja! Aber man verständigt sich nun mal nicht.

H: Das ist’s ja, was mich untröstlich macht, denn schließlich leidet jeder darunter.

K: Du hast es gewollt, Hans Biedermann! 2

H: Sie spaßen, Herr Steuereintreiber, habe ich etwa Sitz und Stimme?

K: Wen haben Sie zum Abgeordneten gewählt?

H: Einen tapferen General, der in Kürze Marschall sein wird, so Gott will.

K: Und wovon lebt denn der tapfere General?

H: Von meinen Fässern, kommt mir vor.

K: Und was würde aus ihm werden, wenn er für die Reduktion der Armee und Ihrer Beiträge stimmte?

H: Anstatt ihn zum Marschall zu befördern, würde man ihn pensionieren.

K: Begreifen Sie jetzt, dass Sie selbst…

H: Bitte — reden wir von dem fünften Fass!

K: Dasselbe wird nach Algerien gesandt.

H: Nach Algerien! Und man versichert doch, alle Moslems seien oinophob — diese Barbaren! Ich habe mich sogar oft gefragt, ob sie den Medoc nicht kennen, weil sie ungläubig sind, oder — was wahrscheinlicher ist — ob sie ungläubig sind, weil sie den Medoc nicht kennen. Übrigens, welchen Dienst leisten sie uns für diesen Göttertrank, der mich soviel Arbeit gekostet hat?

K: Keinen. Der Wein ist auch gar nicht für die Moslems bestimmt, sondern für gute Christen, die täglich in die Barbarei ziehen.

H: Und was tun sie dort, was mir nützlich wäre?

K: Überfälle ausführen und überfallen werden, töten und getötet werden, sich Durchfall zuziehen und zurückkehren, um sich behandeln zu lassen, Häfen ausheben, Straßen anlegen, Dörfer bauen und sie mit Maltesern, Italienern, Spaniern und Schweizern bevölkern, die alle auf Kosten Ihres Fasses Wein leben und von manch anderen Fässern, die ich Ihnen noch abfordern werde.

H: Barmherzigkeit! Das ist zu stark, ich verweigere Ihnen gerade heraus mein Fass. Einen Weinbauer, der solche Torheiten beginge, würde man ins Irrenhaus schicken. Landstraßen in den Atlas einhauen, großer Gott, während ich nicht vor die Tür gehen kann. In der Barbarei Häfen anlegen, während die Garonne täglich mehr versandet. Mir meine geliebten Kinder wegnehmen, um die Kabylen zu plagen. Mich die Häuser, Sämereien und Pferde bezahlen lassen, die man Griechen und Maltesern liefert, während bei uns soviel Arme sind!

K: Arme! Man befreit gerade das Land von diesem zu viel.

H: Vielen Dank! Indem man ihnen das Kapital nach Algerien nachschickt, von dem sie ebensogut hier leben könnten.

K: Sie legen dadurch den Grund zu einem großen Reich, Sie tragen die Zivilisation nach Afrika und schmücken Ihr Vaterland mit unsterblichem Ruhm.

H: Sie sind ein Poet, Herr Steuereintreiber, aber ich bin ein Weinbauer und ich verweigere.

K: Bedenken Sie, dass Sie in etwa tausend Jahren Ihren Vorschuss hundertfach zurückempfangen. So sagen jedenfalls die, die das Unternehmen leiten.

H: Währenddessen haben sie, um die Kosten zu decken, anfangs nur ein Fuder Wein von mir verlangt, dann zwei, dann drei, bis ich endlich eine ganzes Fass geben soll. Ich beharre auf meiner Weigerung.

K: Es ist zu spät. Ihr Bevollmächtigter hat für Sie die Steuer auf ein Fass oder vier volle Fuder festgesetzt.

H: Leider nur zu wahr! Verdammte Schwäche! Als ich ihn wählte, dachte ich gleich, dass ich eine Torheit begehe. Was hat ein General mit einem armen Weinbauern gemein?

K: Sie sehen wohl, dass er etwas mit Ihnen gemein hat, und sei es auch nur der Wein, den Sie ernten, und den er in Ihrem Namen sich selbst zuspricht.

H: Lachen Sie mich aus, ich verdiene es, Herr Steuereinnehmer. Aber seien Sie doch vernünftig, lassen Sie mir wenigstens das sechste Fass. Die Zinsen der Staatsschulden sind bezahlt, für die Staatsregierung ist gesorgt, der öffentliche Dienst gesichert, der Krieg in Afrika verlängert. Was wollen Sie noch?

K: Mit mir kann man nicht handeln. Sie hätten Ihre Meinung dem General sagen sollen. Jetzt hat er über Ihre Ernte verfügt.

H: Verdammter Brummbär! Aber, was wollen Sie denn mit diesem armen Fass machen — der Blume meines Kellers? Halt, probieren Sie diesen Wein. Wie er weich, kräftig, voll, mild, ausgebaut ist!

K: Ausgezeichnet! Köstlich! Er wird dem Tuch-Fabrikanten D. vortreffliche Dienste leisten.

H: Dem Herrn D. – dem Fabrikanten? Was meinen Sie?

K: Er wird guten Nutzen daraus ziehen.

H: Wie? Was? Teufel — wenn ich Sie richtig verstehe.

K: Wissen Sie nicht, dass Herr D. eine prachtvolle Unternehmung gegründet hat, die dem Lande sehr nützlich ist, und die — alles gerechnet — jährlich einen bedeutenden Verlust ausweist?

H: Ich bedaure ihn von ganzer Seele — aber was kann ich dafür?

K: Das Parlament ist zu der Einsicht gelangt, dass, wenn es so weiter geht, Herr D. vor der Wahl stünde, entweder besser zu wirtschaften oder seine Fabrik zu schließen.

H: Aber was haben die falschen Spekulationen des Herrn D. mit meinem Wein zu tun?

K: Das Parlament ist zu der Einsicht gelangt, wenn sie Herrn D. etwas Wein aus Ihrem Keller, einige Zentner Getreide aus den Scheunen Ihrer Nachbarn, einige Sous vom Lohn der Arbeiter zukommen ließe, so würde sein Verlust sich in Gewinn verwandeln.

H: Die Einnahme ist ebenso unfehlbar wie zweckmäßig. Aber zum Teufel, sie ist verdammt ungerecht. Wie! Herr D. deckt seinen Verlust mit meinem Wein?

K: Nicht gerade mit Ihrem Wein, aber mit dem Preis dafür. Das nennt man Förderungsprämien. Aber Sie sind ja ganz sprachlos? Erkennen Sie denn nicht den großen Dienst, den Sie dem Vaterland dadurch leisten?

H: Sie meinen — dem Herrn D.

K: Dem Vaterlande. Herr D. beteuert, dass seine Industrie dank dieser Einrichtung aufblühe und dass auf diese Weise das Land reicher wird. Noch dieser Tage hat er das im Parlament wiederholt, in dem er Mitglied ist.

H: Eine einmalige Gaunerei ist das. Wie! Ein Lump macht eine dumme Unternehmung auf, vertut sein Kapital, und wenn er mir genug Wein oder Getreide abgepresst hat, um seinen Verlust zu decken und sich sogar Profit zu verschaffen, so sieht man darin einen allgemeinen Gewinn!

K: Da Ihr Bevollmächtigter es so ansieht, bleibt Ihnen nichts übrig, als mir die sechs Fass Wein auszuliefern und die übrigen vierzehn Fass, die ich Ihnen lasse, bestmöglich zu verkaufen.

H: Das ist meine Sache.

K: Ich meine nur, sehen sie, dass es doch sehr ärgerlich wäre, wenn Sie nicht einen hohen Preis dafür einnähmen.

H: Dafür werde ich schon sorgen.

K: Denn es muss noch vieles mit diesem Preis bestritten werden.

H: Ich weiß, mein Herr, ich weiß.

K: Wenn Sie nämlich Eisen kaufen, um Spaten und Pflug zu erneuern, so bestimmt ein Gesetz, dass Sie dem Schmiedemeister doppelt soviel zahlen wie es wert ist.

H: Ja so, sind wir hier im Schwarzwald?

K: Außerdem, wenn Sie Öl, Fleisch, Tuch, Kohlen, Wolle, Zucker brauchen, kostet alles laut Gesetz das Doppelte von dem, was es wert ist.

H: Aber das ist schrecklich, abscheulich, widerwärtig!

K: Wozu die Klagen? Sie selbst durch Ihren Abgeordneten

H: Lassen Sie mich zufrieden mit meiner Vertretung. Ich habe sie sonderbar gewählt, das stimmt; aber man wird mich dabei nicht nochmal ertappen, und ich werde mich von guter und ehrlicher Bauernschaft vertreten lassen.

K: Ach was! Sie werden den tapferen General wieder wählen!

H: Ich, ich werde den General wieder wählen, um meinen Wein an Afrikaner und Fabrikanten verteilen zu lassen?

K: Sie werden ihn doch wieder wählen, ich sage es Ihnen!

H: Das ist ein bisschen stark. Ich werde ihn nicht wieder wählen, wenn ich nicht will.

K: Aber sie wollen, und Sie werden ihn wiederwählen.

H: Der soll nur kommen! Er wird schon merken, mit wem er es zu tun hat.

K: Wir werden ja sehen. Adieu! Ich nehme Ihre sechs Fass mit und werde sie verteilen, wie der General angeordnet hat.

  1. Im Original heißt er Lasouche, einerseits das Kerbholz zum Anschreiben der Schulden andererseits eine Figur aus Molière, Die Schule der Frauen: Sie geht am Ende leer aus.[]
  2. „Du hast es gewollt, George Dandin“, gängiges Zitat aus Molière, George Dandin: Ein reicher Bauer heiratet zu seinem Unglück eine Adlige, die ihn betrügt und erniedrigt. (Die Übersetzer) []